© 2014 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 162/14 Der Begriff „vorübergehend“ in der EU-Leiharbeitsrichtlinie Umsetzung in den Mitgliedstaaten und Richtlinienkonformität der Regelung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 2 Der Begriff „vorübergehend“ in der EU-Leiharbeitsrichtlinie Umsetzung in den Mitgliedstaaten und Richtlinienkonformität der Regelung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 162/14 Abschluss der Arbeit: 10. September 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Umsetzung des Begriffs in den Mitgliedstaaten 4 3. Rechtscharakter der Aussage, dass Leiharbeit „vorübergehend“ erfolgt 5 4. Erfordernis einer Konkretisierung durch den nationalen Gesetzgeber 7 5. Konkretisierung durch Betriebsvereinbarungen 9 6. Konkretisierung durch Einführung von „equal pay“ von Anfang an 10 7. Erforderlichkeit von Sanktionen bei dauerhafter Überlassung 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 4 1. Einleitung Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit1 (Leiharbeitsrichtlinie) gilt nach ihrem Art. 1 „für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten2.“ Dieselbe Formulierung wird in der Richtlinie mutatis mutandis auch bei der Definition der Begriffe „Leiharbeitsunternehmen“ (Art. 3 Absatz 1 Buchst. b), „Leiharbeitnehmer“ (Art. 3 Absatz 1 Buchst. c), „entleihendes Unternehmen “ (Art. 3 Absatz 1 Buchst. d) und „Überlassung“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e) verwendet. Die Leiharbeitsrichtlinie regelt damit ihrem Wortlaut zufolge ein auf vorübergehende Überlassung angelegtes Modell der Leiharbeit. Sie war von den Mitgliedstaaten bis zum 5. Dezember 2011 umzusetzen (Art. 11 der Richtlinie). 2. Umsetzung des Begriffs in den Mitgliedstaaten Einen Überblick über die Umsetzung des in der Leiharbeitsrichtlinie verwendeten Begriffs „vorübergehend “ in Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten bietet eine frühere Arbeit dieses Fachbereichs, die auf der Grundlage einer Ende 2012 über das Europäische Zentrum für Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation durchgeführten Umfrage erstellt wurde: (2012): Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie in den Mitgliedstaaten der EU. Der Begriff „vorübergehend“. Sachstand WD 6 -3000-155/12 vom 7. Dezember 2012. Berlin: Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (unveröffentlicht) Anlage 1 Neuere vergleichende Darstellungen hierzu liegen - soweit ersichtlich - nicht vor. In Deutschland ist die Leiharbeit im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) 3 geregelt. Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung4 wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 2011 § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG eingefügt, in dem es heißt: „Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt 1 ABl. EU L 327 vom 5. Dezember 2008, S. 9. 2 Hervorhebung durch den Verfasser. 3 Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG) vom 7. August 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden ist. 4 Gesetz vom 28. April 2011, BGBl. I S. 642. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 5 vorübergehend.“ Die Einfügung dient der Gesetzesbegründung zufolge der Klarstellung im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie.5 In der Rechtswissenschaft ist jedoch umstritten, ob die Vorgabe der Richtlinie insoweit hinreichend umgesetzt ist. Im Koalitionsvertrag für die 18. Wahlperiode haben die Koalitionäre vereinbart , im AÜG die Maßgabe, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher vorübergehend erfolgt, durch gesetzliche Festlegung einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten zu konkretisieren. 6 3. Rechtscharakter der Aussage, dass Leiharbeit „vorübergehend“ erfolgt Hinsichtlich der unionsrechtskonformen Umsetzung der Richtlinie werden im Wesentlichen drei Auffassungen vertreten: Die erste hält eine Konkretisierung etwa durch Festsetzung einer Höchstüberlassungsdauer für unzulässig, der zweiten zufolge darf eine Konkretisierung erfolgen, die dritte schließlich hält eine Konkretisierung des Begriffs für zwingend erforderlich. Einem Teil des Schrifttums zufolge ist der Begriff „vorübergehend“ nur als unverbindliche Beschreibung der Tatsache zu verstehen, dass Leiharbeit typischerweise vorübergehend bei dem Entleiher stattfindet, weil der Leiharbeitnehmer in einer Vertragsbeziehung zu einem Dritten, nämlich dem Verleiher steht und von diesem wieder abberufen werden kann.7 Manche Autoren vertreten die Auffassung, die Richtlinie regele nur die vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung, verbiete aber die dauerhafte Überlassung nicht.8 Nach diesen Ansichten wäre also die deutsche Umsetzung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nur insofern richtlinienkonform, als der deutschen Umsetzung ebenfalls kein weiterer Regelungsgehalt zugemessen würde. § 1 Abs. 1 Satz 2 wäre AÜG folglich als unverbindlicher „Programmsatz“ zu betrachten. Andere Rechtswissenschaftler überzeugt dies nicht. Die Richtlinie bezwecke die Sicherung von Mindestarbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer, die nicht bei dem Arbeitgeber eingesetzt werden, der mit ihnen den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Dafür sei ohne Bedeutung , ob die Überlassung nur vorübergehend oder zeitlich unbeschränkt erfolgt.9 Nach dieser 5 Bundestagsdrucksache 17/4804, S. 8. 6 Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode vom 27. November 2013, S. 49 f. Abrufbar z.B. im Internetauftritt der CDU: https://www.cdu.de/sites/default/files /media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf (letzter Abruf: 4. September 2014). 7 RIEBLE, Volker/VIELMEIER, Stephan, Umsetzungsdefizite der Leiharbeitsrichtlinie, EuZA 2011, 474, 486 ff.; weitere Nachweise bei STOFFELS 2013, BAG zum „vorübergehenden“ Einsatz von Leiharbeitnehmern, http://blog.beck.de/2013/07/11/bag-zum-vor-bergehenden-einsatz-von-leiharbeitnehmern, abgerufen am 28. August 2014. 8 HK-RECHTSANWÄLTE, Vorübergehende Überlassung – was ist dran an der Rechtsprechung, http://www.zeitarbeitund -recht.de/archive/891, abgerufen am 28. August 2014. 9 KOCH, Ulrich in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 15. Auflage 2013, § 120 Rn. 12c. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 6 Auffassung legt die Leiharbeitsrichtlinie fest, dass Leiharbeit nur „vorübergehend“ stattfinden darf.10 Aus unionsrechtlichen Gründen war demnach die Einfügung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG zwingend geboten.11 Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner jüngsten Rechtsprechung zum AÜG festgestellt, dass § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG die mehr als vorübergehende Leiharbeit verbiete. Der normative, verbindliche Charakter der Formulierung ergebe sich aus der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Regelung und entspreche auch dem aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren Willen des Gesetzgebers.12 Dies entspricht nach in der Rechtsliteratur vertretener Ansicht auch den Vorgaben des Unionsrechts , das „vollständig, eins zu eins“13 umgesetzt werden sollte. Zweck der Richtlinie sei es zu verhindern, dass die Stammbelegschaft durch Leiharbeitnehmer ersetzt und mit diesen der Dauerbeschäftigungsbedarf gedeckt wird. Vielmehr soll Leiharbeitnehmern der Wechsel in ein festes Beschäftigungsverhältnis erleichtert werden (vgl. Art. 6 der Richtlinie).14 Das BAG jedoch hat für die Beantwortung der Frage nach der Richtlinienkonformität des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG offengelassen, ob aus der Formulierung der Leiharbeitsrichtlinie ein Verbot nicht nur vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung folgt. „Auch wenn die Richtlinie ein solches Verbot nicht verlangen sollte, (könne) ihr jedenfalls auch nicht entnommen werden, dass der nationale Gesetzgeber daran gehindert wäre, die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu verbieten.“ 15 Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat das BAG nicht für erforderlich gehalten, da die Auslegung des Unionsrechts aufgrund von Wortlaut und Systematik der maßgeblichen unionsrechtlichen Regelungen hinreichend klar sei.16 Jedoch soll Leiharbeit nach Art. 4 der Leiharbeitsrichtlinie (vgl. auch Erwägungsgrund 18) nur aus Gründen des Allgemeinwohls verboten und eingeschränkt werden können. Ein generelles Verbot ist damit etwa nicht zulässig. Damit entscheidet sich die Richtlinie für die prinzipielle 10 ZIMMER, Reingard, Die Auswirkungen der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG auf die Leiharbeit in Deutschland (Vortrag bei der Hans-Böckler-Stiftung), www.boeckler.de/pdf/v_2013_03_21_zimmer.pdf, abgerufen am 28. August 2014, ebenso HAMANN, Wolfgang, Kurswechsel bei der Arbeitnehmerüberlassung?, EuZA 2 (2009), 287, 311; HAMANN, Wolfgang, Kurswechsel bei der Arbeitnehmerüberlassung?, NZA 2011, 70, 72; ULBER, Jürgen, Die Richtlinie zur Leiharbeit, AuR 2010, 10, 11, jeweils mit weiteren Nachweisen. 11 BARTL, Ewald/ROMANOWSKI, Roman, Keine Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen, NZA 2013, 1. 12 BAG, Beschluss vom 10. Juli 2013, NZA 2013, 1296, Az.: 7 ABR 91/11 Rn. 32 ff. 13 Bundestags-Plenarprotokoll 17/99, S. 11366 (B). 14 LORENZ, Frank in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 3. Auflage 2013, § 1 AÜG Rn. 15. 15 BAG, Beschluss vom 10. Juli 2013, NZA 2013, 1296, Az.: 7 ABR 91/11 Rn. 46. 16 BAG, Beschluss vom 10. Juli 2013, NZA 2013, 1296, Az.: 7 ABR 91/11, Rn. 55. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 7 Zulässigkeit von Arbeitnehmerüberlassung. Im Hinblick darauf haben Vertreter der oben genannten Auffassungen, die Richtlinie verbiete nicht die dauerhafte Überlassung, die Frage aufgeworfen , ob sie ein derartiges Verbot durch den nationalen Gesetzgeber überhaupt erlaube.17 In diesem Sinne hat ein finnisches Arbeitsgericht in einem Vorabentscheidungsverfahren dem EuGH folgende Fragen gestellt: „Ist Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Einsatz von Leiharbeitnehmern nur in den eigens aufgeführten Fällen wie dem Ausgleich von Arbeitsspitzen oder bei Arbeiten, die nicht durch eigene Arbeitnehmer eines Unternehmens erledigt werden können, zulässig ist? Kann der längerfristige Einsatz von Leiharbeitnehmern neben den eigenen Arbeitnehmern eines Unternehmens im Rahmen der gewöhnlichen Arbeitsaufgaben des Unternehmens als verbotener Einsatz von Leiharbeitskräften eingestuft werden?“18 Die Entscheidung dieser Frage durch den EuGH hat auch mittelbar Auswirkung auf die Auslegung des Merkmals „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG sowie auf die Zulässigkeit einer eventuellen Konkretisierung durch Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer oder andere Regelungen. Vor einer näheren Ausgestaltung des AÜG sollte daher die Entscheidung des EuGH in diesem Vorabentscheidungsverfahren abgewartet werden. 4. Erfordernis einer Konkretisierung durch den nationalen Gesetzgeber Die Frage, ob der nationale Gesetzgeber die Vorgabe des Unionsgesetzgebers z. B. durch Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer konkretisieren muss, gewinnt nur Bedeutung, soweit der Auffassung gefolgt wird, dass die Aussage der Richtlinie, Leiharbeit erfolge vorübergehend, ein Verbot nicht nur vorübergehender Leiharbeit beinhaltet. Im Folgenden wird daher von dieser Auslegung ausgegangen. Die Leiharbeitsrichtlinie schreibt den Mitgliedstaaten jedenfalls nicht ausdrücklich vor, das Merkmal zu konkretisieren. Grundsätzlich sind Richtlinien nach Art. 288 Abs. 3 AEUV für jeden Mitgliedstaat hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, hier der gesetzlichen Regelung der Leiharbeit im Ausgleich zwischen dem Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber und der Beschäftigungssicherheit der Arbeitnehmer (Art. 2 der Richtlinie, sog. „Flexicurity“), verbindlich. Bei der Umsetzung haben die Mitgliedstaaten hingegen die Wahl der Mittel, so dass die Umsetzung in das jeweilige nationale System der Arbeitsbeziehungen passt.19 Dabei ist jedoch im Sinne 17 THÜSING, Gregor, Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung: Neues vom BAG, vom EuGH und auch vom Gesetzgeber , NZA 2014, 10, 12. 18 Vorabentscheidungsersuchen des Työtuomioistuin (Finnland), eingereicht am 9. Oktober 2013 – Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry/Öljytuote ry, Shell Aviation Finland Oy (EUGH Az.: C-533/13). 19 ZIMMER (Fn. 10). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 8 des sogenannten „effet utile“ dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen der Richtlinie im nationalen Recht größtmögliche praktische Wirksamkeit entfalten können. Die Richtlinie ist daher nur dann als EU-rechtskonform umgesetzt anzusehen, wenn bei der Auslegung auch die dargestellten europarechtlichen Folgen berücksichtigt werden.20 Bei der Umsetzung ebenfalls zu beachten ist das europarechtliche Transparenzgebot, demzufolge die Mitgliedstaaten gehalten sind, „die Richtlinien im Interesse der in diesen Staaten ansässigen Betroffenen in einer Weise umzusetzen, die den vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgegebenen Erfordernissen der Klarheit und Sicherheit der Rechtslage in vollem Umfang gerecht wird. Dazu sind die Bestimmungen einer Richtlinie mit unbestreitbarer Verbindlichkeit sowie mit der erforderlichen Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit umzusetzen.“21 Grund dafür ist, dass die Begünstigten in der Lage sein müssen, von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen, um diese gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen zu können.22 Zum Teil wird die Ansicht vertreten, die Umsetzung der Richtlinie durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG genüge nur dann dem Transparenzgebot, wenn der Begriff entsprechend § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ausgelegt wird.23 Zwingend erscheint dies jedoch nicht. Dem BAG zufolge24 verstößt die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „vorübergehend“ jedenfalls nicht gegen das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot als Ausprägung des in Art. 28 Abs. 1 GG verankerten Rechtsstaatsgebots. Vor dem Hintergrund des Ziels des Gesetzgebers, eine flexible Zeitkomponente zu schaffen und bewusst auf eine Höchstüberlassungsdauer zu verzichten ,25 war der Gesetzgeber zur Schaffung einer auslegungsbedürftigen und mit Hilfe der herkömmlichen juristischen Methoden auch konkretisierbaren Norm berechtigt. Auch wenn sich das BAG nicht mit dem unionsrechtlichen Transparenzgebot auseinandergesetzt hat, lässt sich diese Argumentation – mit der gebotenen Vorsicht – möglicherweise übertragen. Grundgesetzliches Bestimmtheits - und europarechtliches Transparenzgebot verfolgen nämlich den gleichen Zweck, den Bürger als Normadressaten in die Lage zu versetzen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Demnach dürfte die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die nähere Auslegung der Rechtsprechung zu überlassen, noch im Einklang mit EU-Recht sein.26 Der Begriff „vorübergehend“ ist mit gängigen juristischen Methoden auslegungsfähig. Bei dieser Auslegung müssen die Vorgaben der einschlägigen EU-Richtlinie beachtet werden (richtlinienkonforme Auslegung). „Der Gesetzgeber wäre freilich nicht daran gehindert, die Anforderung ‚vorübergehend‘ durch eine fixierte 20 BARTL/ROMANOWSKI, NZA 2013, 1, 4. 21 EuGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 - C-354/99, Slg. 2001, I-7657 (Kommission/Irland), Rn. 27. 22 EuGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - C-144/99, Slg. 2001, I-3541 (Kommission/Niederlande), Rn. 17. 23 BARTL/ROMANOWSKI (Fn. 11) 4 f. 24 BAG, Beschluss vom 10. Juli 2013, NZA 2013, 1296, Az.: 7 ABR 91/11. 25 Bundestagsdrucksache. 17/4804, S. 8. 26 So auch ZIMMER (Fn. 10). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 9 Überlassungshöchstdauer zu erfüllen. Das verlangt die Richtlinie aber nicht zwingend, solange dafür gesorgt wird, dass die Leiharbeit nicht zur Umgehung von tariflichen Arbeitsbedingungen missbraucht wird.“27 Die Tatsache, dass die Einführung des unbestimmten Rechtsbegriffs in das AÜG zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit mit auch entgegengesetzten Gerichtsentscheidungen geführt hat28, könnte freilich, auch im Sinne der Herstellung größtmöglicher bürgerfreundlicher Rechtsklarheit , als Argument für eine Konkretisierung durch den Gesetzgeber angeführt werden. Sollte diese Konkretisierung durch Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer erfolgen, muss darauf geachtet werden, dass ausdrücklich auch der Bezugspunkt (Arbeitsplatz- oder Personenbezug ) geregelt wird. In Rechtsprechung und Literatur ist nämlich des Weiteren umstritten, ob sich der nur vorübergehende Einsatz von Leiharbeit auf die Einsatzzeit eines konkreten Leiharbeitnehmers oder die Besetzung eines Arbeitsplatzes durch mehrere zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgende Leiharbeitnehmer bezieht.29 Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass es auch unter den Vertretern der Auffassung, die zitierte Richtlinie verbiete dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung, Stimmen gibt, welche eine feste Höchstüberlassungsdauer ablehnen. Zur Begründung wird vorgetragen, eine solche Festlegung schränke die unternehmerische Freiheit der Zeitarbeitsunternehmen über Gebühr ein (vgl. Erwägungsgrund 18 der Leiharbeitsrichtlinie).30 5. Konkretisierung durch Betriebsvereinbarungen Geht man von einer zwingenden Konkretisierung durch den Gesetzgeber aus, könnte auch die Frage gestellt werden, inwieweit dem Konkretisierungsgebot auch durch Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 77 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) Rechnung getragen werden könnte. Ob eine Definition im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung genügen würde, erscheint zweifelhaft . 27 SCHÜREN, Peter/WANK, Rolf, Die neue Leiharbeitsrichtlinie und ihre Umsetzung in deutsches Recht, RdA 2011, 1, 3. 28 Vgl. dazu BUG, Arnold 2012, Der Begriff „vorübergehend“ im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 vom 19. Dezember 2012. Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste (unveröffentlicht ). 29 Für personenbezogene Sichtweise LAG Saarland, Beschluss vom 18.12.2013, Az.: 2 TaBV 2/13; KOCK/MILENK in Beck'scher Online-Kommentar zum Arbeitsrecht (BeckOK ArbR), AÜG § 1 Rn. 53; für betriebsbezogene Sichtweise LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 31.07.2013, AZ.: 4 SA 18/13; WANK in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (ErfK), AÜG § 1 Rn. 37. 30 KOCK/MILENK in BeckOK ArbR, AÜG § 1 Rn. 51; ähnlich RIEDERER VON PAAR in: Schüren, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz , Einleitung Rn. 617: „Der Schwerpunkt der Regelung liegt sicher nicht in der zeitlichen Dimension des Verleihs. Vorübergehend ist der Verleih also immer dann, wenn er auf verschiedene Einsätze ausgelegt ist.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 10 Durch Betriebsvereinbarungen könnten die mit einer zwingenden Konkretisierung verfolgten Zwecke nur sehr eingeschränkt erreicht werden: Eine Betriebsvereinbarung hätte zwar unmittelbare und zwingende Wirkung („normative Wirkung“) zugunsten der Arbeitnehmer des betreffenden Betriebs (§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG). Partei einer Betriebsvereinbarung kann aber neben dem Arbeitgeber nur ein Betriebsrat sein. Betriebsräte aber gibt es nicht in jedem Betrieb. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2005 zufolge31 bestand nur in 22% der Betriebe ein Betriebsrat nach dem BetrVG, in 19% der Betriebe bestanden informelle Beteiligungsgremien der Arbeitnehmerschaft. Das Ziel, Rechtssicherheit zu erzeugen, würde damit kaum erreicht. Denn bei jeder einzelnen Vereinbarung auf Betriebsebene kann die Frage aufgeworfen werden, ob sie den Vorgaben des europäischen und des nationalen Rechts genügt, mit der Gefahr immer neuer Rechtsstreitigkeiten in dieser Frage. Zu beachten ist auch, dass Leiharbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher, nicht zum Entleiher stehen. Nur in sehr großen Zeitarbeitsunternehmen bestehen bisher Betriebsräte.32 In den Entleihunternehmen können sie zwar seit 2001 unter bestimmten Voraussetzungen den Betriebsrat mitwählen (§ 7 Satz 2 BetrVG), womit sie unter Umständen doppeltes Wahlrecht im Verleih- und im Entleihbetrieb haben. Sie können jedoch im Entleihbetrieb nicht selbst zum Betriebsrat gewählt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG). Auch im Hinblick auf den bestehenden Interessengegensatz zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmern33 erscheint fraglich, ob die Interessen der Leiharbeitnehmer durch Betriebsvereinbarungen stets angemessen berücksichtigt werden. 6. Konkretisierung durch Einführung von „equal pay“ von Anfang an Im Koalitionsvertrag für die 18. Wahlperiode wurde vereinbart, „dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer künftig spätestens nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern gleichgestellt werden.“ 34 Es gibt Stimmen in der Literatur, die neben der Entgeltgleichheit („equal pay“) eine Höchstüberlassungsdauer ablehnen. „Bei gleichen Arbeitsbedingungen kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer beim Verleihunternehmen als Arbeitgeber schlechter aufgehoben ist als beim Entleiher: Lieber von einem seriösen Zeitarbeitsunternehmen verliehen als von der 31 PRIES, Ludger/HAUSER-DITZ, Axel/HERTWIG, Markus, Im Schatten der Betriebsverfassung, Mitbestimmung 4/2006, S. 23 ff., abrufbar unter www.boeckler.de/pdf/magmb_2006_04_pries.pdf, abgerufen am 1. September 2014. 32 WASSERMANN, Wolfram/RUDOLPH, Wolfgang 2007, Leiharbeit als Gegenstand betrieblicher Mitbestimmung, abrufbar unter www.boeckler.de/pdf/p_arbp_148.pdf, abgerufen am 1. September 2014, S. 22. 33 Dazu etwa WASSERMANN/RUDOLPH 2007 (Rn. 32), S. 23. 34 Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode vom 27. November 2013, S. 50. Abrufbar z.B. im Internetauftritt der CDU: https://www.cdu.de/sites/default/files /media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf (letzter Abruf: 4. September 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 11 Schmuddels-GmbH, die mich entleiht, fest angestellt. […] Eine zu starke und sachlich nicht hinreichend begründete Reglementierung der Leiharbeit führt nicht zu einem stärkeren Schutz der Leiharbeitnehmer (den diese wie gezeigt teilweise gar nicht benötigen), sondern zu einem Abbau dieser Beschäftigungsform, dessen europarechtliche Rechtfertigung fraglich ist.“35 Ziel der zeitlichen Begrenzung der Leiharbeit – wiederum ausgehend von einem Verbot nicht vorübergehender Leiharbeit – ist es aber vor allem, zu verhindern, dass reguläre Beschäftigung durch Zeitarbeit ersetzt wird. Ob dieses Ziel durch die Einführung von equal pay, sei es nach neun Monaten oder von Anfang an, erreicht werden könnte, erscheint zweifelhaft. Fraglich ist schon der Zusammenhang zwischen dem Gleichbehandlungsanspruch hinsichtlich des Entgelts und einer Konkretisierung des Begriffs „vorübergehend“ durch den Gesetzgeber. Vielmehr spricht einiges dafür, dass die Thematiken getrennt zu betrachten sind. Wenn man von einer Verpflichtung zur Konkretisierung des Merkmals „vorübergehend“ ausgeht – was wie gezeigt umstritten ist – so bildet die Verpflichtung zu gleicher Lohnzahlung ab dem ersten Tag keine Konkretisierung im engeren Sinne. Zwar würde Lohngleichheit ab dem ersten Tag eine besonders stark spürbare Art der Unterscheidung zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmern beseitigen. Die in der Richtlinie verankerte Konzeption der Leiharbeit als nur vorübergehend stellt allerdings nicht nur eine Reaktion auf häufig zu verzeichnenden Lohnungleichheit in der Zeitarbeit dar. Unabhängig von der Frage, ob die Leiharbeitsrichtlinie ein Verbot nicht nur vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung statuiert , würde man daher rechtspolitisch zu kurz greifen, wenn man dauerhafte Leiharbeit zuließe und dafür gleiche Bezahlung ab dem ersten Tag zu verankerte. „Der Grundsatz der Entgeltgleichheit (hat) wenige praktische Wirksamkeit, wenn er nicht von einem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung begleitet wird. Aus diesem Grunde muss das Gebot der Entgeltgleichheit durch den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Einstellung, dem Aufstieg und den übrigen Arbeitsbedingungen einschließlich der Kündigung ergänzt werden.“36 Solche Unterschiede würden außer Acht gelassen und möglicherweise zementiert, stellte man nur auf equal pay ab. Sofern man also von einer Notwendigkeit der Konkretisierung ausgeht, wäre die Verankerung von gleicher Lohnzahlung dazu schwerlich geeignet. Möglicherweise würde höchstens mittelbar dauerhafte Leiharbeit insofern verringert, als die Entgeltersparnis als Anreiz für den Einsatz von Zeitarbeit wegfiele. Eine wirksame, angemessene und abschreckende Sanktion (Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie, siehe unten) für einen Verstoß gegen das Verbot dauerhafter Leiharbeit dürfte darin nicht liegen. 35 THÜSING (Fn. 17), S. 11 f. 36 SCHIEK, Dagmar, Europäisches Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2007, S.246, zitiert nach BLANKE, Thomas 2010, Welche Änderungen des deutschen Gesetzes erfordert die Umsetzung der EU-Richtlinie Leiharbeit – mit dem Schwerpunkt Gleichbehandlungsgrundsatz und Abweichungen gem. Art. 5 der EU-Rl? Gutachten im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes, abrufbar unter http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder /Arbeitsmarkt/Dokumente/Rechtsgutachten-zur-Umsetzung-der-EU-Richtlinie-Leiharbeit.pdf, abgerufen am 1. September 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 12 7. Erforderlichkeit von Sanktionen bei dauerhafter Überlassung Die Leiharbeitsrichtlinie schreibt nicht ausdrücklich eine Sanktion für den Fall vor, dass die Arbeitnehmerüberlassung nicht nur vorübergehend erfolgt. Sie fordert die Mitgliedstaaten in Art. 5 Abs. 5 aber dazu auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch von Leiharbeit jedenfalls hinsichtlich des Grundsatzes der Gleichberechtigung, insbesondere durch mehrere aufeinanderfolgende Überlassungen zur Umgehung, zu verhindern. Aber auch insoweit lässt die Richtlinie offen, wie dem Missbrauch vorgebeugt werden muss. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten allerdings, für den Falle eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie Sanktionen festzulegen, die nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 „wirksam , angemessen und abschreckend” sein müssen. Zu den Rechtsfolgen aus einem Verstoß gegen das Verbot der dauerhaften Überlassung enthält das AÜG keine Angaben. Nach geltendem Recht kommen mehrere Rechtsfolgen in Betracht:37 – Eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung ist gewerberechtlich ein Indiz für die Unzuverlässigkeit des Verleihers, was zumindest im Wiederholungsfall zu einem Widerruf der bereits erteilten bzw. zur Verweigerung der Erteilung der erforderlichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis führen kann. – Zivilrechtlich stellt § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG ein Verbotsgesetz im Sinne des  § 134 BGB dar. „Das durch die RL Leiharbeit vorgegebene Ziel, die Unterbindung des Dauerverleihs und die damit einhergehende Gefahr der Substitution von Stammarbeitnehmern durch Leiharbeitnehmer , kann effektiv nur erreicht werden, wenn darauf abzielende rechtsgeschäftliche Gestaltungsakte nichtig sind. Dies muss umso mehr gelten, als andere Sanktionen – wie gezeigt – nicht existieren.“38 – Für den Betriebsrat stellt eine nicht vorübergehende Überlassung einen Zustimmungsverweigerungsgrund gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar.39 Hingegen verneint das Bundesarbeitsgericht in neuester Rechtsprechung das Entstehen eines Dauerarbeitsverhältnisses beim Entleiher.40 Dies sei vom Gesetz nicht gedeckt. § 10 Abs. 1 AÜG legt eine solche Rechtsfolge ausdrücklich nur für den Fall fest, dass der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Eine analoge Anwen- 37 Nach LORENZ, Frank in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 3. Auflage 2013, § 1 AÜG Rn. 15. 38 HAMANN, Wolfgang, Die Reform des AÜG im Jahr 2011, RdA 321, 327. 39 BAG, Beschluss vom 13. Juli 2013, Az.: 7 ABR 91/11. 40 BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013, Az.: 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 162/14 Seite 13 dung dieser Bestimmung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil keine planwidrige Regelungslücke gegeben sei.41 Die Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses beim Entleiher sei auch durch unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich, da die Leiharbeitsrichtlinie die Auswahl der Sanktionen den Mitgliedstaaten überlasse, eine solche Auslegung auf eine bestimmte Sanktion hin die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreite.42 Dies gelte – so das BAG explizit – auch im Falle unzureichender Umsetzung der Richtlinie mangels ausreichender Sanktion. Ausdrücklich weist das Urteil des BAG darauf hin, die Auswahl wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen sei Aufgabe des Gesetzgebers. Als Beispiele nennt es „neben der Begründung eines Arbeitsverhältnisses z. B. auch die Normierung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen und die Festsetzung von Geldbußen (vgl. § 16 AÜG) oder de[n] Entzug der Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung“43. Stimmen in der Rechtsliteratur hatten demgegenüber die Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses in richtlinienkonformer Rechtsfortbildung bzw. in Form der Analogie zu §§ 9 Nr. 1, 10 AÜG befürwortet und zur Begründung auf den Grundsatz der praktischen Wirksamkeit (effet utile) des Unionsrechts verwiesen.44 Unter der Annahme, dass bereits die Leiharbeitsrichtlinie die dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung verbietet, erscheint es insgesamt fraglich, ob die bestehenden Rechtsfolgen in unionsrechtlicher Sicht ausreichen: Der Zustimmungsverweigerungsgrund für den Betriebsrat greift jedenfalls dort zu kurz, wo kein Betriebsrat besteht. Soweit ersichtlich, hat eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung bisher auch höchst selten zu einem Widerruf der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis geführt – schon weil höchst umstritten ist, wann eine nicht mehr vorübergehende Arbeitsüberlassung vorliegt und wann diese verboten ist (siehe oben Abschnitt 3). Auch die Stellung als Verbotsgesetz ist ohne festgesetzte Sanktion nicht eindeutig. Demzufolge scheint es aus rechtspolitischer wie unionsrechtlicher Sicht angezeigt, Sanktionen für den Fall einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung zu definieren. Fachleuten zufolge zeigen die Erfahrungen mit fast 40 Jahren gesetzlich geregelter Leiharbeit in Deutschland , dass Arbeitnehmerschutz auch hier nur funktioniert, wenn effektive Sanktionen zur Sicherung der Gestaltungsgrenzen greifen. Sonst würden komplizierte Schutzsysteme „zu Papiertigern “.45 41 BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013, Az.: 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196, Rn. 24 ff. 42 BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013, Az.: 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196, Rn. 33 f. 43 BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013, Az.: 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196, Rn. 33. 44 WANK in ErfK, AÜG §1 Rn. 37d; KOCH in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 15. Auflage 2013, § 120 Rn. 12c. 45 SCHÜREN/WANK (Fn. 27), S. 8.