© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 147/19 Altersrenten in Frankreich vor der Reform Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 147/19 Seite 2 Altersrenten in Frankreich vor der Reform Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 147/19 Abschluss der Arbeit: 17. Januar 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 147/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Soziale Sicherung in Frankreich 4 2. Altersrenten aus dem allgemeinen System 4 2.1. Finanzierung 4 2.2. Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente 5 2.3. Rentenhöhe und Ersatzrate 5 3. Aktuelle Reformüberlegungen 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 147/19 Seite 4 1. Soziale Sicherung in Frankreich In Frankreich besteht ein gewachsenes differenziertes System der sozialen Sicherheit, das sich in vier große Bereiche gliedern lässt: das allgemeine System (Régime général) inklusive obligatorischer Zusatzversicherung für Arbeitnehmer das System für die Landwirtschaft (Régime agricole) inklusive obligatorischer Zusatzversicherung für landwirtschaftliche Arbeitnehmer und selbständige Landwirte die zahlreichen Sondersysteme (Régimes spéciaux) für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern , Beamte, Militärangehörige, Bergleute, und die autonomen Systeme (Régimes autonomes) für selbständig und freiberuflich Tätige, die zum Teil in das allgemeine System überführt werden. Für das allgemeine System der Sozialversicherung (Régime général) wird meist die Bezeichnung Sécurité Sociale verwendet. Die Sondersysteme für bestimmte Berufsgruppen werden jedoch nach und nach dem allgemeinen System angeglichen, so dass es bei den Leistungen immer weniger Unterschiede gibt.1 2. Altersrenten aus dem allgemeinen System2 Das allgemeine System ist eine nach dem Umlageprinzip finanzierte obligatorische Basis- und Zusatzversicherung, deren Leistungen vom Einkommen, den Beiträgen und der Versicherungsdauer abhängen. 2.1. Finanzierung Der Beitragssatz zur Basisrente beträgt 15,45 Prozent des Einkommens bis zur Bemessungsgrenze von 3.377 Euro monatlich / 40.524 Euro jährlich. Davon tragen die Arbeitnehmer 6,90 Prozent und die Arbeitgeber 8,55 Prozent. Über die Bemessungsgrenze hinaus tragen die Arbeitnehmer weitere 0,40 Prozent und die Arbeitgeber 1,90 Prozent des Einkommens. Im Niedriglohnbereich werden die Arbeitgeberbeiträge ermäßigt. Neben den Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber beteiligt sich auch der Staat an der Finanzierung der Basisrenten. 1 Deutsche Rentenversicherung Bund, Broschüre „Meine Zeit in Frankreich - Arbeit und Rente europaweit“, S. 4 - 5, abrufbar im Internet unter https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads /DE/Broschueren/international/europaeische_vereinbarungen/meine_zeit_frankreich.pdf?__blob=publication File&v=1, zuletzt abgerufen am 17. Januar 2020. 2 Der folgende Abschnitt beruht auf Informationen aus der Datenbank der Europäischen Kommission: Gegenseitiges Informationssystem für soziale Sicherheit - Missoc, Stand 7/2019, vgl. https://www.missoc.org/missoc-information /missoc-vergleichende-tabellen-datenbank/?lang=de. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 147/19 Seite 5 Die Beiträge zum Arbeitnehmer-Zusatzrentensystem werden gemäß zwei Vergütungsstufen ermittelt : Für die erste Stufe bis zur Bemessungsgrenze von 40.524 Euro beträgt der Beitragssatz 7,87 Prozent, wovon 3,15 Prozent auf die Arbeitnehmer und 4,72 Prozent auf die Arbeitgeber entfallen. Für die zweite Stufe zwischen der Bemessungsgrenze und dem 8-fachen der Bemessungsgrenze von 40.524 Euro bis 324.192 Euro beträgt der Beitragssatz 21,59 Prozent, wovon 8,64 Prozent auf die Arbeitnehmer und 12,95 Prozent auf die Arbeitgeber entfallen. 2.2. Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente Das Renteneintrittsalter ist mit der im Jahr 2010 verabschiedeten Reform schrittweise von zuvor 60 auf 62 Jahre angehoben worden. Versicherte können derzeit eine volle Altersrente aus der Basis - und Zusatzversicherung beanspruchen, wenn sie 62 Jahre alt sind und 41½ Jahre versichert waren. Dabei werden unter anderem auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, der Erziehung und der Ableistung von militärischem Dienst angerechnet. Die Mindestversicherungszeit erhöht sich aufgrund der Rentenreform von 2014 für ab 1973 geborene Versicherte auf 43 Jahre. Begann das Berufsleben mit 22 Jahren ergibt sich somit ein Beginn der vollen Altersrente frühestens mit 65 Jahren . Wird die Mindestversicherungszeit nicht erreicht besteht ein Anspruch auf Altersrente erst ab dem 67. Lebensjahr. Ein vorzeitiger Eintritt in den Ruhestand, das heißt vor dem gesetzlichen Mindestalter, ist im Wesentlichen unter Hinnahme von Rentenabschlägen bereits mit 60 Jahren möglich. Eine vorzeitige abschlagfreie Altersrente kommt für langjährig Versicherte, Schwerbehinderte und für Schwerarbeiter in Betracht. 2.3. Rentenhöhe und Ersatzrate Die Höhe der Basisrente beruht auf der Versicherungsdauer, dem durchschnittlichen Jahreseinkommen der 25 besten Jahre und dem Verhältnis der tatsächlichen Versicherungsdauer zur maximalen Versicherungsdauer. Die Zusatzrente berechnet sich nach einem Punktesystem. Die monatliche Mindestrente beträgt 636,56 Euro. Sie erhöht sich für Versicherte mit mindestens 10 Beitragsjahren. Die monatliche Basisrente beträgt ohne eventuelle Zuschläge höchstens 1.688,50 Euro. Dies entspricht 50 Prozent der Bemessungsgrenze der Sozialversicherung. Die Zusatzrente wird gegebenenfalls auf das Achtfache der Bemessungsgrenze der Sozialversicherung begrenzt. Die Rentenanpassungen erfolgen in Frankreich nach der voraussichtlichen Preisentwicklung für den privaten Verbrauch mit Ausnahme von Tabakerzeugnissen. Das Rentenniveau der gesetzlichen Rentensysteme ist nach dem OECD-Bericht vom November 2019 „Pensions at a glance“ in Frankreich deutlich höher als in Deutschland. So beträgt die Net- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 147/19 Seite 6 toersatzrate, die einen Vergleich zwischen dem Verhältnis des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes und der Rentenhöhe auf internationaler Ebene ermöglichen soll, in Frankreich für männliche Durchschnittsverdiener 73,6 Prozent gegenüber 51,9 Prozent in Deutschland.3 3. Aktuelle Reformüberlegungen Zur langfristigen Finanzierung der Alterssicherung sind auch in Frankreich Reformen nötig. Bisherige Regierungen sind beim Versuch, das zersplitterte Rentensystem in ein universelles System zu überführen, am Widerstand von Gewerkschaften und Bevölkerung gescheitert.4 Neben der nunmehr geplanten Vereinheitlichung der Vielzahl von Sondersystemen für bestimmte Berufsgruppen sind auch ein späterer Renteneintritt und Änderungen in der Rentenberechnung im Gespräch. So soll sich die Rentenhöhe nicht mehr nur nach dem durchschnittlichen Jahreseinkommen der 25 besten Jahre, sondern nach der gesamten Versicherungsbiographie richten . Dabei wäre auf bestimmte potentiell besonders nachteilig betroffene Personengruppen Rücksicht zu nehmen.5 Die von der Regierung beabsichtigte Reform zielt auf ein universelles System ab, in dem ein Euro Beitragszahlung unabhängig von der Höhe des eingezahlten Betrags und unabhängig vom Status des Beitragszahlers die gleichen Rechte gewährt. Aktuell bestehen 42 Systeme mit einer Vielzahl von Regeln, Ausnahmen und komplexen Berechnungen, unter anderem, wenn eine Person nacheinander in mehreren Systemen versichert war, die Ungerechtigkeiten erzeugen und die berufliche Mobilität bestrafen. Die Schaffung eines universellen Rentensystems soll die Alterssicherung vereinfachen und mit auf klaren, lesbaren und transparenten Grundsätzen beruhenden Regeln für mehr Gerechtigkeit sorgen. Ziel ist es auch, die berufliche Mobilität zu unterstützen und zu erleichtern. Die Umsetzung der geplanten Vorschriften soll alle derzeitigen obligatorischen Systeme, ob Grund- oder Zusatzsysteme, einschließlich der Systeme für Beamte, der Sondersysteme und der Systeme der parlamentarischen Versammlungen, betreffen. Die Alterssicherung soll künftig damit nicht mehr nach dem beruflichen Status bestimmt sein. 3 OECD, Pensions at a Glance 2019: Country Profiles – France, Pensions at a Glance 2019: Country Profiles – Germany , abrufbar im Internet unter https://www.oecd.org/els/public-pensions/PAG2019-country-profile- France.pdf und https://www.oecd.org/els/public-pensions/PAG2019-country-profile-Germany.pdf, zuletzt abgerufen am 16. Januar 2020. 4 Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., Policy Brief vom 4. Dezember 2019, Rentenreform in Frankreich , abrufbar im Internet unter https://vg04.met.vgwort.de/na/49ebc4877fb24b74b118db33b779fcd6?l=https%3A//dgap.org/sites/default/files /article_pdfs/dgap_policybrief_nr6dez2019.pdf, zuletzt abgerufen am 17. Januar 2020. 5 Diverse Medienberichte, u.a. ARD Tagesschau vom 5. Dezember 2019, abrufbar im Internet unter https://www.tagesschau.de/ausland/frankreich-rentenreform-101.html, zuletzt abgerufen am 17. Januar 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 147/19 Seite 7 Das neue System soll langfristig tragfähig sein und mit finanzieller Solidität einhergehen. Es soll in der Lage sein, sich an die wirtschaftlichen Aussichten sowie an die Veränderungen der Demographie , einschließlich der längeren Lebenserwartung, anzupassen.6 *** 6 Informationen der französischen Regierung zur Rentenreform, abrufbar im Internet unter https://www.reformeretraite .gouv.fr/la-reforme/article/les-enjeux-de-la-reforme, zuletzt abgerufen am 17. Januar 2020.