© 2017 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 146/16 Einzelfragen zur Künstlersozialversicherung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 146/16 Seite 2 Einzelfragen zur Künstlersozialversicherung Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 146/16 Abschluss der Arbeit: 6. Januar 2017 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 146/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gründe für die Einführung der Künstlersozialversicherung 4 3. Leistungen der Künstlersozialkasse 5 4. Versicherter Personenkreis 7 5. Juristische Bewertung der Künstlersozialabgabe 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 146/16 Seite 4 1. Einleitung Das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG)1 regelt seit dem 1. Januar 1983 die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. Die Künstlersozialversicherung wird von der Künstlersozialkasse bei der Unfallversicherung Bund und Bahn in Wilhelmshaven durchgeführt. In diesem Rahmen ist die Künstlersozialkasse zuständig für die Beitragstragung zu den genannten Sozialversicherungszweigen. Gemäß § 14 KSVG werden die Mittel für die Künstlersozialversicherung zur einen Hälfte durch Beiträge der Versicherten und zur anderen Hälfte durch die Erhebung einer Künstlersozialabgabe sowie einen Zuschuss des Bundes aufgebracht. Bei der Künstlersozialabgabe handelt es sich um eine unter den Voraussetzungen der §§ 23 ff. KSVG von den Auftraggebern der selbständigen Künstler und Publizisten zu entrichtende Umlage für die Verwertung künstlerischer oder publizistischer Leistungen, die sich nach einem jährlich bestimmten Prozentsatz der Honorarzahlungen bemisst. Zurzeit sind 5,2 % der an die selbständigen Künstler und Publizisten gezahlten Honorare als Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse zu entrichten. 2. Gründe für die Einführung der Künstlersozialversicherung Bereits vor Einführung der Künstlersozialversicherung unterlagen selbständige Musiker, Kunsterzieher und Artisten der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten und der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch bestand in der Rentenversicherung der Angestellten für selbständig Tätige die Möglichkeit der Versicherungspflicht auf Antrag. Dennoch hatte sich Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts gezeigt, dass die übrigen Künstler und Publizisten immer noch merklich schlechter für das Alter abgesichert waren als der Durchschnitt der Erwerbstätigen und auch für den Krankheitsfall nur eine unzureichende Absicherung für sie bestand. Mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz sollte für alle selbständigen Künstler und Publizisten eine ausreichende soziale Sicherung geschaffen werden.2 Weitere Beweggründe zur bis dahin nur unzureichenden sozialen Sicherung der künstlerischen Berufe werden in der im Jahre 2007 erschienenen Broschüre „Künstlersozialversicherungsgesetz - Hintergründe und aktuelle Anforderungen“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dargestellt .3 Dort heißt es: 1 Künstlersozialversicherungsgesetz vom 27. Juli 1981 (BGBl. I S. 705), das durch Artikel 7 des Gesetzes vom 8. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2838) geändert worden ist. 2 Vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG -), Bundestags-Drucksache 8/3172. Dieser Gesetzentwurf unterlag dem Diskontinuitätsprinzip . Das KSVG geht auf den Entwurf eines Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz — KSVG), Bundestags-Drucksache 9/26 zurück . 3 Abrufbar im Internet unter http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a299-kuenstlersozialversicherungsgesetz .pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 5. Januar 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 146/16 Seite 5 „Diese Lücke im Sozialversicherungssystem führte in Verbindung mit niedrigen Einkommen von selbständigen Künstlern und Publizisten dazu, dass viele keine Krankenversicherung hatten und daher vielfach im Krankheitsfall die Sozialämter eine Kostenübernahme leisten mussten. Im Alter litten viele Künstler und Publizisten unter großer ökonomischer Not, da sie keine ausreichende Altersvorsorge hatten. Das ohnehin knappe Einkommen dieser Berufsgruppe verringerte sich im Alter u. a. infolge schwindender Schaffenskraft oder veränderter Marktanforderungen erheblich, so dass ältere Künstler und Publizisten oft von der Sozialhilfe abhängig waren. Die beim Bundespräsidenten angesiedelte Deutsche Künstlerhilfe, die von verschiedenen Bundesländern vergebenen Ehrensolde oder andere (Sozial)Leistungen an Künstler und Publizisten sowie die Leistungen aus Versorgungswerken und -kassen der Verwertungsgesellschaften konnten die Lücken in der Altersversorgung von Künstlern und Publizisten nicht ausgleichen. Umfassend untersucht wurde die soziale, berufliche und wirtschaftliche Lage der Künstler und Publizisten in der 1974 vorgelegten „Künstler-Enquete“ des Instituts für Projektstudien . Der Künstler-Enquete ging der „Autorenreport“ voraus, in dem die soziale, berufliche und wirtschaftliche Lage von Wortautoren untersucht wurde. Die Ergebnisse der beiden angeführten Untersuchungen waren die Grundlage für den Künstlerbericht der Bundesregierung vom 13. Januar 1975. Darin wurde festgehalten, dass die soziale und wirtschaftliche Situation der Künstler und Publizisten aufgrund bestehender Notlagen verbesserungsbedürftig war. Entlang der Diskussionsstränge in der erwähnten „Künstler-Enquete “ sowie im „Autorenreport“ beschloss die Bundesregierung im Jahr 1976, Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen und sozialen Lage der Künstler zu ergreifen. Im Kontext der Diskussion um das Künstlersozialversicherungsgesetz ist von Bedeutung, dass u. a. Maßnahmen im Bereich des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts in den Blick genommen werden sollten. Neben dem Zahlenmaterial aus den o. g. Arbeiten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Künstler und Publizisten war für den Gesetzgebungsgang zur Künstlersozialversicherung die Frage wichtig, inwiefern selbständige Künstler und Publizisten überhaupt Unternehmer sind oder ob bei ihnen die arbeitnehmerähnlichen Merkmale nicht vielmehr überwiegen. In den Berichten wird bereits auf eine enge Verbindung von Kulturproduktion und -vermarktung abgehoben, die für die spätere Argumentation zur Heranziehung der zur Künstlersozialabgabe verpflichteten Unternehmen wegweisend ist.“ 3. Leistungen der Künstlersozialkasse Gemäß § 1 KSVG sind selbständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung , in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Dies korrespondiert mit den für die einzelnen Sozialversicherungszweige geltenden Regelungen über die Versicherungspflicht: Hiernach sind Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des KSVG versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V), in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 2 Satz 1 Nr. 5 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) und in der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI). Die aus der Künstlersozialversicherung zu erbringenden Leistungen werden insoweit nicht von der Künstlersozialkasse, sondern bei Erfüllung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen direkt Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 146/16 Seite 6 von den Rentenversicherungsträgern bzw. den Kranken- und Pflegekassen erbracht. Die Künstlersozialkasse übernimmt insoweit nur die Einziehung und Weiterleitung der Pflichtbeiträge. Ein Überblick über die Leistungen der Sozialversicherungszweige gibt das Erste Buch Sozialgesetzbuch (SGB I): Aus der gesetzlichen Krankenversicherung werden gemäß § 21 SGB I erbracht: Leistungen zur Förderung der Gesundheit, zur Verhütung und zur Früherkennung von Krankheiten, bei Krankheit Krankenbehandlung, insbesondere ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, Krankenhausbehandlung, medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, Betriebshilfe für Landwirte, Krankengeld, bei Schwangerschaft und Mutterschaft ärztliche Betreuung, Hebammenhilfe, stationäre Entbindung , häusliche Pflege, Haushaltshilfe, Betriebshilfe für Landwirte, Mutterschaftsgeld, Hilfe zur Familienplanung und Leistungen bei durch Krankheit erforderlicher Sterilisation und bei nicht rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch. Zuständig für die aus der Künstlersozialversicherung zu erbringenden Leistungen sind die Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie die Ersatzkassen. Aus der sozialen Pflegeversicherung werden gemäß § 21a SGB I erbracht: Leistungen bei häuslicher Pflege als Pflegesachleistung, Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen, häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson, Pflegehilfsmittel und technische Hilfen, teilstationäre Pflege und Kurzzeitpflege, Leistungen für Pflegepersonen, insbesondere soziale Sicherung und Pflegekurse, vollstationäre Pflege. Zuständig für die aus der Künstlersozialversicherung zu erbringenden Leistungen sind die bei den Krankenkassen errichteten Pflegekassen. Aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden gemäß § 23 SGB I erbracht: Heilbehandlung, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und andere Leistungen zur Erhaltung , Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit einschließlich wirtschaftlicher Hilfen, Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Knappschaftsausgleichsleistung , Renten wegen Todes, Witwen- und Witwerrentenabfindungen sowie Beitragserstattungen, Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung, Leistungen für Kindererziehung, Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 146/16 Seite 7 Zuständig für die aus der Künstlersozialversicherung zu erbringenden Leistungen sind die Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. 4. Versicherter Personenkreis Gemäß § 2 KSVG ist Künstler, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt und Publizist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt. Die Künstlersozialversicherung gliedert sich in die Bereiche Wort, Musik, darstellende und bildende Kunst. Seit 1995 hat sich die Anzahl der bei der Künstlersozialkasse versicherten selbständigen Künstler und Publizisten wie folgt entwickelt:4 Bereich/ Jahr Wort bildende Kunst Musik darstellende Kunst Gesamt 1995 17.929 34.039 20.188 9.542 81.698 2000 26.935 43.548 29.464 12.262 112.209 2005 37.215 53.996 39.628 17.464 148.303 2010 41.830 59.507 46.129 21.417 168.883 2015 43.477 63.962 51.527 25.080 184.046 5. Juristische Bewertung der Künstlersozialabgabe Die Abgabepflicht tritt für Kunst oder Publizistik verwertende Unternehmen gemäß § 25 Abs. 1 KSVG unabhängig davon ein, ob die beauftragten selbständigen Künstler oder Publizisten selbst zum versicherten Personenkreis der Künstlersozialversicherung gehören. Damit sollen Wettbewerbsnachteile der versicherten Künstler und Publizisten gegenüber nebenberuflich bzw. nicht berufsmäßig oder im Ausland künstlerisch oder publizistisch Tätigen vermieden werden. Die Künstlersozialabgabepflicht beruht auf dem Gedanken, denjenigen heranzuziehen, der sich in unmittelbarem Kontakt zum Künstler Eigentums- oder Nutzungsrechte an dessen Werken oder Leistungen verschafft und diese Leistungen oder Werke regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich machen will. Die Künstlersozialabgabe wird daher als „Quasi-Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung “ von allen abgabepflichtigen Unternehmern und Einrichtungen erhoben.5 4 Abrufbar im Internet unter http://www.kuenstlersozialkasse.de/service/ksk-in-zahlen.html, abgerufen am 5. Januar 2017. 5 Finke, Hugo/Brachmann, Wolfgang/Nordhausen, Willy. § 24 KSVG, Rn. 7 u. 8, Kommentar zum Künstlersozialversicherungsgesetz , 4. Auflage 2009, München: C.H. Beck. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 146/16 Seite 8 Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach mit der Künstlersozialabgabe befasst und sie im Wesentlichen als verfassungsgemäß bestätigt. So enthält vornehmlich der Beschluss vom 8. April 1987 hinsichtlich des Gleichheitssatzes folgende Formulierung:6 „Im Sachbereich der Sozialversicherung verlangt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG einen - bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise - sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus als Beteiligter im Sinne des Sozialversicherungsrechts zu einer Abgabe herangezogen wird, die weder ihm selbst noch seiner Gruppe zugute kommt, ihm vielmehr als fremdnützige Abgabe auferlegt wird, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt.“ … „Die für die fremdnützige Künstlersozialabgabe notwendige Rechtfertigung liegt vor allem im besonderen kulturgeschichtlich gewachsenen Verhältnis zwischen Künstler und Publizisten einerseits und Vermarktern andererseits, ohne dass es darauf ankommt , dass ein Arbeitgeber- Arbeitnehmer-Verhältnis gegeben ist.“ Auch in der jüngeren Rechtsprechung ist keine Neigung zu einem Vorlagebeschluss zu erkennen .7 Aus rechtlicher Sicht sind Beweggründe, die für eine Änderung der gesetzlichen Regelungen sprechen, nicht ersichtlich. *** 6 BVerfGE 75, 108. 7 Mittelmann, Plagemann. Münchener Anwaltshandbuch - Sozialrecht, § 9 Künstlersozialversicherung, 4. Auflage 2013 mit Verweis auf BSG Urt. v. 25. 11. 2010 – B 3 KS 1/10 R; Beschl. v. 15. 1. 2009 – B 3 KS 5/08 B; Sächsisches LSG Beschl. v. 20. 8. 2010 – L 1 KR 118/09 B ER.