© 2017 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 145/16 Folgen des Verzichts einer Mitgliedschaft in der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR für die Rentenhöhe Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 145/16 Seite 2 Folgen des Verzichts einer Mitgliedschaft in der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR für die Rentenhöhe Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 145/16 Abschluss der Arbeit: 5. Januar 2017 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 145/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Faktoren für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente in Ost und West 4 2. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) 4 3. Berücksichtigung des „versicherten“ Verdienstes für die Rentenhöhe 5 4. Berücksichtigung von sogenannten Überentgelten für die Rentenhöhe 6 5. Folgen der Nichtmitgliedschaft in der FZR 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 145/16 Seite 4 1. Faktoren für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente in Ost und West Der Monatsbetrag einer rechtzeitig in Anspruch genommenen Altersrente ergibt sich gemäß §§ 63, 64 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI), wenn die aus den zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten ermittelten Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt werden . Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres aus der Anlage 1 zum SGB VI ergibt einen Entgeltpunkt, so dass sich für einen versicherten Jahresverdienst in Höhe des Durchschnittsentgelts eine monatliche Rente in Höhe des aktuellen Rentenwerts ergibt. Der aktuelle Rentenwert entspricht somit einer monatlichen Rente, wenn für ein Kalenderjahr Beiträge aufgrund des Durchschnittsentgelts gezahlt worden sind. Bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland werden nach § 254b SGB VI für die Ermittlung der Rentenhöhe in der Rentenformel aus den in Ostdeutschland zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten dem geringeren Lohnniveau zufolge geringere Berechnungswerte herangezogen. Die Angleichung der Renten sollte zur Vermeidung überhöhter Beitragszahlungen und Leistungen erst erreicht werden, wenn auch die Löhne und Gehälter in Ostdeutschland denen in Westdeutschland entsprechen.1 Zu beachten ist zum einen der in der Formel für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente anstelle des aktuellen Rentenwerts zu berücksichtigende aktuelle Rentenwert (Ost). Zum anderen wird der in Ostdeutschland versicherte Verdienst gemäß § 256a SGB VI mit dem für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Faktor der Anlage 10 zum SGB VI auf einen fiktiven Westverdienst hochgewertet und auf die jeweilige westdeutsche Beitragsbemessungsgrenze der Anlage 2 zum SGB VI, als höchstmöglicher für die Rentenhöhe zu berücksichtigender Verdienst, begrenzt. Damit wird erreicht, dass sich für einen versicherten Jahresverdienst in Höhe des Durchschnittsentgelts in Ostdeutschland eine monatliche Rente in Höhe des aktuellen Rentenwerts (Ost) ergibt. Im Hinblick auf den ins Stocken gekommenen Prozess der Annäherung der Löhne und Gehälter in Ostdeutschland an das westdeutsche Niveau werden seit einiger Zeit Vorschläge über die Angleichung der Renten diskutiert. Die Regierungskoalition hat sich nach Medienmeldungen nunmehr darauf verständigt, die Angleichung der Ost-Renten an das Westniveau in sieben Schritten bis zum Jahr 2025 vorzunehmen.2 Nach erfolgter Rentenangleichung erhalten Durchschnittsverdiener in Ost und West ihrer Beitragsleistung entsprechend gleich hohe Renten. Dies gilt entsprechend bei vom Durchschnitt abweichenden Verdiensten, soweit der Abstand vom Durchschnitt in Ost und West jeweils gleich hoch ist, etwa wenn während der gesamten Erwerbsbiographie das 0,8- oder 1,2-fache des durchschnittlichen Verdienstes erzielt worden ist. Insoweit werden nach abschließender Rentenangleichung Versicherte in ganz Deutschland gleich behandelt. 2. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) Die aus der Sozialpflichtversicherung der DDR gezahlte Altersversorgung erreichte aufgrund der auf einen monatlichen Verdienst von 600 Mark begrenzten Beitragspflicht nur ein geringes Niveau 1 Bundestags-Drucksache 12/405, S. 111 und 127. 2 U.a. Artikel in der F.A.Z vom 21. Dezember 2016. Abrufbar im Internet unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft /was-wird-aus-der-rente/bundesregierung-finanzierung-der-ost-west-rentenangleichung-steht- 14586133.html, zuletzt abgerufen am 3. Januar 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 145/16 Seite 5 und war zudem statisch angelegt. Zur Vermeidung von Altersarmut führte die Staatsführung der DDR deshalb zum 1. März 1971 die Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) ein, nachdem die bereits seit 1. Juli 1968 bestehende Möglichkeit, über die normalen Pflichtbeiträge hinaus Einzahlungen vornehmen zu können, nur wenig genutzt wurde. Wer mehr als 600 Mark im Monat verdiente und auch im Ruhestand über eine höhere Rente verfügen wollte, konnte der FZR beitreten und über die Beiträge zur Sozialpflichtversicherung hinaus freiwillig Beiträge zu seiner Altersversorgung zahlen. Von einer massiven Werbekampagne des für die Durchführung der FZR zuständigen Stellen und den Betrieben unterstützt, stieg die Quote derer, die vom relativ günstig ausgestalteten Angebot der FZR Gebrauch machten, kräftig an und erreichte zuletzt bis zu 80 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung.3 Zunächst war die Versicherung des über 600 Mark hinausgehenden monatlichen Verdienstes in der FZR nur bis zu einer Höchstgrenze von 1.200 Mark möglich. Insgesamt konnte somit ein jährlicher Verdienst von bis zu (12 x 1.200 =) 14.400 Mark in der Sozialpflichtversicherung und der FZR versichert werden. Ab 1. Januar 1977 wurde die Begrenzung auf 14.400 Mark gestrichen, so dass nun auch für darüber hinaus gehende Verdienste Beiträge zur FZR gezahlt werden konnten.4 Die zur FZR gezahlten Beiträge sind nach der Rentenüberleitung heute in der gesetzlichen Rentenversicherung rentensteigernd zu berücksichtigen. 3. Berücksichtigung des „versicherten“ Verdienstes für die Rentenhöhe Das früher im Westteil und heute in ganz Deutschland geltende System der gesetzlichen Rentenversicherung ist von den Prinzipien der Lohn- und Beitragsbezogenheit und der Teilhabeäquivalenz geprägt. Entsprechend diesen Grundsätzen richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Hiervon ausgehend wurde im Rahmen der Rentenüberleitung festgelegt, der Berechnung von Renten aus in den neuen Bundesländern zurückgelegten Zeiten grundsätzlich das durch Beiträge zur Sozialpflichtversicherung der DDR und zur FZR versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen zugrunde zu legen.5 Daraus folgt, dass die Renten für Versicherte, die der FZR nicht beigetreten sind, entsprechend niedriger ausfallen. Diese Regelung trägt insbesondere den berechtigten Interessen der Erwerbstätigen in den neuen Bundesländern Rechnung, die sich unter Verzicht auf Teile ihres Einkommens für eine Ergänzung ihrer Alterssicherung durch eine Mitgliedschaft in der FZR entschieden haben. Dabei ist zu berücksichtigen , dass sich die meisten Arbeitnehmer zur Versicherung in der FZR angehalten sahen, weil die Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung bis zur Herstellung der Sozialunion am 1. Juli 1990 unverändert lediglich 600 Mark betragen hatte und eine einigermaßen angemessene 3 Kerschbaumer, Judith: Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, Wiesbaden, VS-Verl., 2011, S. 62. 4 Weser, Horst. Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung in der DDR. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Hrsg.), 1979, S. 246/247. 5 Bundestags-Drucksache 12/405, S. 111. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 145/16 Seite 6 Altersversorgung vielfach nur über den Beitritt zur FZR erreicht werden konnte. Gegenüber diesen Personen wäre es nicht vertretbar, bei der Rentenberechnung ohne Rücksicht auf eine Versicherung in der FZR nun generell auf das tatsächlich erzielte steuerpflichtige Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen abzustellen. Gegenüber Versicherten, die der FZR beigetreten sind, liegt mit der gesetzlichen Regelung, nur versicherte Verdienste rentensteigernd zu berücksichtigen, eine sachlich begründete Differenzierung vor, denn diese haben eine höhere Beitragslast getragen.6 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass jeder, der seinerzeit nicht der FZR beigetreten ist, sich über die daraus entstehenden Lücken in seiner Alterssicherung im Klaren sein musste. 4. Berücksichtigung von sogenannten Überentgelten für die Rentenhöhe Zu berücksichtigen sind gemäß § 256a Abs. 3 SGB VI aber auch Verdienste, für die wegen der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenzen Pflichtbeiträge oder Beiträge zur FZR nicht gezahlt werden konnten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Verdienst bis zu den jeweiligen in der DDR geltenden Beitragsbemessungsgrenzen versichert war. Zeiten, in denen eine Beitragszahlung zur FZR oberhalb bestimmter Beitragsbemessungsgrenzen möglich war, aber unterlassen wurde, sind auch bei Nachweis eines höheren individuellen Verdienstes nur in dem versicherten Umfang rentensteigernd anzurechnen.7 Die rentensteigernde Berücksichtigung dieser sogenannten Überentgelte kommt aber nur in Betracht, soweit die in der Sozialpflichtversicherung beziehungsweise ab 1. März 1971 auch in der FZR versicherbaren Arbeitsverdienste oder Einkünfte nach Umrechnung mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze (West) nicht überschreiten. Bis einschließlich 1977 führte ein monatlicher Verdienst bis zu 1.200 Mark, für den auch Beiträge zur FZR gezahlt worden sind, nach der Hochwertung auf einen fiktiven Westverdienst zu einer Begrenzung auf die in Westdeutschland geltende Beitragsbemessungsgrenze. Dies bedeutet, dass Überentgelte außerhalb der bergbaulichen Versicherung und für Versicherte, die mit Versorgungsanwartschaften aus Sonderversorgungssystemen ausgeschieden sind, nur für die Zeit vor Einführung der FZR - also bis Februar 1971 - in Frage kommen können.8 5. Folgen der Nichtmitgliedschaft in der FZR Die Folgen der Nichtmitgliedschaft in der FZR sind abhängig von der individuellen Erwerbsbiographie . Den nachfolgenden Beispielen liegen Berechnungen zugrunde, die den gesamten Zeitraum von der Einrichtung der FZR zum 1. März 1971 bis zur Schließung derselben infolge des 6 Vgl. u. a. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2002, Az. 1 BvR 1144/00. 7 Bundestags-Drucksache 12/405, S. 111. 8 Eigene Berechnung. Vgl. auch: Gemeinsame Rechtliche Anweisungen der Träger der Deutschen Rentenversicherung > Sozialgesetzbuch > SGB VI > Fünftes Kapitel (§§ 228-319b) > Erster Abschnitt (§§ 228-299) > § 256a Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet. Abrufbar im Internet unter http://rvrecht.deutsche-rentenversicherung .de/Raa/Raa.do?f=SGB6_256AR6.1&a=true, zuletzt abgerufen am 4. Januar 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 145/16 Seite 7 Staatsvertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland zum 30. Juni 1990 abdecken. Für Durchschnittsverdiener ohne Mitgliedschaft in der FZR verringern sich die für die Rentenhöhe zu berücksichtigenden Entgeltpunkte im maßgebenden Zeitraum von etwa 1,0 auf unter 0,6 pro Kalenderjahr. Insgesamt ergibt sich für diese Zeit eine Rentenanwartschaft von aktuell rund 422 Euro gegenüber rund 554 Euro mit Beitragszahlung zur FZR. Mithin ergibt sich für Durchschnittsverdiener ohne Mitgliedschaft in der FZR ein Verlust von monatlich rund 132 Euro. Für Versicherte, die in der DDR über ein deutlich höheres Einkommen verfügten - das nach der Hochwertung auf die in Westdeutschland geltende Beitragsbemessungsgrenze zu begrenzen ist - ohne im gesamten Zeitraum Beiträge zur FZR gezahlt zu haben, wird die Rentenhöhe aus dieser Zeit nur aus den zur Sozialpflichtversicherung gezahlten Beiträgen ermittelt und beträgt wiederum rund 422 Euro. Bei Mitgliedschaft in der FZR ergäbe sich eine entsprechend höhere Rentenzahlung von aktuell rund 941 Euro. Die monatliche Rentenminderung aufgrund der nicht erfolgten Beitragsleistung zur FZR beträgt somit im Höchstfall bis zu knapp 520 Euro.9 *** 9 Eigene Berechnung unter Verwendung des ab 1. Juli 2016 geltenden aktuellen Rentenwerts (Ost) in Höhe von 28,66 Euro.