© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 142/18 Die Rechtslage der Whistleblower in Deutschland – aktuelle Gesetzeslage Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 142/18 Seite 2 Die Rechtslage der Whistleblower in Deutschland – aktuelle Gesetzeslage Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 142/18 Abschluss der Arbeit: 14. Januar 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 142/18 Seite 3 1. Bisherige Rechtslage zum Schutz von Whistleblowern in Deutschland Der Begriff des „Whistleblowers“ erfährt in Deutschland in keiner gesetzlichen Vorschrift eine genaue Definition. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bislang keine Begriffsklärung in Bezug auf die sogenannten Hinweisgeber vorgenommen, obgleich die Whistleblower-Problematik das Bundesarbeitsgericht schon einige Male beschäftigt hat.1 Zwar ist allgemein bekannt, dass hierunter bestimmte Personen zu verstehen sind, die in ihrem Arbeitsumfeld, primär aus altruistischen Motiven, gravierende Missstände aufzeigen und somit ihren Arbeitgeber in der Öffentlichkeit bloßstellen.2 Die derzeitige Gesetzeslage in Deutschland verzichtet jedoch auf die Erwähnung des Whistleblowers sowie auf einheitliche nationale Regelungen, was den Schutz dieser Hinweisgeber vor möglichen Nachteilen am Arbeitsplatz aufgrund der von ihnen aufgedeckten Informationen anbelangt. Daraus resultiert, dass Vorschriften, welche sich mit dieser Materie befassen, in verschiedensten Gesetzen – sowohl im Zivilrecht als auch im Öffentlichen Recht – zu finden sind. 1.1. Vorschriften aus dem Öffentlichen Recht Im Öffentlichen Recht statuiert beispielsweise § 37 Abs. 2 Nr. 3 Beamtenstatusgesetz (Beamt StG)3, dass die Verschwiegenheitspflicht für die Beamten der Länder und Kommunen bei einem durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Korruptionsstraftat durchbrochen wird. Selbiges gilt gemäß § 67 Abs. 2 Nr. 3 Bundesbeamtengesetz (BBG)4 für die Beamten des Bundes. Darüber hinaus gebietet auch das Grundgesetz5 einen Schutz der hinweisgebenden Arbeitnehmer: Artikel 2 Abs. 1 (allgemeine Handlungsfreiheit) in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 (Rechtsstaatsprinzip ) Grundgesetz (GG) sowie Artikel 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) können geeignete Vorschriften sein, um den Whistleblower beim Anprangern von Missständen vor Sanktionen seitens des Arbeitgebers zu schützen.6 1 BAG vom 3. Juli 2003 – 2 AZR 235/02 – NZA 2004, S. 427. 2 Bug, Arnold/Beier, Diana Maria (2009), Whistleblower Aktueller Begriff Nr. 06/09, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste Fachbereich WD 6, Arbeit und Soziales. 3 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV): http://www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/ (letzter Abruf: 7. Januar 2019). 4 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des BMJV: http://www.gesetze-im-internet.de/bbg_2009/ (letzter Abruf: 7. Januar 2019). 5 Abrufbar in der Internet- Gesetzesdatenbank des BMJV: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_gg/index .html (letzter Abruf: 7. Januar 2019). 6 BT-Drs. 19/5226 vom 19.10.2018, S. 3, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/052/1905226.pdf (letzter Abruf: 7. Januar 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 142/18 Seite 4 1.2. Vorschriften aus dem Bereich Arbeitsrecht Eine Vorschrift, welche den Whistleblowern im Arbeitsrecht Schutz gewährt, findet sich in § 17 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)7. Hiernach können die Arbeitnehmer sich beim Verdacht unzureichender Maßnahmen des Arbeitgebers hinsichtlich des Gesundheitsschutzes an die zuständige Behörde wenden, wodurch ihnen keine Nachteile entstehen dürfen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass zuvor eine Beschwerde an den Arbeitgeber herangetragen wurde und der Arbeitgeber dieser Beschwerde nicht abhilft. Darüber hinaus sind für den Schutz von Whistleblowern § 13 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)8, der den Beschäftigten bei Diskriminierungen beispielsweise wegen des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft ein Beschwerderecht einräumt, sowie § 84 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)9, der ebenfalls ein Beschwerderecht für Arbeitnehmer vorsieht, von Relevanz. Im öffentlichen Dienst des Bundes ist zudem § 68 Abs. 1 Nr. 3 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG)10 zu beachten, wonach die Personalvertretung Beschwerden von Beschäftigten entgegenzunehmen und auf deren Erledigung hinzuwirken hat. Im Übrigen können die allgemeinen kündigungsrechtlichen Vorschriften einen Schutz der Whistleblower vorsehen, damit diese nicht Gefahr laufen, aufgrund ihrer Preisgabe von sensiblen Informationen automatisch eine ordentliche (§ 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG))11 oder außerordentliche Kündigung (§ 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB))12 zu erhalten.13 Nicht zuletzt kann das allgemeine Maßregelungsverbot aus § 612a BGB14 den Whistleblower vor Repressalien seitens des Arbeitgebers schützen. Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen 7 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des BMJV: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_arbschg/index .html (letzter Abruf: 7. Januar 2019). 8 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des BMJV: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_agg/index .html (letzter Abruf: 11. Januar 2019). 9 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des BMJV: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_betrvg/index .html (letzter Abruf: 11. Januar 2019). 10 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des BMJV: http://www.gesetze-im-internet.de/bpersvg/__68.html (letzter Abruf: 11. Januar 2019). 11 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des BMJV: https://www.gesetze-im-internet .de/kschg/BJNR004990951.html (letzter Abruf: 7. Januar 2019). 12 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des BMJV: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_bgb/index .html (letzter Abruf: 7. Januar 2019). 13 BT-Drs. 19/5226 vom 19.10.2018, S. 3, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/052/1905226.pdf (letzter Abruf: 7. Januar 2019). 14 Abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank des BMJV: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_bgb/index .html (letzter Abruf: 7. Januar 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 142/18 Seite 5 Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. 2. Aktueller Gesetzentwurf der Bundesregierung Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung hat die Bundesregierung im letzten Jahr einen Gesetzesentwurf initiiert, über den im Oktober 2018 erstmals beraten worden ist.15 Dieses Gesetz soll zwar in erster Linie dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen und nicht dem Schutz der Whistleblower dienen. Der Umgang mit Whistleblowern wird aber ebenfalls im Gesetzesentwurf thematisiert. Das Gesetzgebungsverfahren ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Der aktuelle Entwurf der Bundesregierung ist an die zuständigen Ausschüsse überwiesen worden. 2.1. Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht in § 5 GeschGehG bestimmte Rechtfertigungsgründe vor, sofern die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses zum Schutze eines berechtigten Interesses erfolgt.16 Gemäß § 5 Nr. 2 dieses Entwurfes ist die Erlangung, Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses insbesondere dann gerechtfertigt, wenn dies zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens erfolgt. Hierbei muss die das Geschäftsgeheimnis erlangende, nutzende oder offenlegende Person allerdings in der Absicht handeln, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Der Whistleblower würde demzufolge durch § 5 GeschGehG geschützt, weil ein gerechtfertigtes Verhalten nicht mit Strafe bedroht werden kann. Darüber hinaus würde § 5 GeschGehG auch das Entstehen von zivilrechtlichen Ansprüchen gegenüber dem Hinweisgeber verhindern.17 2.2. Die Motive des Whistleblowers Was die Beweggründe des Hinweisgebers bei der Aufdeckung von Informationen anbelangt, geht aus § 5 Nr. 2 GeschGehG eindeutig hervor, dass dieser die Motivation haben muss, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Der Gesetzentwurf zielt also auf die Gesinnung des Whistleblowers bei der Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses ab.18 Allein die Tatsache, dass 15 Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestages zur 55. Sitzung, Plenarprotokoll 19/55 vom 11.10.2018, S. 6070. 16 BT-Drs. 19/4724 vom 04.10.2018, S. 10, http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/047/1904724.pdf (letzter Abruf : 7. Januar 2019). 17 Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestages zur 55. Sitzung, Plenarprotokoll 19/55 vom 11.10.2018, S. 6071 (A). 18 Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestages zur 55. Sitzung, Plenarprotokoll 19/55 vom 11.10.2018, S. 6074 (B). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 142/18 Seite 6 objektiv der Schutz eines berechtigten Interesses bejaht werden kann, reicht für die rechtfertigende Wirkung und somit für die Straflosigkeit des Whistleblowers demnach noch nicht aus. ***