© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 – 137/18 Informationen zur sozialen Absicherung von ehrenamtlich Tätigen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 2 Informationen zur sozialen Absicherung von ehrenamtlich Tätigen Aktenzeichen: WD 6 - 3000 – 137/18 Abschluss der Arbeit: 10. Januar 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Versicherungsschutz im Ehrenamt 5 2.1. Rentenversicherung 5 2.2. Unfallversicherung 5 2.2.1. Pflichtversicherung kraft Gesetzes 5 2.2.2. Pflichtversicherung kraft Satzung 7 2.2.3. Möglichkeiten der freiwilligen Versicherung 7 2.3. Haftpflichtversicherung 8 3. Ausübung eines Ehrenamts während der Arbeitslosigkeit 9 3.1. Verfügbarkeit im Sinne der Arbeitsförderung 10 3.2. Anrechnung von Aufwandsentschädigungen 11 3.2.1. Arbeitslosengeld nach SGB III 11 3.2.2. Arbeitslosengeld nach SGB II 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 4 1. Einleitung Ein Ehrenamt ist im ursprünglichen Sinn ein Engagement in öffentlichen Funktionen. Im Allgemeinen wird darunter altruistisches Handeln verstanden, bei dem eine Einzelperson oder eine Gruppe freiwillig und unentgeltlich Arbeit leistet. Grundsätzlich ist die Ausübung eines Ehrenamts in Deutschland durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auf Basis des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und die daraus abgeleitete Allgemeine Handlungsfreiheit sowie durch das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Die Zahlung einer Vergütung oder Entschädigung für die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist nicht gesetzlich geregelt. Vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 29. August 20121 festgestellt, dass durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit kein Arbeitsverhältnis begründet wird. Danach dient die Ausübung von Ehrenämtern nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz, sondern ist Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen. So unterliegen auch in der Sozialversicherung nur abhängige Beschäftigungen und bestimmte selbständige Erwerbstätigkeiten, nicht jedoch ehrenamtlich ausgeübte Tätigkeiten, der Versicherungspflicht . Der Begriff der Beschäftigung ist für alle Zweige der Sozialversicherung in § 7 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) geregelt. Danach ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dies setzt regelmäßig den Abschluss eines Arbeitsvertrags und die Zahlung von Entgelt voraus. Eine selbständige Tätigkeit liegt immer dann vor, wenn Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit zu versteuern sind. Nach § 15 SGB IV ist für die Sozialversicherung das aus einer versicherten selbständigen Tätigkeit erzielte Arbeitseinkommen heranzuziehen. Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit . Ehrenamtliche Tätigkeiten sind bisher nicht eindeutig von anderen Verrichtungen wie zum Beispiel familiären oder nachbarschaftlichen Arbeiten abgegrenzt worden. Gemeinsames Merkmal ehrenamtlicher Tätigkeiten ist, dass sie freiwillig, unentgeltlich und gemeinwohlorientiert sind.2 Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist weder als abhängige Beschäftigung noch als selbständige Tätigkeit anzusehen, da keine Beschäftigung gegen Entgelt in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt wird und auch kein steuerpflichtiges Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt wird. Insofern gehören ehrenamtlich Tätige grundsätzlich nicht zum versicherten Personenkreis der Sozialversicherung.3 1 BAG vom 29. August 2012 – Az. 10 AZR 499/11, Rn. 21. 2 Petzschke: Ehrenamt und Rechtsordnung, Regelung ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements, Berlin, VWF 2004, S. 7 ff. 3 Diesem Sachstand liegen zum Teil frühere Beiträge der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zur selben Thematik zugrunde. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 5 2. Versicherungsschutz im Ehrenamt Damit ehrenamtlich Tätigen durch die Ausübung ihres Ehrenamts keine Nachteile entstehen und diese nicht unzumutbaren Risiken ausgesetzt sind, ist die Gewährleistung eines angemessenen Schutzes in der Sozialversicherung und der Haftpflichtversicherung von zentraler Bedeutung. Grundsätzlich tragen in erster Linie alle rechtlich selbständigen Vereinigungen die Verantwortung dafür, dass die in ihrem Rahmen oder Auftrag durchgeführten freiwillig und unentgeltlich erbrachten Tätigkeiten hinreichend versichert sind. 2.1. Rentenversicherung Die gesetzliche Rentenversicherung ist in erster Linie ein Alterssicherungssystem für Erwerbstätige wie abhängig Beschäftigte und bestimmte im Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aufgeführte selbständig Tätige. Nach § 2 SGB VI tritt die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für bestimmte, besonders schutzbedürftige Selbständige ein. Hierzu gehören zum Beispiel ohne eigene Mitarbeiter tätige Lehrer und Erzieher, sowie in der Krankenpflege Tätige. Darüber hinaus enthält § 3 SGB VI Regelungen über die Versicherungspflicht sonstiger Versicherter , zum Beispiel für die Zeit der Erziehung eines Kindes, der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen oder des Bezugs von Krankengeld oder Arbeitslosengeld. In diesen Fällen soll durch die Weiterzahlung von Pflichtbeiträgen keine Unterbrechung in der Versicherungsbiographie der Erwerbstätigen eintreten. Die generelle Versicherungspflicht bedeutet wegen der daraus folgenden Beitragslast für die meisten Erwerbstätigen einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 GG, der seine Rechtfertigung in der Schutzbedürftigkeit der im Gesetz aufgeführten Versicherten findet. Zeiten eines ehrenamtlichen bürgerschaftlichen Engagements führen somit generell nicht zu höheren Rentenleistungen, weil die Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung im Wesentlichen darin besteht, ihren aufgrund einer beitragspflichtigen Erwerbstätigkeit versicherten Mitgliedern ein aus Altersgründen oder wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht mehr erzielbare Erwerbseinkommen zu ersetzen. Insoweit wird grundsätzlich eine beitragspflichtige auf Erwerb gerichtete Tätigkeit vorausgesetzt. Eine rentensteigernde Berücksichtigung von ehrenamtlichen Tätigkeiten würde diese zeitlich versetzt entlohnen und dazu führen, dass sie entgegen ihrer ursprünglichen Einstufung wie Erwerbsarbeit zu betrachten wären. Insoweit bleiben ehrenamtliche Tätigkeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung unberücksichtigt. 2.2. Unfallversicherung 2.2.1. Pflichtversicherung kraft Gesetzes Viele ehrenamtlich Tätige sind nach den Vorschriften des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) gesetzlich unfallversichert. Weil sie im Interesse der Allgemeinheit tätig werden, genießen sie wie Arbeitnehmer den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Voraussetzung für Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 6 den Versicherungsschutz ist, dass die ehrenamtliche Tätigkeit im Auftrag der Schule, einer Körperschaft oder einer Anstalt des öffentlichen Rechts erfolgt, unentgeltlich ist und nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Kraft Gesetzes sind gemäß § 2 SGB VII unter anderen folgende Personenkreise versichert: Unentgeltlich in der Wohlfahrtspflege Tätige (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII) Wohlfahrtspflege ist die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für sozial benachteiligte oder schutzbedürftige Mitmenschen . Hierzu zählen Kinder und Jugendliche sowie pflegebedürftige, kranke, alte und behinderte Menschen.4 Ehrenamtlich in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, deren Verbänden oder Arbeitsgemeinschaften und im Bildungswesen Tätige sowie Personen, die in Vereinen oder Verbänden im Auftrag oder mit Zustimmung von Kommunen ehrenamtlich tätig werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII) Personen, die für Kirchen und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit Zustimmung der Kirche ehrenamtlich tätig werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 10b SGB VII) Unentgeltlich in Rettungsunternehmen Tätige (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII) Ebenfalls unentgeltlich in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz Tätige sind kraft Gesetzes pflichtversichert. Hierzu gehört auch die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen dieser Organisationen. Rettungsunternehmen haben eine durch Rechtsnorm oder ständige Übung festgelegte Zweckbestimmung, bei Unglücksfällen Dritter aktive Hilfe zu leisten und ihre Sach- und Personalmittel gerade zu diesem Zweck einzusetzen . Ehrenamtlich Tätige in landwirtschaftsfördernden Einrichtungen und in Berufsverbänden der Landwirtschaft (§ 2 Abs. 1 Nr. 5d und 5e SGB VII) Personen bei Teilnahme an gesetzlich geregelten Freiwilligendiensten (§ 2 Abs. 1a SGB VII) Engagierte, die wie Beschäftigte tätig werden (§ 2 Abs. 2 SGB VII) Personen ohne Beschäftigungsverhältnis sind gesetzlich unfallversichert, wenn sie wie Arbeitnehmer tätig werden. Voraussetzung hierfür ist eine unentgeltliche, ernsthafte, dem 4 Lilienfeld in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 101. Ergänzungslieferung September 2018, § 2 SGB VII, Rn. 45. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 7 Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht. Die Tätigkeit muss ihrer Art nach sonst von Personen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet werden.5 Soweit kein gesetzlicher oder Vereins-Unfallversicherungsschutz besteht, bleibt der Unfallversicherungsschutz für ehrenamtliches Engagement weiter der privaten Vorsorge vorbehalten. Alle Bundesländer haben aber in der Zwischenzeit in unterschiedlichem Umfang eine Landesversicherung für das bürgerschaftliche Engagement abgeschlossen. Hierüber sind alle im jeweiligen Landesbereich tätigen ehrenamtlich Tätigen automatisch unfallversichert. Diese Versicherung gilt jedoch nachrangig. Das heißt, dass erst die gesetzliche Unfallversicherung oder die bestehende Vereinsunfallversicherung greift. 2.2.2. Pflichtversicherung kraft Satzung Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII haben alle Träger der Unfallversicherung die Möglichkeit, durch entsprechende Regelungen in ihren Satzungen weitere Personengruppen ehrenamtlich Tätiger und bürgerschaftlich Engagierter in den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung aufzunehmen. Dieser Versicherungsschutz erfasst Personen, die eine unentgeltliche Tätigkeit ausüben, die dem Gemeinwohl dient. Die Tätigkeit muss für eine Organisation erfolgen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht Aufgaben ausführt, welche im öffentlichen Interesse liegen oder gemeinnützige Zwecke fördern.6 2.2.3. Möglichkeiten der freiwilligen Versicherung Bestimmte Personengruppen, die nicht kraft Gesetzes unfallversichert sind, können auf Antrag gemäß § 6 SGB VII freiwillig versichert werden oder sich selbst freiwillig versichern: gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII) Gemeinnützige Organisationen, wie zum Beispiel Sportvereine, können für ihre gewählten Ehrenamtsträger und ihre Stellvertreter auf freiwilliger Basis Unfallversicherungsschutz vertraglich begründen. Die Gemeinnützigkeit im Sinne des Gesetzes orientiert sich dabei im Wesentlichen an der Begrifflichkeit des Steuerrechts, nach der private Aktivitäten zur selbstlosen Förderung der Allgemeinheit steuerlich begünstigt werden7. Die Ehrenamtsträger können sich auch selbst freiwillig versichern. 5 Lilienfeld in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 101. Ergänzungslieferung September 2018, § 2 SGB VII, Rn. 125. 6 Lilienfeld in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 101. Ergänzungslieferung September 2018, § 3 SGB VII, Rn. 11b. 7 Wietfeld in Beck Online - Kommentar Sozialrecht, 50. Edition 1. September 2018, § 6 SGB VII, Rn. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 8 Personen, die sich in Gremien für Arbeitgeber und Arbeitnehmerorganisationen ehrenamtlich engagieren (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII) Für Personen, die sich in Gremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen oder Gewerkschaften und sonstigen Arbeitnehmervereinigungen ehrenamtlich engagieren, kann freiwilliger Versicherungsschutz über die Organisation begründet werden. Diese Personen können sich aber auch selbst freiwillig versichern. Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII) Auch Personen, die sich ehrenamtlich für politische Parteien engagieren, erhalten die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung. Dies betrifft solche Personen, die in Parteigremien , Ausschüssen, Kommissionen oder Arbeitskreisen der Parteien an der inhaltlichen Erarbeitung und Durchsetzung der politischen Vorstellungen der Partei mitwirken oder die politischen Positionen der Parteien in deren Auftrag oder mit deren Einwilligung nach außen in Reden, Diskussionen oder Gesprächen inhaltlich vertreten8. Abhängig von den Gegebenheiten der jeweiligen Partei muss hiermit nicht zwangsläufig die Parteimitgliedschaft verbunden sein. Nicht gemeint sind bereits gesetzlich versicherte Wahlhelfer, die am Wahltag in den Wahllokalen tätig werden oder auch gewählte Mandatsträger politischer Parteien, sofern diese im Rahmen ihres übertragenen Mandats tätig werden. Weitere Informationen können auch der Broschüre „Zu Ihrer Sicherheit – Unfallversichert im freiwilligen Engagement“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales entnommen werden.9 2.3. Haftpflichtversicherung Nicht versichert sind in der gesetzlichen Unfallversicherung Schäden, die ehrenamtlich Tätige anderen Personen zufügen. Hierfür kommt die Haftpflichtversicherung auf. Um diesem Risiko zu begegnen, haben alle Bundesländer den gesetzlichen Unfallschutz um einen Haftpflichtschutz erweitert. Der gesetzliche Haftpflichtschutz variiert allerdings von Bundesland zu Bundesland. In einigen Bundesländern ist die Haftpflichtversicherung ebenfalls nachrangig und greift nur, wenn der Verein oder die ehrenamtlich Engagierten keinen anderen Haftpflichtversicherungsschutz haben . Wer sich beispielsweise in öffentlichen Ehrenämtern engagiert, in der Kirche und Wohlfahrtspflege oder im Sport, ist meistens durch den Träger versichert. Auch private Haftpflichtversicherungen können Schäden aus der ehrenamtlichen Tätigkeit abdecken, was jedoch im Versicherungsvertrag ausgewiesen sein muss. Nicht durch eine private Haftpflichtversicherung abgedeckt sind verursachte Schäden durch ehrenamtlich Tätige, die eine verantwortliche leitende Tätigkeit als Vorstand oder Schatzmeister in 8 Lilienfeld in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 101. Ergänzungslieferung September 2018, § 6 SGB VII, Rn. 7a. 9 https://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/a329-zu-ihrer-sicherheit-unfallversichert-im-ehrenamt .html, (zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 9 einem Verein oder einer Organisation ausüben. Gegen Schadensersatzforderungen in diesem Bereich schützt in der Regel eine Vereinshaftpflichtversicherung.10 Die Schäden, die sich Mitglieder untereinander zufügen, sind vom Vereinsversicherungsschutz ausgeschlossen und werden in der Regel über die private Haftpflichtversicherung des einzelnen Vereinsmitglieds abgedeckt. Durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz vom 21. März 201311 sind unter anderem auch die haftungsrechtlichen Vorschriften für Vereine im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zur Haftung eines Vereinsvorstandes ergänzt worden. Nach § 31b BGB muss der Verein oder das Vereinsmitglied, welches das Vorstandsmitglied zur Haftung heranziehen will, beweisen, dass das Vorstandsmitglied grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung wird angenommen , wenn die Anforderungen an die Sorgfalt jedem anderen in der Situation des Betroffenen ohne weiteres aufgefallen wären. Verursacht ein ehrenamtlich Tätiger einem Dritten einen Vermögensschaden, so kommt hierfür nicht die private Haftpflichtversicherung oder die Vereinshaftpflichtversicherung auf. Es muss vielmehr eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Eine solche Versicherung ist umso empfehlenswerter, je größer die Aufgaben des Ehrenamtlers in vermögensrechtlicher Hinsicht sind.12 3. Ausübung eines Ehrenamts während der Arbeitslosigkeit Eines der Charakteristika ehrenamtlicher Tätigkeit ist die Unentgeltlichkeit. Die ehrenamtliche Tätigkeit ist rechtlich als Auftragsverhältnis nach den §§ 662-674 BGB einzuordnen.13 Ein Auftrag im Rechtssinne liegt dann vor, wenn eine beauftragte Person sich gegenüber einer beauftragenden Person verpflichtet, für diese unentgeltlich ein Geschäft zu besorgen. Unentgeltlichkeit im Sinne des § 662 BGB bedeutet, dass die beauftragte Person für ihre Arbeitsleistung und den Zeitaufwand als solches keine Vergütung erhält. Allerdings ist gemäß § 670 BGB ein vereinbarter Aufwendungsersatz möglich. Obwohl die ehrenamtliche Tätigkeit freiwillig, weisungsunabhängig und unentgeltlich erfolgt, können den ehrenamtlich Tätigen im Rahmen des Auftragsrechts gemäß § 665 BGB Weisungen erteilt werden. Dieses Weisungsrecht der auftraggebenden Person erreicht jedoch nicht den Umfang des Direktionsrechts eines Arbeitgebers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses und ist daher nicht mit dem arbeitsrechtlichen Weisungsrechtsbegriff zu vergleichen. 10 Ehrenamt-Deutschland.org, Versicherung – Schadenersatz, http://www.ehrenamt-deutschland.org/versicherung -schadensersatz/schadensverursachung-ehrenamtlicher.html (zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018). 11 BGBl. I 2013, S. 556. 12 Ehrenamt-Deutschland.org, Versicherung – Schadenersatz, http://www.ehrenamt-deutschland.org/versicherung -schadensersatz/vermoegensschaden.html (zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018). 13 Der Einsatz von Ehrenamtlichen aus arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht, Herausgeber: Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V., 3. Auflage, November 2014. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 10 Ehrenamtlich Tätige stehen somit in keinem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis. Sie üben eine unentgeltliche ehrenamtliche Tätigkeit aus, die sozialversicherungsfrei ist. Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist demnach auch steuerfrei. Fließen jedoch an den ehrenamtlich Tätigen Aufwandsentschädigungen , sonstige Vergütungen oder andere geldwerte Leistungen, ist zu prüfen, ob diese Leistungen der Lohn- oder Einkommensteuerpflicht nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) unterliegen, wenn bestimmte steuerliche Freibeträge überschritten werden. 3.1. Verfügbarkeit im Sinne der Arbeitsförderung Gemäß der Verordnung über die ehrenamtliche Betätigung von Arbeitslosen (EhrBetätV)14 ist grundsätzlich auch Arbeitslosen die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit unter der Voraussetzung gestattet, dass diese unentgeltlich ausgeführt wird, dem Gemeinwohl dient und bei einer Organisation erfolgt, die ohne Gewinnerzielungsabsicht Aufgaben ausführt, welche gemeinnützige Zwecke erfüllen. Unentgeltlichkeit ist auch dann gegeben, wenn getätigte Auslagen erstattet werden, auch in pauschalierter Form. Eine ehrenamtliche Tätigkeit mit einem Umfang von bis zu 15 Stunden wöchentlich wirkt sich weder beim Bezug von Arbeitslosengeld nach den Vorschriften des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) noch beim Bezug von Arbeitslosengeld II nach den Vorschriften des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) auf die Leistung und auf die Verfügbarkeit des Arbeitslosen für den Arbeitsmarkt aus. Übersteigt der wöchentliche Umfang der ehrenamtlichen Tätigkeit 15 Stunden wöchentlich, so ist bei Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III gemäß § 138 SGB III in Verbindung mit § 2 EhrBetätV zu prüfen, ob eine Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt weiterhin gegeben ist. Ob die Arbeitssuche bei einem Engagement über 15 Stunden pro Woche leidet, entscheiden die Arbeitsämter im Einzelfall. Zudem darf das Ehrenamt kein verstecktes Erwerbsverhältnis sein, und die freiwillige Tätigkeit muss jederzeit unterbrochen oder beendet werden können.15 Wer vorübergehend zur Beseitigung öffentlicher Notstände tätig ist, etwa im Zivil- oder Katastrophenschutz , beim Deutschen Roten Kreuz oder der Freiwilligen Feuerwehr, gilt gemäß § 139 SGB III immer als verfügbar im Sinne des SGB III, auch wenn die Tätigkeit 15 Wochenstunden übersteigt. 14 BGBl. I 2002, S. 1783. 15 Valgolio in Hauck/Noftz, Kommentierung zum SGB III, April 2018, § 138 SGB III, Rn. 74-80. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 11 3.2. Anrechnung von Aufwandsentschädigungen 3.2.1. Arbeitslosengeld nach SGB III Die Anrechnung von Nebeneinkommen beim Bezug von Arbeitslosengeld ist in § 155 SGB III geregelt . Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten sind dort zunächst nicht erwähnt . Die Beurteilung der Frage, ob eine Anrechnung auf das Arbeitslosengeld zu erfolgen hat, richtet sich unter anderem nach den Vorgaben des Einkommenssteuerrechts.16 Soweit der Arbeitslose eine Tätigkeit ausübt, für deren Einkünfte bis zur Höhe von 2.400 Euro jährlich die Ehrenamtspauschale nach § 3 Nr. 26a Einkommenssteuergesetz (EStG) oder die Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG geltend gemacht werden kann, sind diese Einkünfte im Rahmen ihrer Steuerfreiheit nicht auf das Arbeitsentgelt anzurechnen. Nach § 3 Nr. 26b EStG sind auch Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Vormundschaft, rechtliche Betreuung und Pflegschaft in gleicher Höhe anrechnungsfrei. Ein zusätzlicher Freibetrag in Höhe von 720 Euro gilt für Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit im gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Bereich nach § 3 Nr. 26a EStG. Soweit Einkünfte aus der Tätigkeit in kommunalen Gremien und Ämtern (beispielsweise Gemeinderatsmandat oder Tätigkeit als Ortsvorsteher ) erzielt werden, kommt es auf die Zwecksetzung der Einkünfte an. Gemeinderäte üben grundsätzlich keine Beschäftigung aus. Die Tätigkeit als Ortsvorsteher, die zum Teil versteuert wird, unterliegt in diesem Umfang aber auch der Anrechnung als Arbeitsentgelt beim Bezug von Arbeitslosengeld.17 3.2.2. Arbeitslosengeld nach SGB II Die Anrechnung von Nebeneinkommen beim Bezug von Arbeitslosengeld II ist in §§ 11, 11a und 11b SGB II geregelt. Ergänzend hinzuzuziehen sind die Vorschriften der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung ─ Alg II-V).18 Einen detaillierten Überblick über das Einkommen im Rahmen des SGB II bieten die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit.19 Das zu berücksichtigende Einkommen ist in § 11 SGB II definiert. Danach sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge als Einkommen zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Bei der Berechnung der Einkünfte sind also grundsätzlich alle Einnahmen in Geld zugrunde zu legen. Dabei ist unerheblich 16 Valgolio in Hauck/Noftz, Kommentierung zum SGB III, Juni 2016, § 155 SGB III, Rn. 57 ff. 17 Schmitz in: Schlegel/Voelzke, juris Praxis Kommentar-SGB III, 1. Auflage. 2014, § 155 SGB III, Rn. 29,30. 18 BGBl. I 2007, S. 2942. 19 Bundesagentur für Arbeit, Fachliche Weisungen zu §§ 11, 11a, 11b SGB II, Seite 5;. https://con.arbeitsagentur .de/prod/apok/ct/dam/download/documents/dok_ba015901.pdf (zuletzt abgerufen am 20. Dezember 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 12 ist, ob sie zu den Einkunftsarten im Sinne des Einkommensteuergesetzes gehören, und ob sie der Steuerpflicht unterliegen. Grundlage für die Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit sind die Bruttoeinnahmen gemäß § 2 Absatz 1 Alg II-V in Verbindung mit § 14 SGB IV. Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Auch steuerfreie Einnahmen oder Bezüge können Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit sein. Als nebenberuflich gilt eine Tätigkeit, wenn die Arbeitszeit maximal 13 Stunden pro Woche beträgt . Im Rahmen des SGB II sind Einnahmen aus solchen Tätigkeiten wie Erwerbseinkommen zu berücksichtigen. Ebenfalls als Einkommen berücksichtigt werden Einkünfte aus nebenberuflichen Tätigkeiten bei gemeinnützigen Einrichtungen oder Vereinen oder bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, sind nicht zu berücksichtigen , wenn sie ausdrücklich für einen anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II bestimmt sind. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie die Lage der Empfängerinnen und Empfänger nicht so günstig beeinflussen , dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Bei erwerbstätigen Leistungsberechtigten wird anstelle der Beträge nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 SGB II ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit als Freibetrag abgesetzt (Grundfreibetrag). Für Verdienste unter 100 Euro wird kein weiterer Freibetrag abgesetzt. Die Höhe des Freibetrags ist in zwei Stufen zu ermitteln: § 11b Abs. 3 SGB II regelt, dass bei Einkommen , die zwischen 100 und 1.000 Euro liegen, ein Freibetrag von 20 Prozent des 100 Euro übersteigenden Einkommens (also Grundfreibetrag 100 Euro plus maximal 180 Euro) gewährt wird (Stufe 1). Für die Einkommensteile, die höher als 1.000 Euro bis 1.200 Euro betragen, gibt es einen Freibetrag in Höhe von 10 Prozent des Einkommens (Stufe 2). Vergütungen oder Aufwandentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten verfolgen grundsätzlich einen anderen Zweck als die Leistungen des SGB II. Das heißt, alle Zahlungen, die einkommenssteuerfrei sind, wie etwa die Übungsleiterpauschale für Ausbilder, Erzieher und Betreuer oder die Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit im gemeinnützigen Bereich, werden dem Grunde nach im Ergebnis nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet.20 Eine Anrechnung erfolgt nur dann, wenn die Gerechtigkeitsprüfung ergibt, dass neben den zweckbestimmten Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit Leistungen nach dem SGB II ungerechtfertigt wären. Das ist dann jedenfalls nicht anzunehmen, wenn die Zuwendungen den Betrag einer halben monatli- 20 Ehrenamt-Deutschland.org, Vergütung – Aufwandsentschädigung, http://www.ehrenamt-deutschland.org/verguetung -aufwandsentschaedigungarbeitslosengeld-1.html und http://www.ehrenamt-deutschland.org/verguetung -aufwandsentschaedigung/alg-2-hartz-4.html, (zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 – 137/18 Seite 13 chen Regelleistung nicht übersteigen. Eine Übungsleiterpauschale von 200 Euro im Monat ist damit anrechnungsfrei. Bei höheren Zuwendungen ist der Betrag, der 200 Euro übersteigt, anrechenbar , wenn nicht berücksichtigungsfähige Aufwendungen dargelegt werden. Dem Jobcenter oder der Arbeitsagentur sind sämtliche Zuwendungen aus ehrenamtlicher Tätigkeit anzugeben, auch dann, wenn sie nicht angerechnet werden. ***