© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 136/19 Nichtberücksichtigung der Weiterbildungsprämien nach § 131a SGB III als Einkommen im Sinne des SGB II Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 2 Nichtberücksichtigung der Weiterbildungsprämien nach § 131a SGB III als Einkommen im Sinne des SGB II Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 136/19 Abschluss der Arbeit: 10. März 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Weiterbildungsprämie gemäß § 131a SGB III 4 3. Anrechenbarkeit der Weiterbildungsprämien auf Leistungen nach dem SGB II 5 3.1. Hilfebedürftigkeit und Einkommen nach dem SGB II 5 3.3. Anwendbarkeit des § 11a SGB II auf eine monatlich ausgezahlte Weiterbildungsprämie 8 3.3.1. Rechtskreis des SGB II 8 3.3.2. Rechtskreis des SGB III 9 3.3.2.1. Voraussetzungen des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II 9 3.3.2.2. Anwendbarkeit auf Motivationsprämien 11 3.3.3. Privilegierung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen 12 4. Exkurs: Vorschläge des Bundesrats zur Einführung einer monatlichen Mehraufwandsentschädigung 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 4 1. Einleitung § 131a Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) - Arbeitsförderung - sieht für die erfolgreiche Absolvierung von Zwischen- und Abschlussprüfungen bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen die Zahlung von Prämien vor. In diesem Zusammenhang wurden die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages um Prüfung gebeten, ob statt der bestehenden Prämien auch ein monatlicher Bonus (zum Beispiel in Höhe von 150 Euro) während der Dauer der Weiterbildungsmaßnahme gezahlt werden könne, ohne dass dieser als Einkommen auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - angerechnet würde. 2. Weiterbildungsprämie gemäß § 131a SGB III Nach § 131a Abs. 3 SGB III erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer nach § 81 SGB III von der Agentur für Arbeit geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, nach Bestehen einer Zwischenprüfung eine Prämie von 1.000 Euro und nach Bestehen der Abschlussprüfung eine Prämie von 1.500 Euro. Sie richtet sich also an Teilnehmende an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung, für die die Bundesagentur für Arbeit ohnehin schon Leistungen erbringt.1 Weitere Voraussetzung ist, dass die Weiterbildung zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. Die Regelung wurde 2016 eingeführt2 und ist bis Ende des Jahres 2020 (Beginn der Weiterbildungsmaßnahme ) befristet; dies gebe die Möglichkeit, die Wirkungen des Instruments in der Praxis über einen längeren Zeitraum zu beobachten.3 Laut Gesetzesbegründung4 stelle die Teilnahme an einer mehrjährigen, abschlussbezogenen Weiterbildung für erwachsene Teilnehmerinnen und Teilnehmer hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen. Dies gelte für Arbeitslose, aber insbesondere auch für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Familienpflichten. Mit der Einführung von Erfolgsprämien für das Bestehen von Zwischen- und Abschlussprüfungen solle die Motivation erhöht werden, eine von den Agenturen für Arbeit geförderte abschlussbezogene berufliche 1 Schmidt in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 55. Edition, Stand: 1. Dezember 2019, SGB III § 131a, Rn. 2. 2 Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG), BGBl. I Nr. 35, 1710. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG), Bundestagsdrucksache 18/8042 vom 6. April 2016, S. 21. 4 Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG), Bundestagsdrucksache 18/8042 vom 6. April 2016, S. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 5 Weiterbildung aufzunehmen, durchzuhalten und erfolgreich abzuschließen. Die Prämienzahlung honoriere damit Lernbereitschaft und Durchhaltevermögen der Teilnehmenden.5 Es handelt sich um eine sogenannte Motivationsprämie.6 Leistungsberechtigte nach dem SGB III haben - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - einen unmittelbaren Anspruch nach § 131a Abs. 3 SGB III. Dies gilt auch für Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III, die als sogenannte Aufstocker ergänzend leistungsberechtigt nach dem SGB II sind.7 Über § 16 SGB II gilt die Regelung auch für den Rechtskreis des SGB II. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II kann die Agentur für Arbeit für Leistungsberechtigte nach dem des SGB II zur Eingliederung in Arbeit Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt des SGB III (§§ 81 ff. SGB III) und nach § 131a SGB III erbringen. 3. Anrechenbarkeit der Weiterbildungsprämien auf Leistungen nach dem SGB II Beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II sind grundsätzlich die Einkommen- und Vermögensverhältnisse der Leistungsberechtigten zu prüfen. Dies gilt auch für Leistungsberechtigte, die Leistungen nach dem SGB II ergänzend zu einem Erwerbseinkommen oder Arbeitslosengeld nach dem SGB III beziehen. 3.1. Hilfebedürftigkeit und Einkommen nach dem SGB II Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist unter anderem, dass die Person hilfebedürftig ist, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, „wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.“ § 9 SGB II bringt 5 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG), Bundestagsdrucksache 18/8042 vom 6. April 2016, S. 27. 6 Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II, Fachliche Weisungen, §§ 11-11b SGB II, Zu berücksichtigendes Einkommen, Stand: 7. Februar 2020, Rn. 11.87, https://www.arbeitsagentur.de/datei /dok_ba015901.pdf (zuletzt abgerufen am 4. März 2020). 7 SG Karlsruhe, Urteil vom 11. Dezember 2018 - S 4 AL 1712/18 -, Rn. 32; Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand : 75. EL September 2019, SGB II § 5, Rn. 39. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 6 zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Grundsicherung für Arbeitsuchende nachrangig ausgestaltet hat. Der Antragsteller hat daher zunächst sein Einkommen und Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einzusetzen.8 §§ 11, 11a und 11b SGB II legen fest, welches Einkommen bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen grundsätzlich Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen. § 11a SGB II bestimmt das nicht zu berücksichtigende Einkommen, das heißt das Einkommen, das nicht auf Leistungen nach dem SGB II anrechenbar ist. Gemäß § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II sind Leistungen nach dem SGB II selbst („Leistungen nach diesem Buch“) nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Ferner sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen (§ 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II).9 Zudem enthalten auch andere Gesetze Vorschriften, nach denen bestimmte Leistungen nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II anzurechnen sind. Ihre Anrechnungsfreiheit ergibt sich nicht aus dem SGB II, sondern aus den entsprechenden Leistungsgesetzen.10 Solche Ausnahmebestimmungen sind beispielsweise § 9 Abs. 1 des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG) in Bezug auf Ausgleichsleistungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet 11 und § 18 des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden (Häftlingshilfegesetz - HHG) betreffend Unterstützungen zur Linderung einer Notlage12. 8 Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 55. Edition, Stand: 1. Dezember 2019, SGB II § 9, Rn. 3. 9 Zu den Voraussetzungen wird auf die Ausführungen unter 3.3.2.1 verwiesen. 10 Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 55. Edition, Stand: 1. Dezember 2019, SGB II § 11a, Rn. 51. 11 Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 76. EL März 2020, SGB II § 11a, Rn. 52 mit weiteren Beispielen . 12 Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 55. Edition, Stand: 1. Dezember 2019, SGB II § 11a, Rn. 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 7 3.2. Aktuelle Rechtslage zur Anrechenbarkeit der Weiterbildungsprämie Nach - soweit ersichtlich - einhelliger Auffassung sind die Weiterbildungsprämien in ihrer aktuellen Form nach § 11a SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen.13 Auch der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf verwiesen.14 Zu dieser Frage einschlägige Rechtsprechung liegt nach hiesiger Kenntnis nicht vor. Nach Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist nach dessen Auffassung und der Auffassung der Bundesagentur für Arbeit für die Rechtsgrundlage der Nichtberücksichtigung zu unterscheiden, ob die Weiterbildungsprämien dem Rechtskreis des SGB II oder dem SGB III zuzuordnen sind. Erfolge die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildung nach § 131a SGB III als Leistung zur Eingliederung in Arbeit nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II (Rechtskreis des SGB II), so handele es sich bei der Weiterbildungsprämie um eine Leistung nach dem SGB II.15 Diese sei gemäß § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II als Leistung nach dem SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen.16 Werde die Weiterbildungsprämie hingegen aus dem Rechtskreis des SGB III an Leistungsberechtigte gezahlt, die ergänzende Leistungen nach dem SGB II erhalten (Aufstocker), handele es sich nicht um eine Leistung nach dem SGB II. Folglich komme hier nicht § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II zur Anwendung. In diesen Fällen folge die Nichtberücksichtigung der Prämien als Einkommen aus § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Die öffentlich-rechtliche - von den Zwecken des SGB II abweichende - Zweckbestimmung werde darin gesehen, dass die Leistung der Motivation der Teilnehmenden dienen soll. Dieser Zweck würde durch eine Berücksichtigung als Einkommen vereitelt. 13 Jüttner in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, Sozialgesetzbuch III, 6. Auflage 2017, § 131a, Rn. 12; Kühl in: Brand, SGB III 8. Auflage 2018, § 131a, Rn. 11a; Räder in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Auflage, § 131a SGB III (Stand: 15. Januar 2019), Rn. 21; Steinmeyer, infoalso 2017, 10, 13; Bundesagentur für Arbeit, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 9. Mai 2016 zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG), Bundestagsdrucksache 18/8042, Ausschussdrucksache 18(11)618 vom 4. Mai 2016, S. 40. Soweit Ausführungen zur genauen Rechtsgrundlage der Nichtberücksichtigung gemacht werden, wird auf § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II verwiesen , das heißt, es handele sich um Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden und nicht der Sicherung des Lebensunterhalts dienten. Dabei erfolgt jedoch keine Unterscheidung danach, ob die Leistungsberechtigten nach den Bestimmungen des SGB II oder des SGB III an der Weiterbildung teilnehmen. 14 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG), Bundestagsdrucksache 18/8042 vom 6. April 2016, S. 27. 15 So auch die Bundesregierung: vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz ) - Drucksache 19/4948 -, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung , Bundestagsdrucksache 19/5419, 1. November 2018, S. 11. 16 In der Literatur ist die Frage, ob Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II Leistungen nach dem SGB II im Sinne des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II sind, umstritten, siehe hierzu die Ausführungen unten unter 3.3.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 8 Dementsprechend seien auch die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit17 zu den §§ 11 bis 11b SGB II auszulegen. 3.3. Anwendbarkeit des § 11a SGB II auf eine monatlich ausgezahlte Weiterbildungsprämie Ob die Weiterbildungsprämien nach § 131a SGB III auch bei einer monatlichen Auszahlung statt nach erfolgreichem Bestehen einer Zwischen- oder Abschlussprüfung nach § 11a SGB II anrechnungsfrei wären, wäre zum einen abhängig davon, ob die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildung im Rechtskreis des SGB II oder des SGB III erfolgt. Im Übrigen dürfte es auf die konkrete gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Regelung ankommen. 3.3.1. Rechtskreis des SGB II Wie ausgeführt ist für Leistungsberechtigte aus dem Rechtskreis des SGB II die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildung eine Leistung zur Eingliederung in Arbeit nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB II in Verbindung mit §§ 81, 131a SGB III. In der Literatur ist die Frage umstritten, ob Leistungen, auf die im SGB II verwiesen wird (wie vorliegend in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II), von der Anrechnung nach § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II ausgenommen sind. Zum Teil wird vertreten, dass die Verweisung in § 16 Abs. 1 SGB II auf Leistungen des SGB III eine Rechtsgrundverweisung sei. Damit bestünden weitere Tatbestandsvoraussetzungen neben denen des SGB II, die erfüllt sein müssten, und es handele sich folglich nicht um Leistungen nach dem SGB II. Eine Anwendbarkeit des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II scheide damit aus.18 Nach wohl herrschender Ansicht19 hingegen, die auch das BMAS und die Bundesagentur für Arbeit vertreten (siehe die Ausführungen unter 3.2), gehören zu Leistungen nach dem SGB II im 17 Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II, Fachliche Weisungen, §§ 11-11b SGB II, Zu berücksichtigendes Einkommen, Stand: 7. Februar 2020, Rn. 11.79 und 11.83 ff., https://www.arbeitsagentur .de/datei/dok_ba015901.pdf (zuletzt abgerufen am 4. März 2020). 18 Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 76. EL März 2020, SGB II § 11a, Rn. 6; so im Ergebnis wohl auch Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, Juli 17, § 11a SGB II, Rn. 151, der eine Privilegierung der Eingliederungsleistungen nach § 16 ff. SGB II gemäß § 11a Abs. 3 Satz SGB II (zweckbestimmte Leistung aufgrund öffentlich -rechtlicher Bestimmungen) annimmt. 19 Löns in: in Herold / Tews, SGB II, 3. Auflage 2011, § 11a, Rn. 5; Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 7; Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage (Stand: 25. September 2019), § 11a, Rn. 18; Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Onlinekommentar Sozialrecht, 55. Edition, Stand: 1. Dezember 2019; § 11a, Rn. 3; Becker in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht , 6. Auflage 2019, § 11a, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 9 Sinne des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II auch die Eingliederungsleistungen in Arbeit nach den §§ 16 ff. SGB II. Folgt man letztgenannter Auffassung, so wäre es für Leistungsberechtigte aus dem Rechtskreis des SGB II, die gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II an der beruflichen Weiterbildung nach §§ 81, 131a SGB III teilnehmen, unerheblich, ob die Prämien monatlich oder nach Abschluss von Prüfungen gezahlt würden. Es handelt sich in beiden Fällen um Leistungen nach dem SGB II, die nach § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II bei der Ermittlung des Einkommens unberücksichtigt blieben. 3.3.2. Rechtskreis des SGB III In Hinblick auf sogenannte Aufstocker, die die Weiterbildungsprämien direkt als Leistungen nach dem SGB III erhalten, kommt eine Privilegierung nach § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II wie ausgeführt nicht in Betracht. Für die Frage, ob eine monatliche Weiterbildungsprämie bei ergänzendem Leistungsbezug nach dem SGB II gemäß § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II als Einkommen unberücksichtigt bliebe, käme es vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Regelung an. 3.3.2.1. Voraussetzungen des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II Nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen , als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Mit der Regelung soll einerseits vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, und andererseits verhindert werden, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden.20 Voraussetzung für die Privilegierung von Zahlungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ist folglich, dass die Leistung einem ausdrücklichen Zweck dient, der über die Sicherung des Lebensunterhaltes hinaus geht und zudem ein anderer als derjenige sein muss, für den die im Einzelfall in Frage stehende Leistung nach dem SGB II gewährt wird.21 Maßgebend ist daher zunächst, ob in den in Frage stehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein Zweck ausdrücklich benannt ist. Dabei ist es auch ausreichend, dass sich der Zweck aus der Gesetzesbegründung oder gar nur aus dem Tenor oder der Begründung des Bescheides, mit dem die Leistung bewilligt wird, ergibt. Auch die Verwendung des Wortes „Zweck“ ist nicht erforder- 20 BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 14 AS 36/17 R -, Rn. 22 (zit. nach juris); Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Werkstand 7/17, § 11a, Rn. 120. 21 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 11a, Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 10 lich. Der Zweck kann vielmehr auch durch Formulierungen wie „zur Sicherung“, „zum Ausgleich “ oder Ähnliches zum Ausdruck kommen. Ferner kann es genügen, wenn aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung die Zweckbestimmung folgt, soweit diese sich aus dem Gesamtzusammenhang eindeutig ableiten lässt.22 Strittig ist, ob über die Zweckbestimmung eine Zwecksicherung erforderlich ist. Laut der Gesetzesbegründung fehlt es an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung auch dann, „wenn die Einkommensbezieherin oder der Einkommensbezieher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert ist, die Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach [dem SGB II] einzusetzen“.23 Die überwiegende Meinung im Schrifttum lehnt das Erfordernis einer solchen Zwecksicherung wohl ab.24 Eine derart strikte Auslegung komme im Gesetzestext nicht zum Ausdruck.25 Zudem sei andernfalls kaum ein Fall denkbar, in dem es einem Einkommensbezieher nicht zumindest tatsächlich möglich wäre, die gewährten Leistungen auch zur Deckung des Lebensunterhaltes einzusetzen (Ausnahme: Auszahlung an einen Dritten).26 Tatsächlich werden in der Praxis eine Reihe von Leistungen als Einkommen im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II berücksichtigt, bei denen eine Zwecksicherung nicht gegeben ist.27 Die Rechtsprechung scheint hinsichtlich der Frage einer solchen Zwecksicherung uneinheitlich.28 Das Bundessozialgericht (BSG) hat - soweit ersichtlich - diesbezüglich noch nicht Stellung genommen.29 22 Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. November 2017 - L 11 AS 322/17 -, Rn. 19 (zit. nach juris); Becker in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, SGB II, § 11a, Rn. 10. 23 Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, Bundestagsdrucksache 17/3404, S. 94. 24 Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 76. EL März 2020, SGB II § 11a, Rn. 22 (mwN); Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 20; Becker in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, SGB II § 11a, Rn. 12. 25 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 20. 26 Becker in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, SGB II § 11a, Rn. 12. 27 Siehe hierzu die Aufzählungen bei: Strnischa in: Oestreicher, SGB II/SGB III, Stand 1. September 2019 (88. EL), SGB II, § 11a, Rn. 30.; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Werksstand Juli 2017, § 11a, Rn. 139 ff.; Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II, Fachliche Weisungen, §§ 11-11b SGB II, Zu berücksichtigendes Einkommen, Stand: 7. Februar 2020, Rn. 11.84, https://www.arbeitsagentur.de/datei /dok_ba015901.pdf (zuletzt abgerufen am 4. März 2020). 28 Insoweit ablehnend: z. B. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. November 2017 - L 11 AS 322/17 -, Rn. 19 (zitiert nach juris); mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung wohl Zwecksicherung fordernd: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. November 2018 - L 15 AS 55/18 -, Rn. 24 (zit. nach juris). 29 So auch Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018, S. 60, https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld .pdf (zuletzt abgerufen am 15. Februar 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 11 Ferner darf keine Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II vorliegen. Diese Identität fehlt in der Regel dann, wenn die Zweckrichtung der anderen Leistung durch eine Anrechnung vereitelt würde.30 Da nach dem Wortlaut des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II die Leistungen „nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen“ sind, als sie demselben Zweck dienen, ist auch eine teilweise Anrechnung der Leistung denkbar.31 Die Weiterbildungsprämien nach § 131a Abs. 3 SGB III werden aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht; Zweck ist laut Gesetzesbegründung die Stärkung der Motivation und des Durchhaltevermögens sowie die Honorierung der Lernbereitschaft der Teilnehmenden an einer abschlussbezogenen Weiterbildung (Motivationsprämie, siehe hierzu ausführlich oben unter 2).32 Eine konkrete Zweckverwendung seitens des Leistungsbeziehers ist nicht vorgegeben. 3.3.2.2. Anwendbarkeit auf Motivationsprämien Nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit ist in Hinblick auf Motivationsprämien für die Frage der Anrechnung als Einkommen die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Regelungen maßgebend. Demnach wird eine Prämie zu einem ausdrücklich anderen Zweck als der Lebensunterhaltssicherung erbracht, wenn sie als pädagogisches Instrument gezahlt wird, um die Motivation der Maßnahmeteilnehmer anzuerkennen und zu befördern. Ein anderer Zweck als die Lebensunterhaltssicherung liege bei einer einmaligen Leistung vor, wenn diese zum Beispiel anlässlich einer bestandenen Zwischen- oder Abschlussprüfung gezahlt werde. Die Zweckbestimmung werde dann in dem für das Erreichen der Prüfung verbundenen besonderen Aufwand an Lern- und Veränderungsbereitschaft und in der Anerkennung der Prüfungsleistung als solcher gesehen. Entscheidend für die Nichtberücksichtigung sei, dass diese Zweckbestimmung durch die Berücksichtigung als Einkommen entwertet werden würde.33 Dies trifft auf die derzeitige Ausgestaltung der Weiterbildungsprämie zu. Nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit gelte die Privilegierung auch, wenn Prämien auf der Basis von kompetenzbasierten Zwischenauswertungen im Sinne eines pädagogischen Instruments erbracht werden, die auf Basis von nachprüfbaren Akten der Leistung in ein Konto für den Teilnehmenden eingezahlt werden, und der Kontenabruf erst ab einer be- 30 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 11a, Rn. 40. 31 Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 62. UPD November 2019, § 11a, Rn. 26 f. 32 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG), Bundestagsdrucksache 18/8042 vom 6. April 2016, S. 27. 33 Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II, Fachliche Weisungen, §§ 11-11b SGB II, Zu berücksichtigendes Einkommen, Stand: 7. Februar 2020, Rn. 11.87, https://www.arbeitsagentur.de/datei /dok_ba015901.pdf (zuletzt abgerufen am 4. März 2020). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 12 stimmten Mindesthöhe möglich ist. Auch in diesem Fall handele es sich nicht um pauschale monatliche Zahlungen mit einer nicht dem Lebensunterhalt dienenden Zweckrichtung. Vielmehr stehe der pädagogische Zweck im Vordergrund, so dass keine Berücksichtigung als Einkommen erfolge.34 Nach diesen insbesondere für die auf Länderebene im Rahmen des Besuchs von Produktionsschulen gezahlten Produktionsschulgelder entwickelten Grundsätzen35 würde demnach eine pauschale monatliche Zahlung allein für die Teilnahme an einer Maßnahme für eine Privilegierung nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht ausreichen. Vielmehr müsste wohl auch eine monatliche Prämienzahlung mindestens einen Bezug zu von den Teilnehmenden im Rahmen der Maßnahme individuell erbrachten Leistungen aufweisen, damit der pädagogische Aspekt der Motivationsprämie im Vordergrund stünde. 3.3.3. Privilegierung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Wie unter 3.1 ausgeführt, kann Einkommen auch aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen von der Berücksichtigung nach den §§ 11 ff. SGB II ausgenommen sein. Eine entsprechende Regelung in § 131a SGB III würde für den Rechtskreis des SGB II und des SGB III gelten. 4. Exkurs: Vorschläge des Bundesrats zur Einführung einer monatlichen Mehraufwandsentschädigung Der Bundesrat hat in der Vergangenheit mehrfach die Einführung einer zusätzlich zur bestehenden Weiterbildungsprämie zu leistenden monatlichen Mehraufwandsentschädigung zur Motivation in Zusammenhang mit der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen im SGB II vorgeschlagen . So schlug der Bundesrat - ebenfalls im Jahr 2016 - in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung der 34 Bundesagentur für Arbeit, Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II, Fachliche Weisungen, §§ 11-11b SGB II, Zu berücksichtigendes Einkommen, Stand: 7. Februar 2020, Rn. 11.87, https://www.arbeitsagentur.de/datei /dok_ba015901.pdf (zuletzt abgerufen am 4. März 2020). 35 Vgl. Behörde für Justiz und Gleichstellung der Freien und Hansestadt Hamburg, Förderrichtlinie zur Gewährung individueller Leistungsprämien in Produktionsschulen, Amtlicher Anzeiger Nr. 7, Teil II des Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblattes vom 24. Januar 2014, S. 153 f., https://www.hamburg.de/contentblob /7075526/d6b74c3aee975acb0a98e8307c40c4ba/data/foerderrichtlinien.pdf (zuletzt abgerufen am 4. März 2020). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 13 Bundesregierung36 vor, die Zahlung einer Mehraufwandsentschädigung bei beruflicher Weiterbildung in Höhe von monatlich 150 Euro im SGB II einzuführen. Der einzufügende § 16i SGB II sollte wie folgt lauten: „Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die an einer nach § 81 des Dritten Buches geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, erhalten zuzüglich zum Arbeitslosengeld II für die Dauer der geförderten beruflichen Weiterbildung eine monatliche Entschädigung der Mehraufwendungen in Höhe von 150 Euro.“37 Zur Begründung verwies der Bundesrat gleichfalls auf die hohen Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen, die die Teilnahme an einer mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildung gerade an Langzeitarbeitslose und Langzeitleistungsbeziehende im SGB II stelle. Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im Helferbereich würden häufig aufgrund kurzfristiger wirtschaftlicher Überlegungen bevorzugt, obwohl diese in der Regel den Leistungsbezug nicht auf Dauer beendeten. Die Jobcenter bräuchten daher - über eine Erfolgsprämie hinaus - ein wirksames Instrument, mit dem die Weiterbildungsbereitschaft und das Durchhaltevermögen gezielt gesteigert werden könne.38 Die Mehraufwandsentschädigung sollte folglich zusätzlich zu einer Erfolgsprämie gezahlt werden. Die Bundesregierung lehnte diesen Vorschlag unter Verweis auf die im AWStG vorgesehene Weiterbildungsprämie ab. Nach Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) hätten höhere abschlussbezogene Weiterbildungsprämien im Vergleich zu monatlichen Prämienzahlungen signifikant höhere Anreizwirkungen. Die Bundesregierung habe sich deshalb nur für dieses Instrument entschieden. Zudem würde eine zusätzliche monatliche Zahlung den finanziellen Aufwand der Gesamtförderung vergrößern und damit bei begrenztem Budget den arbeitsmarktpolitischen Handlungsspielraum reduzieren.39 36 Stellungnahme des Bundesrates, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ‒ Rechtsvereinfachung, Bundestagsdrucksache 18/8041, 6. April 2016, S. 71. 37 Stellungnahme des Bundesrates, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ‒ Rechtsvereinfachung, Bundestagsdrucksache 18/8041, 6. April 2016, S. 81. 38 Stellungnahme des Bundesrates, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ‒ Rechtsvereinfachung, Bundesratsdrucksache 66/16 (Beschluss), 18. März 2016, S. 19. 39 Gegenäußerung der Bundesregierung, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ‒ Rechtsvereinfachung, Bundestagsdrucksache 18/8041, 6. April 2016, S. 105. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 136/19 Seite 14 Der Bundesrat brachte den Vorschlag erneut in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz) der Bundesregierung vom 18. Oktober 2018 ein.40 In der Begründung ergänzte er, dass die monatliche Zahlung gleichzeitig dazu motiviere, die Weiterbildung durchzuhalten und erfolgreich abzuschließen. Die monatliche Zahlung honoriere damit auch die Lernbereitschaft und das Durchhaltevermögen der Teilnehmenden.41 Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag wiederum ab. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden bedarfsbezogen geleistet. Soweit durch die Teilnahme an einer Maßnahme zusätzliche Kosten entstünden, würden diese durch die Übernahme der Teilnahmekosten abgedeckt. Weitere ungedeckte Bedarfe entstünden durch die Teilnahme nicht. Zur Steigerung der Weiterbildungsbereitschaft und des Durchhaltevermögens sähen das SGB III und das SGB II bereits Weiterbildungsprämien vor (§ 16 Abs. 1 Satz 2 Nummer 4 SGB II, § 131a Abs. 3 SGB III). Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die mit der Teilnahme und einem erfolgreichen Maßnahmeabschluss verbundene Perspektive zur möglichen Überwindung der Hilfebedürftigkeit bereits einen Anreiz darstelle.42 *** 40 Stellungnahme des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz), Bundesratsdrucksache 467/18 (Beschluss), 19. Oktober 2018, S. 8. 41 Stellungnahme des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz), Bundesratsdrucksache 467/18 (Beschluss), 19. Oktober 2018, S. 8. 42 Unterrichtung durch die Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz) - Drucksache 19/4948 -, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 19/5419, 1. November 2018, S. 11.