© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 133/16 Einzelfragen zum Bundesteilhabegesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 133/16 Seite 2 Einzelfragen zum Bundesteilhabegesetz Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 133/16 Abschluss der Arbeit: 24. November 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 133/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Wird bei Menschen mit dauerhafter voller Erwerbsminderung Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gewährt und/oder Hilfe zum Lebensunterhalt? 4 2. Worauf bezieht sich die Regelung in § 138 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX neu und was bedeutet sie? 4 3. Stellen die neuen Regelungen zur Einkommens- und Vermögensanrechnung nicht eine Sonderregelung für die Personengruppe „Eingliederungshilfeleistungen“ dar, wenn sie keinen Eigenbetrag aufbringen müssen? 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 133/16 Seite 4 1. Wird bei Menschen mit dauerhafter voller Erwerbsminderung Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gewährt und/oder Hilfe zum Lebensunterhalt? Nach § 41 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII - Sozialhilfe) ist voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Diese Leistung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII wird an Stelle der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII gewährt, wenn Menschen bedingt durch eine Krankheit oder eine Behinderung täglich keine drei Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein können. 2. Worauf bezieht sich die Regelung in § 138 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX neu und was bedeutet sie? „§ 138 Besondere Höhe des Beitrages zu den Aufwendungen (1) Ein Beitrag ist nicht aufzubringen bei (…) 8. gleichzeitiger Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten oder Zwölften Buch oder nach § 27a Bundesversorgungsgesetz, (…)“ Die Regelung in § 138 Abs. 1 Nr. 8 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch-neu (SGB IX-neu) bezieht sich nicht auf die „Hilfe zum Lebensunterhalt“ nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches. Vielmehr sind hier Leistungen zum Lebensunterhalt „allgemein“ (Zweites und Zwölftes Sozialgesetzbuch – SGB II, SGB XII, Bundesversorgungsgesetz - BVG) gemeint und nicht speziell die „Hilfe zum Lebensunterhalt“. Als Leistungsberechtigter der Eingliederungshilfe muss kein Eigenbeitrag vom Einkommen aufgebracht werden, wenn gleichzeitig Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II, SGB XII oder BVG gewährt werden. Die hier genannten sozialen Mindestsicherungssysteme sind finanzielle Hilfen des Staates, die zur Sicherung des grundlegenden Lebensunterhalts an leistungsberechtigte Personen ausgezahlt werden. Die Ausnahmeregelung ist daher sinnvoll, da für den Leistungsbezug Bedürftigkeit vorliegen muss und der Lebensunterhalt nicht durch einen Eigenbeitrag zur Eingliederungshilfe gefährdet werden soll. 3. Stellen die neuen Regelungen zur Einkommens- und Vermögensanrechnung nicht eine Sonderregelung für die Personengruppe „Eingliederungshilfeleistungen“ dar, wenn sie keinen Eigenbetrag aufbringen müssen? Die Vorteile hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensanrechnung gelten nur für die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX-neu. Nach § 99 SGB IX-neu ist Eingliederungshilfe Personen zu leisten, deren Beeinträchtigungen die Folge einer Schädigung der Körperfunktion und -struktur sind und die dadurch in Wechselwirkung mit den Barrieren in erheblichem Maße in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft erheblich eingeschränkt sind. Der Zugang wird an die Lebensbereiche der „Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ der WHO angelehnt (International Classification of Functioning, Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 133/16 Seite 5 Disability and Health, ICF). Mit Hilfe der ICF kann die aktuelle Funktionsfähigkeit jedes Menschen - oder ihre Beeinträchtigung - beschrieben und klassifiziert werden. Durch das künftige Bundesteilhabegesetz wird die Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe herausgelöst und an neue Zugangsvoraussetzungen geknüpft. Die Vorteile werden nur Menschen gewährt , die in erheblichem Maße in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft erheblich eingeschränkt sind. Für alle anderen Leistungen, die weiterhin nach dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe gewährt werden, bleiben die Regelungen zu Einkommen und Vermögen bestehen. Eine Herauslösung einzelner Leistungen aus der Sozialhilfe bedeutete eine Ungleichbehandlung und wäre nur dann gerechtfertigt , wenn mit der Ungleichbehandlung ein legitimer Zweck verfolgt wird und sie zugleich verhältnismäßig (geeignet, erforderlich und angemessen) ist. ***