© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 132/16 Einzelfragen zur Änderung der Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Kurzarbeitergeld vom 21. März 2016 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 132/16 Seite 2 Einzelfragen zur Änderung der Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Kurzarbeitergeld vom 21. März 2016 Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 132/16 Abschluss der Arbeit: 29. November 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 132/16 Seite 3 1. Änderung der Geschäftsanweisung Durch Weisung 201603008 vom 21. März 2016 hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) ihre Geschäftsanweisungen Kurzarbeitergeld (§§ 95 bis 111 und 113 SGB III1) verschiedenen Änderungen unterzogen. Dabei wurde unter anderem der materiell-rechtliche Inhalt der Geschäftsanweisung zu vermeidbaren Arbeitsausfällen im Sinne des § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB III geändert. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ist ein Arbeitsausfall nur dann erheblich im Sinne des § 95 Satz 1 Nr. 1 SGB III, wenn er unvermeidbar war. Nach § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB III gilt ein Arbeitsausfall unter anderem dann als vermeidbar, wenn er überwiegend branchen- oder betriebsüblich ist. In Nr. 2.8.1 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsanweisung in der bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung war unter Berufung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Mai 19952 festgelegt, dass ein Arbeitsausfall auch dann als betriebsüblich angesehen werden könne, wenn er nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftrete, sondern sich in einem einmaligen Ereignis konkretisiere. Dieser Satz wurde durch die Weisung 201603008 gestrichen. 2. Begründung der Änderung Das in Bezug genommene BSG-Urteil betraf einen Sachverhalt, in dem ein Arbeitgeber sich an einen einzigen Auftraggeber gebunden hatte, für den er ein Kettenbriefsystem betrieben hatte. Nachdem sich der Kettenbrief erschöpft hatte, kam es zu Arbeitsausfällen. Die Vorinstanz hatte die geltend gemachten Arbeitsausfälle auf die Bindung an einen einzigen Auftraggeber und die Eigenart des Kettenbriefsystems zurückgeführt, das sich naturgemäß irgendwann erschöpfe. Sie seien bei dieser Sachlage dem normalen Betriebsrisiko zuzuordnen und dementsprechend als vermeidbar anzusehen. Das BSG teilte die grundsätzliche Annahme, dass die Betriebsüblichkeit auch bei einmaligen Ereignissen bejaht werden könne, verwies die Sache im konkreten Fall jedoch für weitere Tatsachenfeststellungen an die Vorinstanz zurück. Nach Auskunft der BA diente die Weisung 201603008 einer Bereinigung der Geschäftsanweisungen . Grund für die Streichung der in Rede stehenden Passage war danach die Erkenntnis, dass der im BSG-Urteil geschilderte Sachverhalt und die rechtliche Würdigung auf praktisch zu entscheidende Sachverhalte nicht übertragbar gewesen seien. Die auf diese Rechtsprechung gegründete Weisung habe daher für die tägliche Praxis keine Lösungsansätze geboten und sei deshalb wieder entfernt worden. 1 Drittes Gesetz Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung. 2 BSG Urteil vom 18. Mai 1995 - 7 RAr 28/94; das Urteil betraf die insoweit gleichlautende Vorgängerreglung in § 64 Abs. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 132/16 Seite 4 3. Materiell-rechtliche Implikation Die Geschäftsanweisungen der BA dienen den Agenturen für Arbeit als Auslegungs- und Entscheidungshilfe bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen in der täglichen Verwaltungspraxis . Dabei ist selbstverständlich auch die dazu ergangene Rechtsprechung heranzuziehen. Die Funktion der Weisungen als Leitfaden für die tägliche Praxis kann aber nur sinnvoll erfüllt werden , wenn die entschiedenen Sachverhalte auf in der Praxis zu entscheidende Lebenssachverhalte übertragbar sind. Dass Weisungen, die Bezug auf Gerichtsentscheidungen nehmen, denen außergewöhnliche und in der Praxis selten anzutreffende Umstände zugrunde liegen, im Zuge einer Bereinigung entfernt werden, erscheint vor diesem Hintergrund zweckdienlich. Vorliegend kommt zu der ungewöhnlichen Sachverhaltsgestaltung hinzu, dass das BSG in dem Urteil, das der früheren Fassung der Geschäftsanweisungen zugrunde lag, zwar die Grundannahme bestätigt hat, dass auch einmalige Ereignisse als betriebsüblich und damit als vermeidbar gelten könnten, aber auch deutlich gemacht hat, dass allein aus dem hohen Betriebsrisiko der Bindung an einen einzigen Auftraggeber und der Eigenart des als Geschäftszweck betriebenen Kettenbriefsystems nicht auf die überwiegende Betriebsüblichkeit des aufgetretenen Arbeitsausfalls geschlossen werden könne. Vielmehr bedürfe es hierzu konkreter Feststellungen im Einzelfall , die in dem zugrunde liegenden Verfahren nicht getroffen worden waren.3 Aus materiell-rechtlicher Sicht ist festzustellen, dass die Geschäftsanweisungen der BA nicht in der Lage sind, die anzuwendenden gesetzlichen Regelungen in ihrer materiell-rechtlichen Substanz zu ändern. Sie können lediglich der Auslegungshilfe bei der Verwaltungsentscheidung dienen ; die Rechtsauslegung im Streitfall ist allein den Sozialgerichten vorbehalten. Freilich bedarf es für die Intervention der Gerichtsbarkeit einer entsprechenden Klage. *** 3 BSG Urteil vom 18. Mai 1995 - 7 RAr 28/94, Rn. 15, 17 (zit. nach juris).