© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 130/19 Arbeitszeitrechtliche Behandlung von Reisezeiten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 130/19 Seite 2 Arbeitszeitrechtliche Behandlung von Reisezeiten Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 130/19 Abschluss der Arbeit: 14. November 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 130/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes 4 3. Vergütungspflichtige Arbeitszeit 4 4. Wegezeiten und Dienstreisen 5 4.1. Wegezeiten 5 4.1.1. Wegezeit Wohnort – Betrieb 5 4.1.2. Wegezeit Betrieb – Arbeitsstätte 5 4.1.3. Wegezeit Wohnort – Arbeitsstätte 6 4.2. Dienstreisezeit 6 4.2.1. Dienstreisezeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes 7 4.2.2. Vergütung von Dienstreisezeiten 8 4.2.2.1. Dienstreisezeiten innerhalb der Arbeitszeit 8 4.2.2.2. Dienstreisezeiten außerhalb der Arbeitszeit 8 5. Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 130/19 Seite 4 1. Einleitung Die Arbeitszeit ist einer der wichtigsten Faktoren der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Unter Arbeitszeit versteht man nach der Legaldefinition des § 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) „die Zeit, vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen“. Wie lange und zu welchem Zeitpunkt der Arbeitnehmer Arbeit zu leisten hat, bestimmt sich in erster Linie nach den Vorgaben im Arbeitsvertrag und soweit vorhanden nach tarifvertraglichen Regelungen . Problematisch kann in diesem Zusammenhang sein, welche Tätigkeiten der Arbeitszeit zuzurechnen sind. Dies gilt insbesondere für vor- und nachbereitende Tätigkeiten, aber auch für Wege- und Reisezeiten. Zu unterscheiden sind generell die Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz, das die höchst zulässige Arbeitszeit festlegt und die Arbeitszeit, die vom Arbeitgeber zu vergüten ist. 2. Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes Bei der Gestaltung der Arbeitszeit sind die Vertragsparteien dem Grunde nach frei, das Arbeitszeitgesetz setzt hier jedoch im Hinblick auf tägliche Höchstarbeitszeit und einzuhaltende Ruhepausen feste Grenzen. Das Arbeitszeitgesetz ist als reines Arbeitsschutzgesetz konzipiert und gilt mit wenigen Ausnahmen für alle Arbeitnehmer in allen Beschäftigungsbereichen1. Es dient dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und stellt Vorgaben auf, an die sich der Arbeitgeber im Interesse der Gesundheit seiner Arbeitnehmer zu halten hat. Selbst mit Einverständnis des Arbeitnehmers kann von den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes nicht abgewichen werden, wenn keine tarifliche Öffnungsklausel, die ein Abweichen von den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes erlaubt, vorhanden ist. 2 Das Arbeitszeitgesetz enthält nur einen gesetzlich zulässigen Höchstrahmen für die Tagesarbeitszeit. Dagegen enthält es keine Aussage zur zeitlichen Verpflichtung des Arbeitnehmers, Arbeit zu leisten oder zur Vergütung der geleisteten Arbeitszeit. In welchem Umfang der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, muss im Tarifvertrag, einer Betriebs - oder Dienstvereinbarung oder im Einzelarbeitsvertrag festgelegt werden.3 3. Vergütungspflichtige Arbeitszeit Die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung ist stets zu vergüten. Zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nach § 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehört jedoch nicht nur die konkret geschuldete Tätigkeit an sich. Vielmehr zählt dazu jede seitens des Arbeitgebers verlangte sonstige Tätigkeit, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbrin- 1 Koch in Schaub/Koch, Arbeitsrecht von A-Z, Arbeitszeit, 23. Auflage 2018. 2 Schulze, Wannisch, Dienstreisen: Arbeitszeit im Sinne des ArbZG und/oder vergütungspflichtige Arbeitszeit? , ArbRAktuell 2019, S. 453. 3 Koch in Schaub/Koch, Arbeitsrecht von A-Z, Arbeitszeit, 23. Auflage 2018. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 130/19 Seite 5 gung unmittelbar zusammenhängt. Darunter fällt alles, was zur Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient.4 Denn der Arbeitgeber hat den entsprechenden Aufwand seiner Beschäftigten veranlasst, diese Tätigkeiten sind damit seiner betrieblichen Sphäre zuzuordnen. 4. Wegezeiten und Dienstreisen Hinsichtlich der Frage, welche Tätigkeiten im Einzelfall zur Arbeitszeit gehören, sind verschiedene Problembereiche zu differenzieren. Hierbei sind Wege- und Reisezeiten gesondert zu betrachten . Danach sind Wegezeiten die Fahrten, die der Arbeitnehmer von seiner Wohnung zu seinem Betrieb oder zu einer außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstätte tätigt, während Dienstreisen alle weiteren Reisezeiten an einen Ort erfassen, an dem die Dienste zu verrichten sind.5 4.1. Wegezeiten Wegezeiten können zwischen Fahrten vom Wohnort zum Betrieb oder zu einer außerhalb gelegenen Arbeitsstätte entstehen. Daneben kann Wegezeit auch die Fahrtzeit vom Betrieb zu einer außerhalb gelegenen Arbeitsstätte sein. Wege zwischen einzelnen Betriebsstätten sind Betriebswege und arbeitszeitrechtlich und vergütungsrechtlich Arbeitszeit, soweit tarifvertraglich nicht etwas anderes bestimmt ist.6 4.1.1. Wegezeit Wohnort – Betrieb Die Fahrt vom Wohnort zum Betrieb ist keine Arbeitszeit, da sie nicht zu dem geschuldeten Hauptleistungsbereich des Arbeitnehmers zu zählen ist.7 Sie ist daher weder als Arbeitszeit zu vergüten, noch zählt sie als Arbeitszeit im Sinne des § 2 ArbZG. Die Arbeitszeit beginnt erst mit Aufnahme der geschuldeten Tätigkeit. Der Zeitraum vor der Arbeitsaufnahme ist grundsätzlich Privatsache des Arbeitnehmers, denn es liegt in der alleinigen Entscheidung des Arbeitnehmers, wo er wohnt und welchen Anfahrtsweg er damit in Kauf nimmt.8 4.1.2. Wegezeit Betrieb – Arbeitsstätte Startet der Arbeitnehmer vom Betrieb aus im Rahmen eines Außendienstes zu seiner Tätigkeit, handelt es sich um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Dies gilt nicht nur für die Fahrten zwischen einzelnen Kunden, sondern auch für die Fahrt vom Betrieb zum ersten Kunden und 4 BAG vom 25. April 2018 – Az. 5 AZR 245/17 – juris Rn. 22. 5 Schulze,Wannisch, Dienstreisen: Arbeitszeit im Sinne des ArbZG und/oder vergütungspflichtige Arbeitszeit? , ArbRAktuell 2019, S. 454. 6 Koch in Schaub/Koch, Arbeitsrecht von A-Z, Arbeitszeit, 23. Auflage 2018. 7 BAG vom 8. Dezember 1960 – Az. 5 AZR 304/58 – juris Rn. 14. 8 Schulze,Wannisch, Dienstreisen: Arbeitszeit im Sinne des ArbZG und/oder vergütungspflichtige Arbeitszeit? , ArbRAktuell 2019, S. 454. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 130/19 Seite 6 der letzten Fahrt vom Kunden zurück zum Betrieb.9 Diese Zeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind entsprechend zu vergüten. 4.1.3. Wegezeit Wohnort – Arbeitsstätte Wegezeiten können auch vom Wohnort direkt zu einer außerhalb gelegenen Arbeitsstätte anfallen . Der Grundsatz, dass der Beschäftigte von der Wohnung zu seiner Arbeitsstätte einen eigennützigen Zweck verfolgt, greift dann nicht ein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit vereinbarungsgemäß außerhalb des Betriebes zu erfüllen hat. Die Fahrt gehört jedenfalls dann zu seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht, wenn der Arbeitnehmer auf Anordnung seines Arbeitgebers von seiner Wohnung aus direkt zu seiner Arbeitsstätte, beispielsweise zu einem Kunden, fährt.10 Arbeitszeit und Vergütungspflicht beginnen in diesem Fall mit der Fahrt am Wohnort und enden mit der Rückkunft des Arbeitnehmers an seinem Wohnort. Es spielt somit keine Rolle, ob die auswärtige Arbeitsstelle vom Wohnort oder vom Betrieb aus angesteuert wird.11 Auch insofern gilt allerdings, dass Arbeits- oder Tarifvertrag Abweichendes regeln können.12 4.2. Dienstreisezeit Der Begriff der Dienstreise ist arbeitsrechtlich nicht definiert. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht vom Begriff der „Dienstreisezeit“ all jene Zeiträume umfasst, in denen der Arbeitnehmer sich auf der Hin- und Rückfahrt zum beziehungsweise vom auswärtigen Dienstort befindet, das Dienstgeschäft am auswärtigen Ort wahrnimmt und sich vor und nach Erledigung des Dienstgeschäfts am auswärtigen Dienstort aufhält.13 Oftmals wird auch die für den öffentlichen Dienst geltende Legaldefinition aus § 2 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) verwendet. Danach liegt eine Dienstreise vor, wenn der Mitarbeiter aufgrund einer Anordnung oder Genehmigung zur Erledigung von Dienstgeschäften an einen Ort außerhalb des Dienstortes reist.14 Die Verpflichtung, eine Dienstreise zu unternehmen, muss nicht ausdrücklich arbeitsvertraglich vereinbart sein. Bei bestimmten Berufsgruppen ergibt sie sich bereits aus ihrem Berufsbild. Fehlt 9 BAG vom 8. Dezember 1960 – Az. 5 AZR 304/58 – juris Rn. 16. 10 BAG vom 25. April 2018 – Az. 5 AZR 424/17 – juris Rn. 18. 11 BAG vom 22. April 2009 – Az. 5 AZR 292/08 – juris Rn. 15. 12 Joussen in Beck Online Kommentar Arbeitsrecht, 53. Edition, Stand: 1. September 2019, § 611a BGB, Arbeitsvertrag , Rn. 387. 13 BAG vom 11. Juli 2006 – Az. 9 AZR 519/05 – juris Rn. 14. 14 Bissels in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 9, Stand 2019, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 130/19 Seite 7 eine ausdrückliche Verpflichtung im Arbeitsvertrag oder ergibt sie sich nicht schon aus dem Berufsbild , kann der Arbeitgeber Dienstreisen aufgrund seines Direktionsrechts anordnen.15 4.2.1. Dienstreisezeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes finden auf Dienstreisezeiten nur eingeschränkt Anwendung . Dies folgt aus dem Schutzzweck des Arbeitszeitgesetzes, Arbeitnehmer vor übermäßiger physischer und psychischer Arbeitsbelastung zu schützen. Bei einer Dienstreise greift dieser oftmals nicht, da der Arbeitnehmer – während der Wegezeiten für die Hin- und Rückreise sowie während der Wartezeiten – in der Regel nicht seinen üblichen arbeitsvertraglichen (Hauptleistungs -)Verpflichtungen nachkommen muss. Er wird hier regelmäßig weitaus weniger belastet. Bei der Frage, ob die Dienstreise Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist, ist zwischen Wegezeiten, Zeiten der Erbringung der Arbeitsleistung und Wartezeiten am Zielort vor und nach der Arbeitsleistung zu unterscheiden.16 Die Zeit während der Erbringung der Arbeitsleistung im eigentlichen Sinne ist unproblematisch Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz. Ebenso ist geklärt , dass Wartezeiten am Zielort keine Arbeitszeit sind.17 Bei den Wegezeiten für die Hin- und Rückreise muss wiederum zwischen verschiedenen Fallgestaltungen differenziert werden. Steuert ein Berufskraftfahrer sein Auto selbst, erbringt er seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht , somit ist in diesem Fall Reisezeit Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Gleiches gilt bei einem Arbeitnehmer, bei dem das Reisen notwendige Voraussetzung für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht ist, wie beispielsweise bei Außendienstmitarbeitern. Bei anderen Arbeitnehmern, die eine betrieblich veranlasste Reise durchführen, muss nach der sogenannten Beanspruchungstheorie beurteilt werden, ob die Reise auch tatsächlich als Arbeitszeit zu qualifizieren ist. Entscheidend ist der Grad der Beanspruchung des Arbeitnehmers während der Reise. Entspricht dieser demjenigen bei der Ausführung der typischen, herkömmlicherweise ausgeübten Arbeit, ist es gerechtfertigt, die Fahrzeiten als Arbeitszeit zu qualifizieren.18 Bei Arbeitnehmern, die in öffentlichen Verkehrsmitteln oder als Beifahrer in einem Auto (mit-)reisen, ohne auf den Verkehr achten zu müssen, gilt die Reisezeit lediglich dann als Arbeitszeit , wenn während der Dienstreise vertragsgemäße Tätigkeiten erbracht werden, wie zum Beispiel Aktenbearbeitung im Zug, Bearbeitung von E-Mails, Vor- und Nachbereitung des Termins . Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dagegen nicht an, wie die Wegezeit in diesem Fall 15 BAG vom 29. August 1991 – Az. 6 AZR 593/88 – juris Rn. 36. 16 BAG vom 11. Juli 2006 – Az. 9 AZR 519/05 – juris Rn. 14. 17 BAG vom 11. Juli 2006 – Az. 9 AZR 519/05 – juris Rn. 14. 18 Bissels in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 9, Stand 2019, Rn. 10-13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 130/19 Seite 8 zu nutzen ist, wird diese nicht als Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 1 ArbZG anerkannt, da der Arbeitnehmer – während er sich in den Beförderungsmitteln aufhält – nach Belieben arbeiten, schlafen sowie Getränke oder Speisen zu sich nehmen kann. Seine Belastung bleibt damit sehr gering.19 4.2.2. Vergütung von Dienstreisezeiten 4.2.2.1. Dienstreisezeiten innerhalb der Arbeitszeit Dienstreisezeiten während der Arbeitszeit sind Arbeitnehmern zu vergüten, weil der Arbeitgeber selbst durch die Anweisung, die Reise zu unternehmen, diesen außerstande setzt, die vertraglich vereinbarte Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Die gilt sowohl für die Zeit, während der das eigentliche Dienstgeschäft vorgenommen wird, als auch für die Warte- sowie Wegezeiten. 20 4.2.2.2. Dienstreisezeiten außerhalb der Arbeitszeit Für Dienstreisen außerhalb der Arbeitszeit besteht keine gesetzliche Regelung zur Vergütung. Fehlt es an einer (tarif-)vertraglichen Regelung, ist Reisezeit immer dann zu vergüten, wenn sie zur vertraglichen Hauptpflicht des Arbeitnehmers gehört. 21 Eine grundsätzliche Vergütungspflicht besteht auch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland entsendet . Die Zeiten der erforderlichen Hin- und Rückreise sind wie Arbeitszeit zu vergüten, soweit keine gesonderte tarifvertragliche Bestimmung etwas Abweichendes bestimmt. Für die Qualifizierung der „Erforderlichkeit“ von Reisezeiten ist entscheidend, ob der Arbeitgeber genaue Vorgaben gesetzt hat, oder dem Arbeitnehmer die Reiseplanung im Wesentlichen selbst überlässt. Bei vorgegebenem Reiseverlauf und-mittel ist nur die Zeit als erforderlich anzusehen, die der Arbeitnehmer benötigt, um das Ziel entsprechend der Maßgaben zu erreichen. Ist er hingegen in seiner Planung frei, muss er dennoch im Hinblick auf seine allgemeine Rücksichtnahmepflicht das kostengünstigste Mittel beziehungsweise den kostengünstigsten Verlauf wählen.22 Zur erforderlichen Reisezeit gehören daneben auch die mit der Beförderung zwingend einhergehenden weiteren Zeitaufwände, also etwa die Wegezeiten zum und vom Bahnhof oder Flughafen. Auf solche Wegezeiten sind jedoch grundsätzlich die Zeiten anzurechnen, die der Arbeitnehmer sich dadurch erspart, dass er nicht den Weg von der Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück nehmen musste. Zum eigennützigen Zeitaufwand und damit nicht zur erforderlichen Reisezeit zählen Reisevorbereitungen, wie zum Beispiel Kofferpacken.23 Generell gilt, dass es für die Vergütungspflicht von Reisezeiten auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt.24 19 BAG vom 11. Juli 2006 – Az. 9 AZR 519/05 – juris Rn. 44. 20 BAG vom 12. Dezember 2012 – Az. 5AZR 355/12 – juris Rn. 17. 21 BAG vom 25. April 2018 – Az. 5 AZR 424/17 – juris Rn.17. 22 BAG vom 17.10.2018 – Az. 5 AZR 553/17 – juris Rn. 15-24. 23 Schulze,Wannisch, Dienstreisen: Arbeitszeit im Sinne des ArbZG und/oder vergütungspflichtige Arbeitszeit? , ArbRAktuell 2019, S. 455. 24 Bissels in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 9, Stand 2019, Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 130/19 Seite 9 5. Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst Durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Reisezeiten, getroffen werden.25 Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist durch § 44 Abs. 2 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD- BT-V) bestimmt, dass bei Dienstreisen nur die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit anzuerkennen ist. Für jeden Tag einschließlich der Reisetage wird jedoch mindestens die auf ihn entfallende regelmäßige, durchschnittliche oder dienstplanmäßige Arbeitszeit berücksichtigt, wenn diese bei Nichtberücksichtigung der Reisezeit nicht erreicht würde. Folglich findet die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für Reisezeiten für den öffentlichen Dienst im Bundesbereich keine Anwendung, da hier eine kollektivvertragliche Regelung vorliegt, die die Anerkennung von Reisezeiten als Arbeitszeit ausschließt. *** 25 BAG vom 25. April 2018 – Az. 5 AZR 424/17 – juris Rn.19.