© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 129/19 Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 2 Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 129/19 Abschluss der Arbeit: 18. November 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales (Gliederungspunkte 1 bis 4) WD 3: Verfassung und Verwaltung (Gliederungspunkt 5) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zuständigkeiten der Träger für Leistungen nach dem SGB II (Verwaltungsorganisation) 4 2.1. Gemeinsame Einrichtungen gemäß § 44b SGB II 4 2.2. Zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6b SGB II 5 3. Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II 6 3.1. Erstattungsanspruch gemäß § 50 SGB X 7 3.1.1. Aufhebung des Verwaltungsaktes 8 3.1.1.1. Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 45 SGB X 8 3.1.1.2. Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 47 SGB X 9 3.1.1.3. Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 48 SGB X 9 3.1.1.4. Leistungen ohne Verwaltungsakt 10 3.1.2. Erstattung der Leistung 10 3.2. Weitere Erstattungsansprüche nach dem SGB II 11 3.3. Einziehung der Forderung 12 3.3.1. Aufrechnung 12 3.3.2. Stundung, Niederschlagung oder Erlass von Forderungen 14 3.3.2.1. Stundung und Niederschlagung 14 3.3.2.2. Erlass 15 4. Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit 16 4.1. Organisation 16 4.2. Übertragung des Forderungsmanagements 16 4.3. Tätigkeiten 17 5. Vollstreckung 18 5.1. Jobcenter als gemeinsame Einrichtung 18 5.2. Jobcenter in alleiniger Trägerschaft 19 5.3. Rückforderung von übernommenen Mietkosten 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 4 1. Einleitung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden gebeten, das Verfahren zur Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) darzustellen. Insbesondere wurde gefragt, ob es Verfahrensunterschiede in Abhängigkeit der Leistungsträger oder der Forderungsart (zum Beispiel Rückzahlung von Mietzahlungen) gibt. Zudem sollen die Organisation und die Aufgaben des Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit beschrieben werden. 2. Zuständigkeiten der Träger für Leistungen nach dem SGB II (Verwaltungsorganisation) Die Trägerschaft für Leistungen, das heißt, wer in verwaltungsorganisatorischer Hinsicht für die Durchführung des Gesetzes und die Gewährung der Leistungen sachlich zuständig ist, ist im SGB II nicht einheitlich bestimmt (geteilte Trägerschaft). Im Grundsatz wird ein Teil der Aufgaben von der Bundesagentur für Arbeit und ein Teil von den kreisfreien Städten und Kommunen wahrgenommen (§ 6 SGB II). Daneben kann im Falle der sogenannte Optionskommunen (zugelassene kommunale Träger - zkT) die Leistungsträgerschaft auch die Wahrnehmung sämtlicher Aufgaben nach dem SGB II durch einen zugelassenen kommunalen Träger umfassen (§ 6a SGB II).1 2.1. Gemeinsame Einrichtungen gemäß § 44b SGB II § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II legt eine Regelzuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit fest; die kommunalen Träger sind lediglich in den abschließend geregelten Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zuständig.2 Die Bundesagentur für Arbeit ist folglich grundsätzlich zuständig für die Lebensunterhaltsleistungen in Form der Regelbedarfe und teilweise der Mehrbedarfe sowie Leistungen zur Eingliederung mit Ausnahme der kommunalen Eingliederungsleistungen.3 Zu den Leistungen in der Zuständigkeit der Kommunen gehören die kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II, Leistungen für Unterkunft und Heizung (§§ 22 ff. SGB II) und Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung und bei Schwangerschaft und Geburt (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II) sowie Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II. Zur einheitlichen Durchführung ihrer jeweiligen Aufgaben sieht § 44b SGB II vor, dass die Bundesagentur für Arbeit und der jeweilige kommunale Träger eine gemeinsame Einrichtung bilden, die gemäß § 6d SGB II die Bezeichnung Jobcenter führt. Die gemeinsame Einrichtung (Jobcenter) nimmt die Aufgaben nach dem SGB II wahr, wobei die Trägerschaft gemäß § 6 SGB II unberührt bleibt, § 44b Abs. 1 Satz 2 SGB II. Gemäß § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II obliegt den Trägern, also Bundesagentur für Arbeit und kommunalem Träger, die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung ihrer Leistungen. Sie sind in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich weisungsbefugt , § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II. Die Reichweite des Weisungsrechts ist dabei nicht auf 1 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 6, Rn. 2 f. 2 Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6, Rn. 30. 3 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 6, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 5 die rechtmäßige und zweckmäßige Leistungserbringung beschränkt, sondern kann sich auf sämtliche Fragen im Verantwortungsbereich des Trägers beziehen.4 Jede gemeinsame Einrichtung hat eine Trägerversammlung, in der Vertreter der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers je zur Hälfte vertreten sind, § 44c Abs. 1 SGB II. Die Trägerversammlung hat gemäß § 44c Abs. 2 Satz 1 SGB II über organisatorische, personalwirtschaftliche, personalrechtliche und personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten der gemeinsamen Einrichtung zu entscheiden. Die Bundesagentur für Arbeit überträgt gemäß § 44f SGB II den gemeinsamen Einrichtungen (Jobcentern ) als Träger des SGB II die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln des Bundes. Für die Übertragung und die Bewirtschaftung dieser Mittel gelten die haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes, § 44f Abs. 1 Satz 2 SGB II. Hierzu zählen unter anderem die Bundeshaushaltsordnung (BHO) und die dazu erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften (VV-BHO).5 Damit obliegt auch der Forderungseinzug im SGB II grundsätzlich den Jobcentern.6 2.2. Zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6b SGB II Abweichend von der als Grundsatz im SGB II verankerten Aufteilung der Trägerschaft zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern besteht nach § 6a SGB II die Möglichkeit , dass kommunale Träger anstelle der Bundesagentur für Arbeit als Träger der Leistungen nach § 6 Abs. 1 Abs. 1 SGB II zugelassen werden. Die Optionskommunen sind folglich grundsätzlich originär für die Aufgabenerfüllung nach dem SGB II zuständig (mit Ausnahme einiger in § 6b Abs. 1 Satz 1 SGB II aufgeführten Aufgaben bzw. Verpflichtungen). Auch der Forderungseinzug obliegt damit in den Optionskommunen den zugelassenen kommunalen Trägern. Die Optionskommunen sind verpflichtet, zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur für Arbeit besondere Einrichtungen für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB II zu errichten und zu unterhalten, § 6a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 SGB II; diese führen gleichfalls die Bezeichnung Jobcenter, § 6d SGB II. Die Aufsicht, das heißt die Rechts- und Fachaufsicht 7, über die Optionskommunen obliegt den zuständigen Landesbehörden, § 48 Abs. 1 SGB II. Soweit die Optionskommunen Aufgaben anstelle der Bundesagentur für Arbeit erfüllen, übt die Bundesregierung die Rechtsaufsicht über die obersten Landesbehörden aus und kann zu diesem Zweck mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, § 48 4 Mushoff in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 44b, Rn. 8. 5 Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 44f, Rn. 4. 6 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 10/10023 -, Inkasso-Verfahren der Agentur für Arbeit und Jobcenter bei verschuldeten Erwerbslosen, Bundestags-Drucksache 18/10299 vom 10. November 2016, S. 5. 7 Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II. Auf Grundlage dieser Regelung wurde die Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift (KoA-VV) geschaffen.8 Der Bund trägt jedoch die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen, für die originär die kommunalen Träger zuständig sind, § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II. Um einen einheitlichen und vergleichbaren Bewirtschaftungsrahmen der Haushaltsmittel des Bundes zu gewährleisten, gelten auch für die Bewirtschaftung durch die zugelassenen kommunalen Träger grundsätzlich die haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes, soweit in Rechtsvorschriften des Bundes oder Vereinbarungen des Bundes mit den zugelassenen kommunalen Trägern nicht etwas anderes bestimmt ist, § 6b Abs. 2a SGB II.9 Neben der BHO ist insbesondere die KoA-VV zu berücksichtigen.10 Bundesweit gibt es derzeit 104 zugelassene kommunale Träger (Anlage zu § 1 Kommunalträger- Zulassungsverordnung - KomtrZV). 3. Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II Für das Verwaltungsverfahren nach dem SGB II gilt nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), wobei § 40 SGB II eine Reihe von Sondervorschriften enthält. Das SGB X findet auch Anwendung, soweit Kommunen - als Teil der gemeinsamen Einrichtungen oder als Optionskommunen - im Rahmen des SGB II tätig werden.11 Die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II richtet sich daher folglich grundsätzlich nach den gleichen Bestimmungen, unabhängig davon, ob es sich um Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen im Sinne des § 44b SGB II oder um Jobcenter der Optionskommunen handelt oder ob es sich um Leistungen der Bundesagentur für Arbeit oder der kommunalen Träger handelt. Auch die Rückforderung von Mietzahlungen beispielsweise erfolgt nach den gleichen Vorschriften . Es können jedoch insoweit Unterschiede beim Gesetzesvollzug bestehen, als die Träger jeweils für ihre Zuständigkeitsbereiche weisungsbefugt sind und der Rechts- und Fachaufsicht unterschiedlicher Körperschaften unterliegen (siehe oben unter 2). 8 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck‘scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. März 2019, SGB II § 48, Rn. 4. 9 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, Bundestagsdrucksache 17/3404 vom 26. Oktober 2010, S. 92. 10 Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, SGB II § 6b, Werkstand: 74. EL Juni 2019, Rn. 33; Weißenberger Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 6b, Rn. 10. 11 Westphal in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 1, Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 7 Für die einheitliche Durchführung gibt die Bundesagentur Fachliche Hinweise beziehungsweise Weisungen heraus12, die als Verwaltungsvorschriften für die Anwendung des SGB II durch diejenigen Jobcenter (§ 6d SGB II) gelten, die als gemeinsame Einrichtungen (§§ 6, 44b SGB II) der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers arbeiten; sie gelten nicht für die zugelassenen kommunalen Träger (§ 6a SGB II).13 Eine Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II kann aus unterschiedlichen Gründen erfolgen . Die Rückforderung kann beispielsweise erfolgen, weil Leistungen auf einem von Beginn an rechtswidrigen Verwaltungsakt beruhten (Rücknahme, § 45 SGB X), Geld- oder Sachleistungen nicht dem für sie bestimmten Zweck gemäß verwendet wurden (Widerruf, § 47 SGB X), sich die dem leistungsgewährenden Verwaltungsakt zugrundeliegenden Umstände geändert haben (Aufhebung , § 48 SGB X) oder grundlos gezahlt beziehungsweisen überzahlt wurden (Leistung ohne Verwaltungsakt, § 50 Abs. 2 SGB X). Die Rückforderung von bereits erbrachten Leistungen ist in der Regel aus Vertrauensschutzgründen beschränkt und nur innerhalb gesetzlich festgelegter Fristen zulässig. 3.1. Erstattungsanspruch gemäß § 50 SGB X Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Solange der Verwaltungsakt, auf dem die Leistung beruht (Rechtsgrund), Bestand hat, gilt auch die Leistung als rechtmäßig erbracht. Erst wenn der zugrundeliegende Verwaltungsakt beseitigt wurde, gilt die Leistung als zu Unrecht erbracht. Die Aufhebung des entsprechenden Verwaltungsaktes ist folglich Voraussetzung für die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs.14 Aufhebung im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X meint dabei auch Rücknahme oder Widerruf des entsprechenden Verwaltungsaktes.15 Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht wurden , sind gemäß § 50 Abs. 2 SGB X gleichfalls zu erstatten. Für einen Erstattungsanspruch (gerichtet auf die Erstattung bereits erbrachter Leistungen), muss die Beseitigung des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit zulässig sein. Zuständig für die Beseitigung des Verwaltungsaktes und Erlass des Erstattungsbescheides sind die jeweils zuständigen Jobcenter. Die Bescheide sollen verbunden werden, § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X. 12 Bundesagentur für Arbeit, Weisungssammlungen nach Rechtsnormen, https://www.arbeitsagentur.de/veroeffentlichungen /gesetze-und-weisungen#1478808822818 (zuletzt abgerufen am 12. November 2019). 13 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 -, Rn. 25 (juris). 14 Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 50, Rn. 15. 15 Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 50, Rn. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 8 3.1.1. Aufhebung des Verwaltungsaktes Die Beseitigung des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes kann unter anderem durch Rücknahme (§ 45 SGB X), Widerruf (§ 47 SGB X) und Aufhebung (§ 48 SGB X) erfolgen. 3.1.1.1. Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 45 SGB X Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er nur unter den Einschränkungen der § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, § 45 Abs. 1 SGB X. § 45 SGB X bezieht sich auf Verwaltungsakte, die von Beginn an rechtswidrig waren, weil bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erwiesen hat (vgl. § 44 Abs. 1 SGB X). Grund für die Einschränkungen der Rücknahme ist, dass der Begünstigte grundsätzlich Vertrauen in den Bestand eines Verwaltungsaktes haben darf. § 45 SGB X legt daher Voraussetzungen und Fristen für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte fest. Ferner werden Grundsätze des Vertrauensschutzes normiert. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurück genommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist, § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Dabei ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X. In einigen Fällen ist jedoch der Vertrauensschutz ausgeschlossen, zum Beispiel wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt wurde, auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X. § 45 SGB X unterscheidet zwischen Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit und mit Wirkung für die Zukunft. Die Rücknahme eines Verwaltungsaktes (mit und ohne Dauerwirkung) mit Wirkung für die Vergangenheit ist nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen zulässig , die auch den Ausschluss des schutzwürdigen Vertrauens begründen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X) oder wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X), zum Bespiel der Verwaltungsakt aufgrund gefälschter Urkunden ergangen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) muss die Behörde den Verwaltungsakt in den Fällen des § 45 Abs. 2 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 9 Satz 3 SGB X (Ausschluss des Vertrauensschutzes wegen Bösgläubigkeit) sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft zurücknehmen.16 3.1.1.2. Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 47 SGB X § 47 Abs. 2 SGB X regelt den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit wegen Zweckverfehlung. Demgemäß ist der Widerruf eines Verwaltungsaktes , der beispielsweise eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt, möglich, wenn die Leistung nicht oder nicht mehr für den bestimmten Zweck verwendet wird oder mit dem Bescheid eine Auflage verbunden war, die der Begünstigte nicht fristgemäß erfüllt hat. Gleiches gilt für den Widerruf eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes.17 Die Entscheidung über den Widerruf liegt im Ermessen der Behörde. Der Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit ist jedoch ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einem Widerruf schutzwürdig ist, § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Der Vertrauensschutz entfällt, soweit der Begünstigte die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zum Widerruf des Verwaltungsaktes geführt haben, § 47 Abs. 2 Satz 4 SGB X. 3.1.1.3. Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 48 SGB X § 48 SGB X regelt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach seinem Erlass. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt unter anderem vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert, zum Beispiel ein Verwaltungsakt, der den dauernden, regelmäßigen Bezug von Sozialleistungen zum Gegenstand oder zur Folge hat.18 Tritt eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ein, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, so ist dieser mit Wirkung für die Zukunft zu ändern, § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Darüber hinaus soll eine rückwirkende Aufhebung (mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse) unter anderem dann erfolgen, soweit der Betroffene einer gesetzlich festgelegten Mitteilungspflicht über wesentliche Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Ein- 16 Greiser in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 40, Rn. 52. 17 Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 47, Vorbemerkung. 18 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Sozialgesetzbuches (SGB) - Verwaltungsverfahren - Bundestags -Drucksache 8/2034 vom 4. August 1978, S. 34; Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R, Rn. 16 m.w.N. (juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 10 kommen oder Vermögen erzielt wurde, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Leistungsanspruchs geführt hätte, § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Es handelt sich dabei um eine Soll-Vorschrift, das heißt im Regelfall ist der Verwaltungsakt zwingend rückwirkend aufzuheben. Lediglich bei atypischen Fallgestaltungen kann die zuständige Behörde Ermessenserwägungen anstellen, in welchem Umfang sie den Bescheid für die Vergangenheit aufhebt.19 3.1.1.4. Leistungen ohne Verwaltungsakt Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie gleichfalls zu erstatten, § 50 Abs. 2 SGB X. Zu Unrecht sind Leistungen erbracht, auf die weder materiell-rechtlich ein gesetzlicher Anspruch bestand noch formell eine Bewilligung zugrunde lag.20 Dies ist zum Beispiel der Fall bei Doppelzahlungen oder Zahlungen, die trotz Aufhebung des Leistungsbescheides weitergezahlt wurden.21 Die §§ 45, 48 SGB X sind nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X analog anzuwenden, sodass der Erstattungsanspruch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten gegebenenfalls dem Grunde oder der Höhe nach einzuschränken ist.22 Auf die Ausführungen unter 3.1.1.1 und 3.1.1.3 wird verwiesen. 3.1.2. Erstattung der Leistung Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben wurde, sind die zu Unrecht erbrachten Leistungen zwingend zu erstatten, § 50 Abs. 1 SGB X. Die Behörde muss also grundsätzlich einen Erstattungsbescheid erlassen. Eine Leistung wurde erbracht, wenn sie von dem Leistungsträger in einem unmittelbaren Sozialrechtsverhältnis zur Erfüllung seiner Verpflichtung erfolgt und von dem Empfänger als öffentlich -rechtliche Leistung erkannt wurde beziehungsweise hätte erkannt werden können. Die Leistung kann auch wirksam an einen Dritten, der in einer Rechtsbeziehung zu dem Leistungsempfänger steht, erbracht werden, beispielsweise bei Direktzahlung an den Vermieter gemäß § 22 Abs. 7 SGB II.23 Auch wenn die Leistung an einen solchen Dritten erfolgte, kann die Rückzahlung 19 Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 48, Rn. 33. 20 Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 50, Rn. 27. 21 Bundesagentur für Arbeit, Fachliche Weisungen Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X § 50 SGB X Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen, gültig ab: 20. Dezember 2018, https://www.arbeitsagentur.de/datei/fw-sgb-x- 50_ba015136.pdf (zuletzt abgerufen am 11. November 2019), S. 2. 22 Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 50, Rn. 28. 23 Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 50, Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 11 der Leistung nicht von dem Dritten, sondern nur vom Leistungsberechtigten selbst verlangt werden .24 Erstattung bedeutet bei Geldleistungen die Rückzahlung des Gewährten. Sachleistungen sind gleichfalls regelmäßig in Geld (objektiver Gegenwert) zu erstatten.25 Das gleiche gilt für Gutscheine ; wurde der Gutschein nicht in Anspruch genommen, kann er auch zurückgegeben werden , § 40 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB II. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 SGB II (Bedarfe für Bildung und Teilhabe) erfolgt grundsätzlich nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre, § 40 Abs. 6 Satz 3 SGB II. 3.2. Weitere Erstattungsansprüche nach dem SGB II Neben dem allgemeinen Erstattungsanspruch nach dem SGB X können sich Rückforderungen auch aus anderen gesetzlichen Regelungen, insbesondere des SGB II, ergeben. So wird über die Erbringung von Leistungen nach dem SGB II häufig gemäß § 41a SGB II vorläufig entschieden, um eine zeitnahe Bewilligung existenzsichernder Sozialleistungen auch dann zu erreichen, wenn noch nicht alle Tatsachen bekannt sind, die für die Entscheidung über die Leistungsbewilligung von Bedeutung sind.26 Die vorläufig erbrachten Leistungen sind auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Verbleiben nach der Verrechnung von Überzahlungen und Nachzahlungsansprüchen Überzahlungen, so sind die überzahlten Leistungen gemäß § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II zu erstatten. Ferner besteht ein Ersatzanspruch der Leistungsträger, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ohne wichtigen Grund vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurden, § 34 SGB II (Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten). Gleichermaßen ist zum Ersatz rechtswidrig erbrachter Geld- und Sachleistungen nach dem SGB II verpflichtet, wer diese durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten an Dritte herbeigeführt hat, § 34a SGB II (Ersatzansprüche für rechtswidrig erhaltene Leistungen). 24 Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Januar 2013 - L 7 AS 381/12 -, Leitsatz (juris); Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 26. März 2010 - S 17 AS 1435/09 -, Rn. 18 (juris); vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Juni 1991 - 11 RAr 47/90 m.w.N. 25 Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB X § 50, Rn. 24. 26 Merten in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB II § 41a, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 12 Auch ein Doppelbezug von Sozialleistungen von unterschiedlichen Trägern (zum Beispiel Leistung eines SGB II-Trägers und spätere rückwirkende Leistung eines Rentenversicherungsträgers) kann zu einem Erstattungsanspruch der Leistungen nach dem SGB II führen, § 34b SGB II.27 3.3. Einziehung der Forderung Wie unter 2 ausgeführt gelten für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln durch die Jobcenter (sowohl durch die gemeinsamen Einrichtungen als auch durch die zugelassenen kommunalen Träger) die haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes. Nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen sind Einnahmen der Verwaltung rechtzeitig und vollständig zu erheben, § 34 BHO. Einnahmen, zu denen auch Forderungen gehören, sind folglich unmittelbar nach Fälligkeit („rechtzeitig“) und in vollem Umfang („vollständig“) einzuziehen.28 Unter bestimmten Voraussetzungen können die Leistungsträger jedoch Forderungen stunden, niederschlagen oder erlassen. Ferner ist in einigen, gesetzlich bestimmten Fällen eine Aufrechnung gegen Leistungsansprüche nach dem SGB II möglich. 3.3.1. Aufrechnung § 43 SGB II ermöglicht eine gegenüber den allgemeinen sozialrechtlichen Aufrechnungsregelungen 29 verschärfte Aufrechnung auch unterhalb des Niveaus steuerfinanzierter Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums.30 Hat ein Jobcenter einen Erstattungsanspruch gemäß § 50 SGB X oder §§ 34, 34a oder 41a SGB II oder einen Ersatzanspruch nach § 34b SGB II gegen einen Leistungsberechtigten, so kann es mit Ansprüchen auf Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufrechnen, § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Voraussetzung für eine Aufrechnung ist, dass eine Aufrechnungslage besteht, das heißt sich zwei gegenseitige und gleichartige Forderungen gegenüberstehen. 27 Merten in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB II § 34b, Rn. 2. 28 Von Lewinski/Burbat, Bundeshaushaltsordnung, 1. Auflage 2013, § 34, Rn. 7. 29 Gemäß § 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) können die zuständigen Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird. 30 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, Bundestagsdrucksache 15/1516 vom 5. September 2003, S. 63; Merten in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB II § 43, Vorbemerkung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 13 Gleichartigkeit liegt vor, wenn beide Forderungen auf Geldleistungen gerichtet sind.31 Aufgerechnet werden kann grundsätzlich mit allen laufenden und einmaligen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II), soweit sie als Geldleistungen erbracht werden.32 Gegenseitigkeit ist gegeben, wenn der aufrechnende Leistungsträger Gläubiger der Gegenforderung und zugleich Schuldner der Hauptforderung und der Leistungsberechtigte Schuldner der Gegenforderung und zugleich Gläubiger der Hauptforderung ist. Es kann daher nicht gegenüber anderen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft aufgerechnet werden.33 Nicht notwendig ist, dass es sich bei Haupt- und Gegenforderung um Ansprüche aus dem gleichen Rechtsverhältnis handelt .34 Bei den Forderungen der gemeinsamen Einrichtungen (Jobcenter) im Sinne des § 44b SGB II und den Forderungen des Leistungsberechtigten gegenüber diesen Jobcentern besteht stets Gegenseitigkeit , unabhängig davon, ob es sich um Leistungen der Bundesagentur für Arbeit oder des kommunalen Trägers handelt. Das Gesetz nennt in § 43 Abs. 1 SGB II ausdrücklich die Jobcenter als aufrechnungsberechtigt. Das gleiche gilt, wenn die Aufgaben durch einen zugelassenen kommunalen Träger wahrgenommen werden.35 Eine Aufrechnung mit Forderungen eines anderen Leistungsträgers ist hingegen nicht möglich. Ist beispielsweise Leistungsträger eine kommunale Stelle und ist nach einem Umzug ein anderer kommunaler Leistungsträger zuständig, so scheidet eine Aufrechnung aus. Möglich bleibt hingegen eine Aufrechnung, soweit die Bundesagentur sowohl am alten als auch am neuen Wohnort Träger der Leistung ist.36 Es steht im Ermessen des Leistungsträgers, ob er von der Möglichkeit zur Aufrechnung Gebrauch macht, das heißt dem Träger steht ein Entscheidungsspielraum zu. In die Ermessensentscheidung müssen alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse einbezogen werden.37 Nicht im Ermessen steht, in welcher Höhe aufgerechnet werden soll; diese ist abhängig von der Gegenforderung in § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB II strikt vorgegeben. Die Aufrechnungshöhe beträgt 31 Merten in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB II § 43, Rn. 5. 32 Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 1. Oktober 2018, § 43, Rn. 15. 33 Merten in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB II § 43, Rn. 6. 34 Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 1. Oktober 2018, § 43, Rn. 24. 35 Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 1. Oktober 2018, § 43, Rn. 26. 36 Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 1. Oktober 2018, § 43, Rn. 25. 37 Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 1. Oktober 2018, § 43, Rn. 44. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 14 zehn Prozent des für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelbedarfs bei Erstattungsansprüchen , die auf § 41a SGB II (vorläufige Entscheidung über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen) oder §§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 50 SGB X (Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen ) beruhen. In den übrigen Fällen ist die Aufrechnungshöhe 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs. Dazu gehören insbesondere Erstattungsansprüche, die auf einem vorwerfbaren Verhalten der leistungsberechtigten Person beruhen, wie zum Beispiel Erstattungsansprüche nach §§ 45, 47, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4, 50 SGB X, Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten (§ 34 SGB II) oder Erstattungsansprüche bei Doppelleistungen (§ 34b SGB II). Auch bei mehreren möglichen Aufrechnungen nach § 43 SGB II ist die Aufrechnungshöhe auf insgesamt 30 Prozent des für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelbedarfs beschränkt, § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB II. 3.3.2. Stundung, Niederschlagung oder Erlass von Forderungen Bestehende Erstattungsansprüche sind - wie dargestellt - gemäß § 34 BHO grundsätzlich durchzusetzen .38 Sowohl das SGB II als auch die BHO lassen von diesem Grundsatz jedoch Ausnahmen zu. 3.3.2.1. Stundung und Niederschlagung Nach herrschender Auffassung können die Leistungsträger nach dem SGB II Ansprüche auch gemäß § 59 BHO stunden oder niederschlagen.39 Vorgaben für die gemeinsamen Einrichtungen zur Durchführung von Stundungen und Niederschlagungen finden sich insbesondere in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur BHO (VV-BHO) zu § 59. Für die zugelassenen kommunalen Träger gilt § 34 KoA-VV. Eine Stundung ist möglich, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird, § 59 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BHO. Durch die Stundung wird nicht auf den Anspruch verzichtet, sondern lediglich die Fälligkeit hinaus geschoben; sie erfolgt insbesondere durch Ratenzahlungen.40 Nach den VV-BHO beziehungsweise § 34 KoA-VV soll die Stundung gegen eine angemessene Verzinsung gewährt werden . Die Niederschlagung ist eine verwaltungsinterne Maßnahme, mit der von der Weiterverfolgung eines fälligen Anspruchs abgesehen wird, ohne dass dies zum Erlöschen des Anspruchs führt. 38 Merten in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB II § 44, Rn. 1. 39 Merten in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition, Stand: 1. September 2019, SGB II § 44, Rn. 12 f. m.w.N.; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 27. Juni 2019, § 44, Rn. 22 ff. m.w.N. 40 Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 27. Juni 2019, § 44, Rn. 25. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 15 Ein Anspruch darf niedergeschlagen werden, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen , § 59 Abs. 1 Nr. 2 BHO. Die Niederschlagung kann auch auf Teile des Anspruchs beschränkt oder befristet werden und kommt insbesondere bei Kleinbeträgen in Betracht.41 Eine Weiterverfolgung des Anspruchs wird durch die Niederschlagung nicht ausgeschlossen.42 3.3.2.2. Erlass § 44 SGB II gibt den Leistungsträgern die Möglichkeit, Ansprüche zu erlassen, wenn deren Einziehung nach der Lage des Einzelfalles unbillig wäre. Der Erlass bewirkt den endgültigen und unwiderruflichen Untergang des Anspruchs. Für die Entscheidung, ob die Einziehung der Forderung unbillig wäre, sind die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles, insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Anspruchsschuldners sowie Art und Höhe des Anspruchs, zu berücksichtigen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Belange des Schuldners sind abzuwägen mit dem grundsätzlich gegebenen öffentlichen Interesse an der Einziehung von Forderungen der Leistungsträger. Unbilligkeit liegt demnach zum Beispiel vor, wenn die Anspruchseinziehung für den Schuldner auch bei Einsatz aller seiner verfügbaren Mittel wirtschaftlich existenzgefährdend oder existenzvernichtend wirken würde.43 Die bloße Unterdeckung des Regelbedarfs führt allein jedoch nicht zu einer Unbilligkeit im Sinne des § 44 SGB II.44 Neben dem Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit kann eine Billigkeitsmaßnahme auch angezeigt sein, wenn die Anwendung einer in ihren generalisierenden Wirkungen verfassungsmäßigen Regelung im Einzelfall zu Grundrechtsverstößen führt, solange nicht die Geltung des Gesetzes unterlaufen wird (Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit). Davon ist vor allem auszugehen, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, sie aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft.45 Es handelt sich um eine einheitliche Ermessensentscheidung des Leistungsträgers. Der Begriff „unbillig“ ragt in den Ermessensbereich hinein und bestimmt zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung. Dabei ist weder die Frage der Unbilligkeit gerichtlich voll überprüfbar noch die Entscheidung, ob beziehungsweise in welcher Höhe Ansprüche erlassen werden.46 41 Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 27. Juni 2019, § 44, Rn. 27. 42 Kemper in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 44, Rn. 15. 43 Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 27. Juni 2019, § 44, Rn. 18. 44 Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Mai 2014 - L 3 AS 2383/13 , Rn. 23 (juris). 45 Bundessozialgericht, Urteil vom 25. April 2018 - B 14 AS 15/17 R -, Rn. 28 f. (juris). 46 Kemper in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 44, Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 16 4. Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit 4.1. Organisation Die Bundesagentur für Arbeit betreibt einen eigenen Inkasso-Service, der Teil ihrer Gesamtorganisation ist. Die Beschäftigten des Inkasso-Service sind Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit; mit Stand November 2019 waren insgesamt 880 Vollzeitstellen für diesen Bereich angesetzt.47 Der Inkasso-Service zieht Forderungen aus den Rechtskreisen des SGB II, des SGB III sowie der Familienkasse48 ein.49 Die operative Dienstleistung des Inkasso-Service konzentriert sich auf sechs Standorte; an den Standorten Recklinghausen und Bogen erfolgt die sachbearbeitende Tätigkeit des Inkasso-Service für die Rechtskreise SGB II und SGB III. Drei weitere Standorte (Halle, Hannover und Kiel) gewährleisten eine hohe Kommunikationsdichte und nehmen die telefonische Sachbearbeitung mit den Schuldnern wahr.50 Nach Auskunft der Bundesregierung werden im Rechtskreis des SGB II - anders als im Rechtskreis des SGB III und der Familienkasse - keine externen Dienstleister als Verwaltungshelfer beauftragt .51 4.2. Übertragung des Forderungsmanagements Wie dargelegt, obliegt es grundsätzlich den Jobcentern, die ihnen zustehenden Forderungen einzuziehen ; es handelt sich dabei um die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben. Eine Übertragung dieser hoheitlichen Befugnisse auf die Bundesagentur für Arbeit (zu deren Gesamtorganisation 47 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/2916 -, Fragen zum Sozialdatenschutz und zur Datensicherheit im Zusammenhang mit der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern, Bundestags-Drucksache 19/3412 vom 13. Juli 2018, S. 8 f. 48 In Hinblick auf die Zuständigkeit für Forderungen der Familienkasse ist derzeit ein Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof zu der Frage anhängig, ob dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit trotz der Konzentrationsermächtigung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 4 Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG) die Befugnis fehlte, die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen des sog. Regionalen Inkasso Services im Bereich des steuerlichen Kindergeldes bei der Bundesagentur für Arbeit (Inkasso-Service) zu zentralisieren (Az. III R 36/19). 49 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/2916 -, Fragen zum Sozialdatenschutz und zur Datensicherheit im Zusammenhang mit der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern, Bundestags-Drucksache 19/3412 vom 13. Juli 2018, S. 8 f. 50 Am Standort Fulda werden ausschließlich Forderungen der Familienkasse bearbeitet. 51 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/2916 -, Fragen zum Sozialdatenschutz und zur Datensicherheit im Zusammenhang mit der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern, Bundestags-Drucksache 19/3412 vom 13. Juli 2018, S. 8 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 17 der Inkasso-Service gehört) ist daher nur durch eine eindeutige, den „Grundsätzen der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit genügenden Übertragungsentscheidung“ der Trägerversammlung des jeweiligen Jobcenters gemäß § 44b Abs. 4 SGB II (Übertragung von Aufgaben auf einen der Träger) möglich.52 Der Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides verbleibt jedoch in der Zuständigkeit der Jobcenter. Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit ließen mit Stand November 2019 bis auf drei alle gemeinsamen Einrichtungen den Forderungseinzug durch den Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit wahrnehmen. Da die Bundesagentur für Arbeit in den Optionskommunen kein Träger ist, können deren Jobcenter auch keine Aufgaben auf die Bundesagentur beziehungsweise deren Inkasso-Service übertragen . Der Forderungseinzug erfolgt in den Optionskommunen, wie auch die anderen Aufgaben der Grundsicherung, in kommunaler Verantwortung. Der Bundesregierung liegen keine Informationen zu den Inkassoverfahren der zugelassenen kommunalen Träger vor.53 Zu den Rechtsgrundlagen für die Durchführung des Forderungseinzugs wird auf die Ausführungen unter 3 verwiesen. 4.3. Tätigkeiten Ab dem Zeitpunkt der Zahlungsstörung einer Forderung nimmt der Inkasso-Service der Bundesagentur alle notwendigen Aufgaben wahr, die bis zum Abschluss eines Einziehungsverfahrens erforderlich sind. Eine Zahlungsstörung liegt vor, wenn nach Ablauf des Fälligkeitstermins keine vollständige Zahlung erfolgt ist und die Gesamtsumme der Forderungsbeträge sieben Euro überschreitet (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BHO i. V. m. Nr. 7 VV-BHO).54 Der Inkasso-Service wird auch tätig, wenn der Anspruchsschuldner mitgeteilt hat, dass Schwierigkeiten bei der Rückzahlung bestehen.55 Nach der Geltendmachung der Forderung in den anordnenden Dienststellen werden, abhängig von jedem Einzelfall, insbesondere nachfolgende Tätigkeiten vom Inkasso der BA durchgeführt: 52 Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Februar 2018 - B 14 AS 12/17 R -, Rn. 22 ff. (juris). 53 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 10/10023 -, Inkasso-Verfahren der Agentur für Arbeit und Jobcenter bei verschuldeten Erwerbslosen, Bundestags-Drucksache 18/10299 vom 10. November 2016, S. 5. 54 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 10/10023 -, Inkasso-Verfahren der Agentur für Arbeit und Jobcenter bei verschuldeten Erwerbslosen, Bundestags-Drucksache 18/10299 vom 10. November 2016, S. 4. 55 Bundesagentur für Arbeit, Inkasso-Service: Aufgaben und Zuständigkeit, https://www.arbeitsagentur.de/ueberuns /inkasso-service-aufgaben (zuletzt abgerufen am 11. November 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 18 – Erstellung von Zahlungsaufforderungen und Mahnungen, – individueller Kontakt mit den Schuldnern (schriftlich oder telefonisch), – Auskünfte im Zusammenhang mit dem Einziehungsverfahren (telefonisch oder schriftlich), – individueller Kontakt zu Dritten, – Einleitung von öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Zwangsvollstreckungen, – Titelbeschaffung, – Zusammenarbeit mit den anordnenden Stellen zur Klärung von fallbezogenen Einziehungsfällen .56 Grundsätzlich ist auch die Entscheidung über Anträge in haushaltsrechtlichen Angelegenheiten (Stundung, Vergleich, Niederschlagung, Erlass) einschließlich Beteiligung des Beauftragten für den Haushalt in der Beauftragung des Inkasso-Service enthalten. Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit bereitet der Inkasso-Service im Rechtskreis des SGB II hier die entsprechenden Entscheidungen vor und unterbreitet der gemeinsamen Einrichtungen einen Vorschlag, wie mit der Forderung verfahren werden könnte. Die gemeinsame Einrichtung trifft sodann - gegebenenfalls unter Heranziehung eigener Erkenntnisse – die hausrechtliche Entscheidung. 5. Vollstreckung Das SGB X regelt die Vollstreckung von bestandskräftigen Rückzahlungsbescheiden über zu viel gezahlte „Arbeitslosengeld II“-Leistungen. Dabei sind je nach Trägerschaft für das Jobcenter zwei Modelle zu unterscheiden: 5.1. Jobcenter als gemeinsame Einrichtung Werden die Jobcenter in gemeinsamer Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit und den jeweiligen Kommunen als gemeinsame Einrichtungen im Sinne des § 44b SGB II betrieben, richtet sich das Vollstreckungsverfahren nach § 40 Abs. 8 SGB II. Hiernach ist das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) anzuwenden. Ferner findet § 66 SGB X als Grundvorschrift der sozialrechtlichen Verwaltungsvollstreckung Anwendung. Vollstreckungsanordnungsbehörde ist das jeweilige Jobcenter beziehungsweise die Bundesagentur für Arbeit, falls ihr nach § 44b Abs. 4 Satz 1 SGB II die Aufgabe der Vollstreckung übertragen 56 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 10/10023 -, Inkasso-Verfahren der Agentur für Arbeit und Jobcenter bei verschuldeten Erwerbslosen, Bundestags-Drucksache 18/10299 vom 10. November 2016, S. 4 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 19 wurde.57 Vollstreckungsbehörde ist das Hauptzollamt.58 Dieses wird im Wege der Amtshilfe tätig, da das Jobcenter beziehungsweise die Bundesagentur für Arbeit keine eigenen Zwangsbefugnisse besitzen.59 Sofern der Schuldner auf Mahnung des Inkasso-Services der Bundesagentur für Arbeit die Forderung nicht begleicht, beauftragt diese das örtlich zuständige Hauptzollamt mit der Beitreibung der Forderungen.60 Dieses führt sodann die eigentlichen Vollstreckungshandlungen gemäß § 5 VwVG aus, beispielsweise in Form einer Pfändung. 5.2. Jobcenter in alleiniger Trägerschaft Wie ausgeführt haben 104 Kommunen von der Möglichkeit nach §§ 6a und 6b SGB II Gebrauch gemacht , alleiniger Träger des Jobcenters zu sein. Für das Vollstreckungsverfahren gilt dann § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Hiernach sind die landesgesetzlichen Vorschriften über Vollstreckungen anzuwenden .61 57 Vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. November 2015 - L 3 AL 182/13 B PKH-, Rn. 20 (juris): „Nach § 3 Abs. 4 VwVG wird die Vollstreckungsanordnung von der Behörde erlassen, die den Anspruch geltend machen darf. Dies ist grundsätzlich die gemeinsame Einrichtung […]. Die gemeinsame Einrichtung kann jedoch seit 1. Januar 2011 […] gemäß § 44b Abs. 4 SGB II einzelne Aufgaben auch durch die Träger, zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), wahrnehmen lassen. Hierzu können auch die Aufgaben als Anordnungsbehörde zählen […]“. Zu den Anforderungen und Grenzen einer solchen Übertragung siehe nur Bundessozialgericht , Urteil vom 14. Februar 2018 - B 14 AS 12/17 R - (Leitsatz: „Ohne eine den Grundsätzen der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit genügende Übertragungsentscheidung der Trägerversammlung einer gemeinsamen Einrichtung nach dem Sozialgesetzbuch II ist die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf einen ihrer Träger unwirksam “); siehe ferner Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 54/10 R -, einschließlich Ausführungen zur früheren Rechtslage. 58 Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. April 2014 - L 7 AS 260/14 B ER - Leitsätze 2 und 3 (juris). Siehe zu dieser Zuständigkeit auch die Verweisungskette in Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - L 34 AS 2224/18 B ER: „Da der Antragsgegner kein zugelassener kommunaler Träger i.S.d. § 6a SGB II ist, richtet sich die Vollstreckung aus den hier maßgeblichen Bescheiden nach den die Vollstreckung von Geldforderungen betreffenden §§ 1 bis 4 VwVG sowie der - auf einzelne Bestimmungen, insbesondere die §§ 249 ff. AO [Abgabenordnung] verweisenden - Regelung in § 5 Abs. 1 VwVG.“ 59 Schlatmann in: Engelhardt/App/Schlatmann/Troidl, VwVG, 11. Auflage 2017, § 4 Rn. 3. Siehe auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - L 34 AS 2224/18 B ER -, Rn. 21 (juris): „Nach § 3 Abs. 4 VwVG wird eine Vollstreckungsanordnung von der Behörde erlassen, die den Anspruch geltend macht. Gemäß § 250 Abs. 1 AO tritt eine Vollstreckungsbehörde, die auf Ersuchen einer anderen Vollstreckungsbehörde Vollstreckungsmaßnahmen ausführt, an die Stelle der anderen Vollstreckungsbehörde. Für die Vollstreckbarkeit des Anspruchs bleibt die ersuchende Vollstreckungsbehörde verantwortlich.“ 60 Bundesagentur für Arbeit, Inkasso-Service: Wie Sie richtig reagieren, https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslosarbeit -finden/inkasso-service-wie-sie-richtig-reagieren (zuletzt abgerufen am 30. Oktober 2019). 61 Roos in: von Wulffen/Schütze, 8. Auflage 2014, SGB X § 66 Rn. 4; Auflistung der verschiedenen Landesvorschriften bei Heße in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 54. Edition Stand: 1. September 2019, § 66 SGB X, Rn. 19.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 129/19 Seite 20 5.3. Rückforderung von übernommenen Mietkosten Zahlungen von „Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung“ können nach § 22 Abs. 7 SGB II direkt an den Vermieter erfolgen. Gleichwohl richten sich Rückzahlungsansprüche grundsätzlich nicht gegen den Vermieter, sondern gegen den Mieter als Leistungsberechtigten nach § 22 SGB II.62 Für das oben unter 5.1 und 5.2 beschriebene Vollstreckungsverfahren ergeben sich daher keine Unterschiede. *** 62 Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Januar 2013 - L 7 AS 381/12, Leitsatz 1 (juris). Ausnahme z. B. bei Mietzahlungen über bekanntes Vertragsende hinaus, BGH, Urteil vom 31. Januar 2018 - VIII ZR 39/17.