© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 127/16 Anreize und Maßnahmen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 127/16 Seite 2 Anreize und Maßnahmen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 127/16 Abschluss der Arbeit: 16. November 2016 Fachbereiche: WD 6: Arbeit und Soziales WD 4: Haushalt und Finanzen (Frage 2) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 127/16 Seite 3 1. Sozialpolitische Maßnahmen zur Senkung struktureller Arbeitslosigkeit Die soziale Sicherung arbeitsuchender Menschen wurde im Jahr 2005 in Deutschland zuletzt umfassend reformiert. Zum einen gibt es weiterhin das Arbeitslosengeld I nach den Bestimmungen des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III). Neu eingeführt wurde das Arbeitslosengeld II, das seine Rechtsgrundlagen im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) findet. 1.1. Arbeitslosengeld I Das Arbeitslosengeld I ist eine Versicherungsleistung. Arbeitslose Arbeitnehmer haben Anspruch auf Arbeitslosengeld I, wenn sie sich neben der Erfüllung anderer Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben . Die Anwartschaftszeit ist erfüllt, wenn die arbeitslose Person in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I richtet sich nach der Dauer der versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Lebensalter. Für die Höhe des Arbeitslosengeldes I ist das vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich, insofern wurden keine Änderungen vorgenommen. Die Bezugsdauer wurde jedoch im Rahmen der Reformen in der Regel auf 12 Monate begrenzt. 1.2. Arbeitslosengeld II Seit dem 1. Januar 2005 gibt es das Arbeitslosengeld II als ein neues Grundsicherungssystem für erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Dieses können Personen erhalten, die keinen Anspruch mehr auf das Arbeitslosengeld I haben. Es kann auch Personen gewährt werden, die erwerbslos sind und zuvor nicht gearbeitet haben. Eine Person gilt seit der Reform bereits dann als erwerbsfähig, wenn sie drei Stunden am Tag arbeiten kann. Das Arbeitslosengeld II wird aus Steuern finanziert. Die Höhe der Leistung wird nicht vom vorherigen Arbeitseinkommen bestimmt. Das Arbeitslosengeld II soll Leistungsberechtigten nur ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht und ein soziokulturelles Existenzminimum sichert. Eine weitere Reduzierung der Höhe der Leistung ist nicht geplant, zumal diese verfassungsrechtlich nicht möglich wäre. Das Konzept der Grundsicherung ist geprägt von den Prinzipien des Forderns und Förderns: Leistungsberechtigte müssen von sich aus alle Anstrengungen zur Beendigung ihrer Hilfebedürftigkeit unternehmen. Damit ist nicht nur die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung gemeint. Es besteht auch die Verpflichtung, an Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration teilzunehmen. Auch zumutbare Arbeitsgelegenheiten (Zusatzjobs) müssen angenommen werden. Außerdem Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 127/16 Seite 4 sind vorrangige Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Im Zuge der Reform wurde die Zumutbarkeit dahingehend verschärft, dass jede Arbeit grundsätzlich zumutbar ist. Verstößt der Leistungsbezieher gegen diese Pflichten, erfolgen Sanktionen. Diese können von Kürzungen der Leistung bis hin zu dem vollständigen zeitlich beschränktem Verlust des Leistungsanspruchs führen. Weitere Informationen in englischer Sprache können der Publikation „Social Security at a Glance“ (Seiten 34 bis 38) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales entnommen werden: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a998-social-security-at-aglance -total-summary.pdf?__blob=publicationFile. 1.3. Aktive Arbeitsmarktpolitik Das Grundziel der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ist es, arbeitslose Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine Reihe dieser Instrumente zielt auf die Verbesserung der individuellen Chancen. Hierzu zählen Qualifizierungsmaßnahmen (Förderung der beruflichen Weiterbildung und ggf. Umschulung ), die Förderung privater Arbeitsvermittlung, individuelle Förderplanungen im Rahmen des Vermittlungsbudgets und Trainingsmaßnahmen (z.B. Bewerbungstraining). Ein wichtiges Beispiel aus diesem Instrumentarium ist zum einen die Lohnsubvention, die an Arbeitgeber geleistet wird. Arbeitgeber können mit einem Zuschuss zum Arbeitsentgelt unterstützt werden, wenn sie förderungsbedürftige und zugewiesene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einstellen, deren Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt aus individuellen Gründen sehr erschwert ist. Zum anderen können Leistungsberechtigten zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit Arbeitsgelegenheiten ohne Arbeitsentgelt zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. Die Maßnahmen sollen Beschäftigung schaffen anstatt lediglich reine Unterstützungsleistungen für Arbeitslose zu gewähren. Mit Arbeitsgelegenheiten soll eine Teilhabe am Arbeitsleben für besonders benachteiligte Personen am Arbeitsmarkt erreicht werden. Zur Wirkungsanalyse der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wird auf die folgende Publikation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung verwiesen: http://doku.iab.de/kurzber /2015/kb0815.pdf. 2. Freibeträge und Steuerabzüge zur Unterstützung von Arbeitnehmern im Einkommensteuergesetz In Deutschland gibt es keinen Freibetrag für Geringverdiener, es gilt für alle Steuerpflichtigen derselbe Grundfreibetrag in Höhe von 8.652 Euro (2016). Für oberhalb des Grundfreibetrags liegende Einkommen steigen die Steuersätze in zwei linear-progressiven Zonen von 14 Prozent Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 127/16 Seite 5 (Eingangssteuersatz) auf den Spitzensteuersatz von 42 Prozent an. Ab einem zu versteuernden Einkommen von 254.447 Euro steigt der Steuersatz um weitere 3 Prozentpunkte auf 45 Prozent. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer (EStG) kann ein Steuerpflichtiger verschiedene Freibeträge und Steuerabzüge geltend machen, die den Anreiz zur Arbeitsaufnahme erhöhen könnten : 1. Ein Steuerpflichtiger kann im Rahmen der Steuerveranlagung Aufwendungen von seinem Gehalt abziehen bzw. Aufwendungen geltend machen, die ihm bei der Suche nach einem Arbeitsplatz entstehen. Zu den abziehbaren Aufwendungen gehören unter anderem: o Aufwendungen für Bewerbungen um einen (neuen) Arbeitsplatz, o Mehraufwendungen, die ihm wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, o Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte , o Aufwendungen für Arbeitsmittel, zum Beispiel Werkzeuge oder Berufskleidung. 2. Der Steuerpflichtige kann zwei Drittel der Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines Kindes, das zu seinem Haushalt gehört und das jünger als 14 Jahre ist, abziehen . Der maximal abziehbare Betrag beläuft sich auf 4.000 Euro pro Kind. 3. Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung sind bis zu 6.000 Euro im Kalenderjahr abziehbar. 4. Gehört zum Haushalt eines alleinstehenden Steuerpflichtigen ein Kind, beträgt der Entlastungsbetrag im Kalenderjahr 1.908 Euro. Für jedes weitere Kind erhöht sich der Betrag um 240 Euro je weiterem Kind. 5. Beschäftigt ein Steuerpflichtiger jemanden geringfügig in seinem Haushalt, kann er 20 Prozent der Aufwendungen dafür, höchstens 510 Euro, direkt von seiner Steuerschuld abziehen. Bei anderen Beschäftigungsverhältnissen oder bei Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen sind 20 Prozent der Arbeitskosten, höchstens 4.000 Euro, direkt von der Steuerschuld abziehbar. Zu den haushaltsnahen Dienstleistungen gehört auch die Betreuung von Kindern. Es muss jedoch zuerst der Abzug unter 2. ausgeschöpft werden. 6. Durch die Möglichkeit der Lohnsteuerpauschalierung durch den Arbeitgeber können Arbeitnehmer in bestimmten Beschäftigungsverhältnissen ihren Lohn ohne Steuerabzüge erhalten : Bei kurzfristig beschäftigten Arbeitnehmern kann der Arbeitgeber pauschal 25 Prozent des Arbeitslohns als Lohnsteuer abführen, bei geringfügig Beschäftigten ist ein Pauschsteuersatz in Höhe von insgesamt 2 Prozent des Arbeitsentgelts wählbar. 2.1. Erläuterungen Bei Ermittlung des Grundfreibetrags sind Steuerrecht und Sozialrecht eng miteinander verzahnt. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Existenzminimum eines jeden Bürgers steuerlich verschont werden muss. Weil Deutschland im Sozialhilferecht einen Mindestbedarf bestimmt hat, den der Staat bei einem mittellosen Bürger durch staatliche Leistungen decken muss (Existenzminimum), darf der Grundfreibetrag diesen Betrag nicht unterschreiten. Der Entlastungsbetrag für alleinstehende Steuerpflichtige (vgl. Kapitel 0 Nummer 4) mit mindestens einem Kind wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2015 erhöht und erstmals die Staffelung für Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 127/16 Seite 6 weitere Kinder eingeführt. Die letzte Erhöhung datiert von 2004. Es ist in Deutschland nicht höchstrichterlich geklärt, ob der Entlastungsbetrag der sozialen Förderung gilt oder einer tatsächlichen Mehrbelastung Rechnung trägt. Die Opposition kritisiert den Betrag als zu niedrig, außerdem käme er nur denjenigen zugute, deren Einkommen weit über dem Grundfreibetrag liege. Mit der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen (vgl. Kapitel 0 Nummer 5) wollte der Gesetzgeber unter anderem einen Anreiz für mehr legale Beschäftigung in Privathaushalten geben und die Schwarzarbeit eindämmen. Der Bundesrechnungshof kritisiert seit der Einführung der Steuerermäßigung, dass es dabei zu sehr hohen Mitnahmeeffekten kommt. ***