Zu den Auswirkungen des Familienstandes der Ehe im Sozialrecht (SGB II, VI, VII und XII) und bei der sozialen Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000-127/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Zu den Auswirkungen des Familienstandes der Ehe im Sozialrecht (SGB II, VI, VII und XII) und bei der sozialen Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz Ausarbeitung WD 6 - 3000-127/07 Abschluss der Arbeit: 03.07.2007 Fachbereich WD 6: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Auswirkungen bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) 3 2. Auswirkungen bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) 3 3. Auswirkungen in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung 3 3.1. Witwen(r)rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 4 3.2. Witwen(r)rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung 5 4. Soziale Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz 6 5. Anlage 7 - 3 - 1. Auswirkungen bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) Bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende hat der Familienstand der Ehe keine voroder nachteiligen Auswirkungen. Vielmehr werden bei der Festlegung, wer zur Bedarfsgemeinschaft1 gehört, Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und solche Personen, die zusammenleben und Verantwortung füreinander tragen wollen, gleich behandelt. Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen , wird gemäß § 7 Abs. 3a SGB II schon dann vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Die Ausweitung der Bedarfgemeinschaft auch auf nicht verheiratete Paare dient in erster Linie dazu Nachteile, die der Familienstand der Ehe ansonsten mit sich bringen würde , zu verhindern. 2. Auswirkungen bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) Dasselbe gilt bei der Zuordnung fremden Einkommens bei der Sozialhilfe im Rahmen des SGB XII. Auch hier wird nicht zwischen Eheleuten, Lebenspartnern und eheähnlichen Gemeinschaften unterschieden. Gemäß § 20 Satz 1 SGB XII dürfen Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als Ehegatten. Eine derartige Regelung ist wegen des Schutzes der Ehe als Rechtsinstitut nach Art. 6 Abs. 1 GG geboten2. 3. Auswirkungen in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung Das Institut der Witwenrente in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung steht ausschließlich ehelichen Hinterbliebenen und solchen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zu. Ansprüche aus nichtehelichen und nicht eingetragenen Partnerschaften bestehen weder in der Renten- noch in der Unfallversicherung. 1 Siehe die Definition der Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 SGB II. 2 Vgl. Grube/Wahrendorf (Grube), SGB XII § 20, Rn. 5, 1. Auflage 2005. - 4 - 3.1. Witwen(r)rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung In der Rentenversicherung erhält die Witwe nach dem Tod eines versicherten Ehemannes Witwenrente, wenn dem Verstorbenen zur Zeit seines Todes Versichertenrente zustand oder er mindestens fünf Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat. Dasselbe gilt für die Witwerrente eines Ehemanns nach dem Tod seiner versicherten Ehefrau. Unter bestimmten Voraussetzungen kann nach dem Tod des Versicherten (der Versicherten ) auch einer früheren Ehefrau bzw. einem früheren Ehemann, deren/dessen Ehe mit dem/der Versicherten vor dem 01. Juli 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, Rente gewährt werden (§ 46 Abs. 3 SGB VI). Gemäß § 46 Abs. 4 SGB VI, bzw. § 63 Abs. 1a SGB VII, erfolgt eine völlige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Folgerichtig erhalten seit dem 01.01.2005 nun auch Lebenspartner unter den entsprechenden Voraussetzungen nach dem Tod ihres Lebenspartners bzw. ihrer Lebenspartnerin Witwen(r)rente. Auch wenn in einzelnen Vorschriften nur „Lebenspartner“ ohne den Zusatz „eingetragene“ erwähnt sind, beziehen sich entsprechende Vorschriften im gesamten Sozialgesetzbuch gem. § 33 b SGB I ausschließlich auf eingetragene Lebenspartnerschaften. Soweit in einzelnen Vorschriften Ansprüche für Lebenspartner bei Konkurrenz zu Hinterbliebenen Ehegatten ausgeschlossen werden (z.B. § 65 Abs. 7 SGB VII) beziehen sich diese auf Zeiten vor dem 01.01.2005. Mangels ausdrücklicher Regelung in § 1306 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestand bis 31.12.2004 die Möglichkeit einer Eheschließung neben einer Lebenspartnerschaft mit der Folge, dass nach der Gleichstellung der Lebenspartnerschaften ab 01.01.2005 beide Hinterbliebene Ansprüche auf Hinterbliebenenrente haben würden, wenn der Versicherte nach dem 31.12.2004 gestorben ist. Mit der Neufassung des § 1306 mit dem Gesetz vom 15.12.2004 gilt mit Wirkung vom 01.01.2005 umgekehrt nun auch ausdrücklich ein Eheverbot bei bereits bestehender Lebenspartnerschaft3. Im Falle der Scheidung einer Ehe und der Auflösung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft besteht hinsichtlich des Versorgungsausgleichs ebenfalls volle Gleichbehandlung . Die kleine Witwerrente beträgt 25 % der Rente, die der Verstorbene bezogen hätte. Wer jünger als 45 Jahre ist und keine Kinder hat, bekommt eine kleine Witwenrente ausgezahlt . Die Bewilligung kann in bestimmten Fällen auf zwei Jahre beschränkt sein. 3 Siehe auch Kassler Kommentar zu § 65 Abs. 7 SGB VII, RdNr. 27a. - 5 - Die große Witwenrente beträgt hingegen 55 % (in bestimmten Fällen auch 60 %). Diese erhalten alle, die das 45. Lebensjahr vollendet haben. Sie kann in Einzelfällen auch schon vor dem 45. Lebensjahr gezahlt werden, wenn der Hinterbliebene erwerbsgemindert ist oder Kinder unter 18 Jahren hat. Um eine Rente beziehen zu können, muss die Ehe mindestens ein Jahr bestanden haben. Die ersten drei Monate (Sterbevierteljahr) nach dem Tod des Ehepartners erhält jede Witwe und jeder Witwer die volle Rente, die dem verstorbenen Versicherten als Altersrente zugestanden hätte, sofern dieser fünf Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat. 3.2. Witwen(r)rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung In der Unfallversicherung erhält die Witwe eines durch Arbeitsunfall oder an einer Berufskrankheit verstorbenen Versicherten Witwenrente. Dies gilt auch für den Witwer. Kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Ehe erst nach dem Arbeitsunfall geschlossen wurde, der Tod innerhalb des ersten Ehejahres eingetreten ist und anzunehmen ist, dass alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat die Verschaffung einer Versorgung der Witwe oder des Witwers ist (§ 65 Abs. 6 SGB VII). Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch einer früheren Ehefrau bzw. einem früheren Ehemann, deren (dessen) Ehe mit dem/der Versicherten geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, sowie Verwandten der aufsteigenden Linie, Stief- oder Pflegeeltern Rente gewährt werden (§§ 65 Abs. 5, 69 SGB VII). Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1a SGB VII gilt auch hier die völlige Gleichstellung mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Die Höhe der Witwenrente beträgt 40 % des Jahresarbeitsverdienstes für Berechtigte, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, Berufs- oder Erwerbsunfähig sind oder mindestens ein Kind erziehen, das wegen eines Arbeitsunfalls / einer Berufskrankheit oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung zur Waisenrente berechtigt ist. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, beträgt die Rente 30 % des Jahresarbeitsverdienstes . Auch hier gilt eine erhöhte Rentenleistung in den ersten drei Monaten nach dem Tod zur Überbrückungshilfe (Sterbevierteljahr). - 6 - 4. Soziale Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz Das Soziale Entschädigungsrecht regelt die Versorgung bei Gesundheitsschäden, für deren Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen einzustehen hat (§ 5 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I). 4.1. Kriegsopferversorgung Nach §§ 25, 38, 40 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten Ehegatten oder Lebenspartner eines im Kriegszusammenhang Geschädigten (anders als nicht eheliche Partner) Leistungen der Kriegsopferfürsorge und im Falle seines Versterbens Hinterbliebenenrente . 4.2. Opferentschädigungsgesetz Wer im Bundesgebiet oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erleidet, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Gleiches gilt für Hinterbliebene, wenn eine Gewalttat unmittelbar oder später zum Tod des Opfers führt. Dies regelt § 1 Abs. 8 OEG, der für den Umfang der Versorgung auf die Vorschriften des BVG verweist. Wie oben festgestellt, sind die Leistungen nach dem BVG ausschließlich Ehe- und Lebenspartnern des Geschädigten vorbehalten. Nach § 1 Abs. 8 Satz 4 OEG erhalten jedoch ausnahmsweise auch Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 BVG, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt . Dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt. Die Ergänzung des Satzes 4 in § 1 Abs. 8 OEG beruht auf einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 4 (BVerfG), wonach unverheiratete Mütter und Väter, die ihren Partner durch eine Gewalttat verloren haben, ausnahmsweise und für einen begrenzten Zeitraum während der Kindererziehung einen Anspruch auch Hinterbliebenenrente bekommen müssen. Nach Ansicht des BVerfG verletzte die alte Fassung des § 1 Abs. 8 OEG den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil sie eine Witwenrente für die Kinderbetreuung nur Eheleuten, nicht aber Unverheirateten gewährte. 4 BVerfG - Beschluss v. 09.11.2004, Aktenzeichen: 1 BvR 684/98. - 7 - 5. Anlage Einen Überblick über die Auswirkungen der unterschiedlichen Familienstände (Ehe, Lebenspartnerschaft und nicht-eheliche Gemeinschaft) in verschiedenen Bereichen liefert die Ausarbeitung des Fachbereichs 6 der Wissenschaftlichen Dienste - , Berücksichtigung von Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern und nicht - ehelichen Lebenspartnern bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende, wegen Alters und Erwerbsminderung, der Sozialhilfe, in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung sowie im Rahmen des BaföG, 30. November 2006. - Anlage 1 -