© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 124/19 Vorausberechnung der Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/19 Seite 2 Vorausberechnung der Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 124/19 Abschluss der Arbeit: 9. Oktober 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Selbstregulierender Mechanismus 4 2. Kurz- und mittelfristige Finanzplanung 5 3. 15-Jahres-Vorausberechnungen der Einnahmen und Ausgaben 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/19 Seite 4 1. Selbstregulierender Mechanismus Die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung werden im Umlageverfahren durch die im selben Zeitraum erzielten Einnahmen aus den Beitragszahlungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie durch staatliche Zuwendungen, insbesondere den Bundeszuschüssen, bestritten. Die Rentenversicherungsträger halten gemäß § 216 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) lediglich eine schwankende Nachhaltigkeitsrücklage, der die Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben zugeführt werden und aus der Defizite zu decken sind. Die Beiträge werden in der Regel nach einem Prozentsatz (=Beitragssatz) von den versicherten Erwerbseinkommen erhoben. Die Anpassung der Renten sowie die Festsetzung des Beitragssatzes und des Bundeszuschusses sind in einen selbstregulierenden Mechanismus eingebunden, mit dem ein Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben gewährleistet ist. Danach ist der Beitragssatz für jedes Kalenderjahr im Voraus so festzusetzen, dass die Beitragseinnahmen und Bundeszuschüsse die Ausgaben eines Kalenderjahres decken und dass für den Ausgleich von Einnahmeschwankungen zum Ende des Kalenderjahres, für das der Beitragssatz zu bestimmen ist, eine Rücklage vorhanden sein wird, die mindestens das 0,2fache und höchstens das 1,5fache der durchschnittlichen monatlichen Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung beträgt. Eine Veränderung des Beitragssatzes ist zwingend zur Steuerung der Einnahmen vorgeschrieben, wenn die Mindestrücklage voraussichtlich unter- oder die Höchstrücklage überschritten wird. Gegebenenfalls hat die Bundesregierung den neuen Beitragssatz in der Rentenversicherung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates festzusetzen. Veränderungen des Beitragssatzes beeinflussen die Höhe des Bundeszuschusses und die jährlich zum 1. Juli durchzuführenden Rentenanpassungen: Bei einer Verringerung des Beitragssatzes mindert sich die Höhe der Bundeszuschüsse und die Renten werden stärker erhöht. Dies wirkt sich durch die daraus folgenden höheren Rentenausgaben entsprechend abschwächend auf die weitere Entwicklung des Beitragssatzes aus. Steigt der Beitragssatz dagegen an, erhöht sich zugleich auch der Bundeszuschuss, während die nächste Rentenanpassung gedämpft wird. Die für den selbstregulierenden Mechanismus maßgebenden Vorschriften sind in den §§ 68 Abs. 1 und 3, 158 Abs. 1 und 2, 213 Abs. 2 SGB VI geregelt. Mit dem RV-Leistungsverbesserungsund -Stabilisierungsgesetz vom 28. November 2018 sind unter anderem sogenannte Haltelinien für das Sicherungsniveau und den Beitragssatz geregelt worden.1 Der Beitragssatz beträgt danach abweichend vom selbstregulierenden Mechanismus auch bei Überschreiten der Höchstrücklage bis zum Jahr 2025 gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2 SGB VI mindestens 18,6 Prozent. Die Nachhaltigkeitsrücklage stieg zum Ende des Jahres 2018 auf 38,2 Milliarden EUR bzw. 1,79 Monatsausgaben an. Sie wird im weiteren Verlauf aber vor allem aus demografischen Gründen deutlich zurückgehen, da sich die geburtenstarken Jahrgänge aktuell dem Rentenalter nähern.2 1 BGBl. I S. 2016. 2 Bericht der Vorsitzenden des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund anlässlich der Bundesvertreterversammlung am 27. Juni 2019 in Bochum. Abrufbar im Internet unter https://www.deutsche-rentenversicherung .de/SharedDocs/Downloads/DE/Presse/reden/rede_buntenbach.pdf?__blob=publication- File&v=2, zuletzt abgerufen am 8. Oktober 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/19 Seite 5 2. Kurz- und mittelfristige Finanzplanung Fachleute des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesversicherungsamtes und der Deutschen Rentenversicherung Bund treffen sich in der Regel viermal jährlich zur Bewertung der aktuellen Finanzlage und zur Vorausberechnung der kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung. Dieses Schätzerkreis genannte Gremium greift dabei unter anderem auf die Eckdaten der Bundesregierung zur voraussichtlichen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurück. Der Bericht über das Ergebnis der im Juli 2019 abgeschlossenen Schätzung zur Finanzsituation und -entwicklung der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2019 und für die Folgejahre liegt als Anlage bei.3 Anlage 3. 15-Jahres-Vorausberechnungen der Einnahmen und Ausgaben Die Bundesregierung erstellt darüber hinaus jährlich einen Rentenversicherungsbericht, der gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI insbesondere Modellrechnungen zur Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren enthält. Der in der Bundestagsdrucksache 19/6240 vom 3. Dezember 2018 vorgestellte aktuelle Rentenversicherungsbericht enthält daher Vorausberechnungen bis zum Jahr 2032. Die Vorausberechnungen haben ausschließlich Modellcharakter und stellen auch keine Prognosen der künftigen Entwicklung dar, weil eine Einschätzung der finanziellen Entwicklung über einen 15-Jahreszeitraum relativ unsicher sein kann. Die Rentenversicherungsberichte enthalten neun Modellrechnungsvarianten: drei Zeitreihen mit Annahmen zur Entwicklung der durchschnittlichen Bruttoentgelte in Verbindung mit drei Zeitreihen mit Annahmen zur Entwicklung der Zahl der Beitragszahler und der Arbeitslosen.4 Längerfristige Prognosen zur Entwicklung der Wirtschaft und der Bevölkerung sind nicht verlässlich. So hat das Statistische Bundesamt beispielsweise im Jahre 1993 die Wohnbevölkerung Deutschlands für das Jahr 2020 auf 78,1 Millionen geschätzt. Tatsächlich leben in Deutschland aktuell 83 Millionen.5 Die Bundesregierung hat am 3. Mai 2018 die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ eingerichtet, der Vertreterinnen und Vertreter der Sozialpartner, der Politik und der Wissenschaft angehören. Ziel der Kommission ist es, Wege zu einer nachhaltigen Sicherung und Fortentwicklung der Alterssicherungssysteme ab dem Jahr 2025 zu finden. Bis März 2020 soll ein Bericht 3 Viebrok, Holger und Heidel, Jörg, Die Finanzlage der allgemeinen Rentenversicherung im Jahr 2018 und die weitere Entwicklung im Mittelfristzeitraum, RVaktuell 5/6/2019, S. 129. Abrufbar im Internet unter https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Zeitschriften/RVaktuell/2019/Artikel /artikel_heft_05_06.pdf?__blob=publicationFile&v=4, zuletzt abgerufen am 8. Oktober 2019. 4 Wehrhahn, Kasseler Kommentar, SGB VI § 154, Rn. 5. 5 Bundestagsdrucksache 12/7876, S. 56, Destatis (Stand 10/2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/19 Seite 6 darüber vorgelegt werden, wie die Stellschrauben der Rentenversicherung in ein langfristiges Gleichgewicht gebracht werden können. ***