© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 124/16 Haftpflichtversicherung für Asylbewerber und Flüchtlinge Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/16 Seite 2 Haftpflichtversicherung für Asylbewerber und Flüchtlinge Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 124/16 Abschluss der Arbeit: 27. Oktober 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zivilrechtliche Haftung und Haftpflichtversicherungen 4 3. Haftpflichtversicherung für Asylbewerber und Flüchtlinge 5 3.1. Ausgangslage 5 3.1.1. Versicherungspflicht 5 3.1.2. Kein Regelungsbedürfnis aus Sicht des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages 5 3.2. Kommunal finanzierte Haftpflichtversicherungen 6 3.2.1. Abschlusskompetenz 6 3.2.2. Versicherter Personenkreis 7 3.2.3. Verbreitung und Kosten 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/16 Seite 4 1. Einleitung Deutschland hat in den vergangenen Monaten einen starken Zustrom von Flüchtlingen und Asylsuchenden erlebt. Neben anderen ist dabei auch die Frage aufgeworfen worden, wer für Schäden aufkommt, die durch Flüchtlinge und Asylsuchende verursacht werden.1 Der vorliegende Sachstand soll einen Überblick zu ausgewählten Fragen der Haftpflichtversicherung für Asylsuchende und Flüchtlinge in Kommunen geben. 2. Zivilrechtliche Haftung und Haftpflichtversicherungen Das deutsche Zivilrecht enthält umfassende Haftungsregelungen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Haftung im vertraglichen Schuldverhältnis (allgemeines und besonderes Leistungsstörungsrecht ) und den gesetzlich angeordneten Haftungs- und Einstandspflichten, die sich vor allem im sog. Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB finden. Während Störungen in vertraglichen Schuldverhältnissen in der Regel nicht versicherbar sind, weil der Vertragspartner frei gewählt und das Risiko einer Schädigung von den Vertragsparteien insoweit privatautonom eingegangen wird, kann das Risiko gesetzlich angeordneter (deliktischer) Haftung vor allem für Personen- und Sachschäden Dritter durch eine Haftpflichtversicherung zu minimiert werden.2 Eine Pflicht zum Abschluss einer solchen privaten Haftpflichtversicherung besteht hingegen nicht. Nur in Bereichen, in denen allgemein von einem gesteigerten Schadensrisiko ausgegangen wird, hat der Gesetzgeber Pflicht-Haftpflichtversicherungen eingeführt. So beispielsweise die im Pflichtversicherungsgesetz geregelte Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter. Dennoch hat eine Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 des Statistischen Bundesamtes ergeben, dass bundesweit rund 85 % der Haushalte über eine private Haftpflichtversicherung verfügen. Die tatsächliche Verbreitung ist dabei auch abhängig von der beruflichen Stellung der potentiellen Versicherungsnehmer bzw. dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen . So kommt die Auswertung zu dem Ergebnis, dass nur rund 60 Prozent der Haushalte haftpflichtversichert sind, in denen der Haupteinkommensbezieher arbeitslos ist, hingegen aber der Anteil bei Beamten bei rund 96 Prozent liegt.3 Nach Nr. A1-3.1 der AVB PHV des GDV tritt der Versicherungsfall ein, wenn während der Wirksamkeit der Versicherung ein Schadensereignis eintritt, das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, weswegen der Versicherungsnehmer aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Besteht für diese Fälle der Versicherungsschutz einer Privathaftpflichtversicherung nicht, haftet der Schädiger nach allgemeinen Grundsätzen mit seinem privaten Vermögen für den Schaden des Geschädigten. In Fällen, in denen der Schädiger nicht versichert und mittellos ist, besteht für 1 Vgl. statt vieler die Berichterstattung des MDR „Wer haftet, wenn Flüchtlinge einen Unfall bauen?“, abrufbar unter www.mdr.de/nachrichten/fluechtlinge-haftpflicht100.html, zuletzt abgerufen am 24.10.2016. 2 Vgl. hierzu die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung (AVB PHV) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) A1-3.1. 3 Statistisches Bundesamt, Verbreitung von privatem Versicherungsschutz, Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/16 Seite 5 den Geschädigten dann die Gefahr, seine Schadensersatzforderungen nicht realisieren zu können und somit die Kosten des Schadensereignisses selbst tragen zu müssen. Für solche Fälle bieten Versicherer an, das Forderungsausfallrisiko zu versichern. Damit ist der Versicherungsnehmer nicht nur geschützt, wenn er Verpflichteter, sondern auch, wenn er Berechtigter eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Dritten ist, der sich nicht realisieren lässt. Die AVB PHV sehen eine Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers in Nr. A3-1.1 allerdings erst dann vor, wenn der Schadensverursacher zahlungs- oder leistungsunfähig ist oder die Forderung gegen diesen nicht durchsetzbar ist. Statistische Zahlen zur Verbreitung der Forderungsausfallversicherung in Privathaftpflichtverträgen liegen nicht vor. 3. Haftpflichtversicherung für Asylbewerber und Flüchtlinge Statistische Zahlen darüber, wie viele Asylbewerber und Flüchtlinge eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben, gibt es nicht. Bei lebensnaher Betrachtung und aufgrund der Korrelation des Einkommens mit der Verbreitung der Haftpflichtversicherung kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Versicherten in diesem Personenkreis äußerst gering ist. 3.1. Ausgangslage 3.1.1. Versicherungspflicht Eine gesetzlich angeordnete Pflicht-Haftpflichtversicherung gibt es auch für Asylbewerber und Flüchtlinge nicht. Ebenso gibt es keine gesetzliche Regelung, die einem staatlichen Akteur auferlegt , eine solche Versicherung zugunsten von Asylbewerbern und Flüchtlingen abzuschließen. Leistungen die Asylbewerber, Geduldete sowie Ausländer, die vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind, erhalten, bestimmen sich nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), vgl. § 1 AsylbLG. Zum Leistungsumfang gem. §§ 3 ff. AsylbLG gehören bisher keine Leistungen zur Absicherung von Haftpflichtschäden. 3.1.2. Kein Regelungsbedürfnis aus Sicht des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich bereits mit der Frage einer staatlichen Pflicht-Haftpflichtversicherung für Asylbewerber befasst. Ein Petent hatte die Einführung einer solchen angeregt. Das Petitionsverfahren wurde am 17. März 2016 mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass der Petitionsausschuss dem Anliegen des Petenten nicht entsprach und die Einführung einer staatlich finanzierten Haftpflichtversicherung für Asylbewerber ablehnte. In der Begründung führte der Ausschuss im Wesentlichen aus, dass die Einführung einer solchen Pflicht-Haftpflichtversicherung nach dortiger Auffassung nicht sachgerecht sei. Eine generelle Pflicht zum Abschluss von Haftpflichtversicherungen sei dem deutschen Recht fremd. Ein gesteigertes Schadensrisiko bei Asylbewerbern sei ebenso nicht zu erkennen. Vielmehr sei es dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen, auf einen Schadensverursacher zu treffen, der Schadensersatzforderungen nicht begleichen könne. Eine staatliche Bevorzugung von Asylbewerbern beim Abschluss einer solchen grundsätzlich freiwilligen Versicherung wäre mit erheblichen Kosten für die Allgemeinheit verbunden. Aus Gleichheitsgesichtspunkten lehne der Ausschuss eine solche finanzielle Bevorzugung von Asylbewerbern gegenüber der Gruppe der deutschen Staatsbürger, welche diese Versicherung selber bezahlen müssten, ab. Es könne auch nicht ausgeschlossen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/16 Seite 6 werden, dass aufgrund der garantierten staatlichen Kostentragung die Versicherungsbeiträge stiegen .4 3.2. Kommunal finanzierte Haftpflichtversicherungen Ungeachtet dessen, dass der Abschluss einer staatlichen Privathaftpflichtversicherung für Asylbewerber und Flüchtlinge bislang nicht gesetzlich geregelt ist, haben einige Kommunen auf freiwilliger Basis eine Haftpflichtversicherung für die in ihrem Zuständigkeitsbereich lebenden Asylbewerber und Flüchtlinge abgeschlossen. Entsprechende Sammelversicherungen sind für Kommunen inzwischen am Markt erhältlich.5 Begründet wird der Abschluss einer solchen Versicherung seitens der Kommunen beispielsweise mit einem Bedürfnis „zur Wahrung des sozialen Friedens“.6 3.2.1. Abschlusskompetenz Kommunen, die Haftpflichtversicherungen für die bei ihnen lebenden Flüchtlinge und Asylbewerber abschließen, machen dies ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage im Rahmen der Leistungsverwaltung . Wäre der Abschluss einer Haftpflichtversicherung als Leistung an die Asylbewerber im AsylbLG vorgesehen, obläge es gem. §§ 10,10a AsylbLG den Landesregierungen oder den von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden, die konkreten Zuständigkeiten zu regeln. Weil eine rechtliche Verpflichtung zum Abschluss von Haftpflichtversicherungen zugunsten von Flüchtlingen und Asylbewerbern hingegen – wie oben aufgezeigt – weder nach dem AsylbLG noch nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften besteht, handeln die versicherungsnehmenden Kommunen insoweit bloß aus politischen oder sonstigen Motiven. Analog hierzu erscheint es denkbar, dass auch die Landesverwaltungen entsprechende Sammel-Haftpflichtversicherungen abschließen. Zu beachten wäre allerdings, dass auch im Bereich der Leistungsverwaltung die Exekutive nicht völlig frei handeln kann.7 Insoweit wäre verfassungsrechtlich zu prüfen, inwieweit die Verwaltung auch ohne legitimierendes Gesetz eine solche Sammel-Haftpflichtversicherung abschließen könnte, zumal eine Grundrechtsrelevanz, ein möglicher Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG, nicht ohne weiteres ausgeschlossen wäre. Diese Frage stellt sich sowohl für die Kommunen als auch für Bund und Länder. Ob die Länder angesichts dessen, dass der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 72, 4 Vgl. Begründung des Beschlusses des Petitionsausschusses vom 17. März 2016 zur Petition Pet 1-18-06-26- 025712. 5 Vgl. die Verlautbarungen der Allianz Deutschland AG, https://www.allianzdeutschland.de/allianz-versichertfluechtlinge /id_75768902/, zuletzt abgerufen am 25. Oktober 2016, und der GVV-Kommunalversicherung VVaG, https://www.gvv.de/gvv-kommunal/service/wir-fuer-sie/spezialthemen/neu-haftpflichtversicherung-fuer-asylbewerber -und-fluechtlinge/, zuletzt abgerufen am 25. Oktober 2016. 6 Vgl. den Artikel „Viele Flüchtlinge haben keine Haftpflichtversicherung“ in der Badischen Zeitung vom 31. März 2016, http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/viele-fluechtlinge-haben-keine-haftpflichtversicherung --120111638.html, zuletzt abgerufen am 25. Oktober 2016. 7 Maunz/Dürig/Grzeszick, Grundgesetz-Kommentar, Stand: 77. Ergänzungslieferung 2016, Art. 20 GG, Rn. 117- 119. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 124/16 Seite 7 74 Nr. 7 GG durch das AsylbLG in weitem Umfang Gebrauch gemacht hat, überhaupt weitergehende Regelungen erlassen könnten, bliebe ebenso einer vertieften verfassungsrechtlichen Überprüfung vorbehalten. 3.2.2. Versicherter Personenkreis Soweit zu überblicken, gelten die am Markt für Kommunen erhältlichen Privathaftpflichtversicherungen für „Asylbewerber“ und „Flüchtlinge“.8 Nach einer Verlautbarung der Allianz Deutschland AG sei es ausreichend, dass die Kommunen einmal monatlich den Kreis der zu versichernden Personen meldeten.9 Die GVV Kommunalversicherung VVaG teilte auf Anfrage mit, dass der Versicherungsschutz den Kommunen für die in deren Zuständigkeit fallenden Asylbewerber und Flüchtlinge angeboten werde. Der Haftpflichtversicherungsschutz sei weder an den Aufenthaltsstatus bzw. die Aufenthaltsart geknüpft, noch zeitlich begrenzt. Man überlasse es den Kommunen zu entscheiden, bis wann Flüchtlinge bzw. Asylbewerber haftpflichtversichert sein sollen. Man gehe davon aus, dass Kommunen schon aus Kostengründen kein Interesse daran hätten , einen unüberschaubaren Personenkreis auf Dauer zu versichern. Eine Anknüpfung der Versicherung an den Rechtsstatus von Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern lässt sich somit nicht ausmachen. 3.2.3. Verbreitung und Kosten In welchem Umfang Kommunen bisher von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, Haftpflichtversicherungen für die bei ihnen lebenden Asylbewerber und Flüchtlinge abzuschließen, lässt sich nicht valide sagen. Die GVV Kommunalversicherung VVaG teilte hierzu auf Anfrage mit, dass zum Stichtag 1. Oktober 2016 50 Städte und Gemeinden bei ihr Haftpflichtversicherungen für Asylbewerber und Flüchtlinge abgeschlossen hätten. Dabei seien rund 4.900 Einzelpersonen und 1.750 Familien vom Versicherungsschutz umfasst. Die jährlichen Beiträge betrügen für eine Einzelperson 33,60 Euro und für Familien 38,40 Euro, jeweils zuzüglich der Versicherungssteuer . Die Kosten pro Person ließen sich allerdings nicht valide ermitteln, da man keine Kenntnis davon habe, aus wie vielen Personen die versicherten Familien bestünden. Welche Beiträge die Allianz Deutschland AG im Detail aufruft und wie deren Haftpflichtversicherung für Asylbewerber und Flüchtlinge seitens der Kommunen nachgefragt ist, konnte nicht ermittelt werden. Entsprechend der Verlautbarung zur Markteinführung entstehen dort je versicherter Person Kosten in Höhe von drei bis fünf Euro monatlich für die versicherungsnehmenden Kommunen.10 Ende der Bearbeitung 8 Vgl. die Verlautbarungen der Allianz Deutschland AG, https://www.allianzdeutschland.de/allianz-versichertfluechtlinge /id_75768902/, zuletzt abgerufen am 25. Oktober 2016, und der GVV-Kommunalversicherung VVaG, https://www.gvv.de/gvv-kommunal/service/wir-fuer-sie/spezialthemen/neu-haftpflichtversicherung-fuer-asylbewerber -und-fluechtlinge/, zuletzt abgerufen am 25. Oktober 2016. 9 Vgl. die Verlautbarung der Allianz Deutschland AG, https://www.allianzdeutschland.de/allianz-versichertfluechtlinge /id_75768902/, zuletzt abgerufen am 25. Oktober 2016. 10 Vgl. die Verlautbarungen der Allianz Deutschland AG, https://www.allianzdeutschland.de/allianz-versichertfluechtlinge /id_75768902/, zuletzt abgerufen am 25. Oktober 2016,