© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 121/19 Bereitschaftszeiten im Ehrenamt Einzelfragen zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 121/19 Seite 2 Bereitschaftszeiten im Ehrenamt Einzelfragen zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 121/19 Abschluss der Arbeit: 17. Oktober 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 121/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Rechtslage in Deutschland 4 3. Ehrenamt in Deutschland 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 121/19 Seite 4 1. Vorbemerkung An die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurde die Fragestellung herangetragen , inwieweit sich Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Februar 2018 (C-518/15), wonach Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während derer er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz in kurzer Zeit Folge zu leisten, als Arbeitszeit anzusehen ist, auf Freiwillige Feuerwehrleute in Deutschland ergeben. Im konkreten Fall hatte ein freiwilliger Feuerwehrmann in Belgien im Rahmen seiner Rufbereitschaft jederzeit erreichbar zu sein und sich innerhalb von acht Minuten von seinem Wohnort oder einem anderen Aufenthaltsort auf der Feuerwache zum Einsatz einzufinden. Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Fall entschieden, dass nicht nur die tatsächliche Einsatzzeit, sondern auch die Zeit der Rufbereitschaft zu Hause als Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 anzusehen ist, da diese Zeit durch die vorgegebenen Einschränkungen als Bereitschaftsdienst anzusehen ist. 2. Rechtslage in Deutschland Von der Rechtsprechung werden Zeiten der verminderten Arbeitsintensität (Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft) wie folgt unterschieden: – Arbeitsbereitschaft Die Arbeitsbereitschaft wird vom Bundesarbeitsgericht (BAG) im Urteil vom 11. Juli 2006 (9 AZR 519/05) definiert als Zeit der wachen Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, in der der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss, um sofort und ohne gesonderte Anweisung in Vollarbeit zu wechseln. Diese Zeit ist Arbeitszeit im Sinne des § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). – Bereitschaftsdienst Als Bereitschaftsdienst wird die Zeitspanne bezeichnet, während der sich der Arbeitnehmer, ohne dass er unmittelbar am Arbeitsplatz anwesend sein müsste, außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort, innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, um im Bedarfsfall seine Arbeitstätigkeit in relativ kurzer Zeit aufnehmen zu können. Durch die enge zeitliche Vorgabe kann der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort nicht mehr frei bestimmen, sondern muss sich an einem Ort aufhalten, von dem aus er den Betrieb innerhalb der vorgegebenen Zeit erreichen kann. Somit liegt in solchem Fall nach Auffassung des BAG vom 31. Januar 2002 (6 AZR 214/00) ebenfalls Arbeitszeit im Sinne des § 3 ArbZG vor. – Rufbereitschaft Rufbereitschaft liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten hat, um auf Abruf die Arbeit alsbald aufzunehmen. Diese Auffassung wir auch durch das Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 121/19 Seite 5 BAG mit Urteil vom 19. Dezember 1991 (6 AZR 592/89) und 29. Juni 2016 (5 AZR 716/15) bestätigt . Diese Zeit gilt nicht als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Maßgeblich für die Einordnung als Rufbereitschaft ist die Frage der Bestimmung des Aufenthaltsorts des Arbeitnehmers während der Bereitschaftszeit. Die Rufbereitschaft unterscheidet sich von den anderen Bereitschaftsformen dadurch, dass der Aufenthaltsort nicht vom Arbeitgeber bestimmt wird, vielmehr kann der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort grundsätzlich frei wählen. Wird der Aufenthaltsort dagegen weisungsgebunden vom Arbeitgeber vorgegeben, liegt Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst vor. Nach der Rechtsprechung kann auch eine Bereitschaft im eigenen Zuhause zum Bereitschaftsdienst zählen, wenn dies vom Arbeitgeber bestimmt wurde. Eine arbeitsrechtliche Differenzierung danach, wie der Arbeitnehmer die jeweilige Bereitschaftszeit verbringen darf und ob es ihm dabei zum Beispiel erlaubt ist zu schlafen, gibt es in Deutschland nicht. 3. Ehrenamt in Deutschland Der Dienst in einer Freiwilligen Feuerwehr ist in Deutschland dem Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit einzuordnen. Ein Ehrenamt ist im ursprünglichen Sinn ein Engagement in öffentlichen Funktionen. Im Allgemeinen wird darunter altruistisches Handeln verstanden, bei dem eine Einzelperson oder eine Gruppe freiwillig und unentgeltlich Arbeit leistet. Grundsätzlich ist die Ausübung eines Ehrenamts in Deutschland durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auf Basis des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und die daraus abgeleitete Allgemeine Handlungsfreiheit sowie durch das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Die Zahlung einer Vergütung oder Entschädigung für die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist nicht gesetzlich geregelt. Vielmehr hat das BAG in seinem Urteil vom 29. August 2012 (10 AZR 499/11) festgestellt, dass durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit kein Arbeitsverhältnis begründet wird. Danach dient die Ausübung von Ehrenämtern nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz, sondern ist Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen. Gemeinsames Merkmal ehrenamtlicher Tätigkeiten ist, dass sie freiwillig, unentgeltlich und gemeinwohlorientiert sind. Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist weder als abhängige Beschäftigung noch als selbständige Tätigkeit anzusehen, da keine Beschäftigung gegen Entgelt in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt wird und auch kein steuerpflichtiges Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt wird. Arbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes liegt immer nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine vertraglich geschuldete Tätigkeit erbringt. Das Arbeitszeitgesetz findet somit bei ehrenamtlichen Tätigkeiten keine Anwendung. Vor diesem Hintergrund ergeben sich durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Februar 2018 für freiwillige Feuerwehrleute in Deutschland keine Auswirkungen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 121/19 Seite 6 Den ehrenamtlichen Angehörigen der Feuerwehr dürfen aufgrund ihres Ehrenamts jedoch keine beruflichen Nachteile in ihrer Haupttätigkeit entstehen. Der deutsche Gesetzgeber regelt die Rechte und Pflichten von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr auf landesrechtlicher Grundlage, da der Brandschutz in Deutschland Ländersache ist. Die Beseitigung von Brandgefahren stellt regelmäßig eine Aufgabe dar, die von übergeordneter Bedeutung ist. Dementsprechend statuieren die Brandschutzgesetze der einzelnen Bundesländer im Allgemeinen eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen. Einen Freistellungsanspruch haben die Feuerwehrmitglieder dabei üblicherweise sowohl für Einsätze als auch für Ausbildungsveranstaltungen während der Arbeitszeit. Feuerwehrmitglieder im Einsatz haben für die Zeit des einsatzbedingten Arbeitsausfalls einen Anspruch auf Weiterzahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung gegen ihren Arbeitgeber ihrer Haupttätigkeit. Soweit das Feuerwehrmitglied für die Einsatzzeit die Arbeitsvergütung vom Arbeitgeber weiter verlangen kann, entsteht für den Arbeitgeber naturgemäß eine zum Teil nicht unerhebliche finanzielle Belastung. Die maßgeblichen Brandschutzgesetze der Länder sehen hier regelmäßig vor, dass diese Belastung letztendlich nicht vom Arbeitgeber, sondern vielmehr vom Träger der Feuerwehr zu tragen ist. ***