© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 118/19 Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) Einzelfragen zu Finanzierung und Lohnstruktur Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 2 Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) Einzelfragen zu Finanzierung und Lohnstruktur Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 118/19 Abschluss der Arbeit: 10. Oktober 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) 4 3. Finanzierung der Werkstätten für behinderte Menschen 5 3.1. Leistungen der Rehabilitationsträger 5 3.1.1. Gliederung der Werkstätten für behinderte Menschen 5 3.1.2. Vergütung durch die Rehabilitationsträger 6 3.2. Einnahmen aus Arbeitsergebnissen 7 4. Rechtsstellung und Arbeitsentgelt der Menschen mit Behinderungen in WfbM 8 5. Einführung eines Mindestlohns in WfbM 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 4 1. Einleitung Die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ist eine Einrichtung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben im Sinne des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) und zur Eingliederung in das Arbeitsleben . Menschen mit Behinderungen, die in einer WfbM beschäftigt sind, stehen grundsätzlich zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis. Dies bedeutet, dass sie keine Arbeitnehmer sind und auch keinen Anspruch auf Mindestlohn haben. Vor diesem Hintergrund wurden die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages um Auskunft zu Fragen der Finanzierung der WfbM und der kostenmäßigen Auswirkungen der Einführung eines Mindestlohns gebeten. 2. Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) Aufgabe der WfbM ist es, diejenigen Menschen mit Behinderungen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten sowie zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln (§ 219 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die WfbM hat den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen zu fördern (§ 219 Abs. 1 Satz 3 SGB IX); die Vermittlung selbst hingegen ist Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit (§ 35 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung [SGB III]).1 Ferner hat die WfbM über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst zu verfügen (§ 219 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB IX). Die WfbM ist nicht nur eine Einrichtung zur Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in das Arbeitsleben, sondern auch ein wirtschaftliches Unternehmen, das aus der Leistung ihrer Mitarbeiter mit Behinderung Arbeitsergebnisse hervorbringt und vertreibt.2 Für die Anerkennung einer Einrichtung als WfbM ist ein entsprechender Antrag an die Bundesagentur für Arbeit erforderlich. Die Voraussetzungen für die Anerkennung sind im SGB IX und in der Werkstättenverordnung (WVO) geregelt. Über die Anerkennung entscheidet die Bundesagentur im Einvernehmen mit dem Träger der Eingliederungshilfe (§ 225 SGB IX). 1 Jacobs in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 219, Rn. 6. 2 Busse in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 125 SGB IX, Rn. 43. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 5 Die WVO konkretisiert den Begriff und die Aufgaben der WfbM, die Aufnahmevoraussetzungen, die fachlichen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Wirtschaftsführung, sowie des Begriffs und der Verwendung des Arbeitsergebnisses sowie das Verfahren zur Anerkennung als WfbM (vgl. § 227 SGB IX). 3. Finanzierung der Werkstätten für behinderte Menschen 3.1. Leistungen der Rehabilitationsträger Gemäß § 56 SGB IX werden Leistungen in anerkannten WfbM erbracht, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der Menschen mit Behinderungen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern. Die Regelung verpflichtet damit die Rehabilitationsträger zur Leistung und vermittelt den Leistungsberechtigten grundsätzlich einen Rechtsanspruch.3 Die WfbM sind dabei Leistungseinrichtungen , die von den Rehabilitationsträgern zur Ausführung von Leistungen in Anspruch genommen werden können (vgl. § 36 SGB IX).4 Die Leistungen in WfbM sind Teil der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des SGB IX. 3.1.1. Gliederung der Werkstätten für behinderte Menschen Die WfbM gliedert sich in ein Eingangsverfahren (§ 57 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB IX), einen Berufsbildungsbereich (§ 57 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 SGB IX) und einen Arbeitsbereich (§ 58 SGB IX). Das Eingangsverfahren dient der Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt , und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für ihn in Betracht kommen und um einen Eingliederungsplan zu erstellen (§ 57 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Die Leistungen im Eingangsverfahren werden in der Regel für drei Monate erbracht (§ 57 Abs. 2 SGB IX). Nach dem Eingangsverfahren erhält der Mensch mit Behinderungen Leistungen im Berufsbildungsbereich , wenn die Leistungen erforderlich sind, um seine Leistungs- und Erwerbsfähigkeit so weit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen und erwartet werden kann, dass der Mensch mit Behinderungen nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX). Die Leistungen im Berufsbildungsbereich werden in der Regel für zwei Jahre erbracht (§ 57 Abs. 3 SGB IX). 3 Jabben in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Onlinekommentar, Sozialrecht, 53. Edition, Stand: 1. Juni 2019, SGB IX, § 56, Rn. 2. 4 Jacobs in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 36, Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 6 Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM erhalten Menschen mit Behinderungen, bei denen wegen Art oder Schwere der Behinderung eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder eine Berufsvorbereitung, eine individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung, eine berufliche Anpassung und Weiterbildung oder eine berufliche Ausbildung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommt und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen (§ 58 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Leistungen im Arbeitsbereich werden gewöhnlich im Anschluss an Leistungen im Berufsbildungsbereich einer WfbM oder an entsprechende Leistungen bei einem anderen Leistungsanbieter erbracht (§ 58 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Sie sollen in der Regel längstens bis zum Erreichen des für die Regelaltersrente erforderlichen Lebensalters geleistet werden (§ 58 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Ziele der Leistungen im Arbeitsbereich sind unter anderem die Ausübung einer der Eignung und Neigung des Menschen mit Behinderungen entsprechenden Beschäftigung, die Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit sowie die Förderung des Übergangs geeigneter Menschen mit Behinderungen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen (§ 58 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB IX). Kann der Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erreicht werden, erzielt der Mensch mit Behinderungen jedoch wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse, so verbleibt er im Arbeitsbereich. 3.1.2. Vergütung durch die Rehabilitationsträger Rehabilitationsträger sind die Träger der Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX (§ 6 Abs. 1 SGB IX). Gemäß § 63 Abs. 1 SGB IX erbringt die Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten WfbM die Bundesagentur für Arbeit, soweit nicht ein anderer Träger zuständig ist. Als weitere Träger kommen die Unfallversicherungsträger, die Rentenversicherungsträger und die Träger der Kriegsopferfürsorge in Betracht. Leistungsträger für die Leistungen im Arbeitsbereich können sein die Unfallversicherungsträger, die Träger der Kriegsopferfürsorge, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die Träger der Eingliederungshilfe; die Zuständigkeit der Träger der Eingliederungshilfe ist gegenüber der der anderen Träger nachrangig (§ 63 Abs. 2 SGB IX). Für den Arbeitsbereich führt dabei das herrschende Kausalitätsprinzip zu einer überwiegenden Zuständigkeit der Träger der Eingliederungshilfe .5 Die WfbM erhalten für die Leistungen im Arbeitsbereich vom zuständigen Rehabilitationsträger angemessene Vergütungen, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen (§ 58 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Vergütungen berücksichtigen alle für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendigen Kosten (§ 58 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB IX) sowie die mit der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt 5 Jabben in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Onlinekommentar, Sozialrecht, 53. Edition, Stand: 1. Juni 2019, SGB IX, § 63, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 7 in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen (§ 58 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB IX). Die für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendigen Kosten (§ 58 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB IX) umfassen alle Kosten, die dem Grunde nach durch die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen, vor allem des SGB IX und der WVO bedingt sind, sowie die Kosten, die die Werkstatt für die Ermöglichung, Erbringung und dauerhafte Sicherung der darauf gestützten Leistungen kalkuliert. Dazu gehören beispielsweise die Kosten für das in der WVO ausdrücklich benannte Personal (zum Beispiel Werkstattleiter und Fachkräfte zur Arbeits - und Berufsförderung, § 9 WVO) sowie das Personal, das für die Erbringung und Absicherung der in § 58 Abs. 2 SGB IX genannten Leistungen darüber hinaus notwendig ist (etwa Verwaltungs - und Wirtschaftspersonal).6 Auch die Kosten für den laufenden Betrieb, wie laufende Betriebskosten und Kosten für mit den Rehabilitationsträgern abgestimmte Gebäude, fallen darunter .7 Die mit der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen (§ 58 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB IX), sind diejenigen, die mit der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen. Die Kosten der wirtschaftlichen Tätigkeit, das heißt die Kosten, die mit der Produktion des Arbeitsergebnisses in Zusammenhang stehen und allen Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehen, werden demzufolge vom Gesetz zunächst der WfbM zugeordnet, also nicht von den Rehabilitationsträgern übernommen. Dies gilt insbesondere für das an die beschäftigten Menschen mit Behinderungen zu zahlende Arbeitsentgelt.8 Es wird jedoch der Teil der Kosten, der auf die besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen zurückzuführen ist, ausgenommen und dem Rehabilitationsträger zugeordnet. Darunter fallen beispielsweise der höhere Aufwand für personelle und technische Arbeitshilfen, eine höhere Abschreibung von Maschinen wegen einer kürzeren Einsatzdauer infolge nicht sachgerechter Nutzung seitens der Beschäftigten, ein höherer Geräteverschleiß oder ein erhöhter Energieverbrauch aus nicht eingeübter oder langsamerer Arbeit.9 3.2. Einnahmen aus Arbeitsergebnissen § 12 WVO regelt die Wirtschaftsführung von WfbM. 6 Jacobs in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 58, Rn. 26. 7 Jacobs in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 58, Rn. 28 f. 8 Busse in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 125 SGB IX, Rn. 44. 9 Jacobs in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 58, Rn. 30. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 8 Diese muss nach wirtschaftlichen Grundsätzen organisiert sein. Sie hat nach kaufmännischen Grundsätzen Bücher zu führen und eine Betriebsabrechnung in Form einer Kostenstellenrechnung zu erstellen. Die Werkstatt muss ferner wirtschaftliche Arbeitsergebnisse anstreben, um an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein ihrer Leistung angemessenes Arbeitsentgelt zahlen zu können. Arbeitsergebnis im Sinne der WVO ist die Differenz aus den Erträgen und den notwendigen Kosten des laufenden Betriebs im Arbeitsbereich der Werkstatt (§ 12 Abs. 4 WVO). Die Erträge setzen sich zusammen aus den Umsatzerlösen, Zins- und sonstigen Erträgen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit und den von den Rehabilitationsträgern erbrachten Kostensätzen. Die abzuziehenden notwendigen Kosten des laufenden Betriebs sind die von den Rehabilitationsträgern übernommenen Kosten sowie die üblicherweise in einem Wirtschaftsunternehmen anfallenden Kosten. Erfasst werden nur die Kosten aus dem Arbeitsbereich; die für den Berufsbildungsbereich gezahlten Vergütungen bleiben unberücksichtigt.10 Das Arbeitsergebnis darf nur für Zwecke der Werkstatt verwendet werden, und zwar für die Zahlung der Arbeitsentgelte der beschäftigten Menschen mit Behinderungen in der Regel im Umfang von mindestens 70 Prozent, die Bildung einer zum Ausgleich von Ertragsschwankungen notwendigen Rücklage und Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen in der Werkstatt. Das Arbeitsergebnis darf nicht zur Minderung der Vergütung durch die Rehabilitationsträger verwendet werden (§ 58 Abs. 4 SGB IX). Der wirtschaftliche Erfolg einer WfbM kommt also dieser, und über die Erhöhung der Arbeitsentgelte auch den dort Beschäftigten, zugute.11 4. Rechtsstellung und Arbeitsentgelt der Menschen mit Behinderungen in WfbM Gemäß § 221 Abs. 1 SGB IX stehen Menschen mit Behinderungen im Arbeitsbereich der WfbM, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, grundsätzlich zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis. Bei Arbeitnehmern im Arbeitsbereich einer WfbM muss die Arbeitsleistung gegenüber dem Betreuungs- oder Pflegeaufkommen für den Menschen mit Behinderungen deutlich überwiegen.12 Ein Arbeitsverhältnis liegt daher erst dann vor, wenn der Hauptzweck der Beschäftigung das Erbringen der wirtschaftlich verwertbaren Leistung ist, und nicht die Ermöglichung einer angemessenen Beschäftigung im Vordergrund des Aufenthaltes in der Werkstatt steht.13 10 Busse in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 125 SGB IX, Rn. 45. 11 Busse in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 125 SGB IX, Rn. 46. 12 Jabben in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Onlinekommentar, Sozialrecht, 53. Edition, Stand: 1. Juni 2019, SGB IX, § 221, Rn. 4. 13 Jacobs in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 221, Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 9 Die Werkstatt hat sicherzustellen, dass die Menschen mit Behinderungen im Berufsbildungs- und Arbeitsbereich wenigstens 35 und höchstens 40 Stunden wöchentlich beschäftigt werden können , § 6 WVO. Im Einzelfall ist eine kürzere Beschäftigungszeit zu ermöglichen, wenn es wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Erfüllung des Erziehungsauftrages notwendig erscheint . Die Werkstätten haben aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten Menschen mit Behinderungen ein Arbeitsentgelt zu zahlen (§ 221 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Teilnehmer am Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich haben keinen Anspruch auf ein Arbeitsentgelt .14 Das Arbeitsentgelt setzt sich aus einem Grundbetrag und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammen (§ 221 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Der Grundbetrag beträgt ab dem 1. August 2019 mindestens 80 Euro monatlich und erhöht sich gestaffelt bis zum 1. Januar 2022 auf mindestens 109 Euro monatlich (§ 241 Abs. 9 SGB IX). Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der behinderten Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte (§ 221 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Da der Steigerungsbetrag aus dem Arbeitsergebnis gezahlt wird, führen Kürzungen des Arbeitsergebnisses zu einer Minderung der Steigerungsbeträge.15 Zudem erhalten die WfbM von dem zuständigen Rehabilitationsträger zur Auszahlung an die im Arbeitsbereich beschäftigten Menschen mit Behinderungen zusätzlich zu den unter 3.1.2 beschriebenen Vergütungen ein Arbeitsförderungsgeld gemäß § 59 SGB IX. Das Arbeitsförderungsgeld beträgt monatlich 52 Euro für jeden im Arbeitsbereich beschäftigten Menschen mit Behinderungen , dessen Arbeitsentgelt zusammen mit dem Arbeitsförderungsgeld den Betrag von 351 Euro nicht übersteigt. Ist das Arbeitsentgelt höher als 299 Euro, beträgt das Arbeitsförderungsgeld monatlich den Differenzbetrag zwischen dem Arbeitsentgelt und 351 Euro. Das Arbeitsförderungsgeld bleibt bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, als Einkommen unberücksichtigt (§ 59 Abs. 2 SGB IX). Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM), betrug das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt im Jahr 2017 für Beschäftigte in WfbM 213,69 Euro.16 Menschen, die in einer Werkstatt arbeiten, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach § 168 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) werden die Beiträge für Menschen mit Behinderungen von den Trägern der Einrichtung getragen, wenn ein Arbeitsentgelt nicht bezogen wird oder das monatliche 14 Jabben in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Onlinekommentar, Sozialrecht, 53. Edition, Stand: 1. Juni 2019, SGB IX, § 221, Rn. 8. 15 Jacobs in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 221, Rn. 21. 16 Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM), Durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelte 2014-2017, https://www.bagwfbm.de/category/34 (abgerufen am 7. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 10 Arbeitsentgelt 20 Prozent des monatlichen durchschnittlichen Bruttoeinkommens aller Rentenversicherten (Bezugsgröße) nicht übersteigt. Da den WfbM für die Beitragszahlungen keine entsprechenden Einnahmen zur Verfügung stehen, erstattet der Bund die Aufwendungen für die Beiträge der Werkstätten (§ 179 SGB VI). Soweit die Einrichtungen Beiträge aus Arbeitsentgelt zu tragen haben, ist ihnen diese Beitragslast durch die Kostenträger zu erstatten.17 Für die Berechnung der abzuführenden Beiträge werden als Maßstab 80 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens aller Rentenversicherten verwendet. Die Sicherung für das Alters-, Erwerbsminderungs - und Hinterbliebenenrisiko in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt folglich für Beschäftigte in einer WfbM mit steuerfinanzierten Beiträgen des Bundes, durch die sie so gestellt werden, als verdienten sie 80 Prozent des Durchschnittseinkommens der Rentenversicherten.18 5. Einführung eines Mindestlohns in WfbM Nach § 1 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. Da Menschen mit Behinderungen im Arbeitsbereich der WfbM grundsätzlich zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stehen und somit keine Arbeitnehmer sind (§ 221 Abs. 1 SGB IX), ist das Mindestlohngesetz auf sie nicht anwendbar.19 Über die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns auch in WfbM wird bereits seit mehreren Jahren diskutiert.20 Konkrete Umsetzungsvorschläge oder Modellrechnungen zu den Kostenauswirkungen sind jedoch hier nicht bekannt. Letztlich wären die Kosten für die Einführung eines Mindestlohnes in WfbM unter anderem davon abhängig, welche Strukturveränderungen damit einhergingen und welche Einsparungen sich beispielsweise bei den Rentenversicherungsbeiträgen, den Krankenversicherungsbeiträgen sowie bei der Grundsicherung und der Hilfe zum Lebensunterhalt ergäben könnten.21 Nachfolgend sollen beispielhaft zwei Reformvorschläge zur Änderung der Entgeltstruktur in WfbM dargestellt werden. 17 Von Koch in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Onlinekommentar, Sozialrecht, 53. Edition, Stand: 1. Juni 2019, SGB VI, § 179, Einleitung. 18 Welti/Nachtschatt in: Wansing/Welti/Schäfers, Das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen, 1. Auflage 2018, S. 55, 83. 19 Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 1 Sa 224/15 –, juris Leitsatz; Jacobs in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 221, Rn. 27. 20 Vgl. zum Beispiel Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Wortprotokoll der 62. Sitzung am 15. Februar 2016, Öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen - Bundestags-Drucksache 18/5227 -, Protokoll-Nr. 18/62. 21 Vgl. 53° NORD Agentur und Verlag, Ein Geschäftsbereich der GDW - Genossenschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Mitte eG, Newsletter August 2014, Mindestlohn für WfbM-Beschäftigte, https://www.53gradnord .com/fileadmin/dokumente/newsletter2014/14-august-2.html (abgerufen am 30. September 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 11 Die BAG WfbM weist darauf hin, dass Werkstätten vor der Herausforderung stünden, personenzentrierte und qualitativ hochwertige Teilhabeangebote zu ermöglichen und dabei wirtschaftliche Arbeitsergebnisse zu erzielen, damit neben der erbrachten Rehabilitationsleistung - wie unter 4 dargestellt - auch ein Arbeitsentgelt für die Beschäftigten mit Behinderungen ausgezahlt werden könne. Das Entgeltsystem befände sich daher in mehr als nur einem Spannungsverhältnis. Jeder Beschäftigte erhalte, unabhängig von seiner Leistung, einen Grundbetrag von 80 Euro; zudem sollen auch die leistungsangemessenen Steigerungsbeträge erwirtschaftet werden. Das durchschnittliche Arbeitsentgelt sei nicht hoch; es handele sich bei einer Beschäftigung in WfbM jedoch auch nicht um Erwerbsarbeit, sondern um Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen, die voll erwerbsgemindert seien.22 Der Forderung, den arbeitnehmerähnlichen Status aufzuheben um die Anwendbarkeit des Mindestlohngesetzes zu ermöglichen, wird entgegengehalten , dass dieser Rechtsstatus den Beschäftigten umfangreiche Schutzrechte, wie zum Beispiel Kündigungsschutz, gewährleiste. Zudem seien Werkstattbeschäftigte nach Auffassung der BAG WfbM keine Arbeitnehmer, sondern Rehabilitanden. Die Beschäftigung hänge nicht von der individuellen Leistungsfähigkeit ab.23 Nach Angaben der BAG WfbM benötige ein Teil der Beschäftigten keine unterhaltssichernden Leistungen, da sie über Vermögen oder eine auskömmliche Erwerbsminderungsrente verfügten. Über die Hälfte der Beschäftigten seien jedoch auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen. Dabei sei die Höhe des letztlich zur Verfügung stehenden Einkommens aus Sicht der BAG WfbM nicht das Problem, da dieses im Vergleich mit der Lohnsystematik auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt , auch mit Blick auf den rentenrechtlichen Nachteilsausgleich, angemessen erscheine. Zur Veranschaulichung hat die BAG WfbM in einer Musterrechnung eine Gegenüberstellung der Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten und Mindestlohnverdienern vorgenommen. Diese ist dem Sachstand als Anlage beigefügt. Problematisch seien vielmehr die Komplexität und die als demotivierend empfundene Anrechnungssystematik auf Grundsicherungsleistungen, da ein höheres Arbeitsentgelt oder die Einnahme des Mittagessens in der Werkstatt regelmäßig zu einer Minderung des ausgezahlten Grundsicherungsbetrages führten. Auch müssten die Beschäftigten ihre Bedürftigkeit nachweisen und unterlägen weiteren Vorgaben. Die BAG WfbM fordere daher eine Reform des Finanzierungssystems der Werkstattentgelte.24 Ferner sollten für eine dauerhafte Verbesserung der Einkom- 22 BAG WfbM, Die Entgelt- und Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten, https://www.bagwfbm .de/file/1139 (abgerufen am 27. September 2019). 23 BAG WfbM, Verständnis für Entgelte entwickeln: BAG WfbM im Austausch mit Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e. V., https://www.bagwfbm.de/article/2201 (abgerufen am 30. September 2019). 24 BAG WfbM, Die Entgelt- und Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten, https://www.bagwfbm .de/file/1139 (abgerufen am 27. September 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 118/19 Seite 12 menssituation von Beschäftigten im Arbeitsbereich das Arbeitsförderungsentgelt angemessen erhöht und höhere Freibetragsgrenzen eingeführt werden.25 In Hinblick auf die an WfbM geübte Kritik, dass diese vom allgemeinen Arbeitsmarkt abgeschlossen seien, der Übergang auf den Arbeitsmarkt durch Fehlanreize verhindert werde und WfbM es nicht schafften, Beschäftigte auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten, fordern Welti und Nachtschatt eine Transformation der WfbM in soziale Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen Zugang zum Arbeitsmarkt verschafften sowie die Schaffung verschiedener Optionen des Arbeitsmarktzugangs und Arbeitsumfelds für Menschen mit Behinderungen, auch wenn diese als nicht erwerbsfähig gelten würden. Ein wichtiger Treiber der Veränderung könnte nach ihrer Auffassung die arbeitsrechtliche Gleichstellung der Menschen in WfbM mit anderen Arbeitnehmern sein, was insbesondere zu einer Anwendung des Mindestlohngesetzes führen würde. Dadurch würde das Einkommen der Beschäftigten erhöht und dessen Aufstockung durch Arbeitsförderungsgeld , Grundsicherung für dauerhaft Erwerbsgeminderte und Erwerbsminderungsrente wäre weniger erforderlich. Allerdings wäre nach Auffassung von Welti und Schattmann vermutlich in vielen Fällen ein dauerhafter Lohnkostenzuschuss notwendig, um fehlende Produktivität der Arbeitskraft auszugleichen.26 Zudem müsste dann auch die sozialrechtliche Stellung der Beschäftigten in WfbM neu geordnet werden, so Welti und Schattmann. Derzeit vermittle die Beschäftigung in einer WfbM den Zugang zu allen Zweigen der Sozialversicherung außer der Arbeitslosenversicherung. Neben der oben unter 4 beschriebenen Finanzierung des Beitrags zur Rentenversicherung könnten Beschäftigte zudem nach 20 Jahren in einer WfbM eine Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen, die eine nicht bedürftigkeitsgeprüfte Einkommensquelle schaffe und helfen könne, Altersarmut zu vermeiden. Diese Regelungen seien jedoch an eine Beschäftigung in einer WfbM oder einem Integrationsprojekt beziehungsweise Inklusionsbetrieb gebunden. Es wäre daher eine Regelung erforderlich, die unabhängig vom Beschäftigungsort hinreichende soziale Sicherung für diejenigen Personen gewährleiste, die behinderungsbedingt nur niedrige Erwerbseinkommen erreichten. Nach Meinung von Welti und Nachtschatt sei dann eine Reform mit einem existenzsichernden Mindestlohn sowie mit einer Rentenreform, die den sozialen Ausgleich für niedrigere Einkommen stärke, realistisch.27 *** 25 BAG WfbM, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 15. Februar 2016 zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen - Bundestags- Drucksache 18/5227 -, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Ausschussdrucksache 18(11)525 vom 11. Februar 2016, S. 29. 26 Welti/Nachtschatt in: Wansing/Welti/Schäfers, Das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen, 1. Auflage 2018, S. 55, 83. 27 Welti/Nachtschatt in: Wansing/Welti/Schäfers, Das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen, 1. Auflage 2018, S. 55, 83 f.