© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 113/19 Rentenrechtliche Berücksichtigung der Beschäftigung von Vertragsarbeitern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 113/19 Seite 2 Rentenrechtliche Berücksichtigung der Beschäftigung von Vertragsarbeitern Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 113/19 Abschluss der Arbeit: 10. September 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 113/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Arbeitskräfteabkommen der DDR 4 2. Rentenrechtliche Berücksichtigung der Beschäftigung von ausländischen Vertragsarbeitern bei Aufenthalt in Deutschland am 3. Oktober 1990 5 3. Rentenrechtlich nicht zu berücksichtigende Beschäftigungen ausländischer Vertragsarbeiter 6 3.1. Vor dem 3. Oktober 1990 in die Herkunftsstaaten zurückgekehrte Vertragsarbeiter 6 3.2. Beschäftigung aufgrund von Abkommen über die Berufsausbildung und Weiterqualifizierung von Arbeitskräften 7 3.3. Beschäftigungszeiten polnischer Vertragsarbeiter 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 113/19 Seite 4 1. Arbeitskräfteabkommen der DDR Seit den 1960er Jahren reagierte die Regierung der DDR auf den Arbeitskräftemangel durch Vereinbarungen mit sozialistischen Ländern innerhalb des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) über die Entsendung von Arbeitnehmern in ostdeutsche Betriebe. So unterzeichnete die DDR am 17. März 1963 ein erstes Abkommen mit Polen über die Beschäftigung polnischer Arbeiter im Braunkohlebergbau. Am 7. Juli 1966 folgte das sogenannte Pendlerabkommen über die Beschäftigung polnischer Arbeiter in grenznahen Betrieben. Weitere Abkommen zwischen der DDR und Polen folgten am 25. Mai 1971 und zuletzt am 5. September 1988. Mit Ungarn vereinbarte die DDR im Abkommen vom 26. Mai 1967 den Einsatz von Arbeitskräften in der DDR. Nachfolgend kamen bilaterale Arbeitskräfteabkommen mit Entwicklungsländern hinzu, die eine befristete Beschäftigung ausländischer sogenannter Vertragsarbeiter vorsahen. Entsprechende Verträge wurden mit Algerien am 11. April 1974, Kuba am 4. Juli 1975, Mosambik am 24. Februar 1979, Vietnam am 11. April 1980 und Angola am 29. März 1985 geschlossen. In geringem Umfang wurden auch Arbeitskräfte aus China, der Mongolei und Nordkorea aufgrund von Abkommen in die DDR entsandt.1 Die Arbeitskräfteabkommen sahen eine unterschiedliche Dauer - zwischen einem Jahr bei Arbeitskräften aus der Mongolei und maximal zehn Jahren bei Arbeitskräften aus Mosambik – vor.2 Die unter Ausschluss der Öffentlichkeit vereinbarten Arbeitskräfteabkommen sahen unter anderem die Unterbringung in nach Geschlechtern getrennten Gemeinschaftsunterkünften, die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, die teilweise Abführung des Arbeitslohns in die Herkunftsländer und weitere restriktive Reglungen vor.3 1 Gruner-Domić, Sandra (1996). Zur Geschichte der Arbeitskräftemigration in die DDR – Die bilateralen Verträge zur Beschäftigung ausländischer Arbeiter (1961-1989), in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung – IWK, Freie Universität Berlin, 2/1996, S. 210 ff. 2 Müggenburg, Andreas (1996). Die ausländischen Vertragsarbeitnehmer in der ehemaligen DDR, in: Mitteilungen der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Ausländer, November 1996, Berlin-Bonn, S. 27. 3 Stach, Andrzej und Hussain, Saleh (1991). Ausländer in der DDR – Ein Rückblick. Herausgegeben von der Ausländerbeauftragten des Senats von Berlin, S. 27. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 113/19 Seite 5 Die Vertragsarbeiter wurden meist in wenig geschätzten Beschäftigungsfeldern eingesetzt. Der Frauenanteil betrug durchschnittlich 15 Prozent. Die Anwerbung wurde 1990 eingestellt.4 Die Arbeitskräfteabkommen mit Algerien, Angola, China, Kuba, Mosambik und Vietnam sind mit dem Beitritt der ostdeutschen Länder zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 erloschen . Die Vereinbarung mit Ungarn war bereits zum 30. Juni 1983 ausgelaufen, die Vereinbarung mit Polen war zum 30. September 1991 erloschen.5 Aus der folgenden Aufstellung ergibt sich die Anzahl der aufgrund der Arbeitskräfteabkommen in der DDR beziehungsweise in Ostdeutschland beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte:6 Anzahl der Arbeitskräfte zum Herkunftsland 31. Dezember 1989 31. Dezember 1990* Vietnam 59.000 21.000 Mosambik 15.100 2.800 Kuba 8.300 60 Angola 1.300 200 Polen 6.000 3.900 China 900 40 insgesamt 90.600 28.000 (* geschätzt) 2. Rentenrechtliche Berücksichtigung der Beschäftigung von ausländischen Vertragsarbeitern bei Aufenthalt in Deutschland am 3. Oktober 1990 Gemäß § 248 Abs. 3 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind Zeiten, für die Beiträge zur Sozialversicherung der DDR gezahlt worden sind, als Bundesrecht gleichstehende Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Bei Erreichen der Regelaltersrente kann so ein Anspruch auf Regelaltersrente gemäß § 35 SGB VI bestehen, soweit mindestens fünf Jahre mit Beitragszeiten vorliegen. Anderenfalls können die Beiträge gemäß § 210 SGB VI erstattet werden. Für ein Jahr Beitragszahlung aus einem durchschnittlichen Verdienst ergibt sich 4 Oltmer, Jochen (2013). Migration im 19. und 20. Jahrhundert. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München, S. 54. 5 Gemeinsame Rechtliche Anweisungen der Träger der Deutschen Rentenversicherung zu § 248 SGB VI: Beitragszeiten im Beitrittsgebiet und im Saarland, Ziff. 4.2., Arbeitskräfteabkommen der DDR/Abkommen über die Berufsausbildung , abrufbar im Internet unter https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de/Shared- Docs/rvRecht/01_GRA_SGB/06_SGB_VI/pp_0226_250/gra_sgb006_p_0248.html#doc1577222bodyText23, zuletzt abgerufen am 10. September 2019. 6 Elsner, Eva-Maria und Elsner, Lothar (1994). Zwischen Nationalismus und Internationalismus – Über Ausländer und Ausländerpolitik in der DDR 1949-1990, Norddeutscher Hochschulschriften Verlag, Rostock, S. 79, mit Verweis auf: Ausländerdaten, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Januar 1991, S. 28. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 113/19 Seite 6 derzeit eine rechtzeitig in Anspruch genommene monatliche Altersrente von 31,89 Euro. Vertragsarbeiter dürften jedoch aufgrund ihrer Qualifikation eher unterdurchschnittliche Entgelte bezogen haben. Zwar unterlagen die ausländischen Vertragsarbeitnehmer der Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung der DDR, jedoch wurde im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung vermerkt, dass kein Anspruch auf Rentenleistungen bestand.7 Dies entsprach der vom Ministerrat der DDR - Staatssekretär für Arbeit und Löhne – erlassenen Rahmenrichtlinie zur Durchführung von Regierungsabkommen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und anderen Staaten über die zeitweilige Beschäftigung ausländischer Werktätiger in Betrieben der DDR vom 1. Juli 1980.8 In den Arbeitskräfteabkommen wurde mit Ausnahme der Abkommen mit China, der Mongolei und Nordkorea ein Transfer von Anteilen an Steuern und Sozialabgaben in die Herkunftsstaaten vereinbart.9 Insoweit war vorgesehen, dass Rentenleistungen ausschließlich nach den Regelungen des Herkunftsstaats zu leisten waren. Die zunächst von den Rentenversicherungsträgern vertretene Rechtsauffassung, Beitragszeiten, die in die Versicherungslast der Herkunftsstaaten fallen, unberücksichtigt zu lassen, ist im Jahre 2001 aufgegeben worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Beschäftigungszeiten der Vertragsarbeiter in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen, wenn die Arbeitskräfteabkommen für sie nicht mehr anzuwenden sind: Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland haben die Arbeitskräfteabkommen nämlich ihre völkerrechtliche Verbindlichkeit wie ihre Geltung als innerstaatliches Recht im Beitrittsgebiet verloren.10 Die Berücksichtigung von Beitragszeiten kommt somit für Vertragsarbeiter in Betracht, die zum Zeitpunkt des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 noch nicht in die Herkunftsstaaten zurückgekehrt sind. Anderes gilt wegen weiterer bilateraler Vereinbarungen lediglich für polnische Vertragsarbeiter.11 3. Rentenrechtlich nicht zu berücksichtigende Beschäftigungen ausländischer Vertragsarbeiter 3.1. Vor dem 3. Oktober 1990 in die Herkunftsstaaten zurückgekehrte Vertragsarbeiter Für Vertragsarbeiter, die bereits zum Zeitpunkt des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 in die Herkunftsstaaten zurückgekehrt sind, kann die Zeit der Beschäftigung in der DDR nicht als Beitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt werden, da hier die nach dem jeweiligen Arbeitskräfteabkommen geltende Rechtslage weiter anzuwenden ist, nach der Leistungsansprüche nur gegenüber dem Herkunftsstaat geltend zu 7 Müggenburg, Andreas (1996), vgl. Fußnote 2, S. 18 ff. 8 Abgedruckt in: Elsner, Eva-Maria und Elsner, Lothar (1994), vgl. Fußnote 6, S. 153-154. 9 Gruner-Domić, Sandra (1996), vgl. Fußnote 1. 10 Vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. Januar 1999, Az. B 4 RA 44/98 R. 11 Vgl. 3.3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 113/19 Seite 7 machen sind. Soweit die Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung beantragt wird, dürfte seitens der Rentenversicherungsträger eine Ablehnung erfolgen. 3.2. Beschäftigung aufgrund von Abkommen über die Berufsausbildung und Weiterqualifizierung von Arbeitskräften Von den Arbeitskräfteabkommen sind die Abkommen über die Berufsausbildung und Weiterqualifizierung von Arbeitskräften zu unterscheiden. Solche wurden mit Nordvietnam am 22. Oktober 1973, Kuba am 10. Juni 1986, der Mongolei am 10. Juni 1986 und Mosambik am 26. Mai 1989 vereinbart. Die hieraus gezahlten Ausbildungsentgelte und Stipendien waren steuer- und sozialabgabenfrei .12 Sie sind in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht als anspruchsbegründende Beitragszeit zu berücksichtigen. 3.3. Beschäftigungszeiten polnischer Vertragsarbeiter Gemäß Artikel 28 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 (DPSVA 1990) gelten Versicherungszeiten polnischer Werktätiger im Sinne des zwischen der DDR und Polen geschlossenen Abkommens vom 5. September 1988, als Versicherungszeiten nach polnischen Rechtsvorschriften. Eine Anerkennung von Beschäftigungszeiten polnischer Vertragsarbeiter als Beitragszeit in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung scheidet damit unabhängig vom Aufenthaltsort am 3. Oktober 1990 aus. *** 12 Gemeinsame Rechtliche Anweisungen der Träger der Deutschen Rentenversicherung zu § 248 SGB VI, vgl. Fußnote 5.