© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 111/20 Ausgewählte Aspekte zur gesundheitlichen Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 111/20 Seite 2 Ausgewählte Aspekte zur gesundheitlichen Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 111/20 Abschluss der Arbeit: 11. Februar 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 111/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesundheitsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 4 2.1. Leistungsberechtigte 4 2.2. Leistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG 5 2.3. Leistungen nach § 2 AsylbLG (sogenannte Analogleistungen) 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 111/20 Seite 4 1. Einleitung In der vorliegenden Arbeit wird auf verschiedene Aspekte zur gesundheitlichen Versorgung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eingegangen, insbesondere von Ausländerinnen und Ausländern, die eine Duldung besitzen beziehungsweise vollziehbar ausreisepflichtig sind. Dabei soll hier nur ein kurzer Überblick gegeben werden, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. 2. Gesundheitsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)1 stellt eine eigenständige und abschließende Grundlage für Umfang und Form der Leistungen zur Existenzsicherung bei materieller Hilfebedürftigkeit für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie weitere Personenkreise ohne verfestigtes Aufenthaltsrecht dar. Dabei bestimmt das Asylbewerberleistungsgesetz die Leistungen in Abhängigkeit von Aufenthaltsdauer und Aufenthaltsstatus. Neben den sogenannten Grundleistungen sieht das Gesetz insbesondere auch Regelungen für die gesundheitliche Versorgung vor. 2.1. Leistungsberechtigte § 1 Abs. 1 AsylbLG zählt die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Berechtigten abschließend auf und setzt dabei den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet voraus. Zu dem hier bestimmten Personenkreis gehören nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG auch die Ausländerinnen und Ausländer , die eine Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG)2 besitzen, das heißt, deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt ist. Ferner sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG auch Ausländerinnen und Ausländer, die vollziehbar ausreispflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz .3 Für den zuletzt genannten Personenkreis sieht § 1 Abs. 4 AsybLG jedoch dann einen Leistungsausschluss nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vor, wenn bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus 1 Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das zuletzt durch Artikel 44 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/asylblg/ (zuletzt abgerufen am 3. Februar 2021). 2 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/ (zuletzt abgerufen am 3. Februar 2021). 3 Die Leistungsberechtigung endet zum einen mit der Ausreise. Zum anderen endet sie mit Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt, etwa dann, wenn die betroffene Person als asylberechtigt, als Konventionsflüchtling beziehungsweise als subsidiär schutzberechtigt anerkannt wird. In diesem Fall kommt es zu einem Rechtskreiswechsel in andere Leistungssysteme, wie das Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel 42 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) geändert worden ist oder das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe -, (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), das zuletzt durch Artikel 43 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/ beziehungsweise unter: https://www.gesetze-im-internet .de/sgb_12/ (beide zuletzt abgerufen am 3. Februar 2021). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 111/20 Seite 5 nach der Verordnung (EU) Nr. 604/20134 teilnehmenden Drittstaat internationaler Schutz gewährt worden ist und dieser fortbesteht. In diesen Fällen werden im Falle der Hilfebedürftigkeit grundsätzlich nur noch eingeschränkte Leistungen bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Wochen, einmalig innerhalb von zwei Jahren gewährt (sogenannte Überbrückungsleistungen ).5 2.2. Leistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG Die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sind in § 4 AsylbLG geregelt. Dabei umfasst der Anspruch nach § 4 Abs. 1 AsylbLG die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie die Gewährung sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung erforderlichen Leistungen. Zahnersatz wird nur geleistet, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Der Anspruch auf medizinische Leistungen ist in diesen Fällen im Verhältnis zu gesetzlich Krankenversicherten beschränkt. Ebenfalls vom Anspruch nach § 4 AsylbLG umfasst sind medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen sowie bestimmte Schutzimpfungen. Nach § 4 Abs. 2 AsylbLG sind werdenden Müttern und Wöchnerinnen ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren. Diese Leistungen entsprechen im Wesentlichen denjenigen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Über Leistungen nach § 4 AsylbLG hinausgehende Leistungen können nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AsylbLG dann gewährt werden , wenn sie im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind. Zuständig für die Umsetzung dieses Leistungsanspruchs sind die Bundesländer beziehungsweise die von ihnen durch Landesgesetz bestimmten Behörden. Teilweise erhalten die Berechtigten Behandlungsscheine von den zuständigen Behörden, mit denen sie eine Arztpraxis aufsuchen können. Zum Teil wird statt Behandlungsscheinen eine elektronische Gesundheitskarte unter Einbeziehung einer oder mehrerer Krankenkassen ausgegeben. Grundlage dafür ist § 264 Abs. 1 Satz 2 bis 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)6. Danach sind die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG die Krankenbehandlung gegen Aufwendungs- und Verwaltungskostener- 4 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31). 5 Diese Leistungen umfassen auch Gesundheitsleistungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AsylbLG. Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden zur Überwindung einer besonderen Härte auch darüberhinausgehende Leistungen gewährt. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 18. Januar 2021 (BGBl. I S. 2) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/ (zuletzt abgerufen am 6. Februar 2021). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 111/20 Seite 6 satz zu übernehmen, wenn die zuständige Landesregierung beziehungsweise oberste Landesbehörde dazu auffordert und eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wird. Eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt daraus aber nicht. 2.3. Leistungen nach § 2 AsylbLG (sogenannte Analogleistungen) Grundsätzlich sind nach einer Wartezeit von 18 Monaten abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und Teil 2 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX)7 auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.8 Gleichwohl bleiben die Betroffenen Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Sie sind aber in ihrer Gesundheitsversorgung den gesetzlich Krankenversicherten nahezu gleichgestellt (§ 264 Abs. 2 bis 7 SGB V). Die gesetzlichen Krankenkassen sind beauftragt, deren Krankenbehandlung gegen Kostenerstattung zu übernehmen . Die Leistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG können eine Krankenkasse wählen und erhalten eine elektronische Gesundheitskarte. Dennoch bedeutet auch dies keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. *** 7 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 6 des Gesetzes vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/ (zuletzt abgerufen am 6. Februar 2021). 8 Unter bestimmten Voraussetzungen sieht das Gesetz insbesondere für den Personenkreis nach §§ 1 Abs. 4, 5 AsylbLG temporäre Leistungsminderungen vor, die insbesondere dazu führen, dass kein Anspruch auf sogenannte Analogleistungen besteht. So bestimmt § 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG etwa, dass vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer, für die ein Ausreistermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen , ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG haben, sondern nur in der Regelung näher bestimmte eingeschränkte Leistungen erhalten, es sei denn, die Ausreise konnte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden.