© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 109/19 Einzelfragen zur Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 2 Einzelfragen zur Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 109/19 Abschluss der Arbeit: 25. September 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vorrang des Geldleistungsprinzips bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG 4 3. Voraussetzung für die Gewährung von Geldleistungen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG 7 3.1. Gesetzesbegründung 7 3.2. Juristisches Schrifttum 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 4 1. Einleitung In der folgenden Arbeit geht es um Fragen zur Erbringung von Grundleistungen, insbesondere zum Vorrang von Geldleistungen bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)1. Zum einen soll beleuchtet werden, wann und aus welchen Gründen der Vorrang von Geldleistungen geregelt wurde. Zum anderen wird darauf eingegangen, unter welchen Voraussetzungen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG anstelle der Geldleistungen Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder Sachleistungen geleistet werden können. 2. Vorrang des Geldleistungsprinzips bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG § 3 AsylbLG regelt Inhalt, Umfang und Form der Grundleistungen, die der Personengruppe der nach § 1 AsylbLG Leistungsberechtigten zu gewähren ist.2 Der Anspruch ist hinsichtlich der Art der Leistungserbringung abhängig von der Wohnform der Leistungsberechtigten beziehungsweise der Art der Unterbringung.3 In § 3 Abs. 3 AsylbLG ist geregelt, dass bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG)4 vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren sind. Satz 2 der Regelung sieht vor, dass anstelle der Geldleistungen, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden können. Weiter heißt es in § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG, dass der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht wird. Nach Satz 4 der Regelung ist § 3 Abs. 2 Satz 3 AsylbLG entsprechend anzuwenden, wonach Gebrauchsgüter des Haushalts leihweise zur Verfügung gestellt werden können. § 3 Abs. 3 Satz 5 AsylbLG regelt, dass der notwendige persönliche Bedarf vorbehaltlich § 3 Abs. 3 Satz 6 AsylbLG durch Geldleistungen zu decken ist. § 3 Abs. 3 Satz 6 AsylbLG regelt, 1 Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294) geändert worden ist. 2 Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar, 6. Auflage 2018, § 3 AsylbLG, Rn. 52. 3 Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar, § 3 AsylbLG, 1. Auflage 2018, Rn. 11. 4 Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 45 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 5 dass in Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 AsylG der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden kann.5 Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 20146 wurde der bis dahin bestehende Vorrang der Sachleistungen nach der Erstaufnahme bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen nach dem damaligen § 44 Asylverfahrensgesetz7 abgeschafft8 und geregelt, dass der notwendige Bedarf der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Asylverfahrensgesetz untergebracht sind, zukünftig in Geldleistungen zu erbringen ist.9 5 Eine inhaltsgleiche Regelung von § 3 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 AsylbLG fand sich vor Inkrafttreten der Gesetzesänderungen durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 13. August 2019 (BGBl. I S. 1290) zum 1. September 2019 in § 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 AsylbLG. 6 Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439). 7 Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 wurde das Asylverfahrensgesetz zum Asylgesetz (BGBl. I S. 1722). 8 Die bis zum 28. Februar 2015 geltende Fassung von § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG lautete wie folgt: „(1) Der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts wird durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich erhalten Leistungsberechtigte 1. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 40 Deutsche Mark, 2. von Beginn des 15. Lebensjahres an 80 Deutsche Mark monatlich als Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens. Der Geldbetrag für in Abschiebungs- oder Untersuchungshaft genommene Leistungsberechtigte beträgt 70 vom Hundert des Geldbetrages nach Satz 4. (2) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylverfahrensgesetzes können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen nach Absatz 1 Satz 1 Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt werden. Der Wert beträgt 1. für den Haushaltsvorstand 360 Deutsche Mark, 2. für Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres 220 Deutsche Mark, 3. für Haushaltsangehörige von Beginn des 8. Lebensjahres an 310 Deutsche Mark monatlich zuzüglich der notwendigen Kosten für Unterkunft, Heizung und Hausrat. Absatz 1 Satz 3 und 4 findet Anwendung.“ Zur Leistungshöhe siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, - 1 BvL 2/11 -, dass bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung eine Übergangsregelung angeordnet hatte. 9 Bundestags-Drucksache 18/3144 vom 11. November 2014, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern , S. 10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 6 In der Begründung zum Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 11. November 2014 wird zu dieser Neuregelung ausgeführt, dass der nach diesem Gesetz bis dahin allgemein geltende Vorrang des Sachleistungsprinzips für die Zeit nach der Erstaufnahme abgeschafft werde. Der notwendige Bedarf der Leistungsberechtigten , die außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Asylverfahrensgesetz untergebracht würden, sei hiernach künftig vorrangig als Geldleistung zu erbringen. Die Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Leistungsberechtigten würden hierdurch gestärkt. Zugleich trage die Änderung der geltenden Praxis in vielen Bundesländern Rechnung, die nach der Erstaufnahmezeit aus Praktikabilitätsgründen bereits überwiegend Geldleistungen gewährten.10 Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Erfüllungsaufwand beim Bund wird in der Gesetzesbegründung aufgeführt, dass die Abschaffung des Vorrangs der Sachleistungsgewährung nach der Erstaufnahme bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen nach § 44 Asylverfahrensgesetz die zuständigen Träger berechtige, den notwendigen Bedarf der Leistungsberechtigten zukünftig in weit größerem Umfang als bisher durch Geldleistungen abzudecken. Eine Auswertung des Anteils der Geldleistungen an allen auch in Form von Sachleistungen und Wertgutscheinen möglichen Unterstützungsleistungen für den Lebensunterhalt (ohne Einbeziehung von Taschengeld) habe für das Jahr 2013 ergeben, dass bundesweit durchschnittlich bereits etwa 49 Prozent der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus Geldleistungen bestünden (2012: etwa 45 Prozent). Bei den Ländern und Kommunen führe die Abschaffung des Vorrangs des Sachleistungsprinzips zu einer Verwaltungsvereinfachung und damit zu einer Verringerung ihres Erfüllungsaufwands. Dies könne aber nicht weiter quantifiziert werden, da die von den Die Regelung des § 3 Abs. 2 AsylbLG in der so geänderten Fassung lautete wie folgt: „(2) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylverfahrensgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 4 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs nach Absatz 1 Satz 1 zu gewähren. Der notwendige Bedarf beträgt monatlich für 1. alleinstehende Leistungsberechtigte 212 Euro, 2. zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen, je 190 Euro, 3. weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt je 170 Euro, 4. sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebens- jahres 194 Euro, 5. leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 154 Euro, 6. leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 130 Euro. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat wird gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 1 Satz 3 bis 6 ist entsprechend anzuwenden.“ 10 Bundestags-Drucksache 18/3144 vom 11. November 2014, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern , S. 10, 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 7 Leistungsbehörden im Einzelfall gewählte Leistungsform auch stark von externen Faktoren abhängen werde, wie etwa örtlichen Gegebenheiten und Versorgungsengpässen aufgrund steigender Asylbewerberzahlen.11 3. Voraussetzung für die Gewährung von Geldleistungen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG sieht vor, dass anstelle von Geldleistungen nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG Leistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs in Form von unbaren Abrechnungen , von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen erbracht werden können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist. Zu der Frage, was unter „soweit es nach den Umständen erforderlich ist“ in diesem Sinne zu verstehen ist, sieht das Asylbewerberleistungsgesetz selbst keine weiteren Regelungen vor.12 3.1. Gesetzesbegründung In der Begründung zum Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 11. November 2014 wird dazu ausgeführt, dass nach der Neuregelung vom Vorrang der Geldleistungen zugunsten von unbaren Abrechnungen Wertgutscheinen oder Sachleistungen auch zukünftig abgewichen werden könne, wenn es nach den Umständen erforderlich sei. Solche Umstände könnten sich zum Beispiel aus den örtlichen Gegebenheiten oder Versorgungsengpässen bei hohen Flüchtlingszahlen ergeben oder auf den persönlichen Verhältnissen des Leistungsberechtigten beruhen. Das heiße, so die Gesetzesbegründung, dass Sachleistungen weiterhin möglich blieben, um die Versorgung der Leistungsberechtigten angesichts steigender Asylbewerberzahlen auch zukünftig sicherstellen zu können.13 Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass es sich bei den aufgeführten Beispielen nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. 3.2. Juristisches Schrifttum Zu der Frage, was als Umstände anzusehen sind, die es erforderlich machten, vom Vorrang der Geldleistungen abweichen zu können, wird auch in der Literatur zunächst auf die Gesetzesbegründung verwiesen.14 11 Bundestags-Drucksache 18/3144 vom 11. November 2014, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern , S. 12 f. 12 Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar, § 3 AsylbLG, 1. Auflage 2018, Rn. 24. 13 Bundestags-Drucksache 18/3144 vom 11. November 2014, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern , S. 16. 14 Siehe etwa Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar, § 3 AsylbLG, 1. Auflage 2018, Rn. 24; Korff in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 53. Edition, Stand 1. Juni 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 8 Bei der Regelung handele es sich um einen so genannten Soweit-Vorbehalt, da eine vom Vorrang der Geldleistung abweichende Bedarfsdeckung tatbestandlich möglich sei, „soweit es nach den Umständen erforderlich ist“.15 Weiter wird angeführt, dass die Norm „umgekehrt“ formuliert sei zu § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG in der Fassung vor dem 1. März 2015 und mithin nicht mehr die Gewährung von Geldleistungen rechtfertigungsbedürftig sei, sondern die hiervon abweichende Bedarfsdeckung.16 Die Abweichung vom vorrangigen Geldleistungsprinzip sei nur möglich, so Decker, soweit diese aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall nicht erbracht werden könnten.17 Bei den Umständen des Einzelfalls müsse es sich, so Frerichs, um konkrete Sachverhalte handeln, die sich nach der Gesetzesbegründung aus den örtlichen Gegebenheiten oder Versorgungsengpässen bei hohen Flüchtlingszahlen ergeben oder auf den persönlichen Verhältnissen der Leistungsberechtigten beruhen könnten. Es würden insoweit aber keine strengen Vorgaben gelten. Eine Sachleistungsgewährung solle, so Frerichs unter Verweis auf die Gesetzesbegründung, weiterhin möglich bleiben , auch um die Versorgung der Leistungsberechtigten angesichts steigender Leistungsberechtigter auch zukünftig sicherstellen zu können.18 Eine abweichende Leistungsgewährung könne, so Frerichs, mithin aus der Unterbringungssituation oder den örtlichen Gegebenheiten (objektive Umstände)19 zum Beispiel aufgrund bestehender Infrastruktur erforderlich sein, wenn etwa die Verpflegung in einer Einrichtung bereits durch eine Kantine oder der Bedarf an Kleidung aus Kleiderkammern sichergestellt sei. Ein Abweichen vom Geldleistungsvorrang könne auch wegen der unverzüglichen Versorgung nach Ankunft der Leistungsberechtigten geboten sein, aber auch, wenn eine Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehe.20 Auch persönliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten oder seiner Familienangehörigen (subjektive Umstände) könnten ein Abweichen vom Vorrang der Geldleistungen erfordern, etwa, 15 Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung, Stand 17. Juli 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 105; Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz und Erstattungsrecht des SGB X, Kommentar, Stand der EL 1. Juni 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 58. 16 Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung, Stand 17. Juli 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 105. 17 Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz und Erstattungsrecht des SGB X, Kommentar, Stand der EL 1. Juni 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 58. 18 Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung, Stand 17. Juli 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 106. 19 Vgl. ebenso Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz und Erstattungsrecht des SGB X, Kommentar, Stand der EL 1. Juni 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 58 zur Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Umständen. 20 Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung, Stand 17. Juli 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 107. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 9 so Frerichs, bei Versorgungsschwierigkeiten aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse und oder anfänglicher Schwierigkeiten im Geschäftsverkehr.21 Eine abweichende Leistungserbringung soll auch dann angezeigt sein, wenn dadurch die Versorgung der Leistungsberechtigten „erheblich“ besser gewährleistet sei, insbesondere bei der Gefahr einer zweckwidrigen Mittelverwendung (zum Beispiel bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit oder im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens).22 Nach allgemeinen Maßgaben zur wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel könnten, so Frerichs, im Einzelfall auch fiskalische Gründe für eine abweichende Leistungserbringung sprechen , wenn dem Leistungsträger nach einer Vergleichsberechnung (Geld- oder Sachleistung) erheblich geringere Aufwendungen entstünden und die Versorgung des Leistungsberechtigten in gleicher Weise gewährleistet sei.23 Von Siefert wird kritisch angemerkt, dass die Argumentation in der Gesetzesbegründung nicht zu der von der Regelung erfassten Gruppe der Leistungsberechtigten, die außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften wohnten, passe und angesichts der Systematik auch nicht zu den von § 3 Abs. 2 Satz 3 AsylbLG a.F. (nunmehr § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG) erfassten Bedarfen für Ernährung, Kleidung und Gesundheitspflege.24 „(Höchst theoretisch) denkbar könnten allenfalls Fälle sein, in denen ein Leistungsberechtigter zB aus Krankheitsgründen bestimmte Nahrungsmittel benötigt, die nicht in zumutbarer Entfernung von seiner Wohnung von ihm selbst eingekauft werden können.“ Als „salvatorische Klausel“ genüge nach Auffassung von Siefert die Bestimmung den Anforderungen an eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts des Leistungsberechtigten jedenfalls nicht, die in der Gewährung von Sachleistungen anstelle von Geldleistungen zu sehen sei.25 Weiter wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass der Behörde mit der Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG ein Ermessensspielraum eingeräumt werde („[…]können, […] gewährt werden.“).26 Es wird allerdings kritisiert, dass Kriterien, anhand derer die Behörde ihre Ermessensentscheidung , ob Geld- oder Sachleistungen gewährt würden, auszurichten habe, fehlten. Die Behörde werde jedenfalls im Einzelfall darzulegen und zu begründen haben, weshalb sie die 21 Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung, Stand 17. Juli 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 108. 22 Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung, Stand 17. Juli 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 109. 23 Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung, Stand 17. Juli 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 110. 24 Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 3 AsylbLG, Rn. 24. 25 Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 3 AsylbLG, Rn. 24. 26 Vgl. etwa Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz und Erstattungsrecht des SGB X, Kommentar, Stand der EL 1. Juni 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 57; Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG, 1. Überarbeitung, Stand 17. Juli 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 112. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 109/19 Seite 10 Form der Sachleistungsgewährung gewählt habe.27 Sei, so Decker, eine Abweichung von der gesetzlichen Rangfolge erforderlich, so sei hierdurch allerdings schon eine Ermessensentscheidung in der Weise indiziert, dass das Festhalten an der vorrangigen Leistungsart allenfalls noch in äußerst engen Grenzen möglich sein dürfte.28 *** 27 Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar, § 3 AsylbLG, 1. Auflage 2018, Rn. 25. 28 Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz und Erstattungsrecht des SGB X, Kommentar, Stand der EL 1. Juni 2019, § 3 AsylbLG, Rn. 58.