WD 6 - 3000 - 107/16 (1. August 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist die gesetzliche Rente unter Umständen gemäß § 93 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu kürzen. Überschreiten beide Leistungen zusammen eine bestimmte Obergrenze, wird die Leistung aus der Unfallversicherung weiterhin in vollem Umfang erbracht, diejenige aus der Rentenversicherung jedoch in dem Umfang gekürzt, der ein Überschreiten der Obergrenze vermeidet. Diese häufig kritisierte Anrechnung wird bereits seit Einführung der Rentenversicherung im Jahre 1889 vorgenommen, als zusätzlich zu der bereits bestehenden Unfallversicherung die Invalidenversicherung eingeführt wurde. Die Verletztenrente aus der Unfallversicherung soll die durch einen Arbeitsunfall bzw. eine Berufskrankheit verlorene oder eingeschränkte Erwerbsfähigkeit des Verletzten ausgleichen. Die Unfallrente wird abstrakt berechnet. Für ihre Höhe sind ausschließlich der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit sowie der Jahresarbeitsverdienst vor dem Arbeitsunfall bzw. der Berufskrankheit und nicht der tatsächlich entstandene Schaden maßgebend. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit beträgt die Vollrente zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Sie entspricht damit in etwa dem letzten Nettoverdienst. Ist die Erwerbsfähigkeit nicht voll gemindert, wird eine entsprechende Teilrente geleistet. Die Entschädigungsfunktion der Unfallrente umfasst neben dem Ersatz immaterieller Schäden und des aus dem Arbeitsunfall bzw. der Berufskrankheit folgenden Mehraufwands auch den Ersatz des durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit entgangenen Lohnes. Demnach sind Unfallrenten über den Entschädigungscharakter hinaus wie die Versichertenrenten der Rentenversicherung durch ihre Lohnersatzfunktion gekennzeichnet. Die gleichlaufende Zielrichtung beider Rentenarten macht Regelungen erforderlich, die vermeiden, dass die Summe aus beiden Leistungen mehr als den entgangenen Lohn ersetzt und die Berechtigten damit übermäßig versorgt werden. Die Rente aus der Rentenversicherung wird deshalb insoweit nicht geleistet, als sie zusammen mit einer entsprechenden und gleichzeitigen Rente aus der Unfallversicherung einen bestimmten Grenzbetrag übersteigt. Im Hinblick darauf, dass die Unfallrente auch immaterielle Schäden und den aus dem Arbeitsunfall bzw. der Berufskrankheit folgenden Mehraufwand ausgleichen soll, wird bei der Beurteilung dessen, was als Unfallrente angerechnet wird, ein Freibetrag außer Ansatz Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zusammentreffen von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung Kurzinformation Zusammentreffen von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung Fachbereich WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Seite 2 gelassen, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu leisten wäre. Die Höhe des Grenzbetrages richtet sich nach dem Jahresverdienst, der der Unfallrente zugrunde liegt. Der Grenzbetrag beträgt grundsätzlich 70 Prozent eines Zwölftels des für die Unfallrente maßgeblichen Jahresarbeitsverdienstes. Das ist in aller Regel der Jahresarbeitsverdienst, der vor dem Arbeitsunfall bzw. der Berufskrankheit erzielt wurde. Hintergrund ist, dass nur der durch den Arbeitsunfall bzw. die Berufskrankheit entgangene Lohn durch die Unfallrente zu ersetzen ist. Deshalb kann nicht der zum Ende des Versicherungslebens erworbene Verdienst maßgeblich sein. Anderenfalls würden Bezieher von Unfallrenten unverhältnismäßig hohe Renten aus der Rentenversicherung erhalten und wären in der Summe der Rentenzahlungen überversorgt. Den Berechtigten verbleibt auch nach Anrechnung neben der einer BVG-Grundrente entsprechenden Entschädigung insgesamt ein Betrag, der in etwa dem an die Entwicklung der Renten angepassten Nettoverdienst vor Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. der Berufskrankheit entspricht. Für Fälle, in denen der aus einer weiteren versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit folgende Erwerb an Rentenanwartschaften aus der Rentenversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. der Berufskrankheit besonders hoch war, wird durch einen Mindestgrenzbetrag sichergestellt, dass insgesamt mindestens Rentenleistungen in Höhe der Rente zuzüglich des Freibetrages nach dem Bundesversorgungsgesetz erbracht werden. Damit wird neben der Lohnersatzfunktion auch dem Entschädigungscharakter der Unfallrente ausreichend Rechnung getragen. Die für die Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf eine Rente aus der Rentenversicherung einschlägigen Regelungen sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes grundsätzlich verfassungsgemäß.1 Bei den Betroffenen stößt es zwar mitunter auf Unverständnis, wenn zwar zusätzlich zum Erwerbseinkommen eine Unfallrente ungeschmälert gezahlt wird, bei Erreichen des Rentenalters oder bei Eintritt verminderter Erwerbsfähigkeit aber die Rente aus der Rentenversicherung, die das bisherige Erwerbseinkommen ersetzt, gekürzt wird. Dennoch ist eine Anrechnungsregelung zur Vermeidung einer Überversorgung von Unfallrentenbeziehern, die auch einen Anspruch auf Versichertenrente aus der Rentenversicherung haben, unverzichtbar. 1 Urteil vom 31. März 1998, Az. B 4 RA 49/96 R = BSGE 82, 83 = SozR 3-2600 § 93 Nr. 7.