© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 100/19 Einzelfragen zu den Vergütungsregelungen für Auszubildende im Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (BBiMoG) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/19 Seite 2 Einzelfragen zu den Vergütungsregelungen für Auszubildende im Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (BBiMoG) Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 100/19 Abschluss der Arbeit: 24. Juli 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/19 Seite 3 1. Einleitung Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (BBiMoG)1 wurde am 15. Mai 2019 vom Bundeskabinett beschlossen2 und am 27. Juni 2019 in erster Lesung im Bundestag beraten3. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem die Festschreibung einer Mindestvergütung für Auszubildende im Berufsbildungsgesetz (BBiG) sowie Änderungen der Regelungen zur Bestimmung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung vor. In diesem Zusammenhang wurden die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages um Auskunft zu Einzelfragen in Hinblick auf die Vergütungspflichten von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Ausbildenden gebeten. 2. Vergütungsanspruch und Mindestvergütung Nach Artikel 1 des Gesetzentwurfs (Änderung des BBiG - BBiG-E) haben Ausbildende gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG-E Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. § 17 Abs. 2 BBiG-E legt fest, dass die Angemessenheit der Vergütung ausgeschlossen ist, wenn sie die in § 17 Abs. 2 BBiG-E festgelegten monatlichen Mindestvergütungen unterschreitet. Die Mindestvergütungen sind nach dem Zeitpunkt des Beginns der Ausbildung sowie des Ausbildungsjahrs gestaffelt. Zudem ist eine Fortschreibung der Höhe der Mindestvergütungen vorgesehen. Nach dem Gesetzentwurf darf eine Vergütung folglich grundsätzlich nicht unter der gesetzlich festgelegten Mindestvergütung liegen. Laut Gesetzesbegründung soll die Mindestvergütung die Verpflichtung von Betrieben, eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen, konkretisieren. § 17 Abs. 3 BBiG-E räumt tarifvertraglich vereinbarten Ausbildungsvergütungen Vorrang vor der gesetzlichen Mindestvergütung ein.4 Danach ist auch eine für den Ausbildenden nach § 3 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) geltende tarifvertragliche Vergütungsregelung angemessen, durch die die jeweilige Mindestvergütung unterschritten wird. Die Tarifvertragsparteien sollen nach der Gesetzesbegründung damit die Möglichkeit erhalten, die tarifvertraglich vereinbarten Ausbildungsvergütungen nach Einführung der Mindestausbildungsvergütung nach und nach an diese heranzuführen.5 1 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, BT-Drs. 19/10815. 2 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Pressemitteilung 049/2019 vom 15. Mai 2019, Erfolgsmodell Berufsbildung weiterentwickelt, abrufbar unter https://www.bmbf.de/de/erfolgsmodell-berufsbildung-weiterentwickelt -8647.html (zuletzt abgerufen am 23. Juli 2019). 3 Stenografischer Bericht, 107. Sitzung, BT-PlPr. 19/107, S. 13128A - 13141C. 4 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, BT-Drs. 19/10815, S. 2. 5 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, BT-Drs. 19/10815, S. 56. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/19 Seite 4 Nach § 17 Abs. 4 BBiG-E ist die Angemessenheit der vereinbarten Vergütung auch dann, wenn sie die Mindestvergütung nicht unterschreitet, in der Regel ausgeschlossen, wenn sie die Höhe der in einem Tarifvertrag geregelten Vergütung, in dessen Geltungsbereich das Ausbildungsverhältnis fällt, an den der Ausbildende aber nicht gebunden ist, um mehr als 20 Prozent unterschreitet . Die Regelung soll ausweislich der Gesetzesbegründung die bestehende ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kodifizieren.6 Nach dieser Rechtsprechung ist es bei fehlender Tarifbindung Aufgabe der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung zu vereinbaren. Die Parteien hätten dabei einen Spielraum; die richterliche Überprüfung erstrecke sich lediglich darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreiche , die als noch angemessen im Sinne des § 17 Abs. 1 BBiG (geltende Fassung) anzusehen sei. Ob die Parteien den Spielraum gewahrt haben, sei unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen.7 Maßgeblich dafür sei die Verkehrsanschauung. Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG die einschlägigen Tarifverträge. Das Ergebnis von Tarifverhandlungen , so das BAG, berücksichtige hinreichend die Interessen beider Seiten und habe somit die Vermutung der Angemessenheit für sich.8 Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichte, gelte deswegen stets als angemessen. Eine Ausbildungsvergütung sei demgegenüber in der Regel nicht angemessen im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 Prozent unterschreite.9 Laut Gesetzesbegründung soll mit der Regelung in § 17 Abs. 4 BBiG-E oberhalb der Mindestvergütung dieser von der Rechtsprechung entwickelte und etablierte Mechanismus zur Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung abgesichert werden.10 Die Regelung dürfte folglich grundsätzlich nicht greifen, wenn die tarifvertraglich vereinbarte Vergütung gemäß § 17 Abs. 3 BBiG-E unterhalb der Mindestvergütung liegt. Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 BBiG-E, wonach die Angemessenheit der vereinbarten Vergütung auch dann, wenn sie die Mindestvergütung nach § 17 Abs. 2 BBiG nicht unterschreitet, in der Regel ausgeschlossen [ist], wenn sie die Höhe der in einem Tarifvertrag geregelten Vergütung […] um mehr als 20 Prozent unterschreitet“. Die Formulierung „in der Regel“ soll der Rechtsprechung noch Spielraum für atypische Konstellationen lassen.11 Eine von einem nicht tarifgebundenen Ausbildenden zu gewährende angemessene Vergütung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG-E dürfte folglich die in § 17 Abs. 2 BBiG-E festgelegte Mindest- 6 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, BT-Drs. 19/10815, S. 58. 7 BAG, Urteil vom 16. Mai 2017, 9 AZR 377/16, Rn. 13 mwN (zit. nach juris). 8 BAG, Urteil vom 16. Mai 2017, 9 AZR 377/16, Rn. 17 f. mwN (zit. nach juris). 9 BAG, Urteil vom 16. Mai 2017, 9 AZR 377/16, Rn. 18 mwN (zit. nach juris). 10 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, BT-Drs. 19/10815, S. 58. 11 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, BT-Drs. 19/10815, S. 58. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/19 Seite 5 vergütung grundsätzlich nicht unterschreiten, und zwar auch dann nicht, wenn die Vergütungsregelung eines einschlägigen Tarifvertrags die jeweilige Mindestvergütung unterschreitet (vgl. § 17 Abs. 3 BBiG-E). 3. Ordnungswidrigkeit bei Verstoß gegen Mindestausbildungsvergütung Nach dem Gesetzentwurf sollen Verstöße gegen das Gebot der Mindestausbildungsvergütung gemäß den §§ 18 Abs. 3, 101 Abs. 1 Nr. 5 BBiG-E bußgeldbewehrt sein. Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 BBiG-E sind nicht tarifgebundene Ausbildende verpflichtet, den bei ihnen beschäftigten Auszubildenden die Vergütung für den laufenden Kalendermonat spätestens am letzten Arbeitstag des Monats zu zahlen, und zwar mindestens in der bei Beginn der Berufsausbildung geltenden Höhe der Mindestvergütung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BBiG-E. Nach § 101 Abs. 1 Nr. 5 BBiG-E handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 18 Abs. 3 Satz 1 BBiG-E die dort genannte Vergütung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlt. § 18 Abs. 3 Satz 1 BBiG-E soll dabei die für die Bußgeldbewehrung erforderliche Handlungspflicht der Ausbildenden statuieren.12 Laut Gesetzesbegründung soll die Bußgeldbewehrung der Absicherung der Mindestvergütung dienen.13 *** 12 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, BT-Drs. 19/10815, S. 59. 13 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, BT-Drs. 19/10815, S. 75.