© 2015 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 100/14 Einzelfragen zum transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) Studien, Stellungnahmen und Positionen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 2 Einzelfragen zum transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) Studien, Stellungnahmen und Positionen Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 100/14 Abschluss der Arbeit: 25. Juli 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Das Abkommen und der Investitionsschutz 5 2.1. Ziele des Freihandelsabkommens 5 2.2. Investor-Staat-Streitbeilegung 6 2.2.1. Position der EU-Kommission 7 2.2.2. Ausgewählte Stellungnahmen einzelner Akteure 8 3. Auswirkungen von TTIP und ISDS 11 3.1. Unternehmensmitbestimmung 11 3.2. Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation 13 3.2.1. Globale Rahmenabkommen 14 4. Fazit 16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 4 1. Einleitung Seit Juni 2013 verhandeln EU-Handelskommissar Karel De Gucht und der US-Handelsbeauftragte Michael Froman über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP: Transatlantic Trade and Investment Partnership). Vom 14. bis 18. Juli 2014 hat die sechste Verhandlungsrunde in Brüssel stattgefunden. Eine weitere Verhandlungsrunde ist für Oktober 2014 angesetzt und der Abschluss der Verhandlungen für 2015 geplant.1 In der sechsten Runde wurden die Diskussionen zu Themen wie Handel mit Waren und Dienstleistungen , Regulierungsfragen, öffentliches Beschaffungswesen, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte , Energie und Rohstoffe sowie Möglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fortgeführt.2 Die Kommission veröffentlicht Dokumente und Positionspapiere auf Ihrer Internetseite.3 Zudem informiert sie die Mitgliedstaaten der EU regelmäßig über den Verlauf der Verhandlungen und führt seit Verhandlungsbeginn einen Dialog mit der Wirtschaft, den Parlamenten und Gewerkschaften sowie Forschungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen insbesondere aus dem Bereich Umwelt- und Verbraucherschutz.4 Ein Beratungsgremium, die sogenannte Advisory- Group, mit Vertretern verschiedener Bereiche wie Umwelt, Gesundheit, Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz soll gewährleisten, dass verschiedenste gesellschaftliche Interessen berücksichtigt werden.5 Die Kommission informiert vor und nach den Verhandlungen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, welche auch als vertraulich eingestufte Dokumente erhalten.6 1 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die mündliche Frage, Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, 7. Sitzung am 15. Januar 2014, Fragen 41 und 42, S. 387. 2 http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1094&serie=786&langId=de (letzter Abruf am 16. Juli 2014). 3 http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm (letzter Abruf am 16. Juli 2014). 4 BT-Drs. 18/351 vom 28. Januar 2014, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. „Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen“, S. 5. 5 Beck, Nils; Ohr, Renate, Das transatlantische Freihandelsabkommen – Relativierung von Chancen und Risiken, in: Wirtschaftsdienst: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 94 (2014), Heft 5, S. 344-351 (348). Abrufbar unter: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs10273-014-1677-7 (letzter Abruf am 17. Juli 2014). 6 Kettelför, Susanne (2014). Internationale Freihandelsabkommen – Erfahrungen und Prognosen, S. 6. Zusammenfassung des Bochumer Workshops „Was tun? Das transatlantische Freihandels- und Investitionsschutzabkommen TTIP und die gewerkschaftlichen Chancen und Aufgaben“, der von der Hans-Böckler-Stiftung, der IG BCE und der IG Metall ausgerichtet wurde. Abrufbar unter: https://www.igbce.de/arbeit/branchen/leder/82188/bochumer-workshop-2014 (letzter Abruf am 21. Juli 2014). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 5 Von Seiten der USA werden weder den Abgeordneten des EU-Parlaments noch der Bundesregierung Dokumente zur Verfügung gestellt.7 Die Informationslage stellt sich als „ambivalent“ dar, denn die Kommission berichtet nicht öffentlich , welche Einigungen sich in den Verhandlungsrunden möglicherweise abzeichnen oder welche Punkte konkret verhandelt oder gar abgeschlossen wurden.8 Da wenig über den konkreten Verhandlungsverlauf bekannt ist, stützen sich Studien auch auf Erkenntnissen aus anderen Abkommen und auf Hintergrundinformationen zu den Verhandlungspunkten.9 Fragen zu möglichen Auswirkungen der TTIP und des Investorenschutzes beispielsweise auf die Mitbestimmung und arbeitsrechtliche Standards werden mit Hilfe von Studien, Stellungnahmen und veröffentlichten Positionspapieren der verschiedenen Akteure vor dem Hintergrund einer begrenzten Informationslage beantwortet. 2. Das Abkommen und der Investitionsschutz 2.1. Ziele des Freihandelsabkommens Das geplante Handels- und Investitionsabkommen TTIP ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Es soll drei zentrale Elemente enthalten: – Marktzugang: Abbau von Zollschranken für Güter und Beschränkungen für Dienstleistungen , verbesserter Zugang zum öffentlichen Beschaffungsmarkt und für Investitionen. – Verbesserte regulative Kohärenz und Zusammenarbeit, zum Beispiel durch den Abbau „unnötiger“ regulativer Barrieren wie bürokratischer Doppelanforderungen. – Verbesserte Zusammenarbeit im Bereich der internationalen Regelsetzung.10 Von besonderem Interesse ist der Abbau sogenannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Darunter werden unter anderem Qualitätsstandards verstanden, die beispielsweise für deutsche Ex- 7 Vgl. BT-Drs. 18/1118 vom 28. Januar 2014, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katharina Dröge, Annalena Baerbrock, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Positionen der Bundesregierung zum weiteren Verlauf der Verhandlungen zum Transatlantic Trade and Investment Partnership und den ökonomischen Auswirkungen“, S. 5. Ebenso BT-Drs. 18/351 vom 28. Januar 2014, S.5, vgl. Fn 4. Vgl. auch Kettelför, Susanne, (2014), S. 7, vgl. Fn 6. 8 Beck, Nils; Ohr, Renate (2014), S. 345, vgl. Fn 5. 9 Beck, Stefan; Scherrer, Christoph (2014). Das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA, hrsg. von der Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 303, Düsseldorf, S. 23. Abrufbar unter: http://www.boeckler.de/5137.htm?produkt=HBS-005831&chunk=1&jahr= (letzter Abruf am 17. Juli 2014). 10 Europäische Kommission, Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) – aktueller Stand der Verhandlungen, 19. März 2014. http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm (letzter Abruf am 17. Juli 2014). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 6 porteure zentrale Hindernisse beim Zugang zum US-Markt darstellen.11 Nicht-tarifäre Hemmnisse meinen des Weiteren Importquoten, freiwillige Selbstbeschränkungsabkommen , unterschiedliche Produkt- und Produktionsstandards sowie bürokratische Regelungen , die ausländischen Anbietern den Marktzugang erschweren sollen. Gerade die bürokratischen und verwaltungstechnischen Hürden bedürfen einer differenzierten Betrachtung. Es muss unterschieden werden zwischen solchen, die nicht notwendig sind und solchen, die zur Gewährleistung von Gesundheits-, Sicherheits-, Umweltschutz- oder Sozialstandards , aber auch zur Absicherung der Wirtschaftssubjekte vor übermäßigen finanziellen Risiken, unabdingbar erscheinen.12 2.2. Investor-Staat-Streitbeilegung Umstritten ist insbesondere der geplante Investitionsschutz und das Verfahren zur Schlichtung von Investor-Staat-Streitigkeiten (ISDS: Investor-to-State Dispute Settlement) vor einem internationalen Schiedsgericht, mit dem Investoren vor einer sogenannten „indirekten Enteignung“ geschützt werden sollen. Weltweit gibt es etwa 2.900 bilaterale Investitionsschutzverträge und rund 330 weitere Abkommen mit Investitionsschutzregelungen, darunter auch Freihandelsabkommen. Deutschland hat mit rund 130 Staaten bilaterale Investitionsschutzvereinbarungen abgeschlossen. Die EU hat bislang noch kein Investitionsschutzabkommen vereinbart, verhandelt aber derzeit über 20 Freihandelsabkommen mit Investitionsregelungen.13 Kritisiert wird beispielsweise, dass der Grundsatz der „gerechten und billigen Behandlung“ bisher dazu geführt habe, dass Unternehmen mit häufig sehr allgemein formulierten Ansprüchen ein Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren einleiten konnten. Das angerufene Schiedsgericht entziehe sich aber der öffentlichen Kontrolle. Die Richter, die nach Angaben der OECD im Hauptberuf überwiegend Firmenanwälte seien, würden von den Streitparteien benannt und fällten ein bindendes Urteil ohne Möglichkeit der Berufung. In jüngster Zeit seien zunehmend Streitbeilegungsverfahren angestrengt worden, bei denen es um arbeitsrechtliche Auslöser wie die Einführung von Mindestlöhnen oder höheren Löhnen für bestimmte Tätigkeiten gegangen sei. Auch nach der Kündigung eines Investitionsschutzabkommens würden sogenannten „Survival- Klauseln“ den Investorenschutz bis zu 15 oder 20 Jahre fortwirken lassen.14 Auch wenn die bestehenden Gesetze von TTIP unberührt bleiben, so die Kritiker, könnte im verschärften Wettbewerb um Standortvorteile oder durch Klagen im Rahmen des Investitionsschut- 11 Felbermayr, Gabriel; Larch, Mario; Flach, Lisandra u.a. (2013). Dimensionen und Auswirkungen eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA. Ifo-Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Endbericht, München, S. 15. 12 Beck, Nils; Ohr, Renate (2014), S. 344, vgl. Fn 5. 13 Kettelför, Susanne (2014), S. 3, vgl. Fn 6. Siehe auch Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (2014). Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA. Fakten und Informationen, häufig gestellte Fragen und Antworten, Berlin, S. 37. 14 Kettelför, Susanne (2014), S. 4, vgl. Fn 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 7 zes Druck auf die europäischen Regierungen aufgebaut werden, künftig von ihren Grundsätzen und Prioritäten abzuweichen.15 Aufgrund der öffentlichen Debatte hat die Europäische Kommission am 27. März 2014 eine öffentliche Online-Konsultation über den Investorenschutz in der TTIP eingeleitet und die Verhandlungen über diesen Bereich für drei Monate ausgesetzt. Das Konsultationsverfahren endete am 13. Juli. Die Stellungnahmen werden von der Kommission ausgewertet und von dieser im Verlaufe der Verhandlungen berücksichtigt.16 2.2.1. Position der EU-Kommission Für die EU-Kommission stellt die besondere Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten auch in gefestigten Rechtsordnungen ein wichtiges Mittel dar, um Investoren aus der EU im Ausland zu schützen: „So könnte ein Land einen Investor enteignen (z.B. durch Verstaatlichung) oder Gesetze erlassen, die seine Investition wertlos machen, etwa durch das plötzliche und entschädigungslose Verbot eines Erzeugnisses, das in der Fabrik eines ausländischen Eigentümers hergestellt wird, während die Produkte einheimischer Unternehmen nicht verboten werden. (…) Obwohl die EU und die USA entwickelte Volkswirtschaften sind, können sich für Investoren noch immer Probleme ergeben, die ihre Investitionen betreffen und die jeweilige Gerichtsbarkeit nicht wirksam zu behandeln vermag. (…) Die Einbeziehung von Maßnahmen zum Schutz von Investoren wird weder Regierungen davon abhalten, Gesetze zu erlassen, noch dazu führen, dass Gesetze aufgehoben werden. Im besten Fall kann sie bewirken, dass Schadenersatz gezahlt wird. (…) Die Europäische Kommission erkennt an, dass das System verbessert werden kann und hat die neuen Vorschriften der Vereinten Nationen für die Transparenz der Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten sehr aktiv mitentwickelt.“17 Die Kommission betont, dass in Zukunft ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen dem Regulierungsrecht der Staaten und dem notwendigen Schutz der Investoren gefunden werden muss. Das Schiedsverfahren müsse über jeden Zweifel erhaben sein, was die Transparenz, die Benennung von Schiedsrichtern und die Verfahrenskosten anbelangt. Insbesondere gehe es um eine Klarstellung und Verbesserung der Investitionsschutzbedingungen: „In künftigen EU-Abkommen werden detaillierte Vorschriften enthalten sein, die den Schiedsrichtern Leitlinien an die Hand geben, mit deren Hilfe sie beurteilen können, ob eine staatliche Maßnahme eine indirekte Enteignung darstellt. Vor allem wenn der Staat das öffentliche Interesse auf nicht diskriminierende 15 Vgl. zur ausführlichen Darstellung der kritischen und befürwortenden Positionen zu TTIP auch Beck, Nils; Ohr, Renate (2014), S. 348, vgl. Fn 5. 16 Pressemitteilung der Europäische Kommission vom 27. März 2014, Memo/14/206. Abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-206_de.htm (letzter Abruf 21. Juli 2014). Vgl. auch http://trade.ec.europa.eu/consultations/index.cfm?consul_id=179 (letzter Abruf am 17. Juli 2014). 17 Europäische Kommission, Häufig gestellte Fragen, Antwort auf die Frage „Warum nimmt die EU die Beilegung von Investor-Streitigkeiten in die TTIP auf ?“: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/questions-andanswers /index_de.htm (letzter Abruf am 17. Juli 2014). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 8 Weise schützt, sollte sein Regulierungsrecht Vorrang haben vor den wirtschaftlichen Auswirkungen seiner Maßnahmen auf den Investor.“ Bezüglich der Normbegriffe der „gerechten und billigen Behandlung“ hält die Kommission fest, dass die „Gerichte bisher einen erheblichen Auslegungsspielraum hatten, der dazu führte, dass den Investoren entweder zu viele oder wenige Rechte eingeräumt wurden.“ Daher werde in EU- Abkommen künftig genau festgelegt, welche Aspekte erfasst und somit verboten sind.18 2.2.2. Ausgewählte Stellungnahmen einzelner Akteure Die Bundesregierung erachtet ein eigenes Kapitel zum Investorenschutz in der TTIP nicht für notwendig. Dies hat sie vor Einleitung der öffentlichen Konsultation betont. Die USA als Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OSZE) gewähre EU- Investoren hinreichenden Schutz vor nationalen Gerichten. Im umgekehrten Fall hätten US- Investoren in der EU hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Bundesregierung habe dem umfassenden Mandat für Verhandlungen zwischen Kommission und US-Verhandlungsführern nur mit der Maßgabe zugestimmt, dass die endgültige Entscheidung über die Aufnahme von Investitionsschutzbestimmungen in das Abkommen nach Vorlage des Verhandlungsergebnisses und Evaluierung durch die Mitgliedstaaten erfolgt.19 Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnt in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Konsultation ein Investitionsschutzkapitel in einem Handelsabkommen zwischen der EU und den USA grundsätzlich ab. „Ein solches Kapitel birgt zahlreiche Gefahren für die Regulierungsfähigkeit von Parlamenten und Regierungen und das öffentliche Wohl und bringt keine erkennbaren Vorteile mit sich.“20 Grundlegende Probleme sieht der DGB bei bestehenden Investitionsschutzabkommen darin, dass – die Bestimmungen eine Besserstellung der ausländischen Investoren gegenüber inländischen Investoren darstellen, – spezielle Klagerechte für Investoren gegen Staaten im Rahmen des ISDS eine Umgehung der ordentlichen nationalen Gerichtsbarkeit ermöglichen, 18 Europäische Kommission (2013). Kurzdarstellung. Investitionsschutz und Beilegung von Investor-Staat- Streitigkeiten in EU-Abkommen, S. 2. Abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-292_de.htm (letzter Abruf am 17. Juli 2014). 19 BT-Drs. 17/14787 vom 24. September 2013, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD „Transatlantische Handels- und Investment-Partnerschaft“, S. 2. 20 Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur öffentlichen Konsultation zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Streitbeilegung im Rahmen der TTIP vom 24. Juni 2014, S. 2. Abrufbar unter: http://www.dgb.de/themen/++co++7e662d32-05cb-11e4-ab5b-52540023ef1a (letzter Abruf am 21. Juli 2014). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 9 – ungenaue Definitionen von Ansprüchen der Investoren wie „faire und gerechte Behandlung“ oder Kompensation bei „indirekter Enteignung“ dazu führen, dass beliebige staatliche Regulierungen als Verstoß gegen diese Investorenansprüche gewertet werden, – die Schiedsrichter unter Umständen Interessenkonflikten unterliegen, weil sie zum Teil an anderer Stelle als Anwälte von Investoren auftreten und – die Verfahren bei ISDS intransparent sind.21 In einem künftigen Investitionsschutzregime müsste garantiert sein, dass – es keine Einschränkung staatlicher Regulierungsfähigkeit durch Investitionsschutz gibt, – kein ISDS und keine Umgehung der nationalen Gerichte existieren und – in keinem Fall unklare Definitionen von „indirekter Enteignung“, „fairer und gerechter Behandlung“ und anderen Rechtsbegriffen eine weite Auslegung ermöglichen. Zudem sollte geprüft werden, inwieweit den Investorenrechten auch Investorenpflichten etwa zur Einhaltung sozialer und ökologischer Standards an die Seite gestellt werden können.22 Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärt in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Konsultation, dass zwischen Ländern, die über entwickelte Rechtssysteme verfügen, die Verbindung von Handels- und Investitionsschutz nicht zwingend sei. Investoren seien auch ohne völkerrechtliches Abkommen nicht schutzlos. Der Investitionsschutz stelle für deutsche Unternehmen im Rahmen von TTIP „kein Schlüsselthema“ dar, wobei allerdings der Modellcharakter von TTIP für weitere Handelspartner zu berücksichtigen sei. Sollte es ein Kapitel zum Investitionsschutz in TTIP geben, dann bedürfe es eines hohen Schutzniveaus und klar definierter Regelungen für Enteignung, Diskriminierung und unfaire Behandlung. Die Regulierungsfreiheit eines Staates dürfe nicht ausgehebelt werden.23 Risiken bergen Investitionsschutzklauseln, wenn sie unpräzise Bestimmungen beispielsweise darüber enthalten, was ein „legitimes“ öffentliches Interesse darstellt oder was als eine „indirekte Enteignung“ angesehen werden kann.24 21 Stellungnahme des DGB vom 24. Juni 2014, S. 2ff, vgl. Fn 20. 22 Stellungnahme des DGB vom 24. Juni 2014, S. 3ff, vgl. Fn 20. 23 Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zur EU-Konsultation zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Streitbeilegung im Abkommen über eine Transatlantische Handels und Investitionspartnerschaft (TTIP) vom 11. Juli 2014. Abrufbar unter: http://www.dihk.de/themenfelder/recht-steuern/eu-internationales-recht/recht-dereuropaeischen -union/dihk-positionen-zu-eu-gesetzesvorhaben (letzter Abruf am 21. Juli 2014). 24 Beck, Stefan; Scherrer, Christoph (2014), S. 52, vgl. Fn 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 10 In den Erläuterungen der Kommission im Rahmen der öffentlichen Konsultation heißt es zum Begriff der „indirekten Enteignung“ („indirect expropriation“/“equivalent to expropriation“): „Indirect expropriation has been a source of concern in certain cases where regulatory measures taken for legitimate purposes have been subject to investor claims for compensation, on the grounds that such measures were equivalent to expropriation because of their significant negative impact on investment. Most investment agreements do not provide details or guidance in this respect, which has inevitably left arbitral tribunals with significant room for interpretation. The objective of the EU is to clarify the provisions on expropriation and to provide interpretative guidance with regard to indirect expropriation in order to avoid claims against legitimate public policy measures. The EU wants to make it clear that nondiscriminatory measures taken for legitimate public purposes, such as to protect health or the environment , cannot be considered equivalent to an expropriation, unless they are manifestly excessive in light of their purpose. The EU also wants to clarify that the simple fact that a measure has an impact on the economic value of the investment does not justify a claim that an indirect expropriation has occurred.”25 Bezüglich der Begriffe der „fairen und gerechten Behandlung“ („fair and equitable treatment“) heißt es in den Erläuterungen der Kommission im Rahmen der öffentlichen Konsultation: „ (…) a state could be held responsible for a breach of the fair and equitable treatment obligation only for breaches of a limited set of basic rights, namely: the denial of justice; the disregard of the fundamental principles of due process; manifest arbitrariness; targeted discrimination based on gender, race or religious belief; and abusive treatment, such as coercion, duress or harassment. This list may be extended only where the Parties (the EU and the US) specifically agree to add such elements to the content for the standard , for instance where there is evidence that new elements of the standard have emerged from international law. (…) The intention is to make clear that an investor cannot legitimately expect that the general regulatory and legal regime will not change. Thus the EU intends to ensure that the standard is not understood to be a “stabilisation obligation”, in other words a guarantee that the legislation of the host state will not change in a way that might negatively affect investors.”26 Der DGB hält die Definition der Begriffe nach wie vor für nicht ausreichend bzw. für nicht eng genug definiert. Der EU-Vorschlag gebe den Vertragsparteien die Möglichkeit, die Liste dessen, was als Verstoß gegen das Gebot der „fairen und gerechten“ Behandlung zu bewerten ist, zu modifizieren . Damit würde eine sinnvolle enge Begrenzung behindert. Bezüglich des Begriffs der „indirekten Enteignung“ müsse grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass allgemeingültige Regulierungen als Enteignung definiert werden können. Der Begriff der Enteignung solle sich nur auf solche Fälle beschränken, in denen sich der betreffende Gaststaat Investitionen tatsächlich für seinen eigenen Gebrauch oder zum Nutzen Dritter aneigne.27 25 Public consultation on modalities for investment protection ISDS in TTIP, Frage 4. Da die Konsultation abgeschlossen wurde, ist das Dokument mit den Fragen und Erläuterungen als Anlage beigefügt. Im Internet ist das Dokument weiterhin als pdf abrufbar (letzter Abruf am 23. Juli 2014). 26 Public consultation on modalities for investment protection ISDS in TTIP, Frage 3, vgl. Fn 25. 27 Stellungnahme des DGB vom 24. Juni 2014, S. 5 und 6 (Frage 3 und 4), vgl. Fn 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 11 Der DIHK fordert, weitere Formen ungerechter Behandlung zu prüfen, die über die Auflistung der EU-Kommission hinausgehen und hinterfragt, ob tatsächlich ein abschließender Katalog mit relevanten Fällen gebildet werden sollte. Ein solcher Katalog könnte relevante Fälle ausschließen und dadurch das Investitionsschutzniveau insgesamt absenken. Den Kriterienkatalog zur Auflistung von Fällen einer indirekten Enteignung hält der DIHK für sinnvoll, aber auch dieser sollte nicht abschließend sein.28 3. Auswirkungen von TTIP und ISDS Im Folgenden werden Fragen zur Mitbestimmung und zum Arbeitnehmerschutz behandelt. Da es, wie einleitend bereits dargestellt, keine Informationen über bereits vereinbarte Verhandlungspunkte gibt, werden Positionen, Stellungnahmen und Studien herangezogen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Fragen 1 bis 6 nicht gänzlich beantwortet werden können. Zu den Fragen 2,3 und 6 ließ sich auch im Rahmen einer unterstützenden Recherche durch die Bibliothek des Deutschen Bundestags keine weiterführende Literatur finden. 3.1. Unternehmensmitbestimmung TTIP wird nach Auskunft der Bundesregierung keine nachteiligen Auswirkungen auf arbeitsrechtliche Standards in Deutschland und Europa haben. Ziel der Verhandlungen sei vielmehr, ein hohes Arbeitsschutzniveau zu fördern.29 Der Schutz gegen indirekte Enteignung in Investitionsförder- und -schutzverträgen kann nach Ansicht der Bundesregierung so ausgestaltet werden, dass allgemeine und angemessene Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen, die in demokratischen Entscheidungen rechtsstaatlich zustande kommen, nicht ausgehebelt und umgangen werden. Ein Investitionsschutzkapitel dürfe nicht so ausgestaltet werden, dass dieser gesetzgeberische Spielraum eingeschränkt wird.30 Inwieweit TTIP und Investorenschutzklauseln möglicherweise Auswirkungen auf das deutsche System der betrieblichen Mitbestimmung haben können, wird in der wissenschaftlichen Literatur nicht erörtert. Kritisch diskutiert wird jedoch seit einigen Jahren insbesondere von Gewerkschaftsseite die „Europäisierung des Gesellschaftsrechts“, die zu „Lücken im Schutzbereich der Unternehmensmitbestimmung“ geführt habe.31 28 Stellungnahme des DIHK vom 11. Juli 2014, S. 5 und 6, vgl. Fn 23. 29 BT-Drs. 18/1118 vom 10. April 2014, S. 13, vgl. Fn 7. 30 BT-Drs. 18/1120 vom 10. April 2014, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katharina Dröge, Jürgen Trittin, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Erfahrungen, Bedeutung und zukünftiger Umgang mit Klauseln zu Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren als Teil von bilateralen Freihandelsabkommen“, S. 5. 31 Thannisch, Rainald (2010). Die Mitbestimmung im Kontext europäischer Herausforderungen, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, S. 1. Abrufbar unter: http://www.fes.de/wiso/content/publikationen/p_arbeit_betrieb_politik.php (letzter Abruf am 22. Juli 2014). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 12 Als problematisch wird die rechtlich umstrittene, aber in der Praxis vorzufindende Gründung sogenannter „Scheinauslandsgesellschaften“ angesehen, also deutsche Personengesellschaften mit ausländischem Komplementär. Ebenso die Möglichkeit der Gründung von nicht mitbestimmten Unternehmen ausländischer Rechtsform, die ihren Verwaltungssitz oder Zweigniederlassung in Deutschland haben. Des Weiteren können Unternehmen mit nationaler Rechtsform eine europäische Rechtsform - die Europäische Aktiengesellschaft (SE) oder die Europäische Genossenschaft (SCE) - annehmen und sich dadurch der Unternehmensmitbestimmung entziehen.32 Kapitalgesellschaften der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) können sich nach jüngerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der ursprünglichen Rechtsform des Gründungsstaates in Deutschland niederlassen und tätig werden. Daraus folgt, dass deutsche Unternehmer als Rechtsträger für ihre heimischen Aktivitäten eine ausländische Gesellschaft verwenden und ausländisches Gesellschaftsrecht anwenden können. Davon betroffen ist die Unternehmensmitbestimmung, nicht aber die betriebliche Mitbestimmung . Diese ist im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)33 verankert, welches nicht an das Unternehmen und dessen Rechtsform, sondern an den jeweiligen Betrieb anknüpft.34 Unternehmen mit ausländischen Rechtsformen fallen aus dem deutschen Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)35 und aus dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG)36 heraus. Während in einer deutschen Aktiengesellschaft oder GmbH mit mehr als 2.000 Mitarbeitern die Arbeitnehmer die Hälfte der Aufsichtsräte stellen und bei mehr als 500 bis 2.000 Mitarbeitern der Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern besteht, haben die Beschäftigten zum Beispiel in der ausländischen Rechtsform einer „Limited“ (Ltd.) keinen Anspruch auf eine solche Vertretung im Aufsichtsrat .37 Die Hans-Böckler-Stiftung hat in einer empirischen Untersuchung ermittelt, dass sich die Zahl der deutschen Personengesellschaften mit ausländischen Komplementär, die aufgrund ihrer Be- 32 Thannisch, Rainald (2010), S. 2ff, vgl. Fn 31. 33 Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBL. I S. 2581), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 4 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist. 34 Sick, Sebastian; Pütz, Lasse, Der deutschen Unternehmensmitbestimmung entzogen: Die Zahl der Unternehmen mit ausländischer Rechtsform wächst, in: WSI-Mitteilungen 1/2011, S. 34-40 (S. 34). Abrufbar unter: http://www.boeckler.de/wsi-mitteilungen_25517.htm (letzter Abruf am 22. Juli 2014). 35 Mitbestimmungsgesetz vom 4. Mai 1976 (BGBl. I S. 1153), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 113 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl: I S. 3044) geändert worden ist. 36 Drittelbeteiligungsgesetz vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 114 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist. 37 Sick, Sebastian; Pütz, Lasse (2011), S. 39, vgl. Fn 34. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 13 schäftigtenzahlen von mehr als 500 bzw. 2000 Arbeitnehmern in den mitbestimmungsrelevanten Bereich fallen, von 17 auf 29 erhöht hat. Bis Oktober 2010 ist die Zahl weiter auf 43 gestiegen.38 Von einer „Flucht“ in eine ausländische Rechtsform, um die Mitbestimmung infrage zu stellen, kann angesichts der Zahlen aber nicht gesprochen werden.39 Europäisches Recht hat lediglich die Möglichkeit der „Mitbestimmungsvermeidung“ vergrößert.40 Ob sich diese Tendenz durch TTIP verstärkt, wird derzeit in der wissenschaftlichen Literatur nicht diskutiert. 3.2. Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation Die internationale Arbeitsorganisation (IAO) hat 1998 eine Erklärung über grundlegende Prinzipien der Rechte bei der Arbeit und ihre Folgemaßnahmen verabschiedet. Alle Mitgliedstaaten müssen folgende grundlegenden Rechte einhalten, fördern und verwirklichen: – die Vereinigungsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen, – die Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, – die effektive Abschaffung der Kinderarbeit sowie – die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.41 Die USA haben unter anderem das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen nicht unterzeichnet. Die exakte Formulierung der Normen ist teilweise nicht mit der nationalen Gesetzgebung konform bzw. fällt in die Zuständigkeit der US-Bundesstaaten. Die Gesetzeslage in den USA stimmt jedoch im Wesentlichen mit den Kernarbeitsnormen überein.42 In der Diskussion um mögliche Auswirkungen auf den Arbeitnehmerschutz im Rahmen von TTIP wird teilweise auf die Möglichkeiten sogenannter Globaler Rahmenabkommen (GRA) ver- 38 Sick, Sebastian (2008). Mitbestimmungsrelevante Unternehmen mit ausländischen/kombiniert ausländischen Rechtsformen, Düsseldorf, S. 3; Böcklerimpuls 2/2011 „Arbeitnehmer in Unternehmen mit ausländischer Rechtsform benachteiligt“, S. 4. Abrufbar unter: http://www.boeckler.de/110.htm (letzter Abruf am 22. Juli 2014). 39 Sick, Sebatian, Pütz, Lasse (2011), S. 38, vgl. 34. 40 Sick, Sebastian, Die Europäische Privatgesellschaft – Damoklesschwert für die Mitbestimmung? Anforderung an das Statut einer Europäischen Privatgesellschaft aus mitbestimmungspolitischer und –rechtlicher Sicht, in: Arbeit und Recht (AuR), Ausgabe 4, 2011, S. 155-159 (S. 155). 41 Vgl. Erläuterungen zu den Kernarbeitsnormen auf der Homepage der IAO. Abrufbar unter: http://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen/lang--de/index.htm Letzter Abruf am 22. Juli 2014). 42 Busse, Matthias; Grossmann, Harald, Handelsbezogene Aspekte sozialer Mindesstandards, in: Wirtschaftsdienst 2/2003, S. 125-129 (S. 126). Kettelför, Susanne (2014), S. 8, vgl. Fn 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 14 wiesen.43 Sie stellen ein Instrument zur globalen Regulierung von Arbeitsbeziehungen auf der Grundlage der Kernarbeitsnormen der IAO dar. In einem dreijährigen Forschungsprojekt wurden GRA von einem interdisziplinären und internationalen Wissenschaftlerteam empirisch untersucht .44 3.2.1. Globale Rahmenabkommen GRA sind als bilaterale Abkommen angelegt, die von Transnationalen Unternehmen (TUN) und Globalen Gewerkschaftsföderationen (GGF) ausgehandelt und unterschrieben werden. Sie sollen ein Fundament für die Regulierung von Arbeitsbedingungen legen und sich primär auf die Kernarbeitsnormen und andere Konventionen der IAO beziehen.45 In den USA setzen Gewerkschaften aus dem Dienstleistungssektor die GRA ein; amerikanische Gewerkschaften aus dem Metall- und Transportsektor sind den GRA gegenüber eher kritisch eingestellt .46 Im Rahmen eines Forschungsvorhabens zur Implementierung von GRA wurde auch eine Studie in den USA durchgeführt. In der Zusammenfassung heißt es unter anderem: „In light of the initiation of negotiations over a Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), it is essential for organized labor on both sides oft the Atlantic to push for the inclusion of better and more comprehensive labor standards. Global Framework Agreements, based on the ILO Core Labor Standards, are an initial step in that direction.”47 43 Vgl. Kettelför, Susanne (2014), S. 8, vgl. Fn 6. 44 Vgl. ausführlich Fichter, Michael, Globale Gewerkschaftsarbeit: Organisatorische und Handlungspolitische Ansätze, in: Rüb, Stefan; Müller Torsten (Hrsg.). Arbeitsbeziehungen im Prozess der Globalisierung und Europäischen Integration, Baden-Baden: Nomos, S. 67-80. Bestand der Bibliothek des Deutschen Bundestags: Sign. P 5143804. Vgl. auch die Informationen auf der Homepage der Hans-Böckler-Stiftung. Abrufbar unter: http://www.boeckler.de/11145.htm?projekt=S-2008-141-2%20F (letzter Abruf am 23. Juli 2014). Vgl. auch die Informationen auf der Homepage der Freien Universität Berlin. Abrufbar unter: http://www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/forschung/oekonomie/gewerkschaftspolitik/forschung/ifa_project (letzter Abruf am 23. Juli 2014). 45 Fichter, Michael, Sydow, Jörg u.a. (2012). Arbeitsbeziehungen globalisieren. Mit Rahmenabkommen auf Kurs gebracht? hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, S. 1. Abrufbar unter: http://www.fes.de/gpol/inhalt/publikationen_gewerkschaft1.php (letzter Abruf am 22. Juli 2014). 46 Fichter, Michael; Sydow, Jörg u. a. (2012), S. 5, vgl. Fn 45. 47 Fichter, Michael; Stevis, Dimitirs (2013). Global Framework Agreements in the USA: An Assessment of their Implementation and Impact, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Washington, S. 1. Abrufbar unter: http://library.fes.de/cgibin /populo/digbib.pl?f_SET=perspective%20%20fes%20washington&t_dirlink=x&sortierung=ser (letzter Abruf am 22. Juli 2014). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 15 Ganz im Gegensatz zur institutionalisierten Sozialpartnerschaft in Deutschland, sind Partnerschaftsbeziehungen zwischen Unternehmensleitung und Gewerkschaft in den USA nur in Ausnahmefällen vorzufinden, wie beispielsweise in den 1980er und 1990er Jahren in den Branchen der Auto-, Luftfahrt- und Stahlindustrie.48 Gewerkschaften haben es in den USA mit einer zunehmend ablehnenden Haltung sowohl in den Unternehmen als auch in der Gesellschaft zu tun und müssen einen deutlichen Mitgliederschwund hinnehmen.49 TTIP wird in diesem Zusammenhang als Herausforderung in Bezug auf die Sicherung von arbeitsrechtlichen Standards gesehen: „ A trade and investment agreement between the USA and the EU is am momentous challenge and opportunity for labor for a variety of reasons. First, it is an agreement between two of the world`s largest regional economies. It is not an exaggeration to say that its provisions will have an impact – not necessarily positive – well beyond the USA and the EU. (…) While labor standards in the EU are generally higher and more comprehensive, there is clear evidence that not only the US but also the EU is marked by an extensive fragmentation and patchwork of standards. Labor law and regulation is mostly within the jurisdiction of the EU member states and the differences in levels of protection for workers from member state to another is self-evident; where labor regulation has been Europeanized, the trend has been toward more market and less regulation. To throttle this trend and strengthen labor standards in both the US and the EU will require a massive transatlantic effort on the part of labor.” Ein mögliches Politikinstrument zur Sicherung von Standards in den Arbeitsbeziehungen können nach Ansicht der Wissenschaftler die GRA sein.50 Die Haltung der US-Gewerkschaften gegenüber TTIP ist nicht einheitlich. Der amerikanische Gewerkschaftsverband „American Federation of Labor and Congress of Industrial Organization (AFL-CIO) lehnt die Verhandlungen nicht ab, da es sich bei der EU um einen Staatenbund mit höheren Arbeitsstandards handelt. Die Gewerkschafter erhoffen sich dadurch eine Anhebung der eigenen Standards auch in den heimischen Unternehmen. Die Gewerkschaft „Communication Workers of America“ (CWA) hingegen hat eine Kampagne mit dem Titel „Fair Trade not Free Trade“ gestartet.51 48 Fichter, Michael; Greer, Ian, Sozialpartnerschaft als Gewerkschaftsstrategie – Beispiele aus fünf Ländern, in: WSI-Mitteilungen 9/2003, S. 541-548 (S. 542 und 544). Abrufbar unter: http://www.boeckler.de/wsi-mitteilungen_24254.htm (letzter Abruf am 22. Juli 2014). 49 Fichter, Michael; Stevis, Dimitris (2013), S. 2, vgl. Fn 47. 50 Fichter, Michael; Stevis, Dimitris (2013), S. 3, vgl. Fn 47. 51 Kettelför, Susanne (2014), S. 7, vgl. Fn 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 100/14 Seite 16 4. Fazit Die „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ zwischen der EU und den USA steht vor der letzten Verhandlungsrunde; geplant ist ein Abschluss im kommenden Jahr. Befürchtungen, dass Arbeitnehmerrechte eingeschränkt und Arbeitsstandards im Zuge des Freihandelsabkommens abgesenkt werden könnten, werden insbesondere von den Gewerkschaften vorgebracht und diskutiert. In diesem Zusammenhang sind vor allem der Investorenschutz und das ISDS stark umstritten. Es wird befürchtet, dass nationale gesetzliche Regelungen von Investoren mit der Begründung einer indirekten Enteignung oder einer unfairen Behandlung angegriffen werden könnten. In diesem Zusammenhang wird das Verfahren vor internationalen Schiedsgerichten als intransparent und unpräzise kritisiert. Auch der DIHK als ein weiterer Akteur ist der Auffassung, dass ein eigenes Kapitel über den Investorenschutz und das ISDS nicht notwendig ist. Dies sei kein „Schlüsselthema“ für deutsche Unternehmen, da beide Staaten eine ausreichende Rechtssicherheit böten. Die EU-Kommission und die Bundesregierung betonen, dass die geltende Rechtslage in den EU- Mitgliedstaaten auch hinsichtlich der Standards in den industriellen Arbeitsbeziehungen von TTIP nicht betroffen sein werde. Eine Ausgestaltung des Investorenschutzes, die den Mitgliedstaaten ausreichenden Spielraum für Regulierungen lasse, ist nach Ansicht der Bundesregierung möglich. Die EU-Kommission will die Investitionsschutzbestimmungen und das Verfahren zur Investor- Staat-Sreitbeilegung verbessern. Begriffe wie „indirekte Enteignung“ und „faire und gerechte Behandlung “ sollen präzisiert werden und zur Klarstellung beitragen, um das Regulierungsrecht der Parteien zu stärken. Das Verfahren vor internationalen Schiedsgerichten soll transparenter werden .52 52 Europäische Kommission (2013), S. 2, vgl. Fn 18.