© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 097/19 Arbeitszeitkonten Rechtliche Vorgaben zur Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 097/19 Seite 2 Arbeitszeitkonten Rechtliche Vorgaben zur Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 097/19 Abschluss der Arbeit: 7. August 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 097/19 Seite 3 1. Einleitung Das Arbeitszeitkonto ist ein Gestaltungsmittel zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Vereinfacht dargestellt besteht dies darin, dass die Vertragsparteien - bei verstetigter Vergütung - arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich eine Arbeitszeit (Soll-Stundenzahl) festlegen, die mit der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit (Ist-Arbeitszeit) saldiert wird.1 Dazu werden Plus- und Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben oder abgezogen. Das Zeitkonto erfasst somit die Differenz zwischen Soll- und Ist-Arbeitsstunden. Plusstunden, also Stunden die über die vereinbarte Soll- Arbeitszeit hinaus geleistet wurden, werden zu einem späteren Zeitpunkt durch Freizeit ausgeglichen . Minusstunden, also Stunden die weniger als die vereinbarte Soll-Arbeitszeit geleistet wurden, werden durch eine spätere Mehrarbeit abgebaut.2 Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden um Auskunft darüber gebeten , welche Vorgaben das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in Bezug auf den Ausgleich von Plus- und Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto enthält. 2. Vorgaben nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) Grundsätzlich lässt das Arbeitsrecht den Vertragsparteien bei der Ausgestaltung solcher Arbeitszeitkonten einen großen Gestaltungsspielraum. Jedoch müssen auch bei einer flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit die arbeitszeitgesetzlichen Bestimmungen über die werktägliche Höchstarbeitszeit eingehalten werden. 2.1. Werktägliche Arbeitszeit Gemäß § 3 Satz 1 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Werktage sind alle Tage mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, also grundsätzlich Montag bis Samstag, das Gesetz geht mithin von einer Sechstagewoche und einer grundsätzlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden aus.3 2.2. Verlängerung der Höchstarbeitszeit und Ausgleichszeitraum Die werktägliche Arbeitszeit kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden, § 3 Satz 2 ArbZG. Dies bedeutet, dass die höchstzulässige 1 Auf sogenannte Ansparkonten, Lebensarbeitskonten oder Langzeitkonten wird vorliegend nicht eingegangen. 2 Bayreuther, NZA-Beilage 2018, 103, 103. 3 Ünsal in: Grobys/Panzer-Heemeier, Stichwortkommentar Arbeitsrecht, 3. Aufl., Edition 8, Stand 2019, Arbeitszeit , Rn. 16; Kock in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Online-Kommentar, Arbeitsrecht, 52. Edition , Stand 1. Juni 2019, ArbZG § 3, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 097/19 Seite 4 Wochenarbeitszeit 60 Stunden beträgt.4 Dabei muss jedoch jede Arbeitszeit, die über acht Stunden werktäglich hinausgeht, innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Ausgleichszeitraums durch eine entsprechend kürzere Arbeitszeit an anderen Werktagen ausgeglichen werden.5 Der Gesetzgeber stellt zwei Ausgleichszeiträume zur Wahl: sechs Kalendermonate oder 24 Wochen . Der Kalendermonat beginnt mit dem Ersten des Monats und endet sechs Monate später.6 Weitere Vorgaben enthält das Gesetz nicht. Der Ausgleichszeitraum muss nicht in einem Kalenderjahr liegen ; ausreichend ist, dass es sich um sechs zusammenhängende Monate handelt.7 Bei 24 Wochen ist eine Woche jeder Zeitraum von sieben aufeinander folgenden Tagen; es kann sich um eine Kalenderwoche handeln, notwendig ist dies jedoch nicht. Erforderlich ist wiederum , dass es sich um 24 zusammenhängende Wochen handelt.8 Es kann auch ein kürzerer Ausgleichszeitraum gewählt werden; § 3 ArbZG legt lediglich den Höchstrahmen fest.9 Weitere Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung des Ausgleichszeitraums stellt das Gesetz nicht. Auch wie der Durchschnittswert von werktäglich acht Stunden zu erreichen ist, gibt das ArbZG nicht vor.10 Zu Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto trifft das ArbZG keine Aussagen. 4 Ünsal in: Grobys/Panzer-Heemeier, Stichwortkommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Arbeitszeit , Rn. 16. 5 Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 26. 6 So die h. M.: Wichert in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, ArbZG § 3, Rn. 17; Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 29; Growe in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath , 4. Auflage 2017, Arbeitsrecht, ArbZG, § 3, Rn. 8; a.A.: Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, ArbZG § 3, Rn. 7 (Zeitmonate). 7 Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 29. 8 Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 31. 9 Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, ArbZG § 3, Rn. 8; Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz , 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 31. 10 Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 33. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 097/19 Seite 5 2.3. Durchführung des Ausgleichs Der Ausgleich ist durchgeführt, wenn innerhalb des festgelegten Zeitraums die Summe der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden die Summe der zulässigen Höchstarbeitszeit nicht übersteigt. Dabei muss der Arbeitgeber den Ausgleichszeitraum nicht von vornhinein festlegen.11 Nach überwiegender Auffassung muss der Ausgleichszeitraum nicht notwendig der verlängerten Arbeitszeit zeitlich nachfolgen.12 Es ist danach vielmehr ausreichend, wenn innerhalb eines beliebig gewählten Zeitraums von sechs zusammenhängenden Kalendermonaten oder 24 Wochen, in denen der verlängerte Arbeitstag lag, maximal acht Stunden im Durchschnitt werktäglich erreicht werden.13 Unerheblich ist daher, ob die Tage mit verlängerter oder verkürzter Arbeitszeit am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Ausgleichszeitraums liegen.14 In der Praxis bestimmt meist der Arbeitgeber aus Praktikabilitätsgründen die Lage des Ausgleichszeitraums . Besteht ein Betriebsrat, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu beachten.15 Der Ausgleichszeitraum muss nicht für jeden Arbeitnehmer gesondert bestimmt werden, sondern kann auch abteilungs- oder betriebsübergreifend festgelegt werden.16 Grundsätzlich kommen als Ausgleichstage alle Werktage in Betracht, unabhängig davon, ob an diesen Tagen regelmäßig gearbeitet wird. Sonn- und Feiertage dürfen nicht einbezogen werden.17 Uneinigkeit herrscht in Bezug auf die Frage, inwieweit Urlaubs- und Krankheitstage sowie sonstige Arbeitsbefreiungen bei der Berechnung des Ausgleichszeitraumes zu berücksichtigen sind. Vielfach wird diesbezüglich auf Art. 16 lit. b der EU-Arbeitszeitrichtlinie18 verwiesen, demgemäß Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs (nach Art. 7 EU-Arbeitszeitrichtlinie mindestens vier Wochen ) sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit unbe- 11 Wichert in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, ArbZG § 3, Rn. 20. 12 Wichert in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, ArbZG § 3, Rn. 21; Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, ArbZG § 3, Rn. 7 (mN zur a.A.). 13 Kock in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Online-Kommentar, Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, ArbZG § 3, Rn. 8. 14 Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 35 (mN zu a. A.). 15 Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 37. 16 Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 340. 17 Kock in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Online-Kommentar, Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, ArbZG § 3, Rn. 9. 18 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, Amtsblatt Nr. L 299 vom 18. November 2003, S. 0009 - 0019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 097/19 Seite 6 rücksichtigt zu bleiben haben oder neutral sind. Dementsprechend wird überwiegend dafür plädiert , dass Urlaubstage (nach zum Teil vertretener Ansicht nur bis zur Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs) sowie Krankheitstage nicht heranzuziehen oder neutral sind.19 Arbeitstage, an denen Arbeitnehmer bezahlt oder unbezahlt freigestellt werden (z. B. wegen Arztbesuch, Gerichtstermin , Hochzeit, etc.) können hingegen berücksichtigt werden.20 2.4. Abweichende Regelungen Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ArbZG kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen werden, einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen. Der Ausgleichszeitraum darf dabei maximal zwölf Kalendermonate betragen, § 7 Abs. 8 ArbZG. Auch die Festlegung eines kürzeren Ausgleichszeitraums ist zulässig.21 Weitere Ausnahmenregelungen sind in den §§ 14 und 15 ArbZG enthalten, demgemäß insbesondere in Notfällen und außergewöhnlichen Fällen oder aufgrund von Bewilligungen der Aufsichtsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen abweichende längere tägliche Arbeitszeiten möglich sind. 2.5. Sonderregelungen Sonderregelungen in Hinblick auf die Arbeitszeit gelten im Rahmen des Mutter- und Jugendschutzes sowie für Kraftfahrer und schwerbehinderte Arbeitnehmer.22 3. Fazit Das ArbZG fordert keinen vollständigen Ausgleich des Arbeitszeitkontos innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf „Null“. Maßgeblich ist vielmehr, dass die gesetzlich vorgeschriebenen durchschnittlichen Höchstarbeitszeiten innerhalb des maßgeblichen Ausgleichszeitraums eingehalten werden. Eine absolute Zahl an zulässigen Stunden, die auf dem Arbeitszeitkonto nach Durchführung des Ausgleichs verbleiben dürfen, gibt es nicht. Die Stundenanzahl ist vielmehr abhängig von der 19 Ausführlich mwN dazu: Wichert in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, ArbZG § 3, Rn. 25; Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 43; Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, ArbZG § 3, Rn. 10; ebenso: Kock in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Online-Kommentar, Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, ArbZG § 3, Rn. 9. 20 Wichert in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, ArbZG § 3, Rn. 27; Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 3, Rn. 45; ebenso: Kock in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching , Beckscher Online-Kommentar, Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, ArbZG § 3, Rn. 9; a.A.: Growe in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, 4. Auflage 2017, Arbeitsrecht, ArbZG, § 3, Rn. 14. 21 Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Auflage 2014, § 7, Rn. 59. 22 Kock in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beckscher Online-Kommentar, Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, ArbZG § 3, Rn. 13 bis 16; Wichert in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, ArbZG § 3, Rn. 35 bis 38. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 097/19 Seite 7 Anzahl der im Rahmen des Ausgleichs zu berücksichtigenden Werktage sowie von der Soll-Arbeitszeit , die von der tatsächlich geleisteten Ist-Arbeitszeit abzuziehen ist. In Hinblick auf Minusstunden enthält das ArbZG zudem keinerlei Vorgaben. ***