© 2013 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 096/13 Die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 2 Die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 096/13 Abschluss der Arbeit: 27. November 2013 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Grundsätze zur Vergütung von Mehrleistung 4 3. Bestimmungen im Arbeitszeitgesetz 6 3.1. Arbeitszeitdauer 6 3.2. Nacht- und Schichtarbeit 6 3.3. Abweichende Vereinbarungen 7 3.4. Sonn- und Feiertagsarbeit 7 3.5. Behördliche Aufsicht 8 4. Die Vergütungserwartung 9 4.1. Urteile zur Vergütungserwartung 10 4.1.1. Vergütungserwartung nicht gegeben 10 4.1.2. Vergütungserwartung gegeben 11 5. Das Transparenzgebot für pauschale Abgeltungsklauseln 11 5.1. Urteile zum Transparenz- und Bestimmtheitsgebot 12 5.1.1. Intransparente Klausel 12 5.1.2. Transparente Klausel 13 6. Leistung und Gegenleistung 14 7. Fazit 15 8. Literaturliste 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland wurden im Jahr 2011 rund 1,4 Milliarden bezahlte Überstunden von Arbeitnehmern geleistet. Das entspricht einem Anteil von 2,9 Prozent am gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumen . Zu unbezahlten Überstunden gibt es bislang keine validen Daten, da amtliche Angaben über das Volumen unbezahlter Überstunden nicht vorliegen. 1 Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat jüngst berechnet, dass der Anteil unbezahlter Überstunden am gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumen in etwa genau so hoch sei wie der Anteil bezahlter Überstunden.2 Die Zahl der Überstunden insgesamt und auch die Zahl der unbezahlten Überstunden nehme mit dem beruflichen Status erkennbar zu, so die IWH-Analyse.3 Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte bereits im Jahr 2006 in einer Studie konstatiert, dass der Umfang der bezahlten Überstunden zurückgehe, während unbezahlte und mit Freizeit kompensierte Mehrarbeit zunehme.4 Überstunden seien, so das Fazit der DIW-Studie, von erheblicher wirtschaftlicher, aber auch gesellschaftlicher Bedeutung.5 2. Grundsätze zur Vergütung von Mehrleistung Überstunden entstehen bei der Überschreitung der regelmäßigen betrieblichen bzw. arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Sie können sich zum Beispiel ergeben, wenn der Arbeitgeber anordnet, im Anschluss an die regelmäßige Arbeitszeit die Arbeit fortzusetzen oder wenn Pausen nicht gewährt werden. Von Mehrarbeit spricht man, wenn die tatsächlich geleistete Arbeitszeit die gesetzlich grundsätzlich zulässige Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich gemäß § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) 6 überschritten wird. Unter welchen Bedingungen Mehrarbeit zulässig ist, ergibt sich aus entsprechenden Arbeitszeit-Schutzbestimmungen, insbesondere aus dem ArbZG.7 Ausdrückliche gesetzliche Regelungen für die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit sowie über Zuschläge für Überstunden und Mehrarbeit gibt es in Deutschland nicht. 8 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gibt es auch keinen allgemeinen Rechtsgrund- 1 Brautzsch, Hans-Ulrich u.a. (2012), S. 308-309 mwAnm. 2 Die Berechnungen des IWH zu den unbezahlten Überstunden beziehen sich auf das Jahr 2010. 3 Brautzsch, Hans-Ulrich u.a. (2012), S. 312-313. 4 Anger, Silke (2006), S. 189. 5 Anger, Silke (2006), S. 196. 6 Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 6 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist. 7 Erfurter Kommentar (ErfK)/Preis, 14. Auflage 2014, BGB § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag, Rn 486; Salamon, Erwin u.a. (2013), 1721. 8 Preis, Ulrich; Lindemann, Viola (2011), II M 20 Rz. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 5 satz, dass jede Mehrarbeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist.9 Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und die werktägliche Arbeitszeit werden im ArbZG geregelt. Dieses Gesetz sieht jedoch keine Vergütungsregelungen für Überstunden und Mehrarbeit vor10 und überlässt entsprechende Regelungen den Tarif- bzw. Betriebspartnern und den Vertragsparteien .11 Im Arbeitsleben werden häufig Regelungen über den Ausschluss oder die Gewährung von Überstunden - und Mehrarbeitsvergütungen im Arbeitsvertrag vereinbart. Das gilt auch für Verträge außertariflich entlohnter Führungskräfte.12 Viele Arbeitsverträge enthalten pauschale Abgeltungsklauseln, wonach Überstunden und Mehrarbeit mit dem monatlichen Gehalt abgegolten sind.13 Solche Klauseln galten bislang als zulässig, solange nicht die Grenze der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)14 überschritten wurde.15 Der objektive Tatbestand des Lohnwuchers gemäß § 138 BGB setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ein solches Missverhältnis liegt beispielsweise vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht.16 Eine pauschale Abgeltungsklausel kann demzufolge immer dann als problematisch gewertet werden, wenn sich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung in eklatanter Weise verschiebt . Ein solches Missverhältnis kann gegeben sein, wenn ein außertariflicher Angestellter aufgrund nicht vergüteter Mehrarbeit auf ein geringeres Gehalt kommt als ein tariflicher Angestellter der letzten Tarifgruppe, der eine Überstundenvergütung mit einem Zuschlag von 25 Prozent erhält.17 9 BAG-Urteil vom 21. September 20011, Az. 5 AZR 629/10, 1. Orientierungssatz; BAG-Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10, Rn 21a. 10 ErfK/Preis, 14. Auflage 2014, BGB § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag, Rn 486. 11 Preis, Ulrich; Lindemann, Viola (2011), II M 20, Rz. 1-2. 12 Preis, Ulrich; Lindemann, Viola (2011), II M 20, Rz. 3. 13 Vgl. auch BAG-Urteil vom 16. Mai 2012, Az. 5 AZR 331/11 Rn 18 mwAnm. 14 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 2909; 2003 I S. 738), das durch Artikel 4 Absatz 5 des Gesetzes vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3719) geändert geworden ist. 15 Vgl. u.a. Kock, Martin (2012), S. 1328 mAnm; Bauer, Jobst-Hubertus u.a. (2012), S. 1986. 16 BAG-Urteil vom 22. April 2009, Az. 5 AZR 436/98 Rn 13; BAG-Urteil vom 16. Mai 2012, Az. 5 AZR 331/11 Rn 28. 17 Vgl. Preis, Ulrich, Lindemann, Viola (2011), II M 20 Rz. 12-13 mwLit.anm. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 6 Das BAG hat in mehreren Entscheidungen aus jüngster Zeit präzisiert, unter welchen Voraussetzungen Abgeltungsklauseln unwirksam sein können.18 Im Folgenden werden zunächst die einschlägigen Vorschriften im ArbZG dargestellt. Dann folgen Erläuterungen zur jüngsten Rechtsprechung des BAG über pauschale Abgeltungsklauseln. 3. Bestimmungen im Arbeitszeitgesetz Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt die maximale Länge der werktäglichen Arbeitszeiten, die Ruhepausen und Ruhezeiten, die Nacht- und Schichtarbeit und die Sonn- und Feiertagsbeschäftigung . Zweck des Gesetzes ist es, Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten. Der Sonntag und staatlich anerkannten Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer geschützt. Zudem ist mit dem Gesetz eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten beabsichtigt (§ 1 ArbZG). 3.1. Arbeitszeitdauer § 3 ArbZG ist die Kernvorschrift des Gesetzes, die den Acht-Stunden-Tag nicht als gesetzliche Regelarbeitszeit festlegt, sondern eine Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit auf zehn Stunden unter bestimmten Bedingungen zulässt und eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung ermöglicht .19 Nach dieser Vorschrift darf die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. 3.2. Nacht- und Schichtarbeit Gemäß § 6 ArbZG gilt für Nachtarbeitnehmer wie für die übrigen Arbeitnehmer eine werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden, die abweichend von § 3 jedoch nur dann auf zehn Stunden verlängert werden darf, wenn innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2ArbZG). Für Nachtarbeitnehmer gilt aufgrund der höheren gesundheitlichen Belastung durch Nachtarbeit ein kürzerer Ausgleichszeitraum als für die übrigen Arbeitnehmer. Dieser darf nur durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verlängert werden.20 Nachtarbeitnehmer erhalten für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden entweder Zuschläge auf das Bruttoarbeitsentgelt oder bezahlte freie Tage (§ 6 Abs. 5 ArbZG). Welche Form 18 Vgl. hierzu. Kock, Martin (2012), S. 1328 mwAnm; Bauer, Jobst-Hubertus u. a. (2012), S. 1986. 19 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer, Rn 1. 20 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 6 Nacht- und Schichtarbeit, Rn 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 7 des Ausgleichs der Arbeitgeber wählt, liegt in seinem Ermessen. Es handelt sich bei der Ausgleichsverpflichtung des Arbeitgebers um eine Wahlschuld im Sinne von § 263 BGB.21 3.3. Abweichende Vereinbarungen Gemäß § 7 ArbZG ist es den Tarifparteien gestattet, von den Arbeitszeitgrundnormen der §§ 3 bis 6 ArbZG abzuweichen und entsprechende Regelungen in Tarifverträgen zu treffen. Die Tarifparteien brauchen abweichende Regelungen jedoch nicht selbst zu treffen, sondern sie können vereinbaren , dass Abweichungen von den Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung oder im Rahmen einer Dienstvereinbarung für den öffentlichen Dienst zugelassen werden können.22 Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, die Arbeitszeiten innerhalb eines bestimmten, gesundheitlich vertretbaren Rahmens an die betrieblichen Erfordernisse anzupassen .23 Gemäß § 7 Abs. 5 ArbZG sind abweichende Regelungen von den Grundnormen §§ 3 bis 6 auch in den Bereichen möglich, in denen üblicherweise Regelungen nicht durch Tarifvertrag getroffen werden. Zu diesen Bereichen gehören zum Beispiel Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Unternehmens- und Steuerberater, Arbeitgeber – und Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Industrie- und Handelskammern.24 Hier können Abweichungen von den Aufsichtsbehörden bewilligt werden. Die Aufsichtsbehörde hat in ihrer Ermessensentscheidung die betrieblichen Interessen und die Belange des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gegeneinander abzuwägen.25 3.4. Sonn- und Feiertagsarbeit §§ 9-12 ArbZG regeln die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen. Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer gemäß § 9 Abs. 1 ArbZG an diesen Tagen nicht beschäftigte werden. § 10 Abs. 1 ArbZG enthält einen Katalog von Ausnahmen vom Beschäftigungsverbot. Diese Ausnahmetatbestände stehen allesamt unter dem Vorbehalt, dass Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Der Arbeitgeber benötigt hierfür keine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Behörde, aber er trägt für das ordnungsgemäße Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach § 10 Abs. 1 ArbZG die 21 BAG-Urteil vom 5. September 2002, Az. 9 AZR 202/01, 1. Orientierungssatz. Vgl. auch ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 6 Nacht- und Schichtarbeit, Rn 14. 22 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, § 7 Abweichende Regelungen, Rn 3. 23 BT-Drs. 12/5888 vom 13. Oktober 1993, S. 26. Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts. 24 BT-Drs. 12/5888 vom 13. Oktober 1993, S. 28. Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts. 25 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 7 Abweichende Regelungen Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 8 volle Verantwortung. Bei Auslegungszweifeln kann er nach § 13 Abs. 3 Nr. 1 ArbZG von der Aufsichtsbehörde feststellen lassen, ob eine Sonn- oder Feiertagsbeschäftigung zulässig ist.26 § 11 ArbZG regelt den Ausgleich für Sonn- und Feiertagsarbeit. Grundsätzlich gilt gemäß § 11 Abs. 1 ArbZG, dass mindestens 15 Sonntage im Jahr für den Arbeitnehmer beschäftigungsfrei bleiben müssen. Diese Bestimmung darf nur in den engen Grenzen unterschritten werden, die § 12 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG vorgibt.27 Für Sonntagsarbeit muss ein Ersatzruhetag innerhalb gewisser Fristen gewährt werden (§ 11 Abs. 2 ArbZG). In einem Arbeits- oder Tarifvertrag können Feiertagszuschläge vereinbart werden.28 Abweichungen von § 11 ArbZG sind in bestimmten Grenzen durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zulässig (§ 12 Abs. 1 Nrn. 1-4 Arb ZG). 3.5. Behördliche Aufsicht Gemäß § 17 Abs. 1 ArbZG wird die Einhaltung des ArbZG von den nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden überwacht. In der überwiegenden Zahl der Länder sind dies die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter oder Ämter für Arbeitsschutz.29 Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder. Für den öffentlichen Dienst des Bundes sowie für die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ergibt sich die Überwachungszuständigkeit aus § 17 Abs. 3 ArbZG. Danach werden die Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörde vom zuständigen Bundesministerium oder den von ihm bestimmten Stellen wahrgenommen.30 Die Aufsichtsbehörde kann gemäß § 17 Abs. 2 ArbZG die erforderlichen Maßnahmen anordnen, die der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner sich aus dem ArbZG ergebenden Pflichten zu treffen hat.31 Macht die Aufsichtsbehörde von dieser Anordnungsbefugnis Gebrauch, so handelt es sich hierbei um einen Verwaltungsakt, der der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. In der Ordnungsverfügung kann die Aufsichtsbehörde zugleich Zwangsmittel androhen.32 Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es nicht, etwaige Vergütungs- oder Ausgleichsregelungen in Tarif- oder Arbeitsverträgen zu überprüfen. 26 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 10 Sonn- und Feiertagsbeschäftigung, Rn 1-2. 27 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 11 Ausgleich für Sonn- und Feiertagsbeschäftigung, Rn 1. 28 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 11 Ausgleich für Sonn- und Feiertagsbeschäftigung, Rn 6. 29 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 17 Aufsichtsbehörde Rn 2. 30 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 17 Aufsichtsbehörde Rn 3. 31 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 17 Aufsichtsbehörde Rn 2. 32 ErfK/Wank, 14. Auflage 2014, ArbZG § 17 Aufsichtsbehörde Rn 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 9 4. Die Vergütungserwartung Gemäß § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Umstände der Dienstleistung müssen im Einzelfall für eine zusätzliche Vergütung sprechen.33 Die Norm gilt nicht nur in den Fällen, in denen keine Abreden über eine Vergütung im Arbeitsoder Tarifvertrag getroffen wurde, sondern auch, wenn der Vertrag nach § 138 BGB wegen Lohnwuchers unwirksam ist oder auch nur die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist. Sie wird auch dann angewandt, wenn jemand eine Leistungen in Erwartung einer besonderen Vergütung zunächst unentgeltlich erbringt und später diese Erwartung enttäuscht wird. Des Weiteren findet die Vorschrift Anwendung, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus Sonderleistungen erbracht werden, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten sind und weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind.34 Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabes unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme. Darlegungs - und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt.35 Im Arbeitsverhältnis kann sich eine Vergütungserwartung nach § 612 BGB ergeben, wenn eine in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung nicht den vollen Gegenwert für die erbrachte Dienstleistung darstellt und der Arbeitnehmer über die vertraglich geschuldete Leistung hinaus quantitative Mehrleistungen in Form von Überstunden erbringt.36 Eine Vergütungserwartung kann sich auch daraus herleiten, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen . Das BAG geht deshalb regelmäßig davon aus, dass die - objektive - Vergütungserwartung in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben ist. Sie wird aber fehlen, so das Gericht, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind, Dienste höherer Art geschuldet sind oder insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird. Von letztem Fall könne regelmäßig ausgegangen werden, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreite.37 Wer mit seinem Arbeitsentgelt diese Grenze überschreite, gehöre zu den Besserverdienern, die nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht eines Stundensolls beurteilten würden. 33 ErfK/Preis, 14. Auflage 2014, BGB § 612 Vergütung Rn 18. 34 Erfk/Preis, 14. Auflage 2014, BGB § 612 Vergütung, Rn 2 und 16. 35 BAG-Urteil vom 21. September 2011, Az. 5 AZR 629/10 Rn 31. 36 ErfK/Preis, 14. Auflage 2014, BGB § 612 Vergütung, Rn 18. 37 BAG-Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10, 3. Orientierungssatz. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 10 Ihnen und ihren Arbeitgebern, so das BAG, fehle regelmäßig die Erwartung eines besonderen Entgelts als Gegenleistung für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.38 4.1. Urteile zur Vergütungserwartung Eine Vergütungserwartung sieht des BAG als nicht gegeben an, wenn arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen wie zum Beispiel Provisionen zeitlich verschränkt sind. 4.1.1. Vergütungserwartung nicht gegeben Im Falle eines Büroleiters, der für eine Versicherung tätig war und sowohl eine gleichbleibende monatliche Vergütung für eine bestimmte Wochenarbeitszeit als auch Provisionen für vermittelte Versicherungsverträge erhielt, sah das BAG die Vergütungserwartung als nicht gegeben an. Die Tätigkeiten mit unterschiedlichen Vergütungsregelungen waren zeitlich nicht strikt getrennt, sondern ineinander verschränkt, da der Angestellte während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen durfte.39 Bei einer derartigen Verschränkung arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergüteter Arbeits - bzw. Dienstleistungen lasse sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden im arbeitsbezogen vergüteten Arbeitsbereich nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen, so die Richter des Fünften Senats . Wenn es daran fehle, könne eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart sei.40 Dieser Auffassung ist das BAG auch in einem anderen Fall gefolgt. Demnach ist eine Vergütungserwartung nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine arbeitszeitbezogene Vergütung und zusätzlich für einen Teil seiner Arbeitsaufgaben in nicht unerheblichen Maße Provisionen erhält. Eine Vergütungserwartung sei auch hier nur bei Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte gegeben.41 In diesem Fall ging es um einen Arbeitnehmer, der bei einer Kanzlei für den Bereich Börse angestellt war und ein monatliches Grundgehalt von 2.200 Euro brutto erhielt. Zusätzlich wurde eine Vergütung für eine Vermittlungstätigkeit in Höhe von 10 Prozent des Nettobetrages aus der berechneten Provision vereinbart. Zudem war mündlich vereinbart worden, dass er ein bestimmtes Produkt des Arbeitgebers provisionspflichtig vermitteln sollte. Im Arbeitsvertrag hieß es, dass etwaige Überstunden mit dem Gehalt abgegolten seien. 38 BAG-Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10, 3. Orientierungssatz und Rn 21. 39 BAG-Urteil vom 21. September 2011, Az. 5 AZR 629/10 Rn 32. 40 BAG-Urteil vom 21. September 2011, Az. 5 AZR 629/10 Rn 32. 41 BAG-Urteil vom 27. Juni 2012, Az. 5 AZR 530/11, Orientierungssatz. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 11 Der Arbeitnehmer erzielte 2006 Provisionen in Höhe knapp 8.000 Euro, im Jahr 2007 in Höhe von rund 15.000 Euro und 2008 in Höhe von knapp 13.000 Euro. Er machte mit seiner Klage die Vergütung von 269 Überstunden geltend.42 Auch hier könne eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart sei, so die Richter des Fünften Senats. Denn bei einer Provision komme es typischerweise nicht auf die Erfüllung eines Stundensolls, sondern auf den Erfolg, also die vermittelten Geschäfte, an.43 4.1.2. Vergütungserwartung gegeben Im Falle des Lagerleiters einer Spedition, der für 968 Überstunden in den Jahren 2006 bis 2008 eine Vergütung von seinem Arbeitgeber verlangte, sah das BAG eine Vergütungserwartung im Sinne von § 612 BGB als gegeben an. Denn die Vorschrift sei entsprechend anzuwenden, wenn eine in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung nicht den vollen Gegenwert für die erbrachte n Dienstleistungen darstelle.44 Im Arbeitsvertrag hieß es, dass sich der Arbeitnehmer bei betrieblicher Erfordernis auch zur Mehrarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit verpflichte. Für Überstunden und Mehrarbeit erhalte er keine weitergehende Vergütung. Der Arbeitnehmer erhielt ein monatliches Bruttoentgelt von 1.800 Euro. Die Richter des Fünften Senats kamen hier zu dem Schluss, dass der Lagerleiter einheitliche Arbeitsleistungen erbracht habe, für die er - unter Anwendung eines objektiven Beurteilungsmaßstabes - eine zusätzliche Vergütung nach den Bedingungen seines Arbeitsvertrages erwarten durfte . Er habe keine Dienste höherer Art geleistet und keine deutlich herausgehobene Vergütung erhalten, die in den Jahren 2006 bis 2008 deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze Ost gelegen habe.45 5. Das Transparenzgebot für pauschale Abgeltungsklauseln Pauschale Abgeltungsklauseln sind Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 BGB und können am Transparenzgebot im Sinne von § 307 BGB gemessen werden. Auch eine mündliche Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung.46 42 BAG-Urteil vom 27. Juni 2012, 5 AZR 530/11 Rn 1-6. 43 BAG-Urteil vom 27. Juni 2012, 5 AZR 530/11, Rn 20. 44 BAG-Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10 Rn 10. 45 BAG-Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10 Rn 22. 46 BAG-Urteil vom 16. Mai 2012, Az. 5 AZR 331/11, 1. Orientierungssatz. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 12 Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam , wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das BAG hat in mehreren Urteilen die Anforderungen an eine wirksame Pauschalabrede zur Überstundenvergütung präzisiert. 5.1. Urteile zum Transparenz- und Bestimmtheitsgebot Grundsätzlich hat das BAG festgestellt, dass die in einem Arbeitsvertrag enthaltene Bestimmung, wonach erforderliche Überstunden mit dem Monatsgehalt abgegolten sind, gegen das AGBrechtliche Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße und daher insgesamt unwirksam sei. Aus einer solchen Klausel gehe nicht klar hervor, in welchem Umfang der Arbeitnehmer ohne gesonderte Vergütung zusätzliche Arbeitsleistung zu erbringen habe.47 5.1.1. Intransparente Klausel Strittig war eine vorformulierte Überstundenabgeltungsklausel, die nicht erkennen ließ, wie viele Überstunden tatsächlich von der Klausel erfasst werden sollen. Der Angestellte erhielt ein monatliches Bruttogehalt für 45 Arbeitsstunden in der Woche. Davon galten 38 als Normalarbeitsstunden und 7 als Mehrarbeitsstunden. Die Mehrarbeitsstunden konnten im Falle betrieblicher Erfordernisse jederzeit ganz oder teilweise abgebaut und verrechnet werden. Im Arbeitsvertrag hieß es, dass mit der monatlichen Vergütung alle erforderlichen Überstunden des Arbeitnehmers abgegolten seien. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wies das Arbeitszeitkonto 102 Guthabenstunden aus. Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Klausel gegen das Transparenzgebot verstoße und damit unwirksam sei, da aus ihr nicht hinreichend klar und deutlich hervorgehe, in welchem Umfang Überstunden pauschal abgegolten sein sollten. Das Transparenzgebot schließe jedoch das Bestimmtheitsgebot mit ein. Das Bestimmtheitsgebot werde verletzt, wenn die Pauschalabrede vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthalte.48 Eine Klausel, die die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelt, sei nur dann klar und verständlich , wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, welche Arbeitsstunden von ihr erfasst werden sollen. Andernfalls lasse sich nicht erkennen, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung bestehe. Der Umfang der Leistungspflicht müsse so bestimmt sein oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen könne, was gegebenenfalls auf ihn zukomme und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen müsse. Auf Grund einer unklar abgefassten Pauschalierungsklausel bestehe die 47 BAG-Urteil vom 1. September 2010, Az. 5 AZR 517/09 Leitsatz. 48 BAG-Urteil vom 1. September 2010, Az. 5 AZR 517/09 Rn 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 13 Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend mache.49 Seit dieser Entscheidung stellt das BAG in ständiger Rechtsprechung strenge Anforderungen an die Transparenz von Abgeltungsklauseln. Eine Klausel, die wie die oben genannte pauschal alle denkbaren Überstunden abgelten will und damit nach oben offen ist, wird den Anforderungen des BAG nicht gerecht.50 Im Falle des Lagerleiters, der bei einer Spedition beschäftigt war und Anspruch auf die Vergütung von 968 Überstunden aus den Jahren 2006 bis 2008 (siehe Punkt 3.2.) geltend machte, wurde auch die Vergütungsabrede auf das Transparenzgebot hin geprüft. Das BAG kam hier zu dem Ergebnis, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers enthaltene Klausel , für Überstunden und Mehrarbeit werde keine weitergehende Vergütung geleistet, intransparent sei, wenn der Arbeitnehmer „bei betrieblicher Erfordernis“ in nicht näher konkretisiertem Umfang zu Überstunden verpflichtet sei.51 Zwar führe die Auslegungsbedürftigkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung nicht automatisch zu deren Intransparenz. Doch wenn sich eine Klausel unschwer so formulieren lasse, dass das Gewollte klar zu erkennen sei, führe eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar sei, zu vermeidbaren Unklarheiten.52 5.1.2. Transparente Klausel Eine Klausel allerdings, nach der in der vereinbarten Monatsvergütung die ersten zwanzig Überstunden „mit drin“ seien, ist weder überraschend noch intransparent, hat das BAG in einem späteren Urteil festgestellt.53 In diesem Fall war dem Arbeitnehmer beim Einstellungsgespräch mit dem Personalleiter eines Automobilzulieferers gesagt worden, dass bei der vereinbarten Vergütung die ersten zwanzig Überstunden im Monat „mit drin“ seien. Diese Pauschalabrede ist wirksamer Bestandteil des mündlichen Arbeitsvertrags geworden. Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Klausel nicht ungewöhnlich sei.54 Die Klausel genüge den Anforderungen der Transparenz und Bestimmtheit, denn sie sei klar und verständlich. Aus der Formulierung ergebe sich unmissverständlich, dass mit der Monatsvergütung neben der 49 BAG-Urteil vom 1. September 2010, Az. 5 AZR 517/09, Rn 15. 50 Scheele, Johanna (2012), S. 690. 51 BAG-Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10, 1. Orientierungssatz. 52 BAG-Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/19, Rn 18. 53 BAG-Urteil vom 16. Mai 2012, Az: 5 AZR 331/11, 2. Orientierungssatz. 54 BAG-Urteil vom 15. Mai 2012, Az. 5 AZR 331/11, Rn 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 14 Normalarbeitszeit bis zu zwanzig Überstunden abgegolten seien. Durch die hinreichend bestimmte Quantifizierung wisse der Arbeitnehmer, was auf ihn zukomme.55 Dieses Urteil hat Klarheit darüber geschaffen, dass es zulässig ist, unter Angabe einer bestimmten Anzahl von Überstunden diese auch pauschal abzugelten.56 Im Ergebnis zeigt sich, dass es zur Abgeltung von Überstunden und Mehrarbeit konkreter Regelungen über die Anzahl der abgegoltenen Überstunden bedarf. Problematisch sind insbesondere Klauseln, die generell vorsehen, dass mit dem vereinbarten Gehalt eventuell anfallende Überstunden und Mehrarbeit abgegolten sind. Diese Abreden sind nach der neuesten Rechtsprechung des BAG nicht mehr zulässig.57 6. Leistung und Gegenleistung Die Hauptkritik des BAG richtet sich gegen eine mögliche Intransparenz der Abgeltungsklauseln; allerdings hat es keine Entscheidungen zur Höhe der Überstundenvergütung getroffen. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, so die Richter des Fünften Senats, den gerechten Preis zu ermitteln.58 Einen wichtigen Ausschlag gibt der Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Es geht um die Frage, ob der Mitarbeiter für die geleisteten Überstunden und geleistete Mehrarbeit eine adäquate Vergütung erhält.59 Eine Vertragsgestaltung ist demnach nicht zu beanstanden, wenn die Pauschalabgeltung in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich geleisteten Überstunden steht. Sie muss in einem überschaubaren Zeitraum die Mehrleistung gerecht vergüten. Dabei ist in der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, dass die Pauschale immer, auch während des Urlaubs, unabhängig von den geleisteten Überstunden, gezahlt wird. Eine überproportionale Leistung in einem Monat kann durch eine geringe Überstundenleistung im anderen Monat kompensiert werden.60 Außertarifliche Angestellte dürfen durch die pauschale Abgeltung von Überstunden durch das übertarifliche Gehalt nicht in eine Stundenentlohnung abrutschen, die unter der letzten Tarifgruppe liegt. Hierdurch würde nicht nur das Gegenleistungsverhältnis empfindlich gestört. Eine solche Vertragsgestaltung wäre auch intransparent und überraschend.61 55 BAG-Urteil vom 15. Mai 2012, Az. 5 AZR 331/11, Rn 22. 56 Bauer, Jobst-Hubertus u.a. (2012), S. 1987. 57 Preis, Ulrich; Lindemann, Viola (2011), II M 20 Rz. 17. 58 BAG-Urteil vom 16. Mai 2012, Az. 5 AZR 331/11 Rn 25. 59 Preis, Ulrich; Lindemann, Viola (2011), II M 20, Rz. 23-24. 60 Preis, Ulrich; Lindemann, Viola (2011), II M 20, Rz. 29. 61 Preis, Ulrich; Lindemann, Viola (2011), II M 20, Rz. 30. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 15 7. Fazit Das BAG hat mit mehreren Urteilen zu einer Präzisierung pauschaler Abgeltungsklauseln beigetragen . Diese müssen demnach klar und verständlich formuliert sein und dürfen keine vermeidbaren Unklarheiten und Spielräume zulassen. Demgemäß sollten Klauseln die konkrete Anzahl der Überstunden, die mit der Vergütung abgegolten sind, benennen. Klauseln, die nach oben hin offen sind und keine klaren Begrenzungen der abgegoltenen Überstunden festlegen, sind damit unwirksam. Dem Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss bewusst sein, was möglicherweise auf ihn zukommen kann und wie viele Überstunden er eventuell ohne zusätzliche Vergütung leisten muss. Ausschlaggebend für die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit ist das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Demnach müssen Mehrleistungen adäquat vergütet werden, damit dieses Verhältnis nicht gestört wird. Arbeit in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen wird durch das ArbZG geregelt. Die Vergütung dieser Arbeitszeitlagen kann durch Entgelt oder Freizeit erfolgen. Welche Form der Arbeitgeber wählt, liegt im Sinne von § 263 BGB in seinem eigenen Ermessen. Grundsätzlich sind Vergütungsregelungen Sache der Tarif- bzw. Betriebspartner sowie der jeweiligen Vertragsparteien. Vergütungsregelungen und entsprechende pauschale Abgeltungsklauseln müssen immer, wie im Arbeitsrecht üblich, unter den Bedingungen des jeweiligen Einzelfalls samt seiner besonderen Umstände geprüft werden. 8. Literaturliste Anger, Silke, Zur Vergütung von Überstunden in Deutschland. Unbezahlte Mehrarbeit auf dem Vormarsch, In: DIW-Wochenbericht, Jg. 73 (2006), 15-16, S. 189-196. Bauer, Jobst-Hubertus; Arnold, Christian; Willemsen, Eva Maria, Überstunden und ihre Tücken, In: Der Betrieb, Nr. 35 (2012), S. 1986-1990. Brautzsch, Hans-Ulrich, Drechsel, Katja; Schultz, Birgit, Unbezahlte Überstunden in Deutschland , In: Wirtschaft im Wandel, Jg. 18 (10), 2012, S. 308-315. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14., neu bearbeitete Auflage 2014, hrsg. von Müller-Glöge, Rudi; Preis, Ulrich; Schmidt, Ingrid, München: Beck. Kock, Martin, Pauschalabgeltung von Überstunden, In: Der Betrieb, Nr. 23 (2012), S. 1328-1331. Preis, Ulrich; Lindemann, Viola (2011), Mehrarbeits- und Überstundenvergütung, In: Der Arbeitsvertrag – Handbuch der Vertragsgestaltung, hrsg. von Preis, Ulrich, 4. Auflage, Köln: Schmidt, S. 1147-1167, Rz. 1-55. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 096/13 Seite 16 Salamon, Erwin; Hoppe, Christian; Rogge, Nico, Überstunden im Fokus der jüngeren Rechtsprechung , In: Betriebs-Berater (BB), Zeitschrift für Recht, Steuern und Wirtschaft, 68 (2013), 29, S. 1720-1725. Scheele, Johanna, Aktuelles zur Überstundenvergütung, In: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)-Spezial, 9 (2012), 22, S. 690-691.