© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 087/20 Einzelfragen zur Interessensvertretung der Mitarbeiter einer Fraktion des Deutschen Bundestages Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 2 Einzelfragen zur Interessensvertretung der Mitarbeiter einer Fraktion des Deutschen Bundestages Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 087/20 Abschluss der Arbeit: 6. November 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Die Abschnitte 2 und 5 wurden überwiegend durch Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung ) bearbeitet. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsnatur einer Fraktion 4 3. Betriebsverfassungsrecht 6 3.1. Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats 6 3.2. Mitbestimmung des Betriebsrats 6 3.3. Tendenzschutz 7 3.3.1. Fraktionen als Tendenzbetriebe 7 3.3.2. Absoluter Tendenzschutz 8 3.3.3. Relativer Tendenzschutz 8 3.3.3.1. Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten 9 3.3.3.2. Beteiligung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten 9 3.4. Kündigung eines Betriebsratsmitglieds 10 3.5. Betriebsvereinbarungen 10 4. Personalvertretungsrecht 11 4.1. Allgemeine Aufgaben der Personalvertretung 11 4.2. Beteiligungsrechte des Personalrats 11 4.3. Tendenzschutz 12 4.4. Dienstvereinbarungen 13 5. Einfluss der Diskontinuität nach Art. 39 GG 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 4 1. Einleitung Die kollektivrechtliche Vertretung von Beschäftigten ist für die Betriebe privater Arbeitgeber und öffentlich-rechtliche Dienststellen unterschiedlich geregelt. Sie bestimmt sich für private Betriebe nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und öffentlich-rechtliche Dienststellen nach dem jeweils einschlägigen Personalvertretungsgesetz des Bundes oder eines Bundeslandes. Für den Bereich des Bundes gilt das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). Der vorliegende Sachstand behandelt ausgewählte Einzelfragen im Zusammenhang mit der Errichtung einer Interessenvertretung der Mitarbeiter einer Fraktion des Deutschen Bundestages. Ob in den Bundestagsfraktionen ein Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz zu errichten ist oder eine Personalvertretung nach den Bestimmungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes , hängt mithin maßgeblich davon ab, ob sich eine Fraktion als privatrechtlicher Betrieb oder als öffentlich-rechtliche Dienststelle einordnen lässt.1 2. Rechtsnatur einer Fraktion § 46 des Abgeordnetengesetzes (AbgG), in dem die Rechtsstellung der Fraktionen seit 1994, dem sogenannten Fraktionsgesetz,2 geregelt ist, gibt auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Zwar wird in § 46 Abs. 1 AbgG seitdem die Rechtsfähigkeit der Fraktionen ausdrücklich statuiert. Damit können die Fraktionen im allgemeinen Rechtsverkehr als eigenständige Träger von Rechten und Pflichten auftreten und sind in der Lage, als Fraktion Verträge zu schließen.3 Die Fraktionen fungieren so als Arbeitgeber mit der Folge, dass deren Mitarbeiter in keinem Dienstverhältnis zum Bund, sondern zu ihrer jeweiligen Fraktion stehen.4 In § 46 Abs. 3 AbgG ist ferner geregelt, dass die Fraktionen nicht Teil der öffentlichen Verwaltung sind und keine öffentliche Gewalt ausüben. Sie unterliegen damit in ihrem Handeln nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.5 Diese Regelungen des Fraktionsgesetzes von 1994 führten jedoch nicht zu der endgültigen Klärung der rechtlichen Einordnung einer Fraktion als öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen 1 Siehe hierzu schon Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste, Möglichkeiten der Errichtung einer Interessenvertretung der Abgeordnetenmitarbeiter, Ausarbeitung vom 5. Oktober 2011, WD 6 - 3000 - 145/11, WD 3 - 3000 - 261/11, S. 6 ff. 2 Siehe Sechzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Fraktionsgesetz) vom 11. März 1994, Bundesgesetzblatt Teil I, 1994, S. 526 ff., http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&jumpTo=bgbl194s0526.pdf. 3 Koch, Arbeitsverträge der Mitarbeiter von Fraktionen und Gruppen nach dem Ende der Wahlperiode aus parlamentarischer Sicht, NZA 1998, S. 1160. 4 Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz Kommentar, 2002, § 46 Rn. 4; Koch, NZA 1998, S. 1160. 5 So bereits die Gesetzesbegründung auf Bundestagsdrucksache 12/4756, S. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 5 Arbeitgeber. Zwar hat der Gesetzgeber damals dieses arbeitsrechtliche Problem gesehen, jedoch Abstand davon genommen, dieses im Sinne einer der oben genannten Alternativen zu lösen.6 Auch die Rechtsprechung vermochte diese Frage bisher nicht eindeutig zu entscheiden. So hat das Arbeitsgericht Berlin in einer Entscheidung von 2003 argumentiert, es komme nicht auf die Funktion der Fraktion nach § 46 Abs. 3 AbgG, sondern auf deren Rechtsform als rechtsfähige Vereinigung an, sodass nicht das Bundespersonalvertretungsgesetz sondern das Betriebsverfassungsgesetz anwendbar sei.7 Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einer Entscheidung von 2008 dagegen ausgeführt, dass § 46 Abs. 3 AbgG zwar gegen die Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes spricht, jedoch das Bundespersonalvertretungsgesetz eher der verfassungsrechtlichen Verantwortlichkeit von Fraktionen als Ganzes und den damit verbundenen verfassungsrechtlichen Grenzen der Beteiligungsrechte einer Interessensvertretung Rechnung trägt und deswegen anwendbar sein könnte.8 Ebenso hat sich in der juristischen Kommentarliteratur hierzu keine einheitliche Meinung herausgebildet .9 Eine höchstrichterliche Entscheidung der Frage fehlt bisher. Auch in der Praxis wird diese Frage in den verschiedenen Fraktionen des Bundestages - laut jeweiliger aktueller telefonischer Auskunft - unterschiedlich gelöst. So haben die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD einen Personalrat eingerichtet. Die Fraktionen DIE LINKE. und Bündnis 90/Die Grünen haben dagegen einen Betriebsrat gegründet.10 In den Fraktionen der FDP und der AfD wurde bisher weder ein Personalrat noch ein Betriebsrat eingerichtet, sondern die Interessensvertretung einem Ombudsmann/einer Ombudsfrau bzw. einem sonstigen Vertrauensgremium überlassen. Da der mitbestimmungsrechtliche Status von Bundestagsfraktionen mithin in Schrifttum, Rechtsprechung und Praxis ungeklärt ist, werden im Folgenden die grundlegenden Funktionsprinzipien sowie die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte beider kollektivrechtlichen Systeme vorgestellt. 6 Siehe Gesetzesbegründung auf Bundestagsdrucksache 12/4756, S. 4: „Da insoweit bislang keine gesetzliche Vorschriften existieren, sind insbesondere […] ihre Arbeitgebereigenschaft […] umstritten.“ sowie S. 6: „Im Übrigen enthält der Entwurf keine Festlegungen zu der rechtstheoretischen Einordnung des Status der Fraktionen.“; hierzu Stevens, Die Rechtstellung der Bundestagsfraktionen, 2000, S. 229, der die fehlende gesetzliche Regelung ausdrücklich begrüßt. 7 Arbeitsgericht (ArbG) Berlin, Urteil vom 17. Januar 2003 - 96 Ca 30440/02, NZA RR 2003, S. 656; so auch bereits ArbG Bonn, Urteil vom 16. September 1987 - 4 Ca 1398/8, NJW 1988, S. 510, 511. 8 VG Berlin, Beschluss vom 30. September 2008 – 72 A 5.08, Rn. 22, zitiert nach Juris. 9 Siehe insb. Singer, Der mitbestimmungsrechtliche Status der Parlamentsfraktionen, NZA 2008, 789, der den Meinungsstand umfassend darstellt und sich für die Anwendung des BetrVG ausspricht; zustimmend Annuß, in: Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2018, § 130, Rn. 3; dagegen Meyer, in: PdK Bund, Recht der Ratsfraktionen, Stand: Juli 2019, Rechtsnatur der Fraktione,. Punkt C-1 Ziffer 2.2. 10 Siehe hierzu bereits Singer, Der mitbestimmungsrechtliche Status der Parlamentsfraktionen, NZA 2008, S. 789. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 6 3. Betriebsverfassungsrecht Nach § 1 BetrVG kann in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern ein Betriebsrat errichtet werden. Die Errichtung hängt allein vom Willen der Beschäftigten ab. Eine Behinderung oder Beeinflussung durch den Arbeitgeber ist unzulässig und strafbewehrt (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten nach § 2 Abs. 1 Betr VG vertrauensvoll zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen. 3.1. Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats Zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats, die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 BetrVG aufgeführt sind, gehört es, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen , Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Weitere Aufgaben sind beispielsweise die Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter und die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und die Förderung bestimmter benachteiligter Beschäftigtengruppen. Dazu gewährt ihm § 80 Abs. 2 BetrVG einen allgemeinen Informationsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. 3.2. Mitbestimmung des Betriebsrats Zu den besonderen Aufgaben des Betriebsrats zählt die Mitwirkung und Mitbestimmung in sozialen , personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten sind in den §§ 87 bis 89 BetrVG geregelt und umfassen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 13 BetrVG unter anderem Fragen der Ordnung des Betriebes und des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, aber zum Beispiel auch Sozialeinrichtungen , Arbeitszeitregelungen, betriebliche Lohngestaltung und Urlaubsgrundsätze.11 Die Beteiligungsrechte in personellen Angelegenheiten sind in den §§ 92 bis 105 BetrVG normiert . Sie umfassen Informations-, Vorschlags- und Mitbestimmungsrechte in allgemeinen personellen Angelegenheiten (§ 92 BetrVG) sowie Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen (§ 99 BetrVG). Von besonderer Bedeutung sind die Mitbestimmungsrechte bei Einstellung und Kündigung (§ 102 BetrVG). In den §§ 106 bis 113 BetrVG sind schließlich die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten geregelt. 11 Schabiner, in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (Hrsg.), Übersicht über das Arbeitsrecht/Arbeitsschutzrecht , 13. Aufl. 2019, Kap. 4, Rn. 296 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 7 3.3. Tendenzschutz Besonderen Schutz gewährt der § 118 BetrVG Unternehmen und Betrieben, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dienen. Der Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 BetrVG stellt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sowie nach herrschender Lehre als Ergebnis einer Güterabwägung zwischen dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) und den Freiheitsrechten von Personen und Institutionen dar, die sich mit einem Unternehmen oder einem Betrieb auf verfassungsrechtlich geschützten Gebieten betätigen.12 „Mit dem Tendenzschutz soll die Verwirklichung bestimmter geistigideeller Zielsetzungen sichergestellt werden ohne Einflussnahme von Entscheidungsträgern, die berufen sind, an Entscheidungen der Unternehmen oder der Betriebe beteiligt zu werden und nach sozialstaatlichen Maximen zu handeln.“13 Die Vorschrift soll Tendenzunternehmen einen gegenüber der Beteiligung des Betriebsrats möglichst breiten Raum bei der Ausübung ihrer speziellen Grundrechte sicherstellen.14. Gewährleistet werden soll die Ausübung der Religionsfreiheit (Art. 4 GG), der Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG) und der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) sowie der Freiheit der politischen Parteien (Art. 21 GG). 3.3.1. Fraktionen als Tendenzbetriebe Zu den Betrieben, die politischen Zwecken dienen, gehört jedenfalls der Verwaltungsapparat politischer Parteien.15 Anders als politische Parteien sind die Fraktionen Teile und ständige Gliederungen des Deutschen Bundestags, die durch dessen Geschäftsordnung und die §§ 45 bis 54 des Abgeordnetengesetzes anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Die Fraktionen sind aber den politischen Parteien eng verbunden und die Parteien nehmen insbesondere über die Parlamentsfraktionen und die zu ihnen gehörenden Abgeordneten auf die staatlichen Entscheidungen und auf die Beschlüsse von Parlament und Regierung Einfluss.16 Dementsprechend hat auch das Arbeitsgericht Bonn, das in einem Urteil aus dem Jahr 1987 die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsrechts auf die Fraktionen des Deutschen Bundestages angenommen hat, die Fraktion als Tendenzträgerin im Sinne des § 118 BetrVG qualifiziert.17 12 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 118 BetrVG, Rn. 1 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BAG und der Kommentarliteratur. 13 Pelzner, Wissenschaftsfreiheit und Mitbestimmung. Tendenzschutz in den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder, in: Buschmann (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Gmür zum 70. Geburtstag, 1983, S. 345. 14 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 118 BetrVG, Rn. 1 mit weiteren Nachweisen. 15 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 118 BetrVG, Rn. 1. 16 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65, NJW 1966, S 1499, 1504 mit weiteren Nachweisen. 17 ArbG Bonn, Urteil vom 16. September 1987 - 4 Ca 1398/87, NJW 1988, S. 510, 511. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 8 Durch die Privilegierung als Tendenzunternehmen führt das Betriebsverfassungsrecht „nicht zu unlösbaren Konflikten mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag der Fraktionen, den politischen Willensbildungsprozess im Parlament zu steuern und mitzugestalten“.18 Die organisatorischen Regelungen die den Betriebsrat betreffen, gelten zwar uneingeschränkt, jedoch sind die Mitbestimmungsrechte , soweit sie die Tendenzverwirklichung tangieren, eingeschränkt. Insoweit begründet § 118 Abs. 1 BetrVG sowohl einen absoluten als auch einen relativen Tendenzschutz. Die politische Willensbildung der Fraktion wird somit nicht beeinflusst.19 3.3.2. Absoluter Tendenzschutz Für eine Bundestagsfraktion von lediglich geringer Bedeutung ist der durch § 118 Abs. 1 S. 2 Betr VG vermittelte absolute Tendenzschutz. Diese Vorschrift ordnet die Unanwendbarkeit der §§ 106 bis 110 BetrVG an. In Tendenzunternehmen entfällt damit die Pflicht zur Errichtung eines Wirtschaftsausschusses sowie zur Unterrichtung der Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens. Die §§ 111 - 113 BetrVG sind nur insoweit anwendbar, als sie den Ausgleich und die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitnehmer infolge von Betriebsänderungen regeln. Dies könnte bei Beendigung der Fraktion in den Fällen des § 54 Abs. 1 AbgG Bedeutung erlangen (siehe dazu auch unten, Abschnitt 5). 20 3.3.3. Relativer Tendenzschutz Im Übrigen finden die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht. Die Wahrnehmung von Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechten ist nur insoweit ausgeschlossen, als sie der Tendenzverwirklichung entgegensteht.21 Tendenzschutz besteht damit nur für Maßnahmen, die als solche tendenzbezogen sind.22 Außerdem müssen die von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer unmittelbar und maßgeblich an der Tendenzverwirklichung beteiligt sein, es muss sich also um sog. Tendenzträger handeln.23 Tendenzträger in einer Fraktion sind alle Mitarbeiter, die inhaltlich mit den politischen Zielsetzungen der Fraktion befasst sind. Eine Beurteilung der Tendenzträgereigenschaft muss daher für jeden Einzelfall gesondert unter Berücksichtigung der konkreten Umstände vorgenommen werden. Anhö- 18 Singer, Der mitbestimmungsrechtliche Status der Parlamentsfraktionen, NZA 2008, S. 789, 794. 19 Singer, Der mitbestimmungsrechtliche Status der Parlamentsfraktionen, NZA 2008, S. 789, 794. 20 Vgl. dazu Günther, Das Ende einer Fraktion – Eine Reise durch juristisches Niemandsland, KJ 1993, S. 98. 21 BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1999, - 1 BvR 505/95, Rn. 4. 22 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 118 BetrVG, Rn. 20 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). 23 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 118 BetrVG, Rn. 20; einschränkend (nur für personelle Angelegenheiten) Forst, in: Richardi, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 118, Rn. 115. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 9 rungs-, Beratungs- und Informationsrechte des Betriebsrats werden dabei als grundsätzlich tendenzunschädlich angesehen, echte Mitbestimmungsrechte können auf diese Beteiligungsrechte reduziert werden.24 3.3.3.1. Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten Bei den Mitbestimmungsrechten in sozialen Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG dürfte den Mitbestimmungsrechten in Arbeitszeitfragen besondere Bedeutung zukommen; denn die Lage der Arbeitszeit von Mitarbeitern, aber auch deren vorübergehende Verlängerung und Verkürzung, kann für die sachgerechte Arbeit der Fraktion von entscheidender Bedeutung sein. Die entsprechenden Mitbestimmungsrechte dürfen in diesem Fall nicht die Freiheit zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung beeinträchtigen.25 3.3.3.2. Beteiligung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten Das Schwergewicht der sich aus § 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG ergebenden beschränkten Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes liegt bei der Beteiligung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten , da sich die Tendenzautonomie vor allem bei der Auswahl der Mitarbeiter auswirkt.26 In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben, er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkung der geplanten Maßnahme zu geben und dessen Zustimmung einzuholen. In § 102 BetrVG ist das Anhörungsrecht des Betriebsrats vor einer Kündigung und sein Widerspruchsrecht verankert . Bei Tendenzunternehmen entfällt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) das gemäß § 99 Abs. 2 BetrVG bestehende Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei jeder Einstellung oder Versetzung eines Tendenzträgers, und zwar unabhängig davon, ob der Betriebsrat seine Zustimmung aus tendenzbedingten oder tendenzneutralen Gründen verweigern möchte.27 Der Wegfall von Mitbestimmungsrechten in diesem Bereich bedeutet allerdings nicht, dass der Betriebsrat überhaupt nicht zu beteiligen wäre, vielmehr wird diese Lücke durch Informations -, Anhörungs- und Beratungsrechte ausgefüllt, insbesondere bleibt der Arbeitgeber zur Vorlage von Bewerbungsunterlagen verpflichtet.28 24 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 118 BetrVG, Rn. 20. 25 Forst, in: Richardi, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 118, Rn. 139. 26 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 118 BetrVG, Rn. 25; Forst, in: Richardi, Betr VG, 16. Aufl. 2018, § 118, Rn. 147. 27 BAG, Beschluss vom 27. Juli 1993, AP Nr. 51 zu § 118, BetrVG 1972. 28 Vgl. zum Beispiel BAG, Beschluss vom 28. Oktober 1986, AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 10 Der Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 BetrVG führt indes nicht zu einer Einschränkung des in § 102 BetrVG verankerten Anhörungsrechts des Betriebsrats bei Kündigung eines Mitarbeiters, und zwar selbst dann nicht, wenn einem Tendenzträger aus tendenzbezogenen Gründen gekündigt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) lässt § 102 BetrVG die Entscheidungsfreiheit, einem Tendenzträger zu kündigen, unberührt; die Anhörung des Betriebsrats hindert das Tendenzunternehmen nicht an der Durchsetzung seiner Entscheidung.29 Der Betriebsrat kann der ordentlichen Kündigung eines Tendenzträgers auch nach § 102 Abs. 3 BetrVG widersprechen.30 Der Widerspruch löst jedoch ausnahmsweise nicht die Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 BetrVG aus, weil dies eine fremdbestimmte Einflussnahme auf die Tendenzverwirklichung eröffnen würde.31 3.4. Kündigung eines Betriebsratsmitglieds Nach § 15 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist die ordentliche Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats unzulässig. Soll einem Tendenzträger, der Betriebsratsmitglied ist, aus tendenzbezogenen Gründen außerordentlich gekündigt werden, wirkt sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Tendenzschutzvorschrift des § 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG auch hier dahingehend aus, dass es einer Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG nicht bedarf . Erforderlich ist lediglich eine Anhörung nach § 102 BetrVG.32Andernfalls wäre die Tendenzverwirklichung gefährdet. 3.5. Betriebsvereinbarungen Arbeitgeber und Betriebsrat können nach § 77 BetrVG Betriebsvereinbarungen abschließen. Da die Bestimmung keinen abschließenden Katalog der regelungsfähigen Angelegenheiten enthält, ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich von einer umfassenden Regelungskompetenz der Betriebspartner im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit in sozialen, organisatorischen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten auszugehen.33 Nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dürfen allerdings Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die bereits durch einen Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, ausdrücklich nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Allerdings kann im Tarifvertrag der Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zugelassen sein. Der Tendenzschutz steht dem Abschluss freiwilliger Betriebsvereinbarungen nicht entgegen. 29 Siehe zu vergleichbaren Fallgestaltungen in Presseunternehmen BVerfG, Beschluss vom 6. November 1979, BVerfGE 52, 283, 299 ff. 30 Forst, in: Richardi, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 118, Rn. 162; anderer Ansicht Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 118, BetrVG Rn. 26. 31 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 118 BetrVG Rn. 26; Forst, in: Richardi, Betr VG, 16. Aufl. 2018, § 118, Rn. 162. 32 BAG, Beschluss vom 28. August 2003, NZA 2004, S. 501, 504 f. mit Hinweis auf die gleichlautende herrschende Meinung im Schrifttum. 33 Ziai-Ruttkamp/Esskandari, in: Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 13, 2020, Betriebsvereinbarungen, Rn. 1 mit Nachweis aus der Rechtsprechung des BAG.. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 11 4. Personalvertretungsrecht Gemäß § 1 Satz 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) werden in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie in den Gerichten des Bundes werden Personalvertretungen gebildet. Wichtigstes Organ der Personalvertretung ist der Personalrat, der nach § 12 Abs. 1 BPersVG in Dienststellen, die in der Regel mindestens fünf Wahlberechtigte beschäftigen, gebildet wird. Wie in der Betriebsverfassung wird kein Errichtungszwang ausgeübt. „Das gilt insbesondere für den Fall, dass die Bediensteten keinen Wahlvorstand bestellen oder nicht wählen. Im Unterschied zur Betriebsverfassung ist der Dienststellenleiter bei der Errichtung des Personalrats unmittelbar beteiligt und hat unter bestimmten Voraussetzungen initiativ zu werden. Die Einzelheiten ergeben sich aus § 20 Abs. 2 und §§ 21 bis 23 BPersVG.34 Dienststelle und Personalvertretung arbeiten nach § 2 Abs. 1 BPersVG vertrauensvoll zum Wohle der Beschäftigten und zur Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben zusammen. 4.1. Allgemeine Aufgaben der Personalvertretung Dem Personalrat obliegt nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 BPersVG die Überwachung der Durchführung der für die Beschäftigten geltenden Bestimmungen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge , Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen, die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung der Geschlechter und die Förderung schutzbedürftiger Personen und Personengruppen. 4.2. Beteiligungsrechte des Personalrats Die Beteiligungsrechte der Personalvertretung sind in den §§ 75, 7635, 79 und 82 BPersVG geregelt . Das Verfahren der Mitbestimmung richtet sich nach § 69 BPersVG, das Verfahren der Mitwirkung nach § 72 BetrVG. Bei der Mitbestimmung sind Dienststelle und Personalvertretung gleichberechtigt an der zu treffenden Entscheidung beteiligt sind. „Die Entscheidung des Dienststellenleiters wird mit der Folge eingeschränkt, dass ohne die Zustimmung der Personalvertretung keine Maßnahme getroffen werden kann. Im Streitfall entscheidet die Einigungsstelle (§ 71 BPersVG).36 Bei den Angelegenheiten, die der Mitwirkung der Personalvertretung unterliegen, hat der Dienststellenleiter die beabsichtigte Maßnahme vor ihrer Durchführung mit der Personal- 34 Dörner, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Auflage 2020, § 12, Rn. 12. 35 § 76 BPersVG regelt das Mitbestimmungsrecht in personellen Angelegenheiten der Beamten, das im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig ist, da Fraktionen des Deutschen Bundestages keine Beamten beschäftigen . 36 Weber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Auflage 2020, § 69, Rn. 1 ff.; Ilbertz, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, 17. Aufl. 2015, S. 250 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 12 vertretung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und zu erörtern und sich mit Einwendungen der Personalvertretung inhaltlich auseinanderzusetzen. Im Streitfall entscheidet die oberste Dienstbehörde ohne Anrufung der Einigungsstelle.37 Mitbestimmungsrechte des Personalrats in personellen Angelegenheiten sind in § 75 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 BPersVG geregelt, die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten in § 75 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BPersVG. Nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG hat der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung von Arbeitnehmern. Der Personalrat ist gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 BPersVG umfassend vor jeder Einstellung zu Unterrichten. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bezieht sich allerdings nicht auf den Abschluss des Arbeitsvertrages, sondern allein auf die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Dienststelle, sodass der Arbeitsvertrag auch ohne Zustimmung wirksam ist.38 § 79 BPersVG regelt das Mitwirkungsrecht des Personalrats bei einer ordentlichen Kündigung von Arbeitnehmern. Diese Vorschrift enthält in Anlehnung an § 102 Abs. 3 BetrVG einen Katalog von Gründen, die den Personalrat berechtigen, Einwendungen gegen eine ordentliche Kündigung auszusprechen (§ 79 Abs. 1 Satz 3 BPersVG). Der Personalrat ist aber nicht darauf beschränkt, nur diese Gründe geltend zu machen, sondern er kann als Einwendungen im Sinne des in § 72 geregelten Mitwirkungsverfahrens auch andere Gesichtspunkte vortragen.39 Wird einem Arbeitnehmer fristlos oder außerordentlich gekündigt, ist der Personalrat gemäß § 79 Abs. 3 BPersVG zuvor anzuhören. Der Personalrat teilt sodann eventuelle Bedenken dem Dienststellenleiter mit. 4.3. Tendenzschutz Das Personalvertretungsrecht enthält keine den Vorschriften des § 118 Abs. 1 BetrVG entsprechende Tendenzschutzregelung. „Soweit das Mitbestimmungsrecht eine Beteiligung der Personalvertretung an Maßnahmen der Staatsverwaltung vorsieht, muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere im Hinblick auf das Demokratieprinzip die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert sein“40. Eine solche umfassende Beschränkung der erzwingbaren Mitbestimmung geht über die im Rahmen des § 118 BetrVG möglichen Beschränkungen weit hinaus. Eine Tendenzschutzregelung enthält lediglich § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, jedoch nicht für die Dienststelle, sondern nur zum Schutz des Tendenzträgers. Danach bestimmt die Personalvertre- 37 Weber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Auflage 2020, § 72, Rn. 1ff.;Ilbertz, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, 17. Aufl. 2015, S. 52, 269.. 38 Kaiser/Annuß, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Auflage 2020, § 75, Rn. 25. 39 Benecke, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Auflage 2020, § 79, Rn. 53. 40 Singer, Der mitbestimmungsrechtliche Status der Parlamentsfraktionen, NZA 2008, S. 789, 794 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 13 tung in den Personalangelegenheiten nach den §§ 75 Abs. 1 und 76 Abs. 1 BPersVG der Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit nur mit, wenn diese es beantragen. 4.4. Dienstvereinbarungen Im Unterschied zu Betriebsvereinbarungen nach dem Betriebsverfassungsrecht sind Dienstvereinbarungen zwischen Dienststelle und Personalrat nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BPersVG nur zulässig, soweit sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind. Zugelassen sind sie nur in den Fällen der § 75 Abs. 3 und 76 Abs. 2 BPersVG, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegen. Der Abschluss einer Dienstvereinbarung stellt sich damit für alle gegenwärtig und künftig davon abgedeckten Fälle als vorweggenommene Ausübung der Beteiligungsrechte des Personalrats dar.41 Eine weitere Schranke für die Zulässigkeit von Dienstvereinbarungen ergibt sich - entsprechend den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes - aus dem Tarifvorbehalt des § 75 Abs. 5 BPersVG. 5. Einfluss der Diskontinuität nach Art. 39 GG Der Grundsatz der Diskontinuität nach Art. 39 GG umfasst neben der sachlichen Diskontinuität auch die personelle Diskontinuität, wonach alle Mitglieder des Bundestages mit dem Ende der Wahlperiode ihr Mandat verlieren, und die institutionelle Diskontinuität, sodass alle parlamentarischen Gremien des Bundestages, die für die Dauer der Legislaturperiode gewählt wurden, beendet werden.42 Das gilt auch für Fraktionen, deren Rechtsstellung mit dem Ende der Wahlperiode entfällt.43 Die Fraktion ist dann gem. § 54 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AbgG nach dem Ende der Wahlperiode grundsätzlich zu liquidieren, es sei denn eine Fraktion konstituiert sich gem. § 54 Abs. 7 AbgG innerhalb von 30 Tagen nach dem Beginn der neuen Wahlperiode, deren Mitglieder einer Partei angehören, die durch eine Fraktion in der abgelaufenen Wahlperiode im Deutschen Bundestag vertreten war, und diese Fraktion erklärt sich zur Nachfolgefraktion. In diesem Fall tritt die neue Fraktion in die Gesamtrechtsnachfolge der alten Fraktion ein und übernimmt unter anderem alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverträgen mit den Mitarbeitern, die bei der alten Fraktion beschäftigt waren.44 Trotz dieser Möglichkeit der Rechtsnachfolge in der neuen Wahlperiode, verbleibt für eine Fraktion eine Unsicherheit, ob und mit wie vielen Mitgliedern sie im Bundestag noch vertreten sein 41 Weber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Auflage 2020, § 73, Rn. 2 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 42 Versteyl, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art 39 GG Rn. 26, 30. 43 Magiera, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 39 GG, Rn. 13. 44 Koch, NZA 1998, S. 1160, 1161. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 087/20 Seite 14 wird und insbesondere welche politischen Ziele sie auf welche Weise verfolgen und dementsprechend welches Fachpersonal sie dafür brauchen wird.45 Aus der verfassungsrechtlich in Art. 38 GG geschützten Unabhängigkeit der freien Mandatsausübung durch Abgeordnete ergibt sich daher ein sachlicher Grund für die Befristung der Arbeitsverträge mit wissenschaftlichen Mitarbeitern einer Fraktion zum Ende der Wahlperiode.46 Dies gilt jedoch nicht für Arbeitsverträge mit nichtwissenschaftlichen Hilfskräften, die z.B. im Sekretariat, Boten- oder Fahrdienst tätig sind und deren Tätigkeit nicht im inneren Zusammenhang mit der Fraktionspolitik steht.47 Der Grundsatz der Diskontinuität führt daher nicht dazu, dass sämtliche Arbeitsverträge einer Fraktion nach dem Ende der Wahlperiode erlöschen und mit der neu konstituierten Fraktion gänzlich neu abgeschlossen werden müssen. Dieser Grundsatz steht der Einrichtung einer Interessensvertretung der Mitarbeiter der Fraktion - ob in Form eines Personalrats oder eines Betriebsrats , siehe oben - daher nicht entgegen. Die individualrechtlichen Beziehungen zwischen den Arbeitnehmern und der alten Fraktion als Arbeitgeberin gehen nach den Wechsel der Wahlperiode auf die neu konstituierte Fraktion über, wenn eine Rechtsnachfolge gemäß § 54 Abs. 7 Satz 2 AbgG eingetreten ist. Bei der Beantwortung der Frage, wie sich die Rechtsnachfolge auf das Betriebsratsamt auswirkt, ist zu unterscheiden, ob die Identität des Betriebs fortbesteht oder untergeht; denn die rechtliche Existenz eines Betriebsrats ist an das Vorhandensein eines Betriebs gebunden (vgl. §§ 1, 4 Betr VG). Auch für den Fortbestand eines Personalrats nach dem Personalvertretungsrecht kommt es auf den Fortbestand der Identität der Dienststelle an, in der er gewählt wurde (vgl. § 12 BPersVG). Allerdings dürften bereits aufgrund der Voraussetzungen der Gesamtrechtsnachfolge nach § 54 Abs. 7 Satz 1 AbgG stets Betriebsidentität zwischen der alten und der neuen Fraktion anzunehmen sein, sodass auch die Amtszeit einer Mitarbeitervertretung nicht unterbrochen wird. *** 45 Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, 2001, S. 274; Stevens, Die Rechtsstellung der Bundestagsfraktionen , 2000, S. 220. 46 So BAG, Urteil vom 26. August 1998 - 7 AZR 450/97, NZA 1999, 149; dazu Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen , 2001, S. 274. 47 Stevens, Die Rechtstellung der Bundestagsfraktionen, 2000, S. 218 f.