Deutscher Bundestag Könnte der Bundesfreiwilligendienst ein arbeitsmarktpolitisches Instrument nach § 16d SGB II sein? Sachstand Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 6 – 3000-087/11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 2 Könnte der Bundesfreiwilligendienst ein arbeitsmarktpolitisches Instrument nach § 16d SGB II sein? Aktenzeichen: WD 6 – 3000-087/11 Abschluss der Arbeit: 28. Juni 2011 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Arbeitsgelegenheiten nach § 16d Zweites Buch Sozialgesetzbuch 4 1.1. Aktuelle Vorschrift: 4 1.2. Normgeschichte 5 1.3. Bundessozialgericht – Einordung der Arbeitsgelegenheit als Eingliederungsleistungen 5 1.4. Wirkung von Ein-Euro-Jobs 6 1.5. Aktuelle statistische Ergebnisse der Bundesagentur für Arbeit 7 2. Arbeitsgelegenheiten im sozialen Dienstleistungssektor 8 3. EQUAL-Projekt „(Zusatz-) Jobs in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft“ 9 4. Der Bundesfreiwilligendienst 11 4.1. Teilnahme von Arbeitslosengeld-II-Beziehern 12 5. Zusammenfassung 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 4 1. Arbeitsgelegenheiten nach § 16d Zweites Buch Sozialgesetzbuch Der Grundgedanke des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) ist „Fördern und Fordern“. Nach § 2 Absatz 1 SGB II (Grundsatz des Forderns) müssen erwerbsfähige Leistungsbezieher und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung und Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Das bedeutet, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einer absehbaren Zeit nicht möglich ist, dann muss der erwerbsfähige Leistungsbezieher eine ihm angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit annehmen . Die öffentlich geförderte Beschäftigung umfasst die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandentschädigung nach § 16d Satz 2 SGB II – sogenannte Ein-Euro-Jobs - und die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16d Satz 1 SGB II. Die Zumutbarkeit ist in § 10 SGB II geregelt. Nur zumutbare und zulässige Angebote verpflichteten die Leistungsbezieher zur Mitwirkung und berechtigen den Leistungsträger im Weigerungsfall zur Sanktionierung (§ 31 SGB II). Ob eine Arbeitsgelegenheit im öffentlichen Interesse liegt oder nicht, richtet sich nach den Anforderungen des Arbeitsförderungsrechts (Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III). Arbeiten liegen nach § 261 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB III grundsätzlich dann im öffentlichen Interesse, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Eine Arbeit ist gemäß § 261 Abs. 2 SGB III „zusätzlich “ nur wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt wird. Arbeiten, die auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durchgeführt werden.1 Öffentlich geförderte Beschäftigung ist unter Zugrundelegung des § 3 Abs. 1 Satz 3 SGB II immer nachrangig gegenüber der Vermittlung in Arbeit, einer Ausbildung oder einer sonstigen Qualifizierung . Die folgenden Ausführungen gehen von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung aus. 1.1. Aktuelle Vorschrift: § 16d Arbeitsgelegenheiten 1Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die keine Arbeit finden können, sollen Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. 2Werden Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten gefördert, ist den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zuzüglich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen zu zahlen; diese Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts; die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt sind entsprechend anzuwenden; für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haften erwerbsfähige Leistungsberechtigte nur wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 1 In Anlehnung an die Ausführungen des Sozialgerichts Bremen, S 26 AS 218/09 ER. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 5 1.2. Normgeschichte Die heutige Fassung der Vorschrift beruht auf dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl I, 2917). Zur besseren Transparenz und Handhabbarkeit der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat der Gesetzgeber die ursprünglich in § 16 SGB II zusammengefassten Instrumente in eigenen Paragrafen geregelt. Die Norm des § 16d SGB II entspricht weitgehend der früheren Fassung des § 16 Abs. 3 SGB II. Die Kommentierungen zu § 16d SGB II gehen regelmäßig auf die Normgeschichte ein, da sie Aufschluss über den Willen den Gesetzgebers gibt. In dem Kommentar von Gagel wird deutlich, dass der Gesetzgeber keinen „Workfare-Ansatz“ bei Arbeitsgelegenheiten beabsichtigte: „Die Entstehungsgeschichte zeigt deutlich, dass die Teilnahme an diesen Arbeitsgelegenheiten keine „Gegenleistung “ für Transferleistungen nach dem Vorbild des „Workfare-Ansatzes“ darstellen soll (so jetzt auch BSG 16.12.2008 – 4 AS 60/07 R). Es geht vielmehr um Eingliederungsleistungen, die als „ultima ratio“ zur Anwendung gebracht werden sollen, wenn andere Eingliederungsleistungen nicht zur Verfügung stehen. Die nicht hinreichend begründete Ablehnung der Ausführung dieser Tätigkeiten wird nach § 31 Abs. 1 in vergleichbarer Weise sanktioniert wie die Weigerung eine zumutbare Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen In dem Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drs 15/1516, S. 54) war in § Abs. 2 Nr. 6 des Entwurfs eine knappe Regelung zu besonderen Arbeitsgelegenheiten enthalten, die sich an § 19 BSHG anlehnte. Dagegen zielte der zeitgleich von der damaligen Opposition eingebrachte Entwurf eines Existenzgrundlagengesetzes (BT-Drs. 15/1523) auf einen für die deutsche Sozialgesetzgebung durchgreifenden Paradigmenwechsel . Danach sollten im Bereich der Existenzsicherung Sozialleistungen nicht mehr aufgrund eines Bedarfs sondern als „nur noch im Austausch mit einer Gegenleistung des Hilfeempfängers“ (aaO S 66) gewährt werden . Dieses Konzept fand jedoch keine parlamentarische Mehrheit. In den Ausschussberatungen griff man stattdessen auf das bisherige Modell des § 19 BSHG zurück und formulierte auf dieser Basis den in das Gesetz aufgenommenen § 16 Abs. 3, der Arbeitsgelegenheiten in einem Arbeitsverhältnis, zusätzliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in einem Arbeitsverhältnis sowie zusätzliche Arbeiten „in einem Sozialrechtsverhältnis“ unterschied (BT-Drs 15/1749, S 32). Diese Abstufung orientierte sich sichtbar an der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (dazu nur BVerwG 4. 6. 1992 – 5 C 35.88, NDV 1993, 161), die vor allem nach 1980 in einer Reihe von Fällen schrittweise ausdifferenziert worden ist und das Verständnis dieser Normen als einer spezifischen Form „Hilfe zur Arbeit“ entwickelt hatte.“2 1.3. Bundessozialgericht – Einordung der Arbeitsgelegenheit als Eingliederungsleistungen Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat sich im Dezember 20083 zur Einordnung der Arbeitsgelegenheiten als Eingliederungsleistung positioniert: „Die gesetzliche Einordnung der Arbeitsgelegenheit als Eingliederungsleistung weist im Übrigen aus, dass die Verrichtung von Arbeitsgelegenheiten nicht als Gegenleistung für die dem Hilfebedürftigen gewährten Grundsicherungsleistungen angesehen werden können. Erforderlich für die Zuordnung von so genannten "Workfare- Elementen" zu dieser Förderungsleistung wäre, dass der Gesetzgeber durch eine ausdrückliche Regelung im Gesetz 2 Kothe (2010) in: Gagel, SGB II/SGB III; Grundsicherung und Arbeitsförderung, Kommentar; § 16d Rn. 1 u. 3, C.H. Beck. 3 BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 60/07 R, Rn 22, 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 6 unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er eine Gegenleistung für den Erhalt der staatlichen Leistungen einfordern will. Dies ist nach der derzeitig gültigen Gesetzeslage jedoch gerade nicht der Fall. Entscheidend ist deshalb, ob die Arbeitsgelegenheit im Sinne eines (Zwischen-)Schritts zu dem Endziel der Grundsicherung im Einzelfall geeignet und erforderlich ist, den Hilfebedürftigen dadurch unabhängig von der Leistungsgewährung zu machen, dass er in Zukunft seinen Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten kann. Die Funktion der Arbeitsgelegenheiten als Eingliederungsleistung liegt in erster Linie darin, erwerbsfähige Hilfebedürftige, die bereits über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausgeübt haben, wieder an eine regelmäßige Arbeitstätigkeit zu gewöhnen und zu erproben, ob der Leistungsempfänger den sich daraus ergebenden Belastungen gewachsen ist.“ Das BSG macht nochmals deutlich, dass die Wiedereingliederung bei Arbeitsgelegenheiten im Vordergrund steht. 1.4. Wirkung von Ein-Euro-Jobs Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)4 der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat im April 2010 in seinem Kurzbericht die Wirkungen von Ein-Euro-Jobs für ALG-II-Bezieher untersucht und ist zu folgenden Ergebnissen gekommen: „Seit Einführung des SGB II im Jahr 2005 sind Ein-Euro-Jobs die häufigste Aktivierungsmaßnahme für bedürftige Arbeitslose. Sie sollen vor allem schwer vermittelbare Personen an den Arbeitsmarkt heranführen. In der Einführungsphase Anfang 2005 richteten sich Zusatzjobs selbst bei intensiver Förderung (mit langer Dauer oder hoher Arbeitszeit) nicht an besonders arbeitsmarktferne Personen. In den ersten Monaten einer Zusatzjob-Teilnahme sinkt die Chance, eine ungeförderte Erwerbsarbeit auszuüben, da die Teilnehmer weniger Zeit zur Jobsuche haben. Diese sogenannten Einbindungs- oder Einsperreffekte sind aber in der Regel niedrig und treten bei kurzen Teilnahmen kaum auf. Im Durchschnitt erhöhen sich die Beschäftigungschancen der Teilnehmer mittelfristig. Für westdeutsche Frauen ist die Wirkung relativ hoch, bei ostdeutschen Männern hingegen nicht nachweisbar. Für Personen mit einer geplanten Teilnahmedauer von über vier bis zwölf Monaten hätte ein kürzerer Zusatzjob im Betrachtungszeitraum zu mehr regulären Beschäftigungszeiten geführt. Dies geht teils auf Einbindungseffekte zurück, die aber längerfristig für westdeutsche Teilnehmer durch anhaltend erhöhte Eingliederungschancen mehr als kompensiert werden dürften.“ Vor dem Hintergrund, dass der Bundesfreiwilligendienst ganztägig und in der Regel für eine Dauer von zwölf zusammenhängenden Monaten geleistet werden soll, wird hier nochmals im Detail auf die Ergebnisse des IAB hinsichtlich der Einsperreffekte eingegangen: „All das gelingt nur, wenn die Maßnahmeteilnahme so ausgestaltet ist, dass individuelle Vermittlungshemmnisse der Geförderten verringert werden. Außerdem muss die Teilnahmedauer oder die Arbeitszeit auch zur Lebenslage der Teilnehmer passen. Sollte die Arbeitszeit zu hoch oder die geplante Teilnahmedauer zu lang sein, können starke Einsperreffekte auftreten. Das heißt, die Beschäftigungschancen im potenziellen Teilnahmezeitraum würden sich stark verringern, da besonders wenig Zeit verbleibt, Arbeit zu suchen. Zudem mag für einige Teilnehmer auch ein hoher direkter Nutzen aus dem Zusatzjob entstehen, z. B. weil sie durch die Arbeit eine Wertschätzung erfahren , die ihnen sonst nicht zuteil wird. Das könnte auch ein Grund dafür sein, dass sie sich zeitweise weniger um die Aufnahme einer regulären Arbeit bemühen. Selbst wenn die Maßnahmeinhalte in Verbindung mit einer inten- 4 Hohmeyer, Katrin; Wolff, Joachim, Macht die Dosierung einen Unterschied?, IAB-Kurzbericht 4/2010, http://doku.iab.de/kurzber/2010/kb0410.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 7 siven Förderung nach Abschluss der Maßnahme eine Beschäftigungsaufnahme erleichtern, hätte dies womöglich bei kürzerer Arbeitszeit oder Teilnahmedauer schon früher gelingen können. Es hängt vom Einzelfall ab, ob die Arbeitszeit eher hoch oder niedrig angesetzt oder die Teilnahmedauer eher kurz oder lang sein sollte, um eine möglichst erfolgreiche Teilnahme zu erreichen. Entscheidend hierfür dürfte sein, in welchem Maße Hindernisse vorliegen, die eine Integration der einzelnen Teilnehmer in Erwerbsarbeit erschweren .“ 1.5. Aktuelle statistische Ergebnisse der Bundesagentur für Arbeit Einsatzfelder für Arbeitsgelegenheiten gem. § 16d SGB II im Jahre 20105 Einsatzfeld für Arbeitsgelegenheiten Jahresdurchschnitt 2010 Insgesamt davon Variante Mehraufwand Entgelt Bestand an Teilnehmern in Arbeitsgelegenheiten absolut 260.557 218.011 42.541 nach Einsatzfeld in % Infrastrukturverbesserung 33,9 34,0 33,4 Umweltschutz und Landschaftspflege 21,9 22,5 18,8 Beratungsdienste 10,9 10,4 13,6 Gesundheit und Pflege 8,9 9,4 6,6 Kinderbetreuung und Jugendhilfe 8,8 8,6 9,9 Erziehung und Bildung 8,0 8,0 8,0 Kunst und Kultur 5,5 5,1 7,2 Sport 1,5 1,5 1,3 5 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Leistungen zur Eingliederung an erwerbsfähige Hilfebedürftige: Einsatz von Arbeitsgelegenheiten 2010, Arbeitsmarkt in Zahlen Förderstatistik, Sonderbericht, Mai 2010. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 8 Wissenschaft und Forschung 1,5 1,4 2,0 © Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Erstellungsdatum: 10.05.2011 Im Mai 2011 befanden sich 197.000 Personen in Arbeitsgelegenheiten, 36 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Rund 44.000 Personen haben eine Arbeitsgelegenheit neu angetreten – seit Jahresbeginn waren es 234.000 Personen. Das waren 31 Prozent weniger Eintritte als im Vorjahreszeitraum . Von den im Mai in Arbeitsgelegenheiten geförderten Personen befanden sich 90 Prozent in der Mehraufwands- und 10 Prozent in der Entgeltvariante. Im Vergleich zum Vorjahresmonat wurden in Arbeitsgelegenheiten der Mehraufwandsvariante ein Drittel weniger Personen gefördert.6 2. Arbeitsgelegenheiten im sozialen Dienstleistungssektor Die BA hat in ihrer Arbeitshilfe für Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II7 die Voraussetzungen für die Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandentschädigung im soziales Dienstleistungssektor festgelegt: „(1) Motivation der Teilnehmer Der soziale Dienstleistungssektor erfordert in besonderem Maße eine positive Grundeinstellung und Motivation der Teilnehmer an AGH MAE. Es gilt, die Motivation und Mitwirkungsbereitschaft zu erhöhen und die für die jeweiligen Arbeitsfelder geeigneten Bewerber auszuwählen. Der Kompetenz des Fallmanagers kommt deshalb besondere Bedeutung zu. Daher bietet es sich für AGH MAE in diesem Aufgabenfeld regelmäßig an, die Motivation und Kompetenz des Hilfebeziehers bereits im Vorfeld zum Beispiel in einem intensiven Beratungsgespräch oder einer sonstigen geeigneten vorgeschalteten Maßnahme (etwa durch eine individuelle Kompetenzermittlung) einzuschätzen oder durch die Wahlmöglichkeit aus einer Auswahl von verschiedenen AGH MAE sicher-zustellen und nach Möglichkeit auch einen Wechsel in eine andere AGH MAE zuzulassen. Ebenfalls ist es sinnvoll, Direktbewerbungen der Hilfeempfänger bei den Trägern zu unterstützen sowie „Schnupper-Kontakte“ zu ermöglichen. (2) Freiwilligkeit Erfahrungsgemäß erhöhen Freiwilligkeit und Wahlmöglichkeiten die Motivation gerade für soziale Dienste. Dies ist nicht nur für die betroffenen erwerbsfähigen Hilfeempfänger bedeutsam, sondern auch für die Einrichtungen, die AGH MAE anbieten. Da-her sollte im Regelfall die entsprechende Einrichtung die Möglichkeit haben, Bewerber für die von ihr angebotenen AGH MAE anzunehmen oder abzulehnen.“ 6 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland, Monatsbericht Mai 2011, http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Monatsbericht-Arbeits- Ausbildungsmarkt-Deutschland/Monatsberichte/Generische-Publikationen/Monatsbericht-201105.pdf. 7 http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/HEGA-Internet/A06-Schaffung/Publikation/GA-SGB-2-NR-21- 2009-07-14-Anlage.pdf, Seite 23, letzte Aktualisierung Januar 2011. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 9 3. EQUAL-Projekt „(Zusatz-) Jobs in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft“ Die aus dem Europäischen Sozialfonds geförderte Gemeinschaftsinitiative EQUAL, die zum 31. Dezember 2007 endete, zielte darauf ab, neue Wege zur Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichheiten von Arbeitenden und Arbeitsuchenden auf dem Arbeitsmarkt zu erproben. Die Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (BAG IDA) hat zwischen 2005 und 2007 das EQUAL-Projekt "GSW-(Zusatz-) Jobs - Dienstleistungen in der Gesundheitsund Sozialwirtschaft" durchgeführt. Die beiden Teilprojekte "Neue Qualifizierungen in der Gesundheits - und Sozialwirtschaft" und "Neue Jobs in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft" hatten das Ziel, die zusätzlichen Arbeitsgelegenheiten (Zusatzjobs) zu einem Instrument der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln. Die Autoren Nicola Buskotte und Klaus-Peter Meinerz haben die Ergebnisse des Teilprojekts "Neue Jobs in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft" in der Zeitschrift „Neue Caritas“ publiziert. Sie hielten fest, dass mehr als 90 Prozent dieser Zusatzjobs Qualifizierungsmaßnahmen beinhalteten, die von der allgemeinen Grundbildung bis hin zu Qualifizierungen der beruflichen Handlungskompetenzen reichten. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit der Freiwilligkeit betont. Zusatzjobs würden dann eine nachhaltige Wirkung haben und die Integrationschancen langzeitarbeitsloser Menschen erhöhen, wenn sie auf freiwilliger Teilnahme beruhten. Zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft von Arbeitslosengeld II- Empfängern seien sie nicht nur zu teuer, sondern in vielen Bereichen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft auch völlig ungeeignet. „Mit ihren Zusatzjobs erreicht Caritas die Richtigen8 Das bundesweite Modellprojekt zu Zusatzjobs in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen katholischer Träger hat Bilanz gezogen. Eine zentrale Erkenntnis: die qualifizierende Arbeitsgelegenheit bringt bei angemessener Ausgestaltung und Dauer gute Ergebnisse. „Ich musste meine Ausbildung abbrechen, als mein erstes Kind kam und später dann, als Mutter von sieben Kindern , habe ich keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt bekommen“, erzählt Martina Gremmelmaier. „Erst der Zusatzjob in einem Kindergarten, wo ich ,Mädchen für alles’ war, hat mir wieder Vertrauen in meine Fähigkeiten gegeben. Dort wurde ich gebraucht. Es war ein schönes Gefühl nach unzähligen Absagen mit den Worten ,Sie schickt der Himmel!’ begrüßt zu werden.“ Die rothaarige Frau aus Bruchsal schildert ihre Erfahrungen mit der Arbeitsgelegenheit auf der Abschlussveranstaltung des EQUAL-Projektes „GSW-(Zusatz-)Jobs“ sehr lebhaft. Mit ihr bekommen Zahlen und Statistik ein Gesicht und eine Geschichte. An 17 Modellstandorten der Caritas hat die Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (BAG IDA) im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „Wandel – Innovation – Botschaft“ seit 2005 ein Projekt zur Entwicklung von Arbeitsgelegenheiten (Zusatzjobs) durchgeführt. Ziel war es, zertifizierbare Qualifizierungsmodule zu entwickeln und zielgruppenspezifische Vermittlungsansätze zu erproben. Auf diese Weise sollten zusätzliche Beschäftigungspotenziale in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft entstehen. Ende November wurde in Köln Bilanz gezogen: Durchschnittlich 2600 Zusatzjobbende waren in rund 900 Caritas- Einrichtungen und anderen katholischen Trägern beschäftigt. In den GSW-(Zusatz-)Jobs arbeiten deutlich mehr Frauen als im bundesweiten Durchschnitt aller Arbeitsgelegenheiten. Überdurchschnittlich sind die Zahlen auch 8 Mit ihren Zusatzjobs erreicht Caritas die Richtigen / Nicola Buskotte; Klaus-Peter Meinerz In: Neue Caritas 109 (2008) 2, S. 24-26. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 10 bei der Frage der vorherigen Arbeitslosigkeit: 58 Prozent der Teilnehmenden waren zuvor länger als zwei Jahre arbeitslos . Somit hat das Projekt überproportional die „besonders förderungswürdige Personengruppen“ erreicht. Mit welchen Vermittlungshemmnissen hatten diese Menschen zu kämpfen? Beinahe ein Drittel der Teilnehmenden war gesundheitlich erheblich beeinträchtigt. Bei jeweils gut 20 Prozent traten eine unzureichende Grundbildung oder fehlende „soft skills“ hinzu. Demgegenüber war die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftiger Angehöriger nur zu gut elf Prozent ein vermittlungshemmendes Problem. In den zweieinhalb Jahren konnten mehr als 1500 Menschen vermittelt werden: rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in schulische Ausbildung, 350 in berufliche Aus- und Weiterbildung und knapp 1100 in Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Im Durchschnitt konnten somit zuletzt gut 13 Prozent der Zusatzjobbenden vermittelt werden, einigen Standorten gelang es sogar, über den gesamten Projektzeitraum eine Vermittlungsquote von über 20 Prozent zu erzielen. Die Vermittlung der Betroffenen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verbessern, war der Arbeitsschwerpunkt der Modellstandorten in Bruchsal, Gelsenkirchen, Goslar, Hagen, Köln, München, Münster, der Region Stuttgart und Worms. In diesem Zusammenhang wurde u. a. ein Businessplan zur Einrichtung eines Dienstleistungspools für Haushaltsnahe Dienstleistungen entwickelt. An drei Modellstandorten ist die Vorbereitungsphase bereits beendet und Planungen zur Gründung eines solchen Pools sind mit lokalen Kooperationspartnern abgestimmt. Diese personenbezogenen Services sollen Unterstützung für hilfebedürftige Menschen anbieten, durch die diese in die Lage versetzt werden, länger selbstbestimmt in ihrer vertrauten Umgebung zu leben. Damit die einfachen Helfertätigkeiten , die im Zentrum des Angebots solcher Dienstleistungspools stehen, auch von Menschen ohne anerkannte Fachqualifikationen ausgeübt werden können, müssen sie mit der Professionalität des Fachpersonals in der pflegerischen und sozialen Arbeit kombiniert werden. Um die Vermittlung von Zusatzjobbenden in anschließende Beschäftigung zu verbessern, wurden an den Projektstandorten sowohl Kooperationen mit Privatunternehmen initiiert als auch neue Formen der Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsfirmen entwickelt und umgesetzt. Für Menschen mit weiterhin höherem Stabilisierungsbedarf wurde das Modell einer „Jobbörse“ erprobt, die auf der Basis nachbarschaftlicher Hilfe stundenweise Arbeit vermitteln. Darüber hinaus entstand eine mobile Vermittlungsagentur im regionalen Verbund sowie Patenschaftsmodelle, in denen Ehrenamtler vor allem jüngere Zusatzjobbende auf den Weg in Arbeit oder Ausbildung tatkräftig unterstützen . Eine wichtige Voraussetzung hierfür war, dass mehr als 90 Prozent dieser Zusatzjobs Qualifizierungsmaßnahmen beinhalteten, die von der allgemeinen Grundbildung bis hin zu Qualifizierungen der beruflichen Handlungskompetenzen reichten. 87 Prozent der Zusatzjobbenden wurden so für mindestens drei Stunden in der Woche weiterqualifiziert . Qualifizierung bedeutet für diese Menschen den Einstieg in einen individuellen Entwicklungsprozess, da es sich hierbei nicht um bloße „trainings on the job“ handelte. Die Vermittlung fachlicher, methodischer und sozialer Qualifizierungsinhalte befähigte viele von ihnen zu einer Tätigkeit in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft . In den Modellstandorten Berlin, Bonn, Düren, Frankfurt am Main, Haltern, Paderborn, Stuttgart und Vechta/Cloppenburg wurden deshalb im Verlauf des Projektes folgende, zum Teil bereits zertifizierte Qualifizierungsmodule erarbeitet und erprobt: • Qualifizierungsbaustein Betreuung älterer Menschen Dieser Qualifizierungsbaustein mit dem Schwerpunkt „Haushaltnahe Dienstleistungen" wurde von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zertifiziert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 11 • Qualifizierungsbausteine Verkauf Diese vier Qualifizierungsbausteine beinhalten die Grundlagen des Verkaufs und der Warenwirtschaft und wurden von der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen (Bielefeld) zertifiziert. • Qualifizierungsmodul Grundlagen der Altenpflege Dieses Qualifizierungsmodul hat den inhaltlichen Schwerpunkt „soziale Betreuung älterer Menschen“. • Anpassungsqualifizierung Basisqualifikation Betreuung Diese Anpassungsqualifizierung zur sozialen Betreuung hilfebedürftiger Menschen ist Teil des IHK-Zertifikats „Home Management" der Industrie- und Handelskammer Potsdam. • Qualifizierungsbaukasten Hausmeisterhelfer Dieser Baukasten beinhaltet acht Qualifizierungsmodule für Helfertätigkeiten im haustechnischen Dienst. Für solche marktnahen Qualifizierungen bedarf es nicht nur ausreichender finanzieller Ressourcen, sondern vor allem auch einer fallbezogenen und flexiblen Dauer des Zusatzjobs. Eine pauschale Befristung auf zumeist sechs Monate wirkt kontraproduktiv. Gerade für gering qualifizierte Menschen ist es von zentraler Bedeutung, zusätzliche Kompetenzen im eigenen Lerntempo zu erwerben und Zugänge zum lebenslangen Lernen zu finden. Zusatzjobs entfalten dann eine nachhaltige Wirkung und erhöhen die Integrationschancen langzeitarbeitsloser Menschen, wenn sie auf freiwilliger Teilnahme beruhen. Zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft von Arbeitslosengeld II-Empfängern sind sie nicht nur zu teuer, sondern in vielen Bereichen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft auch völlig ungeeignet. Damit Zusatzjobs eine Brücke in den Arbeitsmarkt bilden, müssen die Übergänge in reguläre Beschäftigungsverhältnisse z. B. durch geförderte (Kombilohn)Arbeitsplätze oder durch dauerhaft subventionierte Arbeitsplätze geebnet werden. Außerdem wird es immer einige Menschen geben, die trotz umfassender Qualifizierung und Förderung den Anforderungen des sogenannten ersten Arbeitsmarktes nicht (mehr) genügen können. Diese Menschen brauchen auch über den Zusatzjob hinaus eine langfristige Begleitung und Unterstützung. Für sie brauchen wir andere Beschäftigungsverhältnisse , so wie sie ein sozialer Arbeitsmarkt bieten könnte.“ 4. Der Bundesfreiwilligendienst Am 3. Mai 2011 ist das Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes (Bundesfreiwilligendienstgesetz - BFDG) in Kraft getreten. Ziel ist die Einrichtung eines Bundesfreiwilligendienstes zum 1. Juli 2011 in Folge der Aussetzung der Wehrpflicht und des Wehrersatzdienstes Zivildienst. Grundsätzlich können Freiwillige aller Generationen teilnehmen. Der Dienst soll das lebenslange Lernen fördern (§ 1 BFDG). § 2 BFDG – Freiwillige – regelt die Teilnahmebedingungen. Im Hinblick auf das Thema der Ausarbeitung sind folgende Regelungsinhalte „ohne Erwerbsabsicht“ und „außerhalb einer Berufsausbildung “ hervorzuheben. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 12 „Freiwillige im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die 1. die Vollzeitschulpflicht erfüllt haben, 2. einen freiwilligen Dienst ohne Erwerbsabsicht, außerhalb einer Berufsausbildung und vergleichbar einer Vollzeitbeschäftigung , oder, sofern sie das 27. Lebensjahr vollendet haben, vergleichbar einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung von mehr als 20 Stunden pro Woche leisten, 3. sich auf Grund einer Vereinbarung nach § 8 zur Leistung eines Bundesfreiwilligendienstes für eine Zeit von mindestens sechs Monaten und höchstens 24 Monaten verpflichtet haben, und 4. für den Dienst nur unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung sowie ein angemessenes Taschengeld oder anstelle von Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung entsprechende Geldersatzleistungen erhalten dürfen; ein Taschengeld ist dann angemessen ist, wenn es a) sechs Prozent der in der allgemeinen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze (§ 159 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) nicht übersteigt, b) dem Taschengeld anderer Personen entspricht, die einen Jugendfreiwilligendienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz leisten und eine vergleichbare Tätigkeit in derselben Einsatzstelle ausüben, c) bei einem Dienst vergleichbar einer Teilzeitbeschäftigung anteilig gekürzt ist und d) für Freiwillige, die das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für die kein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes oder Kindergeld besteht, erhöht ist.“ § 8 BFDG schreibt den Abschluss einer Vereinbarung vor Beginn des Bundesfreiwilligendienstes vor. In der Gesetzesbegründung zu § 8 BFDG9 wird ausgeführt, dass die Vereinbarung auf gemeinsamen Vorschlag der oder des Freiwilligen und der Einsatzstelle geschlossen (§ 8 Absatz 1) werden soll. Durch die Regelung, dass Voraussetzung eines Einsatzes im Bundesfreiwilligendienst immer ein gemeinsamer Vorschlag von Freiwilliger oder Freiwilligem und Einsatzstelle sein muss, soll sichergestellt werden, dass weder eine Freiwillige oder ein Freiwilliger ohne ihren oder seinen Willen einer Einsatzstelle zugewiesen werden kann noch eine Einsatzstelle eine Freiwillige oder einen Freiwilligen ohne ihr Einverständnis zugewiesen erhalten kann und die Einsatzstelle den Vereinbarungsinhalt vollumfänglich annimmt. Personen, die 12 Monate den Dienst leisten, erwerben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, denn die Einsatzstelle ist verpflichtet, mit den Sozialabgaben auch in die Arbeitslosenversicherung einzuzahlen (§ 13 BFDG). 4.1. Teilnahme von Arbeitslosengeld-II-Beziehern Laut Gesetzesbegründung soll die Teilnahmemotivation von Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen, gestärkt werden. In analoger Weise zur Regelung beim Jugendfreiwilligendienst wurde daher geregelt, dass vom Taschengeld nach § 2 BFDG 60 Euro nicht auf die Leistungen der 9 BT-Drucksache 17/4803. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 13 Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet werden.10 Die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld- Verordnung wurde entsprechend geändert. Die BA hat auf themenbezogene Fragen11 des Wissenschaftlichen Dienstes geantwortet: Frage: Erwerben auch ALG-II-Bezieher einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder werden für sie keine Sozialabgaben gezahlt, wenn sie am Bundesfreiwilligendienst teilnehmen? Personen, die Bundesfreiwilligendienst leisten, sind - wie Personen die Jugendfreiwilligendienst leisten - als Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt und deshalb versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs. 1 SGB III); dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zum Personenkreis der Aufstocker zählt. Abweichend zu den übrigen Arbeitnehmern, die bei Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung versicherungsfrei sind (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III i.V.m § 8 Abs. 1 SGB IV)), sind Person, die im Rahmen einer Vereinbarung § 8 nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz beschäftigt sind, auch in einer geringfügigen Beschäftigung versicherungspflichtig (§ 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Für Zeiten der Beschäftigung im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstgesetzes sind - wie bei den übrigen Arbeitnehmern - Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu zahlen. Für die Berechnung der Beiträge gelten Besonderheiten; vgl. § 344 Abs. 2 SGB III. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaftszeit erfüllt, d. h. in der zweijährigen Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (vgl. §§ 118,123,124 SGB III). Mit einer Beschäftigung von mindestens 12 Monaten im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstgesetzes wird die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt. Frage: Ist ein ALG-II-Bezieher tatsächlich während der Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst nicht verpflichtet, eine (unbefristete) Arbeit aufzunehmen? Diese Frage ist abschließend vom BMAS zu beantworten. Die BA ist über entsprechende Absichten der Ministerien zur Gleichbehandlung von Teilnehmern in Jugendfreiwilligendiensten und Bundesfreiwilligendienst (BFD) informiert worden . Frage: Wird der Dienst als mögliche Alternative aktiv angeboten? Die BA beabsichtigt, den Dienst geeigneten Kunden anzubieten, wenn diese Interesse für die Teilnahme signalisiert haben. 10 Ebenda. 11 Ungekürzte Stellungnahme der BA an den Wissenschaftlichen Dienst vom 16. Juni 2011. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 14 Der BFD kann grundsätzlich als ergänzendes bzw. alternatives Instrument zum bereits bestehenden Maßnahmeportfolio der BA in Betracht kommen. Der fachlichen Zielsetzung folgend, soziale, ökologische, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln sowie Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu fördern, sollte der BFD u. a. für die nachfolgend aufgeführten Personenkreise angeboten werden: – Personen mit langer Arbeitslosigkeit in strukturschwachen Gebieten, in denen es an alternativen integrationsorientierten Angeboten mangelt, – Personen, die aufgrund der Pflege von Angehörigen/der Betreuung von Kindern unter drei Jahren, auf die Rückkehr in den Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen, – ältere Arbeitnehmer mit geringen Integrationschancen, aber ohne weitere vermittlungsrelevante Handlungsbedarfe. Grundsätzlich ist anzumerken, dass der BFD nur dann in Betracht gezogen werden sollte, wenn keine unmittelbare Möglichkeit der Integration in den ersten Arbeitsmarkt sowie die Teilnahmemöglichkeit an vorrangigen arbeitsmarktlichen Aktivierungsmaßnahmen besteht. Frage: Gibt es Bestrebungen möglichst viele ALG-II-Bezieher am Bundesfreiwilligendienst teilnehmen zu lassen? Die Bundesagentur für Arbeit ist bestrebt, in den Fällen, in denen der Kunde Interesse signalisiert , für die Beschäftigungsaufnahme geeignet ist und eine mittelfristige Integration in den Arbeitsmarkt nicht erwartet wird, eine Teilnahme am BFD zu ermöglichen. Frage: Ist die Teilnahme für ALG-II-Bezieher attraktiv? Gibt es dazu erste Ergebnisse /Rückmeldungen von den Arbeitsvermittlern vor Ort? Falls Ergebnisse vorliegen, worin besteht der Anreiz – neben humanitären Aspekten – an diesem Dienst teilzunehmen? Von Seiten der Jobcenter wurden vereinzelt Interessenbekundungen durch Leistungsempfänger gemeldet. Zu den jeweiligen Motiven liegen der BA keine Informationen vor. 5. Zusammenfassung Die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandentschädigung sind nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nachrangig gegenüber der Vermittlung in Arbeit (§ 3 SGB II). Sie sind kein Ersatz für Aus- und Weiterbildung oder berufsvorbereitende Maßnahmen und dürfen die Berufsausbildung, die Berufsvorbereitung oder die berufliche Weiterbildung nicht behindern oder ersetzen. Dennoch muss entsprechend dem Grundsatz des Forderns der erwerbsfähige Leistungsbezieher eine ihm angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit übernehmen, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einer absehbaren Zeit nicht möglich ist (§ 2 SGB II). Ein Zuwiderhandeln kann laut Gesetz sanktioniert werden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-087/11 Seite 15 Bei Betrachtung der Normgeschichte wird deutlich, dass die Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten für den Gesetzgeber keine „Gegenleistung“ für Transferleistungen nach dem Vorbild des „Workfare -Ansatzes“ darstellen soll. Dieses Verständnis macht auch das Bundessozialgericht im Rahmen seiner Urteilsbegründung12 nochmals deutlich. Bei Arbeitsgelegenheiten nach § 16 d SGB II im sozialen Dienstleistungssektor stehen – anders als bei sonstigen Arbeitsgelegenheiten - die Freiwilligkeit und die Wahlmöglichkeiten für den Leistungsbezieher im Vordergrund. Bei Nicht-Eignung ist ein Wechsel in eine andere Arbeitsgelegenheit ist zulässig. Das die freiwillige Teilnahme an einer Maßnahme die Integrationschancen Langzeitarbeitsloser erhöht, ist auch das Ergebnis des EQUAL-Projekts "GSW-(Zusatz-) Jobs - Dienstleistungen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft". Darüber hinaus wird dort als Ergebnis festgehalten, dass Arbeitsgelegenheiten in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft von Arbeitslosengeld II-Empfängern nicht nur zu teuer, sondern in vielen Bereichen auch völlig ungeeignet sind. Der Bundesfreiwilligendienst setzt auf Freiwillige aller Generationen. Die vor Beginn des Dienstes zu schließende Vereinbarung soll sicherstellen, dass sowohl der Freiwillige als auch die Einsatzstelle „aus freien Stücken“ handeln. Die BA will die Teilnahme für SGB II-Leistungsbezieher am Bundesfreiwilligendienst aktiv anbieten und ermöglichen, sofern Leistungsbezieher Interesse zeigen und keine unmittelbare Möglichkeit der Integration in den ersten Arbeitsmarkt oder die Teilnahmemöglichkeit an vorrangigen arbeitsmarktlichen Aktivierungsmaßnahmen besteht. Da während des Bundesfreiwilligendienstes Sozialabgaben abgeführt werden müssen, werden bei einer Teilnahme von 12 Monaten Ansprüche auf Arbeitslosengeld I erworben. Die Teilnehmer bleiben Aufstocker, da das Taschengeld für den Lebensunterhalt in der Regel nicht ausreicht. Bei Einbeziehung des Bundesfreiwilligendienstes in das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium müsste der Gesetzgeber in erster Linie die Freiwilligkeit aufheben, die gegenwärtig generell für eine Arbeit/Arbeitsgelegenheit im sozialen Dienstleistungssektor besteht. „Freiwilligkeit“ einerseits und die Sanktionierung von Leistungsbeziehern bei Ablehnung von zumutbaren Arbeitsgelegenheiten auf der anderen Seite sind konträre gesetzliche Regelungen. Darüber hinaus müsste der Gesetzgeber wohl generell sein Verständnis hinsichtlich eines Workfare-Ansatzes bei Arbeitsgelegenheiten ändern. 12 Siehe Fußnote 3.