© 2018 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 086/18 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und Kirchenasyl Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 2 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und Kirchenasyl Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 086/18 Abschluss der Arbeit: 5. Oktober 2018 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 4 2.1. Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 4 2.2. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 5 2.2.1. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG 5 2.2.2. Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG 7 2.2.3. Gewährung sonstiger Leistungen nach § 6 AsylbLG 7 2.2.4. Leistungen nach § 2 AsylbLG 8 3. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und Kirchenasyl 9 3.1. Leistungsberechtigter Personenkreis 9 3.2. Leistungsausschluss nach § 8 Asylbewerberleistungsgesetz 10 3.3. Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG 11 3.3.1. Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 AsylbLG 12 3.3.2. Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG 14 3.3.3. Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG 15 3.4. Leistungen nach § 2 AsylbLG 15 3.4.1. Aufenthalt von 15 Monaten im Bundesgebiet 16 3.4.2. Rechtsmissbrauch 16 3.4.3. Befristung der Ablehnung von Leistungen nach § 2 AsylbL 18 4. Kostentragungspflicht 18 4.1. Zuständigkeit nach §§ 10, 10a AsylbLG 19 4.2. Erstattung der Aufwendungen nach § 6a AsylbLG 19 5. Steuerliche Geltendmachung entstandener Kosten 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 4 1. Einleitung In der folgenden Arbeit wird ein Überblick über Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Zusammenhang mit dem Aufenthalt im Kirchenasyl gegeben. Ferner wird darauf eingegangen , wer Kostenschuldner dieser Leistungen ist und ob es für die Kirchengemeinden die Möglichkeit gibt, die ihnen durch die Gewährung von Kirchenasyl entstandenen Kosten von den zuständigen staatlichen Stellen erstattet zu bekommen oder steuerrechtlich geltend zu machen. 2. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ist am 1. November 1993 in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz wurde erstmals eine eigenständige einfachgesetzliche abschließende Grundlage für Umfang und Form der Leistungen zur Sicherung des Mindestunterhalts für Asylbewerber und andere vergleichbare ausländische Staatsangehörige ohne verfestigtes Bleiberecht geschaffen. Dabei wurden entsprechende Leistungen aus dem damaligen Bundessozialhilfegesetz herausgenommen und durch das Asylbewerberleistungsgesetz geregelt.1 Das Gesetz war in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand von Änderungen. Zu den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gehören Grundleistungen nach § 3 AsylbG, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt gemäß § 4 AsylbLG und sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG. Nach einem Aufenthalt von 15 Monaten besteht ein Anspruch auf sogenannte Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, wenn die Leistungsberechtigten die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten und über die grundsätzlich bestehenden Leistungen gegeben werden. 2.1. Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz § 1 Abs. 1 AsylbLG zählt die Leistungsberechtigten nach diesem Gesetz enumerativ auf.2 Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 AsylbLG sind Ausländer, die sich im Asylverfahren befinden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG) sowie Ausländer, die über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist, § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG. Ferner sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach §§ 23 Abs. 1 oder § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder nach § 25 Abs. 5 AufenthG, sofern die Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt, leistungsberechtigt. Nach § 1 Abs. 1 1 Wahrendorf in Wahrendorf, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar, 1. Auflage 2017, Einleitung, Rn. 1f. 2 Schneider in Übersicht über das Sozialrecht, 15. Auflage 2018, Kapitel 21, Rn. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 5 Nr. 4 AsylbLG gehören Ausländer mit einer Duldung nach § 60a AufenthG ebenso zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Ebenfalls leistungsberechtigt sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn die Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der oben genannten Personen sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen, ebenfalls nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG). Im Übrigen sind die Ausländer nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt, die einen Folgeantrag nach § 71 AufenthG oder einen Zweitantrag nach § 71a Asylgesetz (AsylG) stellen (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG). Voraussetzung für alle in § 1 Abs. 1 AsylbLG genannten Personengruppen ist nach dem Wortlaut der Regelung der tatsächliche Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AsylbLG endet die Leistungsberechtigung mit der Ausreise. Außerdem entfällt die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AsylbLG mit Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Ausländer als Asylberechtigten anerkannt hat oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist. 2.2. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 2.2.1. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG Die Grundleistungen sind in § 3 AsylbLG geregelt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erhalten die nach § 1 AsylbLG Leistungsberechtigten bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Abs. 1 AsylG Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und an Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Der notwendige Bedarf wird durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich werden Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Soweit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich , sollen diese durch Sachleistungen gedeckt werden. Soweit Sachleistungen nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich sind, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen , von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden . Werden alle notwendigen persönlichen Bedarfe durch Geldleistungen gedeckt, so beträgt der Geldbetrag zur Deckung aller notwendigen persönlichen Bedarfe monatlich für Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 6 - alleinstehende Leistungsberechtigte 135 Euro, - zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen, je 122 Euro, - weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt 108 Euro, - sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 76 Euro, - leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 83 Euro, - leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 79 Euro. § 3 Abs. 2 AsylbLG regelt die Grundleistungen für den Personenkreis, der außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht ist. Dabei gilt für diese Leistungsberechtigten grundsätzlich der Vorrang der Geldleistungen. Ein Vorbehalt wird lediglich für die in § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG aufgeführten Leistungen gemacht. Für diese kann der Bedarf durch Geld- oder Sachleistungen gedeckt werden. § 3 Abs. 2 AsylbLG bestimmt, dass bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Abs. 1 AsylG vorbehaltlich des Satzes 4 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs nach Abs. 1 Satz 1 zu gewähren sind. Der notwendige Bedarf beträgt monatlich für - alleinstehende Leistungsberechtigte 219 Euro, - zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen, je 196 Euro, - weitere erwachsene Leistungsberechtigte ohne eigenen Haushalt 176 Euro, - sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 200 Euro, - leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 159 Euro, - leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 135 Euro.3 Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwenigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Nach § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG wird der Bedarf für 3 Bekanntmachung über die Höhe der Leistungssätze nach § 3 Absatz 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes für die Zeit ab 1. Januar 2016 vom 26. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1793). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 7 Unterkunft, Heizung und Hausrat gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. § 3 Abs. 1 Satz 4, 5, 8 und 9 AsylbLG ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der notwendige persönliche Bedarf als Geldleistung zu erbringen ist. Bei Unterbringung der Leistungsberechtigten in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne des § 53 AsylG kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden. 2.2.2. Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG § 4 AsylbLG regelt die medizinische Grundversorgung und sieht im Vergleich zu den Anspruchsberechtigten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) einen eingeschränkten Anspruch auf Krankenschutz vor.4 § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG regelt, dass zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren ist. Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden Schutzimpfungen entsprechend den §§ 47, 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen erbracht, § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. § 4 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG sieht eine Notversorgung mit Zahnersatz vor und setzt voraus, dass diese im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Nach § 4 Abs. 2 AsylbLG haben werdende Mütter und Wöchnerinnen Anspruch auf ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel. Die Versorgung bei Schwangerschaft und Geburt entspricht weitgehend den sozialhilferechtlichen Maßstäben des SGB XII bzw. des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V).5 2.2.3. Gewährung sonstiger Leistungen nach § 6 AsylbLG § 6 AsylbLG regelt die Voraussetzungen für die Gewährung sonstiger Leistungen. Das sind solche , die nicht bereits über die Vorschriften der §§ 3 und 4 AsylbLG erbracht werden. Nach § 6 Abs. 1 AsylbLG können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung 4 Wahrendorf in Wahrendorf, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar, 1. Auflage 2017, § 4 AsylbLG, Rn. 1. 5 Korff in Rolf/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, 49. Edition, Stand: 1. Juni 2018, § 4 AsylbLG, Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 8 besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Leistungen sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren. Die Regelung ermöglicht in bestimmten Fällen eine weitere Leistungsgewährung in beschränktem Umfang. Sie soll den zuständigen Behörden Spielraum geben, um besonderen Bedarfen im Einzelfall gerecht zu werden.6 Als Einzelfallregelung ist sie restriktiv anzuwenden.7 § 6 Abs. 2 AsylbLG enthält eine Sonderregelung für bestimmte Personengruppen: Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 AufenthG besitzen und die besondere Bedürfnisse haben, wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wird die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt. Insoweit regelt § 6 Abs. 2 AsylbLG eine privilegierte, über den Leistungsumfang der §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG hinausgehende Versorgung.8 2.2.4. Leistungen nach § 2 AsylbLG Die leistungsrechtlichen Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes, die verglichen mit Leistungen nach dem SGB XII aufgrund der besonderen Bedarfslage in der Regel geringere Leistungen vorsehen, gelten grundsätzlich in den ersten 15 Monaten, in denen sich ein Leistungsberechtigter im Bundesgebiet aufhält. § 2 Abs. 1 AsylbLG sieht vor, dass bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz , die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG, das SGB XII entsprechend anzuwenden ist. Trotz des auf diese Gruppe von Leistungsberechtigten entsprechend anzuwendenden SGB XII, werden sie 6 BT-Drucksache 13/2746, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. vom 24. Oktober 1995, S. 16; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 6 AsylbLG, Rn. 1. 7 Korff in Rolf/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, 49. Edition, Stand: 1. Juni 2018, § 6 AsylbLG, Rn. 2; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 6 AsylbLG, Rn. 2. 8 Korff in Rolf/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, 49. Edition, Stand: 1. Juni 2018, § 6 AsylbLG, Rn. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 9 nicht zu Empfängern von Sozialhilfe, sondern bleiben Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (vgl. § 9 Abs. 1 AsylbLG und § 23 Abs. 2 SGB XII), denn auch die Analogleistungen sind ihrem Rechtsgrund nach Leistungen nach dem AsylbLG.9 3. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und Kirchenasyl Unter Kirchenasyl wird der faktische Schutz verstanden, den kirchliche Einrichtungen Ausländern , gegen die nach Abschluss rechtstaatlicher Verfahren aufenthaltsbeendende Maßnahmen erlassen wurden, in ihren Räumlichkeiten gewähren. Dabei sollen die betroffenen Ausländer vor dem Zugriff der Behörden geschützt werden.10 In der Praxis wird die Tradition des Kirchenasyls staatlich respektiert und die Gewährung von Kirchenasyl – soweit ersichtlich – von den zuständigen Ausländerbehörden in der Regel geduldet.11 Die Inanspruchnahme von Kirchenasyl ist auch im leistungsrechtlichen Bereich nicht explizit geregelt, sodass es auch in diesen Fällen bei den bestehenden allgemeinen Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes bleibt. Im Folgenden sollen nur die Aspekte dargestellt werden, die konkret im Zusammenhang mit Kirchenasyl von Bedeutung sein können, wobei es letztlich immer auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles ankommen wird. 3.1. Leistungsberechtigter Personenkreis Im Hinblick auf die Leistungsberechtigung ergeben sich aufgrund des Kirchenasyls keine Besonderheiten . Danach kommt hier bei tatsächlichem Aufenthalt im Bundesgebiet dem Grunde nach eine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 4 AsylbLG (Ausländer, die eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen), § 1 Abs. 5 AsylbLG (Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist) und § 1 Abs. 6 AsylbLG (Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen) in Betracht. 9 Korff in Rolf/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, 49. Edition, Stand: 1. Juni 2018, § 2 AsylbLG, Rn. 17 und § 9 AsylbLG, Rn. 4; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 2 AsylbLG, Rn. 1, 41 und § 9 AsylbLG, Rn. 5. 10 Vgl. ausführlich dazu: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Fragen zum Kirchenasyl, Ausarbeitung vom 29. August 2018, (WD 3 - 3000 - 284/18). 11 Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Fragen zum Kirchenasyl, Ausarbeitung vom 29. August 2018, (WD 3 - 3000 - 284/18), S. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 10 3.2. Leistungsausschluss nach § 8 Asylbewerberleistungsgesetz In § 8 AsylbLG ist ein Leistungsausschluss vorgesehen, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere auf Grund einer Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gedeckt wird. Besteht eine Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG, übernimmt die zuständige Behörde die Kosten für Leistungen im Krankheitsfall, bei Behinderung und bei Pflegebedürftigkeit, soweit dies durch Landesrecht vorgesehen ist, § 8 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Die Regelung ordnet den Nachrang für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gegenüber anderen Leistungen an. Der Nachrang nach § 8 AsybLG gilt grundsätzlich für alle Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.12 Aus der Formulierung „soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig […] gedeckt wird“ wird deutlich, dass in dem Fall, in dem der erforderliche Lebensunterhalt des nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten nicht oder nur zum Teil „anderweitig gedeckt“ wird, der Leistungsberechtigte im Umfang des (weiterhin) bestehenden Bedarfs grundsätzlich Anspruch auf die Bewilligung der zur Bedarfsdeckung erforderlichen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hat.13 Daher richtet sich die Frage, welche Leistungen in welcher Höhe und in welcher Form (Geld- oder Sachleistungen) im Einzelfall zu erbringen sind, bei der Verneinung einer teilweisen oder vollständigen „anderen Deckung“ grundsätzlich nach den entsprechenden Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz. Im Hinblick auf den Nachrang der Leistungen und die Frage der Bedürftigkeit weist die Regelung Bezüge zu den Regelungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen in § 7 AsylbLG und zu § 9 AsylbLG auf.14 Danach ist ein Nachrang von Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz immer vom Bestehen, der tatsächlichen Verwirklichung und der Reichweite vorrangiger Rechte gegenüber Garantiegebern abhängig.15 Davon, dass eine anderweitige Deckung des erforderlichen Lebensunterhalts im Sinn des § 8 AsylbLG vorliegt, kann nur dann ausgegangen werden, wenn der leistungsberechtigten Person Zuwendungen Dritter tatsächlich zufließen und diese Zuwendungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs tatsächlich eingesetzt werden können, der Leistungsberechtigte mithin also über hinreichende eigene und bereite Mittel verfügt.16 12 Dollinger in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 8 AsylbLG, Rn. 9; Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum Sozialgesetzbuch XII, 19. Auflage 2015, § 8 AsylbLG, Rn. 12. 13 Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum Sozialgesetzbuch XII, 19. Auflage 2015, § 8 AsylbLG, Rn. 9. 14 Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, Stand: 9. August 2017, § 8 AsylbLG, Rn. 6. 15 Dollinger in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 8 AsylbLG, Rn. 8; Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, Stand: 9. August 2017, § 8 AsylbLG, Rn. 15. 16 Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum Sozialgesetzbuch XII, 19. Auflage 2015, § 8 AsylbLG, Rn. 4; Dollinger in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 8 AsylbLG, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 11 Aus der Gewährung von Kirchenasyl an sich folgt allerdings kein Leistungsausschluss nach § 8 AsylbLG.17 Beim Kirchenasyl handelt es sich - wie bereits ausgeführt - um eine kirchliche Praxis , bei der Hilfesuchende auf dem Gelände der Kirche oder eines Klosters Aufnahme und Zuflucht finden und dadurch vor dem Vollzug staatlicher Gewalt geschützt werden sollen. Diese Tradition wird durch die Bundesregierung respektiert.18 In diesem Zusammenhang kann davon ausgegangen werden, dass der Bedarf von Unterkunft und Heizung bei einem Kirchenasyl tatsächlich gedeckt wird, da - wie oben bereits ausgeführt - Kirchenasyl als der Schutz verstanden wird, den kirchliche Einrichtungen Ausländern, gegen die nach Abschluss rechtstaatlicher Verfahren aufenthaltsbeendende Maßnahmen erlassen wurden, in ihren Räumlichkeiten gewähren.19 Von der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. werden Kirchengemeinden, die sich dazu entschließen, Kirchenasyl zu gewähren, dahingehend beraten, dass diese den Raum (Wohnen, Kochen, sanitäre Einrichtung) zur Verfügung stellen und ebenfalls für die materielle Versorgung der Menschen im Kirchenasyl verantwortlich sind und dies aus Spendengeldern finanziert wird.20 Allein auf Grund der Gewährung von Kirchenasyl besteht aber keine rechtliche Verpflichtung zur Deckung des Lebensunterhalts für die Kirche oder des Kloster das Kirchenasyl gewährt.21 3.3. Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG Wenn die Kirchengemeinde während des Kirchenasyls den Bedarf des nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten tatsächlich nicht umfassend deckt, muss die Bewilligungsbehörde prüfen, ob uneingeschränkte Leistungen oder eingeschränkte Leistungen zu gewähren sind. § 1a AsylbLG sieht verschiedene Anspruchseinschränkungen vor. Im Folgenden wird auf die Regelungen eingegangen, die besonders im Zusammenhang mit der Gewährung von Kirchenasyl in Betracht kommen können. 17 Vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss des vom 11. November 2016 - L 8 AY 28/16 B ER - , Rn. 32 (nach juris); Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, Stand: 9. August 2017, § 8 AsylbLG, Rn. 15.1. 18 Vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Fragen zum Kirchenasyl, Ausarbeitung vom 29. August 2018, (WD 3 - 3000 - 284/18); BT-Drucksache 18/9894, Antwort der Bundesregierung vom 4. Oktober 2016 auf die Kleine Anfrage „Aktuelle Fragen zur Praxis des Kirchenasyls in Deutschland und zu Rücküberstellungen nach Ungarn“, S. 2. 19 Dollinger in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 8 AsylbLG, Rn. 15. 20 Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V., Erstinformation Kirchenasyl, Handreichung für Gemeinden und ihre Gremien, S. 6 f., abrufbar unter: https://www.kirchenasyl.de/wp-content/uploads /2013/12/bag-erstinfo2017-korr03.pdf (zuletzt abgerufen am 1. Oktober 2018). 21 Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss des vom 11. November 2016 - L 8 AY 28/16 B ER - , Rn. 32 (nach juris); Dollinger in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 8 AsylbLG, Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 12 3.3.1. Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 AsylbLG Nach § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG haben vollziehbar ausreisepflichtige Personen (Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG), für die ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG, es sei denn, die Ausreise konnte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden. Wurde mithin die Ausreise trotz feststehendem Ausreistermin und Ausreisemöglichkeit nicht vollzogen, kommt ein Absehen von einer Anspruchseinschränkung nur dann in Betracht, wenn von dem Leistungsberechtigten die Nichtausreise nicht zu vertreten ist. Dabei kommt es auf ein Verschulden, also ein vorsätzliches oder fahrlässiges oder ein sonst vorwerfbares Verhalten nicht an.22 Entscheidend ist hier vielmehr, dass die Nichtausreise auf ein Verhalten zurückgeht, das im Verantwortungsbereich des Betreffenden liegt.23 Ob davon bei der Inanspruchnahme von Kirchenasyl auszugehen ist, ist nicht unumstritten. Nach wohl überwiegender Ansicht ist ein solches anspruchseinschränkendes Verhalten grundsätzlich in Fällen des Kirchenasyls anzunehmen . Durch die Inanspruchnahme entziehe sich der vollziehbar ausreisepflichtige Leistungsberechtigte faktisch dem Zugriff der staatlichen Organe. Unabhängig von der fehlenden Rechtsgrundlage für Kirchenasyl werde dies von den staatlichen Stellen respektiert und von Vollzugsmaßnahmen abgesehen.24 Zwar bestünden insofern keine rechtlichen Hindernisse für den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen, aber aufgrund der politischen Entscheidung könne von einem faktisch bestehenden Vollzugshindernis ausgegangen werden, das von den Leistungsberechtigten genutzt werde, um den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu umgehen.25 Diese Auffassung wird zum Teil als nicht unproblematisch angesehen. So führt Oppermann dazu aus, dass die Leistungsberechtigten den Umstand der Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter Umständen nicht allein und ausschließlich zu vertreten hätten. Das Kirchenasyl setze eine kirchliche Entscheidung voraus und oftmals stehe eine politische Vereinbarung der Landeskirche mit der jeweiligen Landesregierung dahinter. Dann fehle es zumindest für die Zeit des Kirchenasyls an dem ernsthaften und zielgerichteten Bestreben der Ausländerbehörde , den Leistungsberechtigten zurückzuführen. Allerdings, so wird weiter ausgeführt, seien in solchen Fällen die Umstände des Einzelfalls sehr sorgfältig aufzuklären und zu bewerten. Weiter wird darauf hingewiesen, dass bei behördlicherseits unterbliebener Aufenthaltsbeendigung auf- 22 Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 31; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 56. 23 Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 56. 24 Bayerisches Landessozialgericht, Beschlüsse vom 11. November 2016 - L 8 AY 28/16 B ER - , Rn. 35 und - L 8 AY 29/16 B ER - Rn. 46 (nach juris). 25 Bayerisches Landessozialgericht, Beschlüsse vom 11. November 2016 - L 8 AY 28/16 B ER - , Rn. 35 und - L 8 AY 29/16 B ER - Rn. 46 (nach juris); so auch Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 31; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 61; Deibel in „Kirchenasyl und Asylbewerberleistungsrecht“, ZFSH SGB, Heft 10/2017, S. 583, 586. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 13 grund staatlich tolerierten Kirchenasyls die erforderliche Kausalität zwischen vorwerfbarem Verhalten und dem Nichtvollzug nicht vorliege, da der Respekt vor dem Kirchenasyl der maßgebliche Grund sei, weshalb die Ausländerbehörde die Beendigung des Aufenthalts nicht vollziehe.26 Liegen die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG vor, so werden den Leistungsberechtigten bis zu ihrer Ausreise oder der Durchführung ihrer Abschiebung nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt. Weil es bei dem Kirchenasyl gerade darum geht, in kirchlichen Räumlichkeiten Schutz vor dem Zugriff der Behörden zu gewähren, kann es insoweit ausschließlich um Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege gehen. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden. Die Sachleistungsgewährung ist nach § 1a Abs. 2 Satz 4 AsylbLG als Regelfall vorgesehen. In atypischen Fällen kann aber in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Bewilligung von Geldleistungen in Betracht kommen, wenn etwa bei Gewährung von Kirchenasyl eine Sachleistungsgewährung nicht durchführbar ist.27 Die Auszahlung der Leistungen erfolgt in einem solchen Fall an den Leistungsberechtigten, nicht an die Kirchengemeinde.28 Ansprüche auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG sind von der Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 2 AsylbLG nicht umfasst und bestehen daher auch für die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts weiter. Die Anspruchseinschränkung ist nach § 14 Abs. 1 AsylbLG auf sechs Monate zu beschränken. Nach Ablauf der Frist von sechs Monaten bedarf es der Überprüfung, ob die Anspruchseinschränkung aufrechterhalten bleiben kann. Insofern fordert § 14 Abs. 2 AsylbLG eine neue Prüfung der Behörde, ob die Pflichtverletzung andauert und die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung weiter erfüllt sind. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete es, so die Gesetzesbegründung, dass ein nicht mehr änderbares, zurückliegendes Fehlverhalten oder sogar ein bereits korrigiertes Fehlverhalten in einer Sanktion nicht unbegrenzt fortwirkt.29 26 Oppermann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, 2. Überarbeitung, Stand: 13. Juli 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 86 f. 27 Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2016 - L 8 AY 28/16 B ER - , Rn. 40 (nach juris); Deibel, „Kirchenasyl und Asylbewerberleistungsrecht“ in ZFSH SGB, Heft 10/2017, S. 583, 587. 28 Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2016 - L 8 AY 28/16 B ER - , Rn. 40. 29 Vgl. BT-Drucksache 18/6185, Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 29. September 2015, S. 47 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 14 3.3.2. Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG Für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG (Ausländer, die eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen, und Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist), bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können , regelt § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG die entsprechende Anwendung des § 1a Abs. 2 AsylbLG. Insofern entspricht der Umfang der eingeschränkten Leistungen dem des § 1a Abs. 2 AsylbLG. Für diesen Personenkreis endet der Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG mit dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Vollziehbarkeit einer Abschiebungsanordnung folgenden Tag, § 1a Abs. 3 Satz 2 AsylbLG. Für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG (Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen) soweit es sich um Familienangehörige der in § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG genannten Personen handelt, gilt § 1a Abs. 1 AsylbLG entsprechend, § 1a Abs. 3 Satz 3 AsylbLG.30 § 1a Abs. 3 AsylbLG setzt voraus, dass die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen von den genannten Leistungsberechtigten aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können . Abzustellen ist mithin auf ein Verhalten der betroffenen Personen selbst. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass dies beispielsweise gelte, wenn die betroffenen Personen nicht bei der Passbeschaffung mitwirken, die entsprechenden Ausweisdokumente vernichtet oder ihre Abschiebung durch Widerstandshandlungen oder auf andere von ihnen zu vertretende Weise vereitelt haben.31 Auch hier geht es nicht um ein Verschulden; erforderlich ist ein Vertretenmüssen .32 Das Verhalten muss dem Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten zuzuordnen sein. Das Gesetz fordert insoweit eine Kausalität zwischen dem zu vertretenden Handeln und dem Nichtvollzug.33 Bei einem Kirchenasyl ist auch hier - wie bei § 1a Abs. 2 AsylbLG - der Eintritt der Anspruchseinschränkung nicht unumstritten.34 30 Die Regelung in § 1a Abs. 3 Satz 3 AsylbLG wird in der Kommentarliteratur nicht unkritisch gesehen. Dabei wird angeführt, dass nicht nachvollziehbar sei, warum die Leistungen bei dem leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG bei Vorliegen inhaltsgleicher Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung anders ausfallen sollen, als bei ihren Familienangehörigen, vgl. dazu Deibel in Deibel/Hohm, AsylbLG aktuell, § 1a AsylbLG, Rn. 28 f.; Oppermann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, 2. Überarbeitung, Stand: 13. Juli 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 88; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 75. 31 BT-Drucksache 13/10155, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes des Bundesrates vom 20. März 1998, S. 5. 32 Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 36. 33 Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 36. 34 Vgl. Korff in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 49. Edition, Stand: 1. Juni 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 22; bejahend: etwa Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 74; Deibel, „Kirchenasyl und Asylbewerberleistungsrecht“ in ZFSH SGB, Heft 10/2017, S. 583, 588; Deibel in Deibel/Hohm, AsylbLG aktuell, 2016, § 1a AsylbLG, Rn. 25; wohl eher ablehnend: Oppermann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, 2. Überarbeitung, Stand: 13. Juli 2018, § 1a AsylbLG, Rn. 86 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 15 Auch die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG ist nach § 14 AsylbLG zu befristen. 3.3.3. Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG Für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Kirchenasyl kann für eine Anspruchseinschränkung auch § 1a Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 AsylbLG in Betracht kommen. Insofern ergeben sich aber im Hinblick auf ein Kirchenasyl hier keine Besonderheiten. Die Norm § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG regelt, dass Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG (Inhaber einer Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz) oder § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (vollziehbar Ausreisepflichtige, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist), für die in Abweichung von der Regelzuständigkeit nach der Dublin-III Verordnung nach einer Verteilung durch die Europäische Union ein anderer Mitgliedstaat oder ein am Dublin-Verfahren teilnehmender Drittstaat, der die Dublin-III Verordnung anwendet, zuständig ist, ebenfalls nur Leistungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG erhalten. Unter § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG werden ebenso Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG erfasst, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG internationaler Schutz oder aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht. 3.4. Leistungen nach § 2 AsylbLG Im Übrigen können - soweit nicht aufgrund einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG ausgeschlossen - Leistungen nach § 2 AsylbLG in Betracht kommen, wenn sich Leistungsberechtigte 15 Monate ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Mit der in § 2 AsylbLG getroffenen Regelung unterscheidet der Gesetzgeber mithin zwischen denjenigen Ausländern, die unverschuldet nicht ausreisen können - sie erhalten nach 15 Monaten ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet Leistungen entsprechend dem SGB XII - und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen - sie erhalten auch nach 15 Monaten Aufenthalt im Bundesgebiet weiter die abgesenkten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 16 3.4.1. Aufenthalt von 15 Monaten im Bundesgebiet Die Frist von 15 Monaten wird nicht durch Zeiten des Kirchenasyls im Bundesgebiet unterbrochen .35 3.4.2. Rechtsmissbrauch Voraussetzung für Leistungen nach § 2 AsylbLG ist ferner, dass die Leistungsberechtigten die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, wird im Asylbewerberleistungsgesetz nicht definiert und ist mithin durch Auslegung zu ermitteln. Das Bundessozialgericht geht davon aus, dass der Begriff als vorwerfbares Fehlverhalten eine objektive Komponente, den Missbrauchstatbestand, und eine subjektive Komponente, das Verschulden, enthält.36 Der Vorschrift des § 2 AsylbLG und damit dem - die Beeinflussung der Aufenthaltsdauer dienenden - Rechtsmissbrauch liege der Gedanke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen dürfe, die er selbst treuwidrig herbeigeführt habe. Es genüge insoweit nicht, dass die Dauer des Aufenthalts auf Gründen beruhe, die in der Verantwortungssphäre des Hilfesuchenden lägen.37 In objektiver Hinsicht setze der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer solle danach von Analogleistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer dürfe sich also nicht auf einen Umstand berufen , den er selbst treuwidrig herbeigeführt habe. Dabei genüge, so das Bundessozialgericht, angesichts des Sanktionscharakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Art, Ausmaß und Folgen der Pflichtverletzung würden so schwer wiegen, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen müsse. Daher führe nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls , der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des Asylbewerberleistungsgesetz unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Ausschluss von Leistungen nach § 2 AsylbLG.38 In subjektiver Hinsicht geht das Bundessozialgericht in dem genannten Urteil davon aus, dass ein Rechtsmissbrauch voraussetze, dass sich der Betroffene hierüber bewusst sei. Ein bloß fahrlässiges Verhalten genüge für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht. Vielmehr setze der Vorwurf sowohl Vorsatz bezüglich der tatsächlichen Umstände als auch der Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts voraus. In der bloß fahrlässig herbeigeführten Verlängerung der Aufenthaltsdauer 35 Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 2 AsylbLG, Rn. 10; Oppermann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, 1. Überarbeitung, Stand: 25. Juni 2018, § 2 AsylbLG, Rn. 44; Deibel, „Kirchenasyl und Asylbewerberleistungsrecht“ in ZFSH SGB, Heft 10/2017, S. 583, 587. 36 Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008 - B8/9b AY 1/07 R -. 37 Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008 - B8/9b AY 1/07 R - , Rn. 32 (nach juris). 38 Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008 - B8/9b AY 1/07 R - , Rn. 32 ff. (nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 17 liege - anders als bei § 1a AsylbLG - kein so schwer wiegender Verstoß gegen die Rechtsordnung, dass eine - nicht nur zeitlich begrenzte - Absenkung der Leistungen gerechtfertigt wäre.39 Im Übrigen setzt das Gericht voraus, dass die Dauer des Aufenthalts aufgrund des schuldhaften missbräuchlichen Verhaltens beeinflusst wurde. Allerdings reiche hier eine typisierende, also generell-abstrakte Betrachtungsweise hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts grundsätzlich aus.40 Soweit ersichtlich, wird die Frage, ob ein Leistungsberechtigter nach dem Asylbewerberleistungsgesetz seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich beeinflusst, wenn und soweit ihm Kirchenasyl gewährt wird, in Rechtsprechung und Kommentarliteratur strittig erörtert und entschieden.41 So hat etwa das Sozialgericht Stade dies in einem Urteil vom 17. März 201642 verneint. Verzichte der Staat selbst zeitweise darauf die Ausreisepflicht durchzusetzen, so handele der Ausländer nicht rechtsmissbräuchlich. Da die Ausländerbehörde tatsächlich das Institut des Kirchenasyls anerkenne und nicht mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen einschreite, könne in der Nutzung dieses Instituts kein Rechtsmissbrauch gesehen werden. Auch liege in der Nutzung des Kirchenasyls kein sittenwidriges Verhalten. Dass die Kirchen Ausländern, denen die Abschiebung drohe, Kirchenasyl anböten, sei mit den Werten der Gesellschaft vereinbar. Es handele sich um eine Maßnahme der Kirchen, die auch von den Behörden respektiert werde. Dabei handele es sich nicht um eine Flucht des Ausländers, da er selbst nicht die Entscheidungshoheit darüber habe, ob ihm Kirchenasyl gewährt werde. Der Ausländer könne sich nur dann in Kirchenasyl begeben, wenn er dieses gewährt bekäme.43 Ferner wird bezweifelt, ob im Falle von der Inanspruchnahme von Kirchenasyl ein entsprechender Vorsatz angenommen werden könnte und damit dem Leistungsberechtigten also bewusst sei, dass er die Hilfe der Kirche nicht annehmen durfte, ohne gegen die Rechtsordnung zu verstoßen.44 Dieser Auffassung wird entgegengehalten, dass die Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG allein vom Verhalten des Ausländers abhänge und nur danach zu beurteilen sei, ob er seinen ausländerrechtlichen Verpflichtungen nachkomme. Da das Asylbewerberleistungsgesetz mit seinen Leistungen an einen bestimmten Aufenthaltsstatus anknüpfe, komme es entscheidend darauf an, ob der Ausländer die für ihn geltenden ausländerrechtlichen Verpflichtungen erfülle. Dies treffe bei einem abgelehnten Asylbewerber im Kirchenasyl nicht zu, weil er gegen die vollziehbare Ausreisepflicht nach § 58 Abs. 2 AufenthG verstoße. Der subjektive Missbrauchstatbestand sei erfüllt, da der Ausländer auch dann (bedingt) vorsätzlich handele, wenn er der „Einladung“ einer Kirchengemeinde folge. Ferner beeinflusse der Ausländer die Dauer seines 39 Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008 - B8/9b AY 1/07 R - , Rn. 39 (nach juris). 40 Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008 - B8/9b AY 1/07 R - , Rn. 43 (nach juris). 41 Vgl. Deibel, „Kirchenasyl und Asylbewerberleistungsrecht“ in ZFSH SGB, Heft 10/2017, S. 583, 587; Krauß in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 2 AsylbLG, Rn. 51. 42 Sozialgericht Stade, Beschluss vom 17. März 2016 - S 19 AY 1/16 ER –. 43 Sozialgericht Stade, Beschluss vom 17. März 2016 - S 19 AY 1/16 ER -, Rn. 15 f. (nach juris). 44 Krauß in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, 1. Auflage 2018, § 8 AsylbLG, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 18 Aufenthalts rechtsmissbräuchlich, wenn er während der Kirchenasyls nur eingeschränkt Leistungen nach § 1a Abs. 2, 3 oder 4 AsylbLG erhalte, denn insoweit liege ein asylbewerberleistungsrechtlicher Rechtsmissbrauch vor, der es ausschließe, Leistungen in besonderen Fällen zu bewilligen.45 Auch nach Ansicht des Sozialgerichts Lüneburg in seinem Urteil vom 22. Februar 201846 schließt Kirchenasyl den Missbrauchstatbestand im Sinne von § 2 AsylbLG nicht aus. „Zwar werden aufenthaltsbeendende Maßnahmen von Ausländerbehörden während des Kirchenasyls nicht vollzogen. Dies ändert allerdings nichts an dem Umstand, dass Leistungsberechtigte , die sich freiwillig in das Kirchenasyl begeben, Vollzugsmaßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts damit bewusst verhindern, indem sie sich dem Zugriff durch staatliche Vollzugsbehörden faktisch entziehen. Durch die Schaffung eines solchen faktischen Abschiebungshindernisses wird die Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland durch ein Verhalten des Leistungsberechtigter aber gezielt beeinflusst, obwohl der Aufenthalt von der Rechtsordnung nicht mehr gedeckt ist bzw. die Verpflichtung zur Aufenthaltsbeendigung besteht.“47 3.4.3. Befristung der Ablehnung von Leistungen nach § 2 AsylbL Eine Regelung zur Befristung der Ablehnung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ist im Asylbewerberleistungsgesetz nicht vorgesehen. § 14 AsylbLG kommt hier nicht zur Anwendung, da diese nur Anspruchseinschränkungen betrifft. In der Ablehnung von Leistungen nach § 2 AsylbLG liegt aber keine solche Anspruchseinschränkung.48 4. Kostentragungspflicht Gemäß Art. 83 GG führen die Länder das Asylbewerberleistungsgesetz als eigene Angelegenheit aus. Daher sind diese für Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren zuständig und tragen nach Art. 104a Abs. 1 GG die durch das Gesetz entstehenden Kosten. 45 Deibel, „Kirchenasyl und Asylbewerberleistungsrecht“ in ZFSH SGB, Heft 10/2017, S. 583, 587. 46 Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 22. Februar 2018 - S 26 AY 26/17 -. 47 Sozialgericht Lüneburg vom 22. Februar 2018 – S 26 AY 26/17 - , Rn. 24 (nach juris). 48 Vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - , Rn. 33, 46; Siefert in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz , 1. Auflage 2018, § 14 AsylbLG, Rn. 4; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 14 AsylbLG, Rn. 5; ebenso Deibel in Deibel/Hohm, AsylbLG aktuell, 2016, § 14 AsylbLG, Rn. 2; Deibel vertritt allerdings unter Verweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Auffassung, dass die Entscheidung über die Ablehnung von Leistungen in besonderen Fällen wegen des Aufenthaltes im Kirchenasyl in entsprechender Anwendung des § 14 AsylbLG zu befristen sei. Es müssten dann wieder Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt werden, wenn sich der leistungsberechtigte Personenkreis nach dem Ende des Kirchenasyls 15 Monate ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten habe, vgl. Deibel, „Kirchenasyl und Asylbewerberleistungsrecht “ in ZFSH SGB, Heft 10/2017, S. 583, 587. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 19 4.1. Zuständigkeit nach §§ 10, 10a AsylbLG Die Landesregierungen oder die von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden bestimmen die für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen Behörden und Kostenträger , § 10 Satz 1 AsylbLG. Nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ist die Behörde für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz örtlich zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte nach dem Asylgesetz oder dem Aufenthaltsgesetz verteilt oder zuwiesen wurde oder für deren Bereich für ihn eine Wohnsitzauflage besteht. § 10a Satz 2 AsylbLG berücksichtigt die Möglichkeit, Asylbegehrende auf der Basis von Vereinbarungen abweichend von der geregelten Aufnahmequote außerhalb der jeweiligen Ländergrenzen unterzubringen. Besteht keine Zuweisung oder Wohnsitzauflage, ist der tatsächliche Aufenthalt maßgebend. 4.2. Erstattung der Aufwendungen nach § 6a AsylbLG § 6a AsylbLG regelt einen Aufwendungsersatzanspruch für Nothelfer und ist mit § 6b AsylbLG zusammen zu sehen. Nach § 6a AsylbLG sind jemandem, der in einem Eilfall einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 AsylbLG nicht zu erbringen gewesen wären, seine Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Die Regelung gibt mithin in Fällen, in denen der für die Leistung zuständige Leistungsträger nicht oder nicht schnell genug über den Leistungsfall in Kenntnis gesetzt werden kann, dem Hilfe leistenden Dritten einen Anspruch auf Ersatz der angemessenen Aufwendungen. Hauptanwendungsfall der Nothilfe ist nach der Gesetzesbegründung die (zahn-)ärztliche Notfallbehandlung beziehungsweise die Krankenhausbehandlung in medizinischen Eilfällen.49 Ein solcher Erstattungsanspruch der Kirchengemeinde dürfte bei Gewährung von Kirchenasyl in der Regel nicht in Betracht kommen. Zum einen scheidet ein solcher Erstattungsanspruch aus, wenn bereits kein Anspruch des Hilfebedürftigen besteht. Dies ist dann der Fall, wenn von der Kirchengemeinde der Bedarf tatsächlich gedeckt wird, § 8 AsylbLG. Zudem dürfte regelmäßig auch nicht von einem Eilfall im Sinne des § 6a AsylbLG ausgegangen werden können, da es dem Leistungsberechtigten möglich und zumutbar sein dürfte, den örtlichen Träger der Leistungen darüber zu informieren, dass er sich in Kirchenasyl begeben habe.50 Ab dem Kenntniszeitpunkt der Behörde endet der Aufwendungsersatzanspruch des Dritten und es setzt der Anspruch des Hilfebedürftigen ein, vgl. § 6b AsylbLG.51 49 BT-Drucksache 18/2592, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes der Bundesregierung vom 22. September 2014, S. 25. 50 Deibel, „Kirchenasyl und Asylbewerberleistungsrecht“ in ZFSH SGB, Heft 10/2017, S. 583, 584. 51 BT-Drucksache 18/2592, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes der Bundesregierung vom 22. September 2014, S. 25. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 086/18 Seite 20 5. Steuerliche Geltendmachung entstandener Kosten Religionsgemeinschaften (wie z. B. die evangelischen oder katholischen Kirchen) sind als juristische Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 Körperschaftsteuergesetz (KStG) nicht mit ihrer gesamten Tätigkeit, sondern nur mit den Betrieben gewerblicher Art unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben nicht zu beeinträchtigen, eine außerhalb dieses Bereichs in Wettbewerb zu den Unternehmen der Privatwirtschaft ausgeübte Tätigkeit jedoch zu besteuern. Das Kirchenasyl unterfällt nicht dem Bereich eines Betriebs gewerblicher Art. Betriebsaufwendungen sind die Aufwendungen die durch den (steuerpflichtigen) Betrieb veranlasst sind, § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. Aufwendungen denen keine steuerpflichtigen Einkünfte gegenüberstehen, können daher steuerrechtlich nicht berücksichtigt werden. Eine steuerrechtliche Geltendmachung des Aufwands für das Kirchenasyl ist somit nicht möglich. ***