AUSARBEITUNG Thema: Informationen zur Rente, Grunddaten zur Finanzierung, Kindererziehungszeiten und Alternativen, Internationaler Vergleich, insbesondere Schweden und Niederlande Fachbereich VI Arbeit und Soziales Abschluss der Arbeit: 21. März 2006 Reg.-Nr.: WF VI - 3000-085/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Anhebung der Regelaltersrente auf 67 – Hintergrund und Daten 3 1.1. Finanzierung gesetzlichen Rentenversicherung im Umlageverfahren 3 1.2. Gründe für defizitäre Entwicklung der Rentenfinanzen 3 1.3. Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers 4 1.4. Handlungsfelder innerhalb der rentenrechtlichen Regelungen 4 1.4.1. Instrumente zur Erhöhung der Beitragseinahmen 4 1.4.2. Bundeszuschüsse und Erstattungen des Bundes erhöhen 4 1.4.3. Senkung des Leistungsniveaus 4 1.5. Handlungsfelder außerhalb der rentenrechtlichen Regelungen 5 2. Berücksichtigung von Erziehungsleistungen in der Rentenversicherung 6 2.1. Derzeitige Rechtslage 6 2.2. Alternative Modelle zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten 6 3. Internationale Vergleiche 7 3.1. Geburtenraten 7 3.2. Rentensysteme 8 3.2.1. Rentensystem Niederlande 8 3.2.2. Rentensystem Schweden 11 - 3 - 1. Anhebung der Regelaltersrente auf 67 – Hintergrund und Daten 1.1. Finanzierung gesetzlichen Rentenversicherung im Umlageverfahren Das Umlageverfahren erfordert die Finanzierung der laufenden Renten aus den jeweils aktuellen Einnahmen der Rentenversicherung. Die Zusammensetzung zeigt - Anlage 1 – Die gegenüberstehenden Ausgaben weisen ein Defizit von 4,5 Milliarden € aus. - Anlage 2 – Dieses Defizit wurde aus der Nachhaltigkeitsrücklage gedeckt, die damit von 32 % einer Monatsausgabe (Ende 2004) auf 7 % einer Monatsausgabe (rund 1 Milliarde Euro) gesunken ist. Der gesetzliche Mindestwert liegt bei 20 % (ca. 3,1 Milliarden). Die Zusammensetzung der Gesamtzahlungen des Bundes (Bundeszuschuss, Beitragszahlungen und Erstattungen) zeigt die - Anlage 3 – 1.2. Gründe für defizitäre Entwicklung der Rentenfinanzen Aktuell: Hohe Arbeitslosigkeit (z.Zt. 12,2 %) und sinkende Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Folge geringen Wirtschaftswachstums führt zu entsprechenden Beitragsausfällen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Siehe hierzu Entwicklung Erwerbstätige und Versicherungspflichtige – Anlage 4 – Bruttoinlandsprodukt in % - Veränderungen zum Vorjahr – Anlage 5 - Mittel- und langfristig: Die demografische Entwicklung bei einer Geburtenrate von nur 1,37 Kindern führt zu steigender Zahl von Rentnern bei gleichzeitig abnehmender Zahl der potenziellen Beitragszahler. Als Bestands erhaltend gilt eine Geburtenrate von 2,2 Kindern. - Anlage 6 – - 4 - Die Folgen für die Entwicklung der Beitragssätze und des Rentenniveaus verdeutlicht - Anlage 7 – 1.3. Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers Es stehen drei Handlungsfelder innerhalb der rentenrechtlichen Regelungen zur Verfügung: Erhöhung der Beitragseinnahmen, Erhöhung des Bundeszuschusses oder Senkung des Leistungsniveaus. Außerhalb der Rentenversicherung: z.B. Abbau der Arbeitslosigkeit, generieren von Wirtschaftswachstum, Erhöhung der Geburtenrate durch familienpolitische Maßnahmen, Förderung des Aufbaus einer zusätzlicher Alterssicherung (betriebliche und private Alterssicherung / z.B. durch Entgeltumwandlung und Riesterrente, bereits erfolgt). 1.4. Handlungsfelder innerhalb der rentenrechtlichen Regelungen 1.4.1. Instrumente zur Erhöhung der Beitragseinahmen - Beitragssatzanhebung (erfolgt ab 01.01.2007 von jetzt 19,5 % auf 19,9 %). - Vorverlegung Beitragsfälligkeit (erfolgt ab 01.01.2006) - Erweiterung des versicherungspflichtigen Personenkreises, z.B. Einbeziehung Beamte, Selbstständige, Abgeordnete etc. - Erhöhung oder Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze - Erweiterung der Bemessungsgrundlage für Beiträge auf Kapitaleinkünfte, Mieteinkünfte, Spekulationsgewinne etc. 1.4.2. Bundeszuschüsse und Erstattungen des Bundes erhöhen Eine Erhöhung der Bundeszuschüsse stärkt die steuerfinanzierten Anteile des Rentensystems . Der Bundeszuschuss hat eine Entlastungs- und Ausgleichsfunktion, die den Bund und damit die Allgemeinheit am sozialen Ausgleich der der Rentenversicherung übertragenen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben beteiligen soll und der Senkung von Lohnnebenkosten sowie dem Ausgleich versicherungsfremder Leistungen dient. Zur Entwicklung des Bundeszuschusses und der Erstattungen des Bundes sowie der Beiträge siehe Grafik - Anlage 8 – Daneben findet dieses Instrument zusätzlich z.B. bereits im Rahmen der Zuweisung von Einnahmen aus der Ökosteuer an die Rentenversicherung Anwendung. 1.4.3. Senkung des Leistungsniveaus - 5 - Mit der schrittweisen Anhebung der Altersgrenzen für Altersrenten vor Vollendung des 65. Lebensjahres und der Einführung entsprechender Rentenabschläge bei vorzeitiger Verrentung, mit der Reform der Erwerbsunfähigkeitsrenten, mit dem RV- Nachhaltigkeitsgesetz sind z.B. eine Reihe von Maßnahmen zur Reduzierung des Leistungsniveaus umgesetzt bzw. eingeleitet. Auch die nachgelagerte Rentenbesteuerung (Alterseinkünftegesetz) entlastet die Beitragszahler und belastet künftige Rentenbezieher , auch wenn nominale Rentenkürzungen aktuell ganz überwiegend damit nicht verbunden sind. Die Anhebung des Regelrentenalters auf das 67. Lebensjahr - Anlage 9 - zielt auf eine Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalters, das allerdings bei den Altersrenten bereits von 62,3 im Jahr 2000 auf 63,1 im Jahr 2004 gestiegen ist (vermutlich auf Grund der Rentenabschläge bei vorzeitiger Berentung). Gleichzeitig ist allerdings das Zugangsalter bei Erwerbsminderungsrenten im gleichen Zeitraum von 51,4 auf 49,8 Jahre gesunken1. Zum durchschnittlichen Renteneintrittsalter im internationalen Vergleich siehe - Anlage 10 – Gleichzeitig steigt allerdings auch die Lebenserwartung und damit die Dauer der Rentenzahlungen . 1.5. Handlungsfelder außerhalb der rentenrechtlichen Regelungen Kurz- und mittelfristig kann nur ein nachhaltiger Abbau der Arbeitslosigkeit und eine Steigerung der Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten eine durchgreifende Verbesserung der finanziellen Ausstattung der gesetzlichen Rentenversicherung bewirken. Hierzu zählen insbesondere Maßnahmen zur Steigerung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer (z.B. Bundesinitiative 50 Plus) und der Abbau von Anreizen zur Frühverrentung bzw. vorzeitigem Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit (altersgerechte Arbeitsplätze , lebenslange Fortbildung und Qualifizierung, rechtzeitige Rehabilitation etc.). Langfristig wird mit Blick auf die demografische Entwicklung vor allem eine erfolgreiche Familienpolitik mit wieder steigenden Geburtenraten und hohem (versicherungspflichtigen ) Beschäftigungsstand eine nachhaltige Finanzierung ohne Leistungseinschränkungen sichern helfen können Bis dahin bleibt letztlich nur die generationengerechte Verteilung der Lasten auf Beitragszahler und Rentenbezieher im Umlage finanzierten System der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Förderung des Aufbaus einer zusätzlichen kapitalgedeckten und damit weitgehend Demografie unabhängigen zusätzlichen Alterssicherung in der zweiten (betrieblichen) und dritten (privaten) Säule für künftige Rentnergenerationen. 1 Sozialbeirat im Gutachten zum Rentenbericht der Bundesregierung 2005 - 6 - 2. Berücksichtigung von Erziehungsleistungen in der Rentenversicherung 2.1. Derzeitige Rechtslage Kindererziehungszeiten werden in der Rentenversicherung seit 1992 im Umfang von 36 Monaten (vor 1992 im Umfang von 12 Monaten) als Beitragszeiten berücksichtigt. Die Beiträge hierfür zahlt der Bund aus Steuermitteln. Für jeden Kalendermonat werden 0,0833 Entgeltpunkte zusätzlich (also auch kumulativ zu eigenen Beiträgen) bis max. zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Dies entspricht einem Entgeltpunkt pro Erziehungsjahr und damit dem Rentenbeitrag eines Durchschnittsverdieners. Zur Zeit resultiert aus der Berücksichtigung einer dreijährigen Erziehungszeit für ein Kind pro Monat eine Rentenleistung (jeweils aktueller Rentenwert West bzw. / Ost) von 78 € / 69 €, bei zwei Kindern 156 €/ 138 € , bei drei Kindern 234 €/ 207 € , bei vier Kindern 312 €/ 276 € usw.. Daneben werden für die ersten 10 Jahre der Kindererziehung Berücksichtigungszeiten angerechnet, die im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung rentensteigernd wirken, wenn mindestens zwei Kinder unter 10 Jahren erzogen werden oder neben der Kindererziehung Beiträge aus einer Beschäftigung gezahlt werden. 2.2. Alternative Modelle zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten Diskutiert werden sowohl Malus- als auch Bonusregelungen, z.T. gestaffelt nach der Zahl der erzogenen Kinder. Die Bandbreite der Vorschläge reicht von der stärkeren Berücksichtigung der Erziehungszeiten insbesondere für einkommensschwache Familien bis zum Ausschluss Kinderloser aus der gesetzlichen Rentenversicherung und deren Verweisung auf kapitalgedeckte private Alterssicherungsformen. Das Hauptargument dieser Vorschläge liegt in der Herstellung intergenerativer Verteilungsgerechtigkeit im Umlagesystem der Rentenversicherung. Kinderlose profitieren von der Erziehungsleistung kinderreicher Familien, ohne die ökonomischen Lasten der Kindererziehung zu tragen. Es sei ihnen daher zuzumuten, die durch ausbleibende Erziehungslasten freien Mittel zur privaten Alterssicherung zu nutzen oder entsprechende Abschläge in der Rentenleistung hinzunehmen. Für die Versicherten mit Kindern entstehe eine höhere intergenerative Verteilungsgerechtigkeit im System. Die Kritik dieser Vorschläge verweisen auf die „gleichheitswidrigen“ Ergebnisse eines solchen „Binnenausgleichs“ im System der Rentenversicherung. Ein solcher Familienlastenausgleich würde von den kinderlosen Rentenversicherten bezahlt. Kinderlose Beamte, Richter, Abgeordnete, Selbstständige u.a. sowie Personen mit Einkommen - 7 - oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze oder aus Vermögen wären an den Kosten nicht beteiligt, obwohl auch sie im Alter von den heute aufgezogenen Kindern profitierten. Die Rentenversicherung sei kein geschlossenes System. Kinder heute versicherter Personen könnten später in versicherungsfreien Tätigkeiten arbeiten, ebenso könnten Kinder heute nicht versicherter Personen später Versicherte der Rentenversicherung sein. Familienbezogene Transferleistungen seien deshalb zwingend im Steuerrecht, nicht im Rentenversicherungssystem zu verankern. Kinder hätten schließlich nicht nur für die Rentenversicherung sondern für Staat und Gesellschaft insgesamt bestandssichernde Bedeutung. Kinderzahlbezogene Rentenversicherungsbeiträge wären mit der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten und dem Prinzip der Teilhabeäquivalenz nicht vereinbar . Derartige Regelungenberührten auch den Eigentumsschutz, den Rentenanwartschaften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht genießen würden2. 3. Internationale Vergleiche 3.1. Geburtenraten Die Geburtenraten der EU-Mitgliedsstaaten sind den beigefügten Tabellen zu entnehmen . - Anlage 11 – - Anlage 12 – Dabei weisen insbesondere die skandinavischen Staaten und Frankreich signifikant höhere Geburtenraten als Deutschland auf, Italien und die osteuropäischen Staaten dagegen geringere. Generell scheint zu gelten, dass höhere ökonomische Zukunftsrisiken und hohe akademische Bildung Faktoren sind, die Kinderlosigkeit (zumindest in Europa) begünstigen. Für Frankreich könnte eine Begründung für die günstigere Entwicklung in der Ausformung eines eigenen Fördersystems für Familien (die Familienkassen) gesehen werden, die beitragsfinanziert sowohl die strukturellen Rahmenbedingungen (Ganztagsbetreuung , Ganztagsschulen) als auch Transferleistungen für Familien mit Kindern organisieren . Aus Regierungsberichten geht hervor, dass sich die direkten und indirekten Familienleistungen in Frankreich auf insgesamt mehr als 46 Milliarden Euro jährlich beziffern lassen3. Noch eindrucksvoller ist diese Tatsache, wenn man bedenkt, dass nicht weniger als 10 Millionen Haushalte durch die Leistungen begünstigt werden. Bei Beziehern geringer Einkommen, die drei oder mehr Kinder haben, erreichen die Zuschüsse bis zu 50 % des verfügbaren Nettoeinkommens. Aber nicht nur Kleinverdiener werden groß- 2 Prof. Dr. Franz Ruland, Familie und Rentenversicherung, Presseseminar 2003, Würzburg 3 Dr. Dr. Deter, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Familienförderung und die Arbeit der Familienkasse in Frankreich, 64/01, S. 52, (Stand 2002) - 8 - zügig bedacht; in Haushalten mit Einkommen bis zu 122.000 Euro erreichen die staatlichen Familienleistungen immer noch die bemerkenswerte Höhe von 10 % des Nettoeinkommens . Addiert man die zahlreichen unterschiedlichen Fördermaßnahmen, erreichen sie 4,5 % des französischen Bruttosozialprodukts (jeweils Stand 2002). Damit gibt Frankreich deutlich mehr als die europäischen Nachbarn für die Unterstützung seiner Familien aus. 3.2. Rentensysteme Die Leistungsfähigkeit von Rentensystemen der Mitgliedsstaaten der EU wird in den als - Anlage 13 – beigefügten Grafiken in Rentenausgaben in Prozent des Bruttosozialprodukts, der Armutsgefährdungsquoten und der Brutto- und Nettoersatzquoten im Vergleich zum Verdienstniveau vor Rentenbeginn im Vergleich beschrieben. Daran zeigt sich z.B. für die Niederlande bei vergleichbaren Rentenausgaben am Bruttosozialprodukt eine wesentlich höhere Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Armutsgefährdungsquote (Schaubild 5). Dies dürfte u.a. an einem wesentlich stärker ausgebauten System der betrieblichen Alterssicherung (als Ergänzung zum Umlage finanzierten Grundrentensystem) liegen, von dem ca. 90 % der Beschäftigten erfasst sind, obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hierfür nicht besteht. Zugleich werden höhere Bruttound Nettoersatzquoten (Schaubild 8 und 9) als in Deutschland erreicht. Der Anteil der betrieblichen Altersvorsorgeleistungen an der Gesamtversorgung liegt hierbei mit ca. 40% im europäischen Vergleich sehr hoch. Im Einzelnen wird auf die folgende Kurzbeschreibung des Rentenversicherungssystems der Niederlande verwiesen. 3.2.1. Rentensystem Niederlande4 Struktur Das niederländische Rentensystem ist, ähnlich dem deutschen, als drei Säulensystem konzipiert. Allerdings spielt hier die betriebliche Altersicherung als zweite Säule eine weitaus größere Rolle, als es in Deutschland bisher der Fall ist. Der Anteil an der Gesamtalterssicherung beträgt in den Niederlanden 40%, gegenüber Deutschland mit nur 10%. Das Grundsicherungssystem Alterssicherung 4 , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Aktuelle Rechtslage der Rentenversicherung in den Niederlanden, 010/06 - 9 - Die Grundsicherung (Volksversicherung) erfolgt im sog. AOW-System, in dem jeder Einwohner der Niederlande ab dem 15. bis zum 65. Lebensjahr pflichtversichert ist. Ebenfalls erfasst sind Ausländer, die in den Niederlanden lohnsteuerpflichtig sind. Die Finanzierung erfolgt über Beiträge, die über das Steuersystem erhoben werden. Die Bemessungsgrundlage sind steuerpflichtige Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit, Renten, Sozialleistungen, Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit und aus dem Mietwert selbst genutzten Wohneigentums. Der Beitragssatz für dieses Volksversicherungssystem beträgt 17, 9 % (Stand 2003) und ist von den Versicherten allein zu tragen. Die Beitragbemessungsgrenze betrug 2003 28.851 Euro pro Jahr. Wird nur ein Mindesteinkommen erzielt, erfolgt eine beitragsfreie Versicherung. Die Leistungshöhe ist einheitlich und von der Höhe der entrichteten Beiträge unabhängig. Sie unterscheidet sich lediglich nach dem Personenstand im Haushalt des Versicherten. Ist der Partner (nicht zwingend Ehepartner) unter 65 oder handelt es sich um Alleinerziehende, also Haushaltsangehörige ohne eigenen Rentenbezug, wird ein einkommensabhängiger Zuschlag von höchstens 50% bzw. 90% bei Alleinerziehenden vom Nettomindestlohn gezahlt. Die volle Altersrente wird erreicht, wenn Personen seit ihrem 15. Lebensjahr, also 50 Jahre versichert gewesen sind. Für jedes fehlende Versicherungsjahr wird die Rente um 2% gekürzt. Die volle AOW Brutto-Altersrente betrug im Jahr 2003 906,14 Euro (plus 44,61 Euro Urlaubsgeld); für Alleinerziehende 1.122,90 Euro (plus 57,35 Euro Urlaubsgeld; für Verheiratete über 65 Jahren 622,26 Euro pro Person (plus 31,86 Euro Urlaubsgeld). Die AOW-Renten sind damit Pauschalleistungen, die sich am gesetzlich festgelegten Nettomindestlohn orientieren. Die volle Basisrente beträgt 70% des Nettomindestlohnes für Alleinstehende, jeweils 50% für Verheiratete und Gleichgestellte und 90% für Alleinstehende mit Kindern unter 18 Jahren. Hinterbliebenenversorgung Die Hinterbliebenenrentenansprüche sind in einem eigenen Rentenversicherungssystem, dem 1996 in Kraft getretenen ANW geregelt. Der Kreis der Pflichtversicherten entspricht dem des AOW-Altersrentensystems. Der Beitragssatz liegt (2003) bei 1,25% des beitragspflichtigen Einkommens, das ebenfalls der Beitragsgrundlage des AOW- Systems entspricht. Mit der Neuregelung haben nur noch Hinterbliebene Anspruch auf Rente, die entweder ein Kind unter 18 versorgen müssen oder ein Kind erwarten, zu mindestens 45% arbeitsunfähig oder vor dem 01. Januar 1950 geboren sind. Damit kommt für den Personenkreis der nach dem 01.01.1950 Geborenen eine Hinterbliebenenrente nur noch in Ausnahmefällen in Betracht. Die Hinterbliebenenrentenbeträge beliefen sich im Jahr 2003 für Hinterbliebene ohne Kind unter 18 Jahren auf 968,48 Euro (Brutto) plus 16,13 Euro Feriengeld; mit Kind unter 18 incl. Halbwaisenleistung auf 1.188,77 Euro plus 72,63 Euro Feriengeld. Vollwaisenrenten sind nach Lebensalter - 10 - der Waise gestaffelt und betragen bis zum 10. Lebensjahr 309,91 Euro plus 18,08 Euro Feriengeld, vom 10. bis 16. Lebensjahr 464,87 Euro und ab dem 16. Lebensjahr 619,83 Euro Plus 36,16 Euro Feriengeld. Erwerbsunfähigkeitsversicherung Das WAO - Rentensystem regelt den Schutz von Arbeitnehmern unter 65 Jahren bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit. Der Grund-Beitragssatz beträgt 5.05% (2003) und ist vom Arbeitgeber allein zu zahlen. Hinzu kommt ein branchenbezogener Zusatzbeitrag, der nach Risikoklassen gestaffelt ist. Das System deckt auch das Risiko der Erwerbsminderung in Folge von Arbeitsunfällen. Eine zusätzliche Unfallversicherung gibt es daher nicht. Der Leistungsanspruch wird zunächst regelmäßig nur befristet auf fünf Jahre gewährt. Die Höhe der Leistung ist von dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit abhängig. Die Minimalleistung beträgt 14% des jeweiligen Tagelohnes bei einem Erwerbsminderungsgrad von 15% bis 25%, die Maximalleistung beträgt 70% des Tagelohnes bei einer Erwerbsminderung von über 80%. Der Tagelohn berechnet sich in der Regel nach dem Einkommen im letzten Jahr vor Eintritt der Erwerbsminderung. Die Leistung ist zudem nach dem Lebensalter gestaffelt. Liegt das Familieneinkommen nach Eintritt des Leistungsfalles unter dem Mindestregelsatz, kann ein Ausgleich nach dem Zulagengesetz gezahlt werden. Betriebliche Altersvorsorge Der Anteil der betrieblichen Altersvorsorge an der Gesamtversorgung ist in den Niederlanden mit rund 40% im europäischen Vergleich sehr hoch. Gleichwohl gibt es - mit wenigen Ausnahmen - keine gesetzlich geregelte Zwangsmitgliedschaft für den Beitritt zu einem betrieblichen Alterssicherungssystem. Der Sozialminister kann aber für einzelne Branchen die Teilnahme an einem von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden vereinbarten Branchenfonds allgemeinverbindlich vorschreiben. Arbeitgeber dieser Branche sind dann zur Teilnahme verpflichtet. Die Ausgestaltung der betrieblichen Zusatzrentensysteme liegt weitgehend in der Hand der Tarifvertragsparteien. Seit 2001 gibt es lediglich ein gesetzliches Verbot der Differenzierung der Beiträge nach Geschlecht , Alter oder Gesundheitszustand. Gesetzliche Vorgaben zur Ausgestaltung des Sicherungsniveaus oder der Leistungen existieren dagegen nicht. Bietet ein Arbeitgeber betriebliche Zusatzrenten an, ist er verpflichtet, diese Zusage durch Beitritt zu einem Branchenrentenfonds, durch Errichtung eines Unternehmensrentenfonds oder durch Abschluss einer Direktversicherung zu garantieren. Die Betriebsrenten werden in den Niederlanden als eine Form des Lohnes verstanden und deshalb von den Tarifparteien ausgehandelt. Als Orientierung für das Sicherungsniveau haben sich diese bereits 1969 darauf verständigt, nach einer Aufbauphase von 40 - 11 - Jahren ein Sicherungsniveau von 70% des letzten Bruttoverdienstes unter Einschluss der AOW-Rente erreichen zu wollen. Die Finanzierung der Betriebsrenten erfolgt im Kapitaldeckungsverfahren und wird durch gemeinsame Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen. Sie sind nach einem Jahr der Mitgliedschaft unverfallbar. Die erworbenen Ansprüche können bei einem Arbeitgeberwechsel mitgenommen werden. Häufig gehören hierzu auch Anwartschaften auf Hinterbliebenenleistungen, Invaliditätsleistungen oder die Möglichkeit eines flexiblen Eintritts in den Ruhestand. Private zusätzliche Alterssicherung Ergänzend zu den genannten Systemen besteht die Möglichkeit der - teilweise steuerbegünstigten - privaten Vorsorge. Gesetzliche Regelungen bezüglich der privaten Selbstvorsorge gibt es jedoch nicht. 3.2.2. Rentensystem Schweden5 Den wichtigsten Teil bildet die auf einem Umlageverfahren („Verteilungssystem“) beruhende einkommensbezogene Altersrente. Der zweite Teil ist die im gleichen Gesetz geregelte „Prämienrente“ nach dem Kapitaldeckungsverfahren, beides ergänzt durch die „Garantierente“ als steuerfinanzierte Absicherung für alte Menschen, die keine hinreichende einkommensbezogene Rente verdient haben. Mit „Verteilungssystem“ ist gemeint, dass mit den Beiträgen eines Jahres die im selben Jahr auszuzahlenden Renten finanziert werden. Bei dieser gesetzlich festgeschriebene „Solidarität zwischen den Generationen“ handelt es sich insofern um ein geschlossenes System, als die eingezahlten Beiträge vollständig vom Staatshaushalt getrennt verwaltet werden und ausschließlich und vollständig für die Rentenleistungen aufgewandt werden müssen; Unter- oder Überschüsse können also gar nicht entstehen. „Beitragsbestimmt“ bedeutet, dass die jährlich als Beiträge eingezogenen 16 Prozent der rentenbegründenden Einkünfte für die Jahresausgaben der Alterssicherung reichen müssen. Damit wird jeweils erst die Zukunft zeigen, wie hoch die individuelle Rente aktuell sein wird. Direkt mit der Wirtschaftsentwicklung korrelierend, gestaltet sich in diesem sich deshalb selbst steuernden System der „16 %-Anteil an der Produktivität“, der an die Rentner verteilt wird, variabel. Wie viel der einzelne Rentner in Relation zu seinen Mitrentnern beanspruchen kann, folgt dem von der individuellen Beitragsleistung bestimmten „Verdienstprinzip“, d.h., die Beitragsleistungen über das gesamte Erwerbsleben bestimmen die Höhe der Renten. Es verbleibt bei der „Beitragsbemes- 5 , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Alterssicherung - Systemvergleich Deutschland, Schweden, Chile – Auszug - 232/05 - 12 - sungsgrenze“ des 7,5fachen Grundbetrags (2003 = 32.593,75 € p.A.), die allerdings nur für Arbeitnehmer gilt. Der Arbeitgeberanteil am Gesamtrentenbeitrag von 18,5 % beträgt 11 %, der Arbeitnehmerbeitrag entsprechend 7,5 %. Über die Beitragsbemessungsgrenze hinaus zu zahlende Arbeitgeberanteile wirken nicht rentensteigernd, sondern fließen in den allgemeinen Staatshaushalt. Dieses Prinzip wird aus verteilungspolitischen Gründen durchbrochen: So begründen Erziehungszeiten, Wehrpflicht und Studienzeit ebenso Rentenansprüche, wie die Zeiten des Bezugs von Sozialleistungen mit Ausnahme der Sozialhilfe. Die Finanzierung dieser speziellen Anwartschaften erfolgt konsequent durch Beitragsabführung für die Berechtigten durch den Staat, finanziert aus den allgemeinen Steuern. Die neue Prämienrente verbindet sozial- und privatrechtliche Elemente: Sie ist obligatorisch und beruht hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen der Beitragsseite auf den auch für die Einkommensrente geltenden sozialrechtlichen Regeln. Dagegen werden die daraus entstehenden Ansprüche privatrechtlich definiert, sie genießen Eigentumsschutz und der Versicherte kann über ihre Verwaltung und Verwendung frei bestimmen. Vom Gesamtrentenbeitrag von 18,5 % fließen 2,5 % in dieses Teilsystem. Das Gesamtsystem geht vom Bild eines Individuums aus, das primär für sich selbst verantwortlich ist: Wer Einkünfte über der Bemessungsgrenze hat, soll selbst für die Sicherung seines höheren Lebensstandards im Alter sorgen. Wer länger oder kürzer arbeiten will, soll dafür entsprechend ebenso Vor – oder Nachteile in der Alterssicherung haben wie derjenige, der seine Kapitalsparanteile aus dem Prämiensystem vorteilhaft anlegt oder mit Verlust. Die neue Garantierente entspricht diesem Ansatz: Sie ist nicht mehr „Volksrente“ für jedermann, sondern Ausfallsicherung für den Fall, dass die Lebensarbeit nicht für eine hinlängliche Alterssicherung reicht. Der Indexierungsmechanismus: Um die einkommensbegründeten Altersrenten der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung anzupassen, regelt das Gesetz die Technik der Indexierung im allgemeinen Teil zentral für das gesamte System der Alterssicherung. Dies geschieht (vereinfacht) wie folgt: Alle Erwerbseinkünfte, die jährlich in Schweden von der Population zwischen dem 16. und 64. Lebensjahr erwirtschaftet werden, also auch die über der Bemessungsgrenze des 7,5 fachen Grundbetrags plus die Summe der gezahlten vorzeitigen Renten (Invalidität) werden durch die Anzahl der Erwerbstätigen geteilt. Der Index hält so den relativen Unterschied von einem Wirtschaftsjahr zum nächsten fest und wird zum bestimmenden - 13 - Faktor der Bewertung der jährlich erworbenen Rentenansprüche und der auszuzahlenden Renten. Um kurzfristige Konjunkturschwankungen auszugleichen, wird dieser „Einkommensindex“ jeweils für die drei zurückliegenden Jahre errechnet und um die für diesen Zeitraum festgestellten Preissteigerungen vermindert. Der Index wird jeweils im September von der Regierung erstellt. Dabei wird der Index des Jahres 1999 mit 100,00 angesetzt. Die Regierung soll zudem jährlich den Einkommensgrundbetrag feststellen. Anders als im alten Recht, in dem der Grundbetrag primär nur in Bezug zur der Preisentwicklung stand, soll der neue Grundbetrag mit den Realeinkommen korrelieren. Die Bemessungsgrenze steigt damit nur bei tatsächlichen Einkommenszuwächsen, weshalb damit gerechnet werden kann, dass der Teil der Versicherten, der innerhalb dieser Bemessungsgrenze Rentenansprüche erwirbt, langfristig konstant bleiben wird.