© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 080/16 Die Frist für die Berichterstattung nach § 22 Abs. 4 Satz 2 des Mindestlohngesetzes Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 2 Die Frist für die Berichterstattung nach § 22 Abs. 4 Satz 2 des Mindestlohngesetzes Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 080/16 Abschluss der Arbeit: 17. Juni 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Die Überprüfungsklausel des § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG 4 2. Auslegung nach dem Wortlaut 4 3. Kommentarliteratur 5 4. Standpunkt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 5 5. Berichtspflichten nach anderen Gesetzen 6 5.1. Einmalige Berichterstattung 6 5.2. Periodische Berichterstattung 7 5.3. Die Formulierung „zum“ mit konkretem Zeitpunkt 7 6. Sinn und Zweck 8 6.1. Allgemeine Erwägungen 8 6.2. Gesetzgebungshistorie 9 6.3. Bedeutung des Kalenderdatums 10 7. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 4 1. Die Überprüfungsklausel des § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG § 22 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über einen allgemeinen Mindestlohn (Mindestlohngesetz - Mi- LoG) bestimmt eine sechsmonatige Ausnahme vom Anwendungsbereich des Gesetzes für zuvor langzeitarbeitslose Arbeitnehmer. § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG verpflichtet die Bundesregierung, „den gesetzgebenden Körperschaften zum 1. Juni 2016 darüber zu berichten, inwieweit die Regelung nach Satz 1 die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll.“ Aufgeworfen wird die Frage, wie der für die Berichterstattung genannte Termin „1. Juni 2016“ zu verstehen ist. So könnte die Angabe des Zeitpunkts einerseits als Termin aufgefasst werden, bis zu dem der Bericht spätestens vorzulegen ist; denkbar ist jedoch auch ein Verständnis, wonach der Zeitpunkt das Ende des Zeitraums bezeichnet, der Gegenstand des Berichts sein soll (sog. Berichtszeitraum ), der seinerseits erst im Anschluss daran gefertigt werden kann. Da sich die beiden Verständnisvarianten gegenseitig ausschließen, bedarf die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung mithin der rechtlichen Auslegung, um die Regelung des § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG anwenden zu können. Dabei sind vom Wortlaut ausgehend systematische Erwägungen ebenso von Bedeutung wie die Untersuchung von Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung von Hinweisen aus der Genese der Bestimmung.1 2. Auslegung nach dem Wortlaut Das Duden Universalwörterbuch bestätigt lediglich die Erkenntnis, dass es sich bei der Formulierung des § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG um die Angabe eines Zeitpunkts handelt. Es enthält zur Präposition „zu“ (mit Dativ) den Eintrag: „(…) 2. (zeitlich) kennzeichnet den Zeitpunkt einer Handlung, eines Geschehens, die Zeitspanne , in der sich etwas abspielt, ereignet: zu Anfang des Jahres; zu Lebzeiten seiner Mutter; zu gegebener Zeit; zu meiner Zeit war das anders; das Gesetz tritt zum (am) 1. Januar in Kraft; zu (regional, österreichisch; über, die Zeit um) Ostern verreisen; in der Nacht zu (auf) gestern. (…)“2 Der Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) beim Deutschen Bundestag, der nach § 80a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages unter anderem bei der Beratung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen zur Prüfung auf sprachliche Richtigkeit und Verständlichkeit hinzugezogen werden kann, teilte nach Prüfung mit, dass die Formulierung „zum 1. Juni“ im allgemeinen Sprachgebrauch im Wesentlichen einer Formulierung „am 1. Juni“ bzw. 1 Vgl. zu den vier „klassischen“ Auslegungsregeln und zur Gesetzesauslegung allgemein: Reimer, Franz (2016): Juristische Methodenlehre. Baden-Baden: Nomos, S. 136 ff. 2 Abrufbar über das Online-Datenbanken-Angebot der Bibliothek bei Munzinger: https://www.munzinger.de/search /document?index=duden-d0&id=D000005377&type=text/html&query.key=NK2EAjRM&template=/publikationen /duden/document.jsp#D00000191226 (letzter Abruf: 3. Juni 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 5 „bis zum 1. Juni“ entspreche. Ein nennenswerter Bedeutungsunterschied sei aus rein sprachlicher Sicht nicht feststellbar. Die Regelung könne daher kaum anders verstanden werden, als dass ein Bericht spätestens zu dem genannten Zeitpunkt vorzulegen sei. Hinsichtlich eines Verständnisses der Formulierung im Sinne einer Festlegung des Berichtszeitraums wurden demgegenüber Bedenken erhoben. Sei dies gemeint, sei der Gesetzgeber gut beraten, dies durch entsprechende konkrete Bezeichnung deutlich zu machen. Allerdings ist die rein grammatische bzw. semantische Auslegung des Wortlauts einer gesetzlichen Bestimmung für sich genommen nicht ausreichend zur Beschreibung ihres normativen Gehalts ; denn der juristische und damit auch der gesetzliche Sprachgebrauch kann im Einzelfall durchaus vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichen. Auch kann die Formulierung nicht losgelöst vom gesamten gesetzlichen Zusammenhang betrachtet werden. 3. Kommentarliteratur Ein Blick in das Schrifttum hilft bei der Klärung dieser Frage ebenfalls nicht weiter. Die meisten Gesetzeskommentatoren geben die Berichtspflicht im Wortlaut des Gesetzes wieder, ohne die konkrete Bedeutung der Frist näher zu thematisieren.3 In anderen Kommentierungen findet die Überprüfungsklausel des § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG überhaupt keine Erwähnung.4 Im Einzelfall scheint der genannte Zeitpunkt eindeutig als spätester Termin verstanden zu werden, bis zu dem der Bericht vorgelegt werden muss.5 Es erschiene allerdings fragwürdig, aus dieser Einzelmeinung eine generelle Deutung ableiten zu wollen. 4. Standpunkt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Die Bundesregierung hat bis zum 1. Juni 2016 keinen Bericht nach § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG vorgelegt . Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vertritt die Auffassung, dass nach der gesetzlichen Formulierung des MiloG zum 1. Juni 2016 und nicht am 1. Juni 2016 die Evaluierung der Auswirkung der Ausnahmeregelung vollzogen sein müsse. 3 So z. B. bei Riechert, Christian / Nimmerjahn, Lutz (2016): Mindestlohngesetz. Kommentar, § 22 Rn. 166; Lakies , Thomas (2015): Mindestlohngesetz. Basiskommentar zum MiLoG, § 22 Rn. 47; Pötters in Thüsing, Gregor (2016): Mindestlohngesetz (MiLoG) und Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG). Kommentar, § 22 MiLoG Rn. 54; Lakies in Wedde, Peter (2016): Arbeitsrecht. Kompaktkommentar, § 22 MiLoG Rn. 4; Franzen in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Auflage 2016, § 22 MiLoG Rn. 16. 4 So z.B. bei Greiner in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching: Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, 39. Edition Stand: 15. März 2016, § 22 MiLoG, Rn. 59 f. 5 Ramming in Düwell/Schubert (2015): Mindestlohngesetz, § 22 Rn. 74: „§ 22 Abs. 4 S. 2 enthält eine Berichterstattungspflicht der Bundesregierung bis zum 1.6.2016 (…).“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 6 5. Berichtspflichten nach anderen Gesetzen Berichtspflichten der Bundesregierung an die gesetzgebenden Körperschaften finden sich in zahlreichen Gesetzen. Häufig handelt es sich um in bestimmtem zeitlichen Rhythmus wiederkehrende Berichtspflichten, vielfach aber auch wie in § 22 Abs. 4 Satz 1 MiLoG um Pflichten zur einmaligen Erstellung eines Berichts.7 Im Folgenden werden einige Beispiele aus anderen Gesetzen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden untersucht, die eine Systematisierung zulassen könnten. Die Aufzählung ist das Ergebnis einer rein heuristischen Herangehensweise und kann daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder auch nur Repräsentativität erheben. 5.1. Einmalige Berichterstattung Bei einmalig zu erstellenden Berichten ist im Hinblick auf die Fristsetzung meist die Formulierung „bis zum“ in Verbindung mit dem konkreten Kalenderdatum zu finden. Als Beispiele aus der Gesetzgebung seien genannt: – § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Bundesdatenschutzgesetzes, – § 12 Satz 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes, – § 22 des Bundeskindergeldgesetzes, – § 25 Satz 1 und 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, – § 9 Satz 1 des Überschuldungsstatistikgesetzes, – § 18 des Beschäftigungsneuregelungsgesetzes sowie – § 7g des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Aus dieser - auch aus Sicht der GfdS eindeutigen - Formulierung wird deutlich, dass es sich in diesen Fällen jeweils um den Vorlagetermin handelt. Im Zusammenhang mit einmaligen gesetzlichen Berichtspflichten finden sich aber auch Formulierungen , die auf die Nennung eines Zeitpunktes verzichten. So überprüft nach § 18 Abs. 1 des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes „die Bundesregierung nach Ablauf von vier Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes seine Anwendung und Auswirkungen.“ Eine Formulierung wie in § 22 Abs. 4 Satz 1 MiLoG („zum 1. Juni“) findet sich demgegenüber im Zusammenhang mit einmaligen Berichterstattungspflichten - soweit ersichtlich - nicht. 7 Vgl. für eine Kategorisierung parlamentarischer Berichtspflichten Maiwald, Christian (1993): Berichtspflichten gegenüber dem Deutschen Bundestag. Frankfurt am Main u.a.: Verlag Peter Lang, S. 23 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 7 5.2. Periodische Berichterstattung Bei gesetzlich angeordneten Pflichten zu periodischer Berichterstattung handelt es sich meist um jährliche oder im Rhythmus von jeweils mehreren Jahren zu erstattende Berichte. Die Berichterstattung wird dabei meist ohne konkrete Datumsnennung und ohne konkrete Vorlagefrist „jährlich “ oder „alle (…) Jahre“ verlangt. Bespielhaft sollen hier folgende Bestimmungen genannt werden : – § 42e des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe, – § 16e des Tierschutzgesetzes, – § 39 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgleichstellungsgesetzes, – § 3 Abs. 6 Satz 1 des Embryonenschutzgesetzes, – § 7 Abs. 1 des Bundesgremienbesetzungsgesetzes, – § 24 Abs. 1 Satz 1 des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes sowie – § 14 Abs. 1 Satz 1 des nur vom 1. Januar 2000 bis 4. Dezember 2001 gültigen Frauenfördergesetzes . In Einzelfällen hat der Gesetzgeber aber auch bei wiederkehrender Berichterstattung ein Kalenderdatum festgelegt, bis zu dem ein Bericht jeweils vorzulegen ist. Dies ist z. B. in § 154 Abs. 1 SGB VI der Fall, nach dessen Satz 1 die Bundesregierung jährlich einen Rentenversicherungsbericht erstellt, der nach Satz 4 bis zum 30. November eines jeden Jahres den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten ist. Eine entsprechende Formulierung enthalten § 25 Abs. 1 Satz 1 und § 25 Abs. 2 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung. In § 25 Satz 1 des Conterganstiftungsgesetzes wird für die wiederkehrende Berichtspflicht - ebenfalls ohne ausdrückliche Datumsnennung - die Formulierung „im Abstand von zwei Jahren“ verwendet. 5.3. Die Formulierung „zum“ mit konkretem Zeitpunkt Die überschlägige Suche nach einer ähnlichen Formulierung wie in § 22 Abs. 4 Satz 1 MiLoG im Zusammenhang mit Berichtspflichten gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften erbrachte nur einen einzigen Treffer. So wird in § 15 Abs. 1 des Stammzellgesetzes bei sonst periodischer Berichterstattungspflicht ein Zeitpunkt für den ersten Bericht genannt: „Die Bundesregierung übermittelt dem Deutschen Bundestag im Abstand von zwei Jahren, erstmals zum Ablauf des Jahres 2003, einen Erfahrungsbericht über die Durchführung des Gesetzes .“ Auch hier erscheint die Formulierung nicht eindeutig und es stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Zeitpunkts. Der erste Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Durchführung des Stammzellgesetzes (Erster Stammzellbericht) wurde dem Bundesrat mit Datum vom 28. Juli Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 8 20048 übermittelt, also deutlich nach dem genannten Zeitpunkt „Ablauf des Jahres 2003“. „Er umfasst den Zeitraum vom Inkrafttreten des Stammzellgesetzes am 1. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2003.“9 In der tatsächlichen Durchführung der Berichterstattung zum Stammzellgesetz wurde die in Rede stehende Formulierung mithin als Ende des Berichtszeitraums ausgelegt. Zwar scheint diese Auslegung das vom BMAS vertretene Verständnis der Formulierung „zum 1. Juni 2016“ als Bezeichnung des Endes des Berichtszeitraums zu stützen. Doch muss die Aussagekraft dieses Einzelfundes für eine generelle gesetzliche Auslegung der Formulierung relativiert werden. 6. Sinn und Zweck 6.1. Allgemeine Erwägungen Ein weiterer wichtiger Ansatz bei der Auslegung von Gesetzen geht von der Frage nach Sinn und Zweck der auszulegenden Bestimmung aus. Der zu erstellende Bericht der Bundesregierung soll nach der ausdrücklichen gesetzlichen Formulierung in § 22 Abs. 4 Satz 2 den Gesetzgeber darüber informieren, „inwieweit die Regelung nach Satz 1 die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat,“ und ihn damit in die Lage versetzen zu entscheiden , „ob diese Regelung fortbestehen soll.“ Das Verständnis der Formulierung „zum 1. Juni 2016“ als Ende des Berichtszeitraums und Beginn der Überprüfung legt besonderen Wert auf den Zeitraum, auf den sich der Bericht beziehen soll. Das Verständnis der Formulierung als Zeitpunkt der Vorlage des fertigen Berichts betont den Zeitpunkt, zu dem der Gesetzgeber informiert wird. Auf den Berichtszeitraum kommt es im Allgemeinen an, wenn der Verlauf einer Entwicklung nachgezeichnet werden soll. Dies ist vor allem bei periodischen Berichterstattung der Fall.10 Weniger wichtiger erscheint für diese Zwecke, wie zeitnah ein Bericht dann letztlich vorgelegt wird. Bei der vorliegenden Berichtspflicht zur Wirkung einer Neuegelung steht dagegen die Frage im Mittelpunkt, ob die Regelung beibehalten, abgeändert oder wieder abgeschafft werden soll. Der Gesetzgeber benötigt den Bericht als Grundlage für eine anstehende legislative Entscheidung. In dieser Situation kommt dem Zeitpunkt der Vorlage des Berichts unter Umständen mehr Bedeutung zu als dem Berichtszeitraum. Andererseits muss der Berichtszeitraum lang genug sein, um aussagekräftige Feststellungen treffen zu können. Dabei ist der Zeitbedarf für die Erstellung des Berichts zu berücksichtigen. 8 Bundesratsdrucksache 583/04 vom 30. Juli 2004. 9 Bundesratsdrucksache 583/04, S. 2. 10 Vgl. die Beispiele unter 5.2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 9 6.2. Gesetzgebungshistorie Hinweise auf den Sinn und Zweck einer Vorschrift können nicht selten ihrer Entstehungsgeschichte entnommen werden. Vorliegend war im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung für die Überprüfung noch ein Termin „zum 1. Januar 2017“ vorgesehen.11 Dieser Termin wurde im Verlaufe der parlamentarischen Beratung um sieben Monate auf den 1. Juni 2016 vorverlegt. Dies lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber vor allem auf die zeitnahe Vorlage des Berichts als Grundlage für ein zügiges legislatives Handeln Wert legte. Zur Begründung heißt es in der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales: „Angesichts der Ausführungen der Sachverständigen in der Anhörung des Deutschen Bundestages hinsichtlich der Ausnahme der Langzeitarbeitslosen von einem Anspruch auf den Mindestlohn in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung erscheint es sachgerecht, diesen Sachverhalt so früh wie möglich zu überprüfen. Gleichzeitig erlaubt die enge zeitliche Begrenzung der Ausnahme und der spezifische Personenkreis eine Überprüfung schon zu diesem frühen Zeitpunkt.“12 Mit dieser Formulierung relativiert der Fachausschuss die Bedeutung der Berichtsfrist und hebt die gesetzgeberische Absicht hervor, die Regelung so früh wie möglich zu überprüfen. Eine zweifelsfreie Beantwortung der Eingangsfrage erlaubt der Wortlaut der Begründung indes nicht, da wiederum nicht deutlich wird, inwieweit die Formulierung „zu diesem frühen Zeitpunkt “ wie eine Formulierung „bis zu diesem frühen Zeitpunkt“ zu verstehen ist (siehe oben 2). Die Feststellung, eine Überprüfung sei „schon zu diesem frühen Zeitpunkt“ möglich, könnte darauf hindeuten, dass die Überprüfung auf der Grundlage der Erfahrungen des bis dahin zurückgelegten Zeitraums am 1. Juni 2016 beginnen soll. Die Begründung enthält aber keine Angabe dazu, welcher Berichtszeitraum für die Überprüfung für erforderlich erachtet wird. In Betracht kommt daher unter Berücksichtigung des Hinweises auf „die enge zeitliche Begrenzung der Ausnahme und (den) spezifische(n) Personenkreis“ auch eine Deutung in dem Sinne, dass der Ausschuss eine kurzfristige Erstellung und Vorlage des Berichts für realisierbar hält. Für diese Lesart spräche im Hinblick auf die vom Gesetzgeber angenommene Notwendigkeit einer frühzeitigen Überprüfung die Überlegung, dass andernfalls offenbliebe, bis wann der zu erstellende Bericht vorzulegen ist, um den Gesetzgeber zu weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen 11 Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz ), Bundestagsdrucksache 18/1558 vom 28. Mai 2014, S. 16, 43. 12 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 18/1558 – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) b) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/590 – Mindestlohn in Höhe von 10 Euro pro Stunde einführen, Bundestagsdrucksache 18/2010 (neu) vom 2. Juli 2014, S. 25. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 10 zu befähigen. Die Bundesregierung könnte diesen Zeitpunkt wesentlich beeinflussen und die gesetzgeberische Beschleunigungsabsicht konterkarieren.13 6.3. Bedeutung des Kalenderdatums Eine besondere Bedeutung könnte dem konkret genannten Kalenderdatum „1. Juni 2016“ zukommen . Am ursprünglich vorgesehen 1. Januar 2017 wäre das Mindestlohngesetz genau zwei Jahre in Kraft. Die Wahl dieses Zeitpunkts könnte daher für die Interpretation als Ende das dann zweijährigen Berichtszeitraums sprechen. Nimmt man dies an, beweist jedoch die Tatsache, dass der Fachausschuss eine Vorverlegung des Termins um sieben Monate beschlossen hat, dass es ihm auf eine bestimmte Länge des Berichtszeitraums nicht ankam. Andererseits gibt es auch für eine Terminierung der Vorlage des Berichts auf einen Zeitpunkt kurz vor der parlamentarischen Sommerpause keine zwingende Begründung. Allenfalls könnte auf diese Weise sichergestellt werden, dass der Bericht auch im Falle möglicherweise eintretender Verzögerungen wenigstens zum Ende der Sommerpause vorliegt, damit erforderlichenfalls Gesetzesänderungen noch in der laufenden Wahlperiode 2017 vorgenommen werden können. Eine bestimmte Auslegung kann mithin auch aus einem gesetzgeberischen Interesse an der Nennung des konkreten Kalenderdatums „1. Juni 2016“ nicht mit hinreichender Eindeutigkeit abgeleitet werden. 7. Fazit Die hier zu überprüfende Bestimmung des § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG entzieht sich im Hinblick auf die Frage nach der Bedeutung des für die Überprüfung genannten Kalenderdatums als Ende des Berichtszeitraums oder als Zeitpunkt der Vorlage des fertigen Berichts einer eindeutigen Auslegung . Weder die wörtliche Auslegung, noch systematische, historische oder teleologische Erwägungen führen zu Ergebnissen, die mit hinreichender Sicherheit das eine oder das andere Verständnis dieser Formulierung nahelegen. Unabhängig von den objektiven Auslegungsschwierigkeiten muss festgestellt werden, dass das federführende BMAS den Standpunkt vertritt, dass der Bericht der Bunderegierung nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 4 Satz 2 MiLoG nicht „am“ 1. Juni 2016, sondern „zum“ 1. Juni 2016 er- 13 Zu den gesetzgeberischen Risiken fehlender Vorlagepflichten vgl. auch Maiwald (Fn. 7), S. 169. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 080/16 Seite 11 folgen soll. Vor diesem Hintergrund hat das BMAS das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung mit der Erstellung einer entsprechenden Studie beauftragt, die bereits vorliegt. Dieser Bericht und die Empfehlung der Bundesregierung werden derzeit abgestimmt. Ende der Bearbeitung