Sozialrecht und freie Studien- und Berufswahl/ Nachteilsausgleich in Zulassungsordnungen für Masterstudiengänge - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WF VI G - 3000-079/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Ausarbeitung WF VI G - 3000-079/06 Abschluss der Arbeit: 12. April 2006 Fachbereich VI: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Sozialrecht und freie Studien- und Berufswahl 3 1.1. Begriff der Eingliederungshilfe 3 1.2. Eingliederungshilfe nur für eine Ausbildung /ein Studium 3 1.2.1. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG 3 1.2.2. Art. 12 Abs. 1 GG 7 1.2.3. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip 8 1.3. Erste Ausbildung vor Eintritt der Behinderung 8 1.4. Erste Ausbildung vor Erlangung der Hochschulreife 8 1.5. Recht auf freie Berufswahl 9 2. Zulassungsordnungen für Master-Studiengänge 9 2.1. Regelungsdichte 10 2.2. Grundrechtsschutz 10 - 3 - 1. Sozialrecht und freie Studien- und Berufswahl 1.1. Begriff der Eingliederungshilfe „Eingliederungshilfe“ umfasst Unterstützungsleistungen, die dem Zweck dienen, eine drohende Behinderung zu verhüten, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Eingliederungshilfen für Behinderte sind in Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gegliedert. Träger der Leistungen sind die Institutionen der Sozialversicherung, der Sozialhilfe , der Versorgung und die Bundesagentur für Arbeit (§§ 53 ff. SGB XI [Sozialhilfe ], § 43 SGB V, §§ 9 ff. SGB VI, § 27 d BVersG, §§ 218 f. SGB III) (Eingliederungshilfe , Brockhaus Enzyklopädie Online, 20.03.06). 1.2. Eingliederungshilfe nur für eine Ausbildung /ein Studium Die Nichtfinanzierung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs für eine zweite Ausbildung könnte eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darstellen.1 In Frage kommt außerdem eine Verletzung der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit berufsbezogener Ausbildung. Außerdem könnte sich ein Anspruch auf Förderung aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ergeben. 1.2.1. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG enthält ein Gleichheitsrecht zugunsten Behinderter, sowie einen Auftrag an den Staat, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken . Insofern wurden die Gehalte des Sozialstaatsprinzips zugunsten Behinderter durch diese (im Rahmen der Verfassungsreform von 1994 eingeführte) Regelung verstärkt und ergänzt. Das BVerfG hat die Wiedereingliederung behinderter Menschen als ein aus dem Sozialstaatsprinzip resultierendes Ziel formuliert.2 Die über das Benachteiligungsverbot hinausgehende Aussage einer staatlichen Förderungspflicht gewährt allerdings als Staatszielbestimmung nach überwiegender Auffassung keine verfassungsunmittelbaren Ansprüche.3 1 Der Begriff „Ausbildung“ wird - soweit nicht spezifiziert - verwendet als Überbegriff für Ausbildung oder Studium. 2 BVerfGE 40, 121/133. 3 Umbach (Bearbeiter) in: Umbach/Clemens, GG Kommentar, Band 1, Heidelberg 2002, Art. 3 III 2, Rn. 383; Osterloh (Bearbeiter) in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Auflage 2003, Art. 3, Rn. 306 f. - 4 - Ungleichbehandlung. In der Nichtfinanzierung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs im Rahmen der Eingliederungshilfe müsste eine Ungleichbehandlung, d.h. eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte durch die gleiche Stelle liegen . Da die Verweigerung der Leistungen i.d.R. dazu führt, dass behinderte Menschen Zweitausbildungen nicht antreten können - wohingegen eine solche Möglichkeit für Nichtbehinderte grundsätzlich gegeben ist - hat die Nichtförderung ungleiche Weiterbildungsmöglichkeiten zur Folge. Die Ungleichbehandlung müsste gerade wegen der Behinderung des Grundrechtsinhabers erfolgen: notwendig ist eine behinderungsbezogene Ungleichheit.4 Der ungleich gewährte Zugang zu einer Zweitausbildung ist Folge der Versagung einer Förderung im Rahmen der Eingliederungshilfe und knüpft damit direkt an die Behinderungseigenschaft an. Beeinträchtigung. Die Nichtfinanzierung des Mehrbedarfs müsste zu einem Nachteil für behinderte Menschen führen. Ein Nachteil liegt in Regelungen und Maßnahmen, „die die Situation des Behinderten wegen seiner Behinderung verschlechtern, indem ihm etwa der tatsächlich mögliche Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen verwehrt wird oder Leistungen, die grundsätzlich jedermann zustehen, verweigert werden.“5 Hier wird der Zugang zu einer Zweitausbildung nicht direkt verwehrt, allerdings führt die Nichtförderung mittelbar dazu, dass i.d.R. behinderten Menschen eine Zweitausbildung unmöglich ist. Eine Beeinträchtigung kann laut BVerfG „auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird“.6 Da im Rahmen der Eingliederungshilfe der Mehrbedarf für ein Zweitstudium nicht übernommen wird, fehlt es insofern an einer Kompensation. Die Nichtfinanzierung stellt somit einen Nachteil für den behinderten Anwärter auf eine Zweitausbildung dar. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Die Benachteiligung könnte gerechtfertigt sein. Eine Ungleichbehandlung von Menschen mit und ohne Behinderung ist nicht völlig ausgeschlossen: gesetzliche Begrenzungen können sich als Auswirkungen kollidierenden Verfassungsrechts ergeben.7 Eine Nichtfinanzierung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs müsste ein legitimes Ziel verfolgen und zu dessen Erreichung geeignet, 4 Vgl. Jarass (Bearbeiter) in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Auflage, München 2006, Art. 3 Rn. 143. Im Zusammenhang mit „Eingliederungshilfe“ geht es nicht um allgemeine Ausbildungskosten, die auch von einem nicht behinderten Menschen zu tragen wären : Üblicherweise erhobenen Gebühren für ein Zweitstudium können daher nicht von Eingliederungshilfe gedeckt werden. Härtefallregelungen einschl. spezieller Ausbildungsförderung für behinderte Menschen sind im BaföG vorgesehen, vgl. § 10 Abs. 3 S. 2 und 4. § 15 Abs. 3 Nr. 5 BaföG. 5 BVerfGE 96, 288/303. 6 BVerfGE 96, 288/303; 99, 341/357. 7 Umbach (Bearbeiter) in: Umbach/Clemens, GG Kommentar, Band 1, Heidelberg 2002, Art. 3 III 2, Rn. 411. - 5 - erforderlich und angemessen sein. Die öffentliche Mittelverteilung erfordert rationale Verteilungsmaßstäbe, die verhindern, dass es zu ungerechtfertigten Ressourcenanhäufungen kommt, die anderen Bedürftigen fehlen. Die Nichtfinanzierung verfolgt somit das legitime Ziel, den öffentlichen Haushalt nicht durch ungerechtfertigte Leistungen zu belasten. Die Verweigerung der Förderung ist zudem geeignet dem Sparsamkeitsgebot des Staats zu dienen, um eine Mittelverteilung zugunsten anderer Bedürftiger zu ermöglichen . Die Verweigerung müsste auch erforderlich sein. Dies wäre nur dann zu verneinen , wenn eine den Haushalt ebenso nicht belastende aber mildere Regelung denkbar wäre. Jede Mehrbedarfsfinanzierung führt zu einer Belastung des Haushalts. Eine den Staatshaushalt ebenso schonende Regelung, die dem Förderungsinteresse der Einzelnen gleichermaßen entgegenkommt, ist nicht denkbar. Die generelle Verweigerung der Mehrbedarfsfinanzierung im Rahmen der Eingliederungshilfe müsste auch angemessen sein, d.h. die Mittel müssten in angemessener Relation zum verfolgten Zweck stehen. Bei der hier gebotenen Abwägung zwischen dem Gemeinwohlbelang eines sparsamen Umgangs mit öffentlichen Geldern und dem Interesse des Einzelnen in dessen Rechte eingegriffen wird, fällt der mit Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verbundene Auftrag an den Staat ins Gewicht, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen in der Gesellschaft hinzuwirken. Des BVerfG interpretiert in neuerer Rechtsprechung das Benachteiligungsverbot als einen Anspruch auf sachgerechte Abwägung und Abwägungsbegründung.8 Bei der Umsetzung des Förderauftrags kommt dem Staat ein erheblicher Spielraum zu. Originäre Leistungsansprüche werden vielfach abgelehnt.9 Sobald finanzielle Aufwendungen die Folge sind, kommt dem Gesetzgeber ein besonders weiter Spielraum zu. Leistungspflichten bestehen nur nach „Maßgabe des finanziell, personell, sachlich und organisatorisch Möglichen“.10 Die Verweigerung des tatsächlich Möglichen stellt eine nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG unzulässige Benachteiligung dar.11 Eine generelle Verweigerung einer Mehrbedarfsfinanzierung für eine Zweitausbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe könnte in der Abwägung mit dem Interesse an einer rationalen Ressourcenverteilung unverhältnismäßig sein. Wie oben ausgeführt, ist die gerechte, d.h. an der tatsächlichen Bedürftigkeit orientierte Verteilung von Geldern ein sozialstaatlich zu schützendes Interesse. Dem steht das individuelle Interesse an Förderung einer zweiten Ausbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe gegenüber. 8 BVerfGE 96, 288/303ff; weitere Nachweise bei Osterloh (Bearbeiter), in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz , 3. Auflage 2003, Art. 3, Rn. 306. 9 Osterloh (Bearbeiter) in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Auflage 2003, Art. 3, Rn. 306. 10 BVerfGE 96, 288/308. 11 BVerfGE 96, 288/303. - 6 - § 53 Abs. 3 SGB XII formuliert generell Ziele der Eingliederungshilfe. Ihr Zweck ist es, behinderte Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (S. 1). Im Mittelpunkt der einzelnen Leistungsrechte steht, wie von § 2 Abs. 2 SGB IX vorgegeben, die Ermöglichung eines selbständigen Lebens des behinderten Menschen innerhalb der Gesellschaft . Nach § 10 SGB I hat derjenige, der körperlich, geistig oder seelisch behindert ist, oder dem eine solche Behinderung droht, unabhängig von der Ursache der Behinderung ein Recht auf diejenige Hilfe, die notwenig ist um ihm einen seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz in der Gemeinschaft zu sichern. § 10 SGB I ist aber keine Anspruchsgrundlage für eine entsprechende Hilfe. Die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der Eingliederungshilfe finden sich in § 53 SGB XII i.V.m. § 19 Abs. 3 SGB XII.12 § 54 XII sowie §§ 4 ff. EinglVO führen exemplarisch Leistungen auf, die zur Erfüllung der in § 53 Abs. 3 SGB XII aufgeführten Aufgaben der Eingliederungshilfe erbracht werden können: Entsprechend dem formulierten Ziel, behinderten Menschen die Ausübung eines angemessenen Berufs zu ermöglichen (§ 53 III S. 2SGB XII), ist gesetzlich insbesondere Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf, einschließlich des Besuchs einer Hochschule vorgesehen (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII). Die Aufzählung ist aber nicht abschließend: der Sozialhilfeträger kann auch jede andere Maßnahme gewähren, die geeignet ist, die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erfüllen .13 Da die Regelung einen Anspruch auf Förderung nicht explizit auf eine Erstausbildung beschränkt, erscheint eine Förderung im Rahmen der Eingliederungshilfe auch für Zweitausbildungen grundsätzlich möglich. Begrenzungen der Förderung könnten sich aus der gesetzlichen Zielvorstellung der Förderung einer „Ausbildung für einen angemessenen Beruf“ ergeben (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII). Ausbildungsförderung hat in diesem Zusammenhang die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt im Blick. Wenn bereits eine Ausbildung abgeschlossen ist, die zur Ausübung eines Berufs qualifiziert, besteht möglicherweise kein Bedürfnis der gesetzlich vorgesehenen Art. Ist dagegen mit dem bereits bestehenden Erstabschluss das Integrationsziel erheblich gefährdet - sei es weil die Behinderung die Ausübung eines diesbezüglich angemessenen Berufs verhindert, oder weil der Arbeitsmarkt eine Integration nicht zulässt - erscheint die Förderung einer weiteren Ausbildung verhältnismäßig. 12 Zwar sind die Regelungen des SGB XII generell subsidiär gegenüber sonstigen Leistungen. Da es sich hier aber um spezielle Förderung zur Ausbildung handelt, die betreffenden Personen also nicht im Berufsleben stehen, sondern die Eingliederungshilfe gerade erst die Integration in den ersten Arbeitsmarkt im Blick hat, gilt speziell SGB XII. 13 Zu den Anspruchsvoraussetzungen der Eingliederungshilfe vgl. Löcher, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen unter Geltung des SGB XII, ZfS (Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung) 2005, 326. - 7 - Diese Erwägungen führen zu dem Ergebnis, dass eine generelle Ablehnung einer Zweitausbildungsförderung dem mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verbundene Auftrag an den Staat, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen in der Gesellschaft hinzuwirken, widerspricht. Eine generelle Verweigerung der Förderung ist insbesondere auch unvereinbar mit der vom BVerfG in neuerer Rechtsprechung entwickelten Wertung des Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG als einen Anspruch auf sachgerechte Abwägung und Abwägungsbegründung.14 Dagegen erscheint eine nach den mit der Erstausbildung auf dem Arbeitsmarkt bestehenden Integrationschancen differenzierende Beurteilung sachgerecht: Eine Ablehnung der Förderung kann - soweit die Integration in den ersten Arbeitsmarkt möglich ist und die Einzelfallabwägung ein solches Ergebnis auch im Übrigen nicht verbietet - verhältnismäßig sein. Bei der Einzelfallabwägung ist neben der grundgesetzlichen Wertung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 auch Art. 5 der Richtlinie 2000/ 78 EG Rechnung zu tragen: der Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft durch Teilhabe am Arbeitsleben wird hier ein besonderer Stellenwert eingeräumt.15 1.2.2. Art. 12 Abs. 1 GG Die Nichtfinanzierung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs für die Aufnahme einer zweiten Ausbildung könnte das Rechts auf freie Berufwahl verletzen. Schutzbereich. Art. 12 Abs. 1 GG schützt die gesamte Freiheit der berufsbezogenen Ausbildung. Geschützt wird auch ein Zweit- oder Drittstudium.16 Das Grundrecht enthält ein „Abwehrrecht gegen Freiheitsbeschränkungen im Ausbildungsbereich“.17 Zudem enthält es auf Grund der in ihm enthaltnen Wertentscheidung zugunsten der berufsbezogenen Ausbildung ein Teilhaberecht.18 Da hier mit der Frage der Mehrbedarfsfinanzierung die Möglichkeit der Aufnahme einer Ausbildung in Frage steht, ist der Schutzbereich des Art. 12 GG eröffnet. Beeinträchtigung. In der Nichtfinanzierung müsste eine Beeinträchtigung liegen. Eine solche ist in jeder belastenden Regelung zu sehen, die unmittelbar die geschützte Tätigkeit betrifft. Allerdings vermittelt Art. 12 GG allein keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung der Ausbildung, noch ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Anspruch auf 14 BVerfGE 96, 288/303ff; weitere Nachweise bei Osterloh (Bearbeiter), in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz , 3. Auflage 2003, Art. 3, Rn. 306. 15 Vgl. Grube/Wahrendorf, Kommentar SGB XII, München 2005, § 53, Rn. 22. 16 BVerfGE 45, 393/397f., 62, 117/146. 17 BVerfGE 33, 303/329. 18 Vgl. Jarass (Bearbeiter) in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Auflage, München 2006, Art. 12, Rn. 70. - 8 - kostenloses Studium.19 Eine Grundrechtsverletzung wegen Versagung der Teilhabe an Bildung setzt voraus, dass anderen Bewerbern Leistungen dieser Art gewährt werden. Dies ist hier nicht ersichtlich. Daher liegt in der Ablehnung der Mehrbedarfsfinanzierung für eine zweite Ausbildung keine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG. 1.2.3. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip Ein Anspruch auf Unterstützung in Form der Mehrbedarfsfinanzierung könnte sich aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1GG als originäres Leistungsrecht ergeben. Eine solche Erwägung, die vom BVerwG im Rahmen der Entscheidung zu Studiengebühren angestellt und im Ergebnis offen gelassen wurde, setzt maßgeblich bei Art. 12 GG an und entwickelt in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und dem Sozialstaatsprinzip den Gedanken eines für jeden tragbaren bzw. um ein finanzielles Ausbildungsförderungssystem ergänztes Ausbildungsangebot.20 Da die Mehrbedarfsfinanzierung im Rahmen der Eingliederungshilfe gerade nicht allgemein studienspezifische Kosten umfasst, kann dieser Gedanke hier nicht zu einem Anspruch auf Förderung führen. 1.3. Erste Ausbildung vor Eintritt der Behinderung Fraglich ist, ob der Zeitpunkt des Eintritts der Behinderung für die Förderung einer Zweitausbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe eine Rolle spielen kann. Da - wie oben gezeigt - die „Ausbildung für einen angemessenen Beruf“ die entscheidende Zielvorgabe der Eingliederungshilfe in Sachen Ausbildung darstellt, kommt es darauf an, ob die mit der abgeschlossenen Ausbildung verbundenen beruflichen Möglichkeiten durch die Behinderung geschmälert wurden. Gewährleisten die Qualifikationen durch die erste Ausbildung die Integration in den Arbeitsmarkt, ist der Zweck der Eingliederungshilfe erfüllt und es fehlt am Förderungsbedarf. Besteht allein mit der ersten Ausbildung entweder behinderungsbedingt, oder aufgrund der Arbeitsmarktlage eine solche Aussicht auf Integration nicht, kann Eingliederungshilfe gewährt werden. 1.4. Erste Ausbildung vor Erlangung der Hochschulreife Ist eine Erstausbildung vor dem Abitur abgeschlossen worden und tritt die Behinderung erst nach Erlangung der Hochschulreife ein, stellt sich die Frage, ob für ein folgendes Studium Mehrbedarfsförderung gewährt werden kann. Dies hängt davon ab, ob bei der Auslegung der gesetzlichen Zielvorgabe „Ausbildung für einen angemessenen Beruf“ der Wunsch nach einer akademischen Ausbildung und den damit verbundenen Karriereaussichten berücksichtigt werden muss. Hier kann die gesetzliche Vorgabe bezüglich Leistungsberechtigter übertragen werden: Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich 19 BVerwGE 101, 142/146f; 115, 32/36 ff. 20 vgl. BVerwGE 115, 32/37. - 9 - auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind (§ 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII). Allerdings braucht der Träger der Sozialhilfe Wünschen nicht zu entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre (§ 9 Abs. 2 S. 3 SGB XII). Da die Hochschulreife den Zugang zu einem universitären Studium grundsätzlich eröffnet, kann allein der frühere Abschluss einer Ausbildung keinen Ausschluss der Förderung für ein solches darstellen. Hier ist der qualitative Unterschied von Ausbildung und Hochschulstudium zu berücksichtigen. In der Absicht, die Entscheidung zu einer akademischen Weiterbildung nach Erlangung der Hochschulreife nicht durch den Eintritt der Behinderung zu hemmen, ist in einem solchen Fall Eingliederungshilfe für ein Studium zu gewähren. 1.5. Recht auf freie Berufswahl Zum Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG kann weitgehend auf die Ausführungen innerhalb der Prüfung (oben unter Punkt 1.2.2.) verwiesen werden. Die Freiheit berufsbezogener Ausbildung des Art. 12 Abs. 1 Variante 3 GG wird als ein weitgehendes „Recht auf Bildung“ verstanden, solange diese berufsbezogen ist. Konsequent werden von der Berufsfreiheit nur berufsbezogene Ausbildungsstätten geschützt. Dazu zählen alle Einrichtungen, die der Ausbildung für bestimmte Berufe oder Berufsgruppen dienen und dabei über das Angebot allgemeiner Bildung hinausgehen. Grundschulen werden folgerichtig nicht erfasst.21 Geschützte ist der Eintritt in eine Ausbildungsstätte sowie die im Rahmen der Ausbildung notwendigen Tätigkeiten. Wie oben erwähnt, wird auch ein Zweit- oder Drittstudium geschützt. Eine zeitliche Begrenzung des grundrechtlichen Schutzes etwa auf den Beginn des Berufslebens besteht somit nicht. Dies bedeutet , dass Grundrechtsträger des Art 12 GG (als sog. Deutschen - Grundrecht) grundsätzlich alle Deutschen sind, die sich bilden wollen, unabhängig von Alter, Fähigkeiten oder Ausbildungsstand (so Nr. 1c der Anfrage). 2. Zulassungsordnungen für Master-Studiengänge Zulassungsordnungen für Masterstudiengänge ergehen als Satzung. Universitäten haben als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten ein Satzungsrecht (als Teil ihres Selbstverwaltungsrechts ).22 Fraglich ist, ob ein fehlender Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile in den Zulassungsordnungen für Master-Studiengänge verfassungsrechtlich bedenklich ist. Dies wäre der Fall, wenn eine diesbezügliche Regelungspflicht bestünde. 21 Vgl. dazu Jarass (Bearbeiter) in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar für die Bundesrepublik Deutschland , 8. Auflage, München 2006, Art. 12, Rn. 71. 22 Vgl. zur Hochschulautonomie aus Art. 5 Abs. 3 GG: BVerfGE 85, 360/384. - 10 - 2.1. Regelungsdichte Ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber von seinem „Steuerungsinstrument“ Gesetzgebung Gebrauch machen muss, oder dagegen die Regelung anderen Akteuren, wie der Verwaltung überlassen kann, hängt von der Bedeutung des zu regelnden Sachverhalts ab.23 Alle „wesentlichen“ Entscheidungen, insbesondere soweit der Schutzbereich der Grundrechte berührt ist, müssen nach den vom BVerfG entwickelten Grundsätzen durch Gesetz getroffen werden.24 Das BVerfG hat in einer Reihe von Entscheidungen Kriterien dafür entwickelt, welche Regelungen der Gesetzgeber selbst zu treffen hat und welche Regelungsdichte er dabei erreichen muss.25 Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug. Allerdings ist im vorliegenden Fall nicht nach gesetzgeberischem Handeln gefragt, vielmehr sind die Maßstäbe auf das Satzungsrecht als generell abstrakte Regelung übertragbar. Hier betrifft die Nichtfinanzierung von behinderungsbedingtem Mehrbedarf Art. 3 Abs. 3 S. 2 als vorbehaltlos gewährtes Grundrecht. Dies spricht grundsätzlich für eine Aufnahme derartiger Regelungen in die jeweiligen Zulassungsordnungen. 2.2. Grundrechtsschutz Unbestimmte Rechtsbegriffe. Möglicherweise ist Grundrechtschutz bereits ausreichend gewährleistet. Unbestimmte Rechtsbegriffe in den Zulassungsordnungen wie beispielsweise der Begriff der „besonderen Härte“ bedürfen der Auslegung. Bei dieser sind Grundrechte zu beachten. Für den vorliegenden Fall sind bei der Zulassung zu einem Master-Studium nach der jeweiligen Zulassungsordnung insbesondere die Wertungen des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zu beachten. Zugunsten von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist eine zusätzliche Verankerung des Benachteiligungsverbots in den Zulassungsordnungen wünschenswert, aber verfassungsrechtlich nicht zwingend. Verweisungstechnik. In den Zulassungsordnungen wird i.d.R. auf die jeweiligen Studienordnungen (Satzungen für Studien- und Prüfungsangelegenheiten) verweisend Bezug genommen. Diese formulieren die Pflicht, bei der Auswahl die soziale Lage der Bewerber zu berücksichtigen und enthalten damit Regelungen zur Vermeidung behinderuzungsbedingter Benachteiligung.26 Derartige Regelungen in Prüfungsordnungen sind 23 Vgl. zu Regelungspflicht und Wesentlichkeitstheorie: Schuppert, Staatswissenschaft, Baden-Baden 2003, S. 553 ff. 24 BVerfGE 40, 237; 49, 89; 83, 130. Die „Wesentlichkeitstheorie“ des BVerfG erstreckt Garantiefunktion des Gesetzes vor allem auf Leistungen mit Auswirkungen auf Dritte, Ausbildungsmaßnahmen und informelles Verwaltungshandeln (vgl. BVerfGE 71, 183; 82, 76; 87, 37). 25 Das BVerfG hat seine inzwischen gefestigte Rechtsprechung im Hinblick auf „Regelungsdichte“ in BVerfGE 83, 130, 142 (Josefine-Mutzenbacher-Entscheidung) zum Ausdruck gebracht. 26 Als Beispiel: Allgemeine Satzung für Studien- und Prüfungsangelegenheiten der Humboldt- Universität zu Berlin. Nach dieser muss bei den Auswahlkriterien im Rahmen des Zulassungsver- - 11 - wiederum abgesichert durch die Vorgabe des § 16 S. 4 Hochschulrahmengesetz. Diese besagt, dass Prüfungsordnungen die besonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung ihrer Chancengleichheit berücksichtigen müssen.27 Durch derartige regelungstechnische Bezugnahme sind die Benachteiligungsverbote auch in den Zulassungsordnungen für Masterstudiengänge zu berücksichtigen. Einzelfalllösungen. Überdies sehen die Zulassungsordnungen durchweg eine individuelle Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber vor. Dies findet Niederschlag in flexiblen Regelungen, die bestimmte Nachweise beispielsweise nur „in der Regel“ zur Vorraussetzung der Zulassung machen.28 Auswahlgespräche, die von einem eigens dafür zusammengestellten Gremium geführt werden, ermöglichen flexible Einzelfalllösungen. Die Gestaltung der Auswahlgespräche bestimmt der Akademische Senat durch Rechtsvorschrift , wobei im gesamten Zulassungsverfahren insbesondere auch die soziale Situation der Bewerberinnen und Bewerber zu berücksichtigen ist (z.B. § 14 Abs. 1 und 2 Allgemeine Satzung für Studien- und Prüfungsangelegenheiten der Humboldt - Universität zu Berlin). Aus diesen Erwägungen folgt, dass Grundrechtspositionen in Zulassungsordnungen und -verfahren für Masterstudiengängen ausreichend geschützt werden. Eine zusätzliche Aufnahme derartiger Regelungen in die jeweiligen Zulassungsordnungen wäre zugunsten von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wünschenswert aber verfassungsrechtlich nicht notwendig. fahrens auch die soziale Situation der Bewerberinnen und Bewerber angemessen berücksichtigt werden (§ 14 Abs. 1 und 2). 27 Vgl. Reich, Hochschulrahmengesetz, Kommentar, 9. Auflage 2005, § 16, Rn. 5a. 28 Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 der Zulassungsordnung für den Masterstudiengang Kunsttherapie an der Kunsthochschule Weißensee.