© 2018 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 077/17 Definitionen und Statistiken zum Thema Armut Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 2 Definitionen und Statistiken zum Thema Armut Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 077/17 Abschluss der Arbeit: 31. Januar 2018 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 6 2. Wie wird Armut definiert, gibt es Änderungen seit Bestehen der Bundesrepublik und wo liegt die Armutsgrenze? 6 3. Wer erhebt und veröffentlicht die Armutsstatistik und wo wird sie öffentlich gemacht? 9 4. Gibt es Unterschiede bei den veröffentlichten Zahlen und wenn ja, worin liegen die Unterschiede? 9 5. Welche Organisationen stehen dahinter? 10 6. Welche Kontrollorganisationen überprüfen die gemachten Angaben? 11 7. In welchen zeitlichen Abständen werden Daten für die Armutsstatistik erhoben? 11 8. Welche Formen von Armut kennt die Statistik (Altersarmut, Kinderarmut, Jugendarmut, Familienarmut, Langzeitarmut, Armut Alleinerziehender, Armut von Menschen mit Behinderungen)? 12 9. Wie entwickelte sich Armut im Zeitraum 2012 bis heute (differenzierte Angaben)? 14 10. Wie viele Menschen leben knapp über der Armutsgrenze (z.B. Aufstocker, Menschen, die weniger als 1.200 Euro verdienen)? 14 11. Wie sehen die aktuellen Prognosen aus und welchen Zeitraum decken sie ab? Wer erstellt sie in wessen Auftrag? 15 12. Wie sieht die Armutspyramide (bezogen auf das Alter und den Bildungsstand) aus? Bitte dezidiert den erwerbsfähigen Bevölkerungsanteil ausweisen sowie bezogen auf Migrationshintergrund: wenn möglich aufschlüsseln nach Herkunft/Bildungsstand/ Religionszugehörigkeit/Geschlecht/Familienstand 16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 4 13. Welche Bevölkerungsgruppen werden in der Armutsstatistik nicht erfasst? 16 14. Welche werden erfasst, aber einer anderen Kategorie zugeordnet (Beispiele: Selbständige, Künstler, Rentner, im Ausland lebende Staatsangehörige, Kranke, behinderte Menschen, Umschüler, Migranten ohne Pass, Berufsabsolventen und Studenten ohne beruflichen Abschluss, Menschen in vorläufiger Insolvenz...)? 16 15. Wie viele Rentner erhalten eine Rente unter dem Existenzminimum (alleinstehend/in Partnerschaft) und zwar ohne eine Aufstockung 16 16. Wie viele berufstätige Menschen verdienen unter dem Existenzminimum ohne eine staatliche Unterstützung zu beantragen? 17 17. Wie entwickelte sich die Zahl der Existenzgründungen und geschäftlichen Insolvenzen seit 2012? (Wenn möglich aufschlüsseln nach: Herkunft/Bildungsstand/Religionszugehörigkeit/ Geschlecht/Familienstand/Anzahl Kinder) 18 18. Wie entwickelte sich die Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren seit 2012 (Wenn möglich aufschlüsseln nach: Herkunft/Bildungsstand/Religionszugehörigkeit/Geschlech t/ Familienstand/Anzahl Kinder)? 18 19. Stehen Armutsentwicklungen und Insolvenzen in messbarem Zusammenhang (Diagramm?)? 19 20. Wie hoch ist die Differenz zwischen den Gesamtkosten Alg II und den Gesamtkosten aus der Leistungstabelle für Sonderzuwendungen (z.B. Musikschule, Ausflüge, etc.) für Aufstocker? 19 21. Wie hoch sind die Kosten für Grundsicherung sortiert nach Bundesländern? 19 22. Wie viel Prozent machen die Nebenkosten aus (alles was nicht reine Alg II-Kosten sind)? 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 5 23. Wird der prozentuale Anteil von Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund erfasst und wie hoch ist deren Anteil? 20 24. Gehen die Migration und ihre Armutsfolgen von Migranten ohne Staatsangehörigkeit in die Statistik ein? Wenn möglich unterscheiden nach genehmigten und offenen Asylanträgen seit 2012. 20 25. Wenn ja, wie hoch ist der Anteil von Familien, unbegleiteter Jugendlicher, allein reisender Frauen und allein reisender Männer? 20 26. Wie hoch sind die Kosten (grundsicherungsäquivalente Ausgaben) und wie sind die Prognosen bis 2021 und wer erstellt sie? 21 27. Wie entwickelte sich die Grundsicherung seit ihrer Einführung in Abhängigkeit von der Inflation? 23 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 6 1. Vorbemerkung Die Antworten auf die Fragen 2 bis 10, 12 bis 19 und 23 bis 26 basieren überwiegend auf Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis), das von den Wissenschaftlichen Diensten angefragt wurde. Für die Beantwortung der Fragen 20 bis 22 hat die Statistik der Bundesagentur für Arbeit entsprechende Informationen zugeliefert. 2. Wie wird Armut definiert, gibt es Änderungen seit Bestehen der Bundesrepublik und wo liegt die Armutsgrenze? Das Statistische Bundesamt bezieht sich nach eigenen Angaben ausschließlich auf die Definition im Rahmen der Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung (AuR).1 – „Die Armutsrisikoquote ist definiert als Anteil der Personen in Haushalten, deren bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des Mittelwerts (Median) aller Personen beträgt. Das Nettoäquivalenzeinkommen wird ermittelt als gewichtetes Pro-Kopf- Einkommen, in dem das Nettohaushaltseinkommen durch die Summe der Personengewichte (siehe Äquivalenzgewichtung) – abgeleitet über die neue OECD-Skala – geteilt wird.“ (AuR 2001, Glossar) – „Messkonzept des Risikos der relativen Einkommensarmut: Das im Armuts- und Reichtumsbericht verwendete Konzept der relativen Einkommensarmut orientiert sich an der Definition der Europäischen Union. Die Operationalisierung erfolgt in Anlehnung an die Indikatoren, die auf dem EU-Gipfel in Laeken 2001 vereinbart wurden. Dieses Konzept ist zwar Mainstream der derzeitigen empirischen Forschung zu Armut und Reichtum, aber nicht unumstritten. U.a. wird kritisiert, dass die Schwelle, die den Risikobereich der Einkommensarmut vom Rest der Verteilung abgrenzt, immer in Relation zu einem Mittelwert der Einkommen der Bevölkerung steht. Eine gesamtwirtschaftliche Wohlstandsmehrung führt daher nicht unbedingt zum Rückgang des Anteils der relativ Einkommensarmen. Neben den monetären Mitteln beeinflussen zudem auch Faktoren wie Bildung, Erwerbsstatus, Gesundheit, Wohnsituation, familiäre Situation oder soziale Netzwerke die Lebenssituation von Menschen. Eine Forschungsarbeit im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMGS) über ‚Armut und Lebensstandard‘ von Andreß hat sich deshalb mit diesen Aspekten der Messung von Armut und Reichtum auseinander gesetzt. Auch das Gutachten im Auftrag des BMGS mit dem Titel ‚Operationalisierung der Armuts- und Reichtumsmessung‘ von Volkert u.a. erörtert grundsätzliche Fragen bei der Weiterentwicklung der konzeptionellen Grundlagen für eine regelmäßige Armuts- und Reichtumsberichterstattung. U.a. wird dort ein Konzept von Armut bzw. Reichtum an ‚Verwirklichungschancen ‘ in Anlehnung an die Arbeiten von Amartya Sen vorgestellt.“ (AuR 2001, Glossar) – „Im ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2001) wurden zur Analyse der Entwicklung relativer Einkommensarmut vier Schwellen definiert, und zwar wird die 50 Prozent- und die 60-Prozent-Grenze jeweils auf das arithmetische Mittel sowie auf den Median 1 Die Berichte sind abrufbar unter: http://www.armuts-und-reichtumsbericht.de. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 7 der Nettoäquivalenzeinkommen bezogen. Unter Berücksichtigung der zwei alternativen Äquivalenzskalen ergeben sich daraus acht Berechnungsvarianten zur relativen Einkommensarmut. Datengrundlage war die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS).“ (AuR 2001, S. 24) http://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Bericht/Archiv/Der-erste-Bericht/erster-bericht .html Weiterführende Literatur zu Konzepten der Armutsmessung: Hauser, Richard, 2008: Das Maß der Armut: Armutsgrenzen im sozialstaatlichen Kontext. Der sozialstaatliche Diskurs, in: Ernst-Ulrich Huster, Jürgen Boeckh und Hildegard Maogge-Grotjahn (Hrsg.): Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften , S. 94-117.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 8 Armutsschwelle und Armutsgefährdung (monetäre Armut) in Deutschland2 Soziodemographische Untergliederung Erhebungsjahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Schwellenwert für Armutsgefährdung in EUR je Jahr Alleinlebende(r) 10 986 11 151 11 278 11 426 11 757 11 749 11 840 12 401 12 765 Zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren 23 070 23 418 23 684 23 994 24 690 24 673 24 864 26 041 26 807 Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen1 nach dem Geschlecht, Anteil in % Insgesamt 15,2 15,5 15,6 15,8 16,1 16,1 16,7 16,7 16,5 Männer 14,2 14,7 14,9 14,9 14,9 15,0 15,9 15,9 15,2 Frauen 16,2 16,3 16,4 16,8 17,2 17,2 17,4 17,4 17,8 Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen1 nach dem Alter, Anteil in % Insgesamt 15,2 15,5 15,6 15,8 16,1 16,1 16,7 16,7 16,5 unter 18-Jährige 15,2 15,0 17,5 15,6 15,2 14,7 15,1 14,6 15,4 18- bis 64-Jährige 15,4 15,8 15,6 16,4 16,6 16,9 17,2 17,3 16,4 65-Jährige und Ältere 14,9 15,0 14,1 14,2 15,0 14,9 16,3 16,5 17,6 Relativer Medianwert der Armutsgefährdungslücke2 nach dem Alter, Anteil in % Insgesamt 22,2 21,5 20,7 21,4 21,1 20,4 23,2 22,0 20,7 unter 18-Jährige 19,3 19,8 17,8 17,2 17,4 16,4 19,6 18,2 16,8 18- bis 64-Jährige 25,0 23,8 22,7 24,5 23,1 22,1 25,1 24,7 23,6 65-Jährige und Ältere 16,8 16,5 16,6 17,6 18,8 18,4 19,9 18,4 18,6 Armutsgefährdungsquote vor Sozialleistungen nach dem Alter, Anteil in % Insgesamt 24,2 24,1 24,2 25,1 24,3 24,4 25,0 25,1 25,3 unter 18-Jährige 30,6 30,5 32,8 33,0 30,8 30,4 30,2 31,3 32,6 18- bis 64-Jährige 24,9 24,8 24,9 26,1 25,2 25,5 26,0 26,0 25,4 65-Jährige und Ältere 16,0 16,1 15,2 15,4 15,9 16,0 17,3 17,5 18,8 1 Sozialleistungen außer Renten und Pensionen. 2 Die relative Armutslücke misst den Abstand zwischen dem medianen Äquivalenzeinkommen der armen Bevölkerung und dem Schwellenwert für die Armutsgefährdung (in Prozent des Schwellenwertes). Quelle: Leben in Europa (EU-SILC). 2 Statistisches Bundesamt, Lebensbedingungen, Armutsgefährdung, https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten /GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/LebensbedingungenArmutsgefaehrdung/Tabellen /EUArmutsschwelleGefaehrdung_SILC.html (zuletzt abgerufen am 21. Dezember 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 9 3. Wer erhebt und veröffentlicht die Armutsstatistik und wo wird sie öffentlich gemacht? Das Statistische Bundesamt verweist auf die folgenden Statistiken: – Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung http://www.armuts-und-reichtumsbericht.de – Destatis: Leben in Europa (EU-SILC) – Einkommen und Lebensbedingungen in Deutschland und der EU [= Fachserie 15 Reihe 3] https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen /LebeninEuropa/EinkommenLebensbedingungen.html – Destatis: Statistik zur Überschuldung privater Personen [= Fachserie 15 Reihe 5] https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen /Ueberschuldung/Ueberschuldung.html – Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Armutsgefährdung für Bund-, Länder, Regierungsbezirke /statistische Regionen, Raumordnungsregionen/Anpassungsschichten und Großstädte , auf Basis des Mikrozensus (MZ) gemessen am Bundes- und Landesmedian bzw. dem Median der jeweiligen räumlichen Einheit. www.amtliche-sozialberichterstattung.de – Armutsberichte der Länder und Kommunen – Armutsberichte aus Wissenschaft/Sozialforschung und Verbänden (z.B. DIW/SOEP). 4. Gibt es Unterschiede bei den veröffentlichten Zahlen und wenn ja, worin liegen die Unterschiede ? Das Statistische Bundesamt verweist auf „Lebenslagen in Deutschland [= 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung], S. X.]: http://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Bericht /Archiv/Der-dritte-Bericht/dritter-bericht.html „Im Bericht werden zu den Themen Einkommensverteilung, Armutsrisikoquote und Vermögensverteilung Ergebnisse aus der europaweit durchgeführten Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen ‚Leben in Europa‘ (EU-SILC), aus der Einkommens- und Verbrauchstichprobe (EVS) und aus dem Mikrozensus dargestellt. Neben diesen drei amtlichen Statistiken, die vom Statistischen Bundesamt erhoben werden, wird auch das Soziooekonomische Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) herangezogen. Alle vier Datenquellen basieren auf der Befragung einer Stichprobe aus der Bevölkerung. Jede hat entsprechend ihrer spezifischen Konzeption Vorzüge. Die Befragungen setzen zudem unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte, weswegen die Verwendung von Ergebnissen aus allen Stichproben sinnvoll ist. EU-SILC ist eine seit 2005 jährlich erhobene und EU-weit vergleichbare Statistik. Die nationalen Strategieberichte über Sozialschutz und soziale Eingliederung aller Mitgliedstaaten der EU werden ebenso auf dieser Basis erstellt wie die Berichte der EU-Kommission über die Entwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 10 der Armutsbekämpfung. Mittelfristig können Längsschnittanalysen aus EU-SILC verwendet werden . Die EVS ist eine große und ausführliche Erhebung zu Einkommen, Ausgaben und Vermögen. […]. Auf den Daten des Mikrozensus (MZ) 2005 basieren die Betrachtungen zum Armutsrisiko von Personen mit Migrationshintergrund, weil EU-SILC und EVS diesen Personenkreis nicht repräsentativ abbilden können. Im Gegensatz zu EU-SILC und EVS erhebt der Mikrozensus das Einkommen nicht betragsgenau, sondern in Einkommensklassen zusammengefasst.“ Anmerkungen des Statistischen Bundesamtes hierzu: „Darüber hinaus bietet EU-SILC Informationen über so genannte nicht-monetäre Deprivationsindikatoren , sprich Informationen über konkrete Aspekte der materiellen Entbehrung, unter denen Personen/Haushalte leiden (z.B. Möglichkeit zum angemessenen Heizen der Wohnung, sich vollwertige Mahlzeigten oder einen Urlaub leisten zu können). Vgl. Frage 6. Die EVS wird alle fünf Jahre durchgeführt. Aufbereitet sind Ergebnisse bis zur Erhebung 2013. Derzeit läuft die Erhebung für das Berichtsjahr 2018. Der MZ dient ab 2005 als Quelle zur Ermittlung regionaler Armutsgefährdungsquoten im Rahmen der Amtlichen Sozialberichterstattung. Nur der MZ erlaubt aufgrund seiner Stichprobengröße diese detaillierten Auswertungen. Eine ausführliche Analyse der amtlichen Datenquellen zur Messung von Armutsgefährdung befindet sich in: Gerhardt, Anke; Habenicht, Karin; Munz, Eva (2009): Analysen zur Einkommensarmut mit Datenquellen der amtlichen Statistik. In: Statistische Analysen und Studien NRW, Band 58, Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Düsseldorf. Unter: http://www.it.nrw.de/statistik/analysen/stat_studien/2009/band_58/z089200954.pdf“ 5. Welche Organisationen stehen dahinter? Das Statistische Bundesamt ist eine selbstständige Bundesoberbehörde. Es gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, das die Dienstaufsicht ausübt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist seit 1925 eines der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute . Es ist unabhängig und wird als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert. Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung (Fragen über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit ), die seit 30 Jahren im Auftrag des DIW durchgeführt wird .3 3 DIW, Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), https://www.diw.de/de/diw_02.c.221178.de/ueber_uns.html (zuletzt abgerufen am 30. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 11 6. Welche Kontrollorganisationen überprüfen die gemachten Angaben? Die vom Statistischen Bundesamt erstellten Bundesstatistiken werden grundsätzlich auf Basis einer nationalen Rechtsvorschrift und/oder eines Rechtsakts der EU (siehe Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke) erstellt.4 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung durch einen „Beraterkreis für die Armuts- und Reichtumsberichterstattung beraten (siehe beispielsweise 2. AuR (2005): http://www.armuts-und-reichtumsbericht .de/SharedDocs/Downloads/Berichte/anlage-zweiter-armuts-reichtumsbericht .pdf?__blob=publicationFile&v=3, (S. 51).” „Die Beratung für die SOEP-Erhebung und den SOEP-Service ("das SOEP") erfolgt durch den "Survey Rat", in das bis zu neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Kuratorium des DIW Berlin berufen werden. (…) Seit 2009 wird die Forschungsqualität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Infrastruktureinrichtung "Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP)" durch den Wissenschaftlichen Beirat des DIW Berlin beurteilt.“5 7. In welchen zeitlichen Abständen werden Daten für die Armutsstatistik erhoben? Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes können die Angaben den folgenden Statistiken entnommen werden: – Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung erscheint einmal je Legislaturperiode ; bisher 2001, 2005, 2008 und 2013. – Destatis: Auf Basis der Erhebungen LEBEN IN EUROPA (EU-SILC) und Mikrozensus (MZ) werden jährlich Ergebnisse zur Armutsgefährdung veröffentlicht. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) wird alle fünf Jahre durchgeführt. Destatis: „Leben in Europa (EU-SILC) – Einkommen und Lebensbedingungen in Deutschland und der EU“ [= Fachserie 15 Reihe 3] https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen /LebeninEuropa/EinkommenLebensbedingungen.html Destatis: Wirtschaftsrechnungen. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte [= Fachserie 15 Heft 4]. 4 Bundesstatistikgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2394), zuletzt geändert durch Artikel 10 Absatz 5 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618). 5 DIW, SOEP, https://www.diw.de/de/diw_02.c.221327.de/soep_beirat.html (zuletzt abgerufen am 30. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 12 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen /EinkommenVerbrauch/EVS_EinnahmenAusgabenprivaterHaushalte.html Destatis: Wirtschaftsrechnungen. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte [= Fachserie 15 Heft 6]. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen /EinkommenVerbrauch/Einkommensverteilung.html – Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Armutsgefährdung für Bund-, Länder, Regierungsbezirke /statistische Regionen, Raumordnungsregionen/Anpassungsschichten und Großstädte, gemessen am Bundes- und Landesmedian bzw. dem Median der jeweiligen räumlichen Einheit. www.amtliche-sozialberichterstattung.de – Verbände, u.a. Der Paritätische Gesamtverband: Armutsbericht www.der-paritaetische.de/schwerpunkte/armutsbericht/“ Im Rahmen des SOEP werden jedes Jahr in Deutschland etwa 30.000 Personen in fast 11.000 Haushalten befragt. Da jedes Jahr die gleichen Personen befragt werden, können langfristige soziale und gesellschaftliche Trends verfolgt werden.6 8. Welche Formen von Armut kennt die Statistik (Altersarmut, Kinderarmut, Jugendarmut, Familienarmut, Langzeitarmut, Armut Alleinerziehender, Armut von Menschen mit Behinderungen )? Das Statistische Bundesamt benennt die folgenden Statistiken: – „Auf Basis der Erhebung EU SILC/LEBEN IN EUROPA werden die Armutsgefährdungsquoten nach Alter und Geschlecht, nach Haushaltstyp, nach Wohnstatus, nach überwiegendem Erwerbsstatus und nach Bildungsstatus ermittelt. Unterschieden wird weiterhin zwischen der Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen (60 % Median). Die Armutsgefährdung nach Sozialleistungen wird zusätzlich für die Schwellenwerte 40 %-, 50%- und 70 % Median berechnet. Destatis: Leben in Europa (EU-SILC) – Einkommen und Lebensbedingungen in Deutschland und der EU [= Fachserie 15 Reihe 3]. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen /LebeninEuropa/EinkommenLebensbedingungen.html 6 DIW, Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), https://www.diw.de/de/diw_02.c.221178.de/ueber_uns.html (zuletzt abgerufen am 30. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 13 – Ein weiteres Armutskonzept ist das der ‚Materiellen Entbehrung‘ (EU-Definition) auf Basis der Erhebung EU SILC/LEBEN IN EUROPA. Materielle Entbehrung liegt vor, wenn mindestens drei der unten genannten Kriterien erfüllt sind. Erhebliche materielle Entbehrung liegt vor, wenn mindestens vier Kriterien erfüllt sind (Statistisches Bundesamt/Destatis Fachserie 15 Reihe 4). i) Zahlungsrückstände bei Hypotheken, Miete, Rechnungen von Versorgungsbetrieben oder Konsumentenkrediten; Haushalt kann sich finanziell nicht leisten… ii) … die Unterkunft angemessen warm zu halten iii) … jedes Jahr eine einwöchige Urlaubsreise zu verbringen iv) … jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Geflügel oder Fisch (oder eine ent- sprechende vegetarische Mahlzeit) einzunehmen v) … unerwartet anfallende Ausgaben aus eigenen Mitteln zu bestreiten vi) … ein Telefon zu besitzen vii) … ein Farbfernsehgerät zu besitzen viii) … eine Waschmaschine zu besitzen ix) … ein Auto zu besitzen. Destatis: Leben in Europa (EU-SILC) – Einkommen und Lebensbedingungen in Deutschland und der EU [= Fachserie 15 Reihe 3]. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen /LebeninEuropa/EinkommenLebensbedingungen.html Auf Basis des Mikrozensus (Statistische Ämter des Bundes und der Länder www.amtlichesozialberichterstattung .de) werden Armutsquoten für folgende regionalen Einheiten ermittelt : Bundesländer, Regierungsbezirke/statistische Regionen, Raumordnungsregionen/Anpassungsschichten und Großstädte. Für Bundesländer werden Ergebnisse nach Alter, Geschlecht, Haushaltstyp, Erwerbsstatus, Qualifikationsniveau der Person mit dem höchsten Einkommen im Haushalt (Haupteinkommensbezieher ), Qualifikationsniveau (Personen im Alter von 25 Jahren und älter), Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund ermittelt, für die anderen regionalen Einheiten nur Insgesamt-Werte. – Der Anteil der armutsgefährdeten Personen nach Migrationsstatus und Staatsangehörigkeit wird veröffentlicht in: Destatis, 2017: Migration und Integration. Integrationsindikatoren 2005-2016 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/MigrationIntegration /Integrationsindikatoren.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 14 – Angaben zur Armutsgefährdung von Menschen mit Behinderungen liegen dem Statistischen Bundesamt (Destatis) nicht vor.“ 9. Wie entwickelte sich Armut im Zeitraum 2012 bis heute (differenzierte Angaben)? Das Statistische Bundesamt verweist auf die folgenden Publikationen: – (Destatis: Leben in Europa (EU-SILC) – Einkommen und Lebensbedingungen in Deutschland und der EU [= Fachserie 15 Reihe 3] https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen /LebeninEuropa/EinkommenLebensbedingungen.html – Statistische Ämter des Bundes- und der Länder (Basis: Mikrozensus): www.amtliche-sozialberichterstattung .de 10. Wie viele Menschen leben knapp über der Armutsgrenze (z.B. Aufstocker, Menschen, die weniger als 1.200 Euro verdienen)? „Aus dem Angebot des Statistischen Bundesamtes können die Ergebnisse der Verdienststrukturerhebung (VSE) 2014 entnommen werden. Diese Erhebung wird alle vier Jahre durchgeführt. Die Angaben beziehen sich auf Beschäftigungsverhältnisse insgesamt (siehe unten stehende Hinweise ). Es ist weiterhin zu beachten, dass es sich bei den Ergebnissen der VSE lediglich um Angaben zu den erzielten Erwerbseinkünften nach einzelnen Nettoverdienstklassen handelt. Daraus lassen sich nicht unmittelbar Rückschlüsse auf die gesamte Einkommenssituation der jeweiligen Verdienstbezieher treffen. Es können z.B. weitere Einkommensquellen (z.B. Einnahmen aus Vermietung /Vermögen, Sozialleistungen, einer weiteren Erwerbstätigkeit) existieren, die ergänzend zu diesen niedrigen Erwerbseinkommen die finanzielle Lage und die Armutsgefährdung entscheidend beeinflussen. Die Daten in Anlage 1 zeigen die Nettoverdienste aller Arbeitnehmer in der VSE 2014. Anlage 1 Hinweise zur Tabelle in Anlage 1: Bei der Interpretation der Tabellen ist zu beachten, dass nicht Personen erfasst und abgebildet werden sondern Beschäftigungsverhältnisse, also Jobs bzw. Arbeitsverträge. Haben Personen gleichzeitig mehrere abhängige Beschäftigungsverhältnisse, also Haupt- und Nebenjobs, so sind in den Tabellen alle diese Beschäftigungsverhältnisse enthalten. Enthalten sind Vollzeitbeschäftigte , sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte, Auszubildende, atypisch Beschäftigte (befristet , Teilzeit < 20 Std./Woche, geringfügig, Zeitarbeit), Altersteilzeitbeschäftigte etc. In den Tabellen sind ausschließlich abhängige Beschäftigungsverhältnisse dargestellt, selbständige Tätigkeiten sind nicht enthalten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 15 Erfasst sind abhängige Beschäftigungsverhältnisse in der gesamten privaten und öffentlichen Wirtschaft mit Ausnahme von Beschäftigungsverhältnissen in privaten Haushalten (z.B. Hauspersonal ) und in exterritorialen Organisationen (z.B. Europäische Zentralbank). Es sind nur Beschäftigungsverhältnisse erfasst, die den ganzen Berichtsmonat bestanden und für die im Berichtsmonat eine Verdienstzahlung stattfand. Das schließt Beschäftigungen aus, die nicht monatsscharf begonnen bzw. beendet wurden, aber auch Beschäftigungen, die im Berichtsmonat vertraglich bestanden, für die aber keine Zahlung stattfand. Letzteres hat vor allem Auswirkungen auf die gemessene Zahl der geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnisse, denn diese sind oft ‚Springer‘ mit längeren Pausen der Beschäftigung und der Verdienstzahlung. In den Tabellen werden die erfassten Beschäftigungsverhältnisse wie folgt gegliedert und mit einer Nummer gekennzeichnet. Die Kennnummer bildet in den Tabellen 1 bis 3 den dritten Teil der Tabellenbezeichnung. Nicht für alle Beschäftigungsverhältnisse werden alle Tabellen ausgewiesen . Weitere Hinweise zur Verdienststrukturerhebung können der Fachserie 16 Heft 1entnommen werden: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/VerdiensteArbeitskosten/VerdiensteBerufe /VerdienststrukturerhebungHeft1.html“ 11. Wie sehen die aktuellen Prognosen aus und welchen Zeitraum decken sie ab? Wer erstellt sie in wessen Auftrag? In der Regel werden die Studien von Forschungsinstituten erstellt. Das Forschungsnetzwerk Alterssicherung (FNA) hat im Jahr 2016 ein Projekt zu „Grundsicherungsleistungen im Alter“ abgeschlossen. Die Ergebnisse können unter dem folgenden Link abgerufen werden: https://www.fna-rv.de/SharedDocs/Downloads/DE/FNA/FNA-Journal/FNA-Journal %202016-01.html?nn=466096 Das DIW und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) haben eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zur „Entwicklung der Altersarmut bis 2036“ veröffentlicht. Sie ist abrufbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/Graue Publikationen/Entwicklung_der_Altersarmut_bis_2036.pdf Die Bertelsmann Stiftung hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine Studie zu Kinderarmut durchgeführt: Sie ist abrufbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2017/oktober/kinderarmutist -in-deutschland-oft-ein-dauerzustand/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 16 12. Wie sieht die Armutspyramide (bezogen auf das Alter und den Bildungsstand) aus? Bitte dezidiert den erwerbsfähigen Bevölkerungsanteil ausweisen sowie bezogen auf Migrationshintergrund : wenn möglich aufschlüsseln nach Herkunft/Bildungsstand/ Religionszugehörigkeit /Geschlecht/Familienstand Das Statistische Bundesamt verweist auf die Daten zu Frage 8. 13. Welche Bevölkerungsgruppen werden in der Armutsstatistik nicht erfasst? „In den Erhebungen LEBEN IN EUROPA/EU-SILC und EVS werden Personen in Anstaltshaushalten und Personen ohne festen Wohnsitz nicht einbezogen. In der EVS werden Haushalte mit einem Nettoeinkommen über 18 000 Euro im Monat nicht einbezogen. In die Analysen zur Einkommensarmut auf Basis des Mikrozensus geht die Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung ein. Nicht berücksichtigt wird die Bevölkerung in Gemeinschaftsunterkünften und die Bevölkerung am Nebenwohnsitz. Nicht zur Erhebungsgesamtheit des Mikrozensus gehören Angehörige ausländischer Streitkräfte sowie ausländischer diplomatischer Vertretungen mit ihren Familienangehörigen. Personen ohne Wohnung (Obdachlose) werden im Mikrozensus nicht erfasst.“ 14. Welche werden erfasst, aber einer anderen Kategorie zugeordnet (Beispiele: Selbständige, Künstler, Rentner, im Ausland lebende Staatsangehörige, Kranke, behinderte Menschen, Umschüler, Migranten ohne Pass, Berufsabsolventen und Studenten ohne beruflichen Abschluss , Menschen in vorläufiger Insolvenz...)? Das Statistische Bundesamt meldet für LEBEN IN EUROPA/EU-SILC, EVS Fehlanzeige. Im Rahmen des Mikrozensus werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Ausland lebende Staatsangehörige nicht erfasst. 15. Wie viele Rentner erhalten eine Rente unter dem Existenzminimum (alleinstehend/in Partnerschaft ) und zwar ohne eine Aufstockung Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist ein Existenzminimum in der amtlichen Statistik nicht definiert. Weder aus Mikrozensus, LEBEN IN EUROPA/EU-SILC noch aus der Einkommens - und Verbrauchsstichprobe können hierzu Angaben gemacht werden. Alternativ wird auf den Anteil der armutsgefährdeten Personen im Ruhestand verwiese. Siehe hierzu Anlage 2 Darüber hinaus geben die folgenden Tabellen zu Haushalten von Rentnern/Rentnerinnen und Pensionären/Pensionärinnen Auskunft: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 17 Destatis: Wirtschaftsrechnungen. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte [= Fachserie 15 Heft ], insbes. Tabellen 2.8 und 2.9 https://www.destatis .de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsumLebensbedingungen/EinkommenVerbrauch /EVS_EinnahmenAusgabenprivaterHaushalte.html Weiterhin verweist das Statistische Bundesamt auf die Statistik zu den Empfänger/-innen von Grundsicherung im Alter (hier: 65 Jahre und älter): Destatis: Empfänger/-innen von Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung [= Fachserie 13 Reihe 2.2] https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/Sozialhilfe/SozialhilfeHilfeLebensunterhalt .html Destatis: GENESIS-Tabellen „Empfänger-/innen von Grundsicherung im Alter https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?sequenz=statistikTabellen&selectionname =22151“ Ergänzend verweist das Statistische Bundesamt auf die Deutsche Rentenversicherung Bund, die zu den gezahlten Renten/Rentenhöhen und der Anzahl der Niedrigrentenbezieher vorrangig Informationen bereitstellen kann: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation /6_Wir_ueber_uns/02_Fakten_und_Zahlen/03_statistiken/Statistiken_index_node.html 16. Wie viele berufstätige Menschen verdienen unter dem Existenzminimum ohne eine staatliche Unterstützung zu beantragen? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat das IAB beauftragt, Simulationsrechnungen zum Ausmaß der Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung durchzuführen. „Das Ausmaß der verdeckten Armut wurde mit Hilfe eines am IAB entwickelten Mikrosimulationsmodells untersucht. Als Datenbasis wurde die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 verwendet. Die im Rahmen dieses Beitrags simulierten Quoten der Nicht-Inanspruchnahme liegen mit ca. 34 % bis 43 % zwar im unteren Bereich der in der Literatur berichteten Ergebnisse zur verdeckten Armut. Die Ergebnisse der Simulationsrechnungen deuten dennoch darauf hin, dass auch nach der Umsetzung der Hartz-IV-Reform Leistungen der Grundsicherung in erheblichem Umfang nicht in Anspruch genommen werden.“7 7 Bruckmeier, Kerstin; Pauser, Johannes, et al. (2013), Simulationsrechnungen zum Ausmaß der Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung, IAB-Forschungsbericht 5/2013, S. 4, abrufbar unter dem Link: http://doku.iab.de/forschungsbericht/2013/fb0513.pdf (zuletzt abgerufen am 22. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 18 17. Wie entwickelte sich die Zahl der Existenzgründungen und geschäftlichen Insolvenzen seit 2012? (Wenn möglich aufschlüsseln nach: Herkunft/Bildungsstand/Religionszugehörigkeit / Geschlecht/Familienstand/Anzahl Kinder) Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist „sowohl für die Zahl der Gewerbeanzeigen (‚Existenzgründungen‘) als auch für die Zahl der Unternehmensinsolvenzen [...] keine Unterscheidung nach Herkunft/Bildungsstand/ Religionszugehörigkeit/ Geschlecht/Familienstand/Anzahl Kinder möglich. Folgende Statistiken sind verfügbar: Destatis: Unternehmen und Arbeitsstätten. Gewerbeanzeigen [= Fachserie 2 Reihe 5] : https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/UnternehmenHandwerk/Gewerbeanzeigen /Gewerbeanzeigen.html Die Zahl der Gewerbeanzeigen für die Jahre 2012 bis 2016 ist beigefügt. Anlage 3 Destatis: Unternehmen und Arbeitsstätten. Insolvenzverfahren [= Fachserie 2 Reihe 4.1]: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/UnternehmenHandwerk/Insolvenzen/Insolvenzen .html Die Zahl der Insolvenzen für die Jahre 2012 bis 2016 ist beigefügt. Anlage 4“ 18. Wie entwickelte sich die Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren seit 2012 (Wenn möglich aufschlüsseln nach: Herkunft/Bildungsstand/Religionszugehörigkeit/Geschlecht/ Familienstand /Anzahl Kinder)? Hierzu teilt das Statistische Bundesamt mit: „Für die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist keine Unterscheidung nach Herkunft/Bildungsstand / Religionszugehörigkeit/ Geschlecht/Familienstand/Anzahl Kinder möglich. Folgende Statistiken sind verfügbar: Destatis: Unternehmen und Arbeitsstätten. Insolvenzverfahren [= Fachserie 2 Reihe 4.1]: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/UnternehmenHandwerk/Insolvenzen/Insolvenzen .html Darüber hinaus siehe Anlage 4.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 19 19. Stehen Armutsentwicklungen und Insolvenzen in messbarem Zusammenhang (Diagramm ?)? Das Statistische Bundesamt trifft keine Aussagen zum Zusammenhang zwischen diesen beiden Statistiken. Der „Datenreport 2016“ den die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin und dem SOEP des DIW 2016 in der. 15. Auflage herausgibt, widmet sich in Kapitel 6.1 dem Thema „Überschuldung und Privatinsolvenz “. Der Text ist abrufbar unter: http://www.bpb.de/nachschlagen/datenreport-2016/226216/ueberschuldung-und-privatinsolvenz (zuletzt abgerufen am 31. Januar 2018). 20. Wie hoch ist die Differenz zwischen den Gesamtkosten Alg II und den Gesamtkosten aus der Leistungstabelle für Sonderzuwendungen (z.B. Musikschule, Ausflüge, etc.) für Aufstocker ? Hierzu liegen nach Angaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit keine Angaben vor. Es wird auf die folgende Statistik verwiesen: Statistiken zu erwerbstätigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (ohne Angaben zu Leistungen für Bildung und Teilhabe) - Deutschland, West/Ost, Länder und Kreise (Monats- und Jahreszahlen ) - September 2017 - können unter dem folgenden Link auf den Seiten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit abgerufen werden: https://statistik.arbeitsagentur.de/nn_1021944/SiteGlobals /Forms/Rubrikensuche/Rubrikensuche_Form.html?view=processForm&resource Id=210368&input_=&pageLocale=de&topic Id=1023388&year_month=201709&year_month.GROUP=1&search=Suchen 21. Wie hoch sind die Kosten für Grundsicherung sortiert nach Bundesländern? Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit verweist auf die Statistik über Zahlungsansprüche von Bedarfsgemeinschaften - Deutschland, West/Ost, Länder und Kreise (Monatszahlen) – September 2017. Sie ist unter dem folgenden Link abrufbar: https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation /Statistik/Statistik-nach-Themen/Grundsicherung-fuer-Arbeitsuchende-SGBII/Leistungen- Einkommen-Bedarfe-Wohnkosten/Leistungen-Einkommen-Bedarfe-Wohnkosten-Nav.html 22. Wie viel Prozent machen die Nebenkosten aus (alles was nicht reine Alg II-Kosten sind)? Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit verweist auf die Statistik über Ausgaben für aktive und passive Leistungen im SGB II - Dezember 2016. Sie ist abrufbar unter dem Link: https://sta- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 20 tistik.arbeitsagentur.de/nn_392900/SiteGlobals/Forms/Rubrikensuche/Rubrikensuche _Form.html?view=processForm&resourceId=210368&input_=&pageLocale=de&topic Id=475128&year_month=201612&year_month.GROUP=1&search=Suchen 23. Wird der prozentuale Anteil von Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund erfasst und wie hoch ist deren Anteil? Angaben zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund werden vom Statistischen Bundesamt auf Basis des Mikrozensus ermittelt. Folge Statistiken stehen zur Verfügung: Destatis: Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus“ [=Fachserie 1 Reihe 2.2], insbes. Schaubilder 3 bis 10. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/MigrationIntegration/Migrationshintergrund .html Destatis, 2017: Migration und Integration. Integrationsindikatoren 2005-2016. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/MigrationIntegration/Integrationsindikatoren .html 24. Gehen die Migration und ihre Armutsfolgen von Migranten ohne Staatsangehörigkeit in die Statistik ein? Wenn möglich unterscheiden nach genehmigten und offenen Asylanträgen seit 2012. Für die statistischen Erhebungen EU-SILC und EVS meldet das Statistische Bundesamt Fehlanzeige . „Informationen über den Teil der Bevölkerung, der seine Wurzeln im Ausland hat, stehen aus dem Mikrozensus grundsätzlich zur Verfügung. Bezüglich der Erfassung von Schutzsuchenden im Mikrozensus gelten jedoch folgende Einschränkungen: In der Stichprobe des Mikrozensus ist von einer Untererfassung der vor allem im Jahr 2015 nach Deutschland gekommenen Schutzsuchenden auszugehen. Provisorisch errichtete Bauten, umgewandelte Gewerbeflächen, Turnhallen oder Ähnliches, in denen viele Schutzsuchende vorübergehend untergebracht sind, werden durch die Stichprobengrundlage nicht abgedeckt. Erst ab dem Jahr 2017 sind im Mikrozensus erfasste Schutzsuchende im Datenmaterial von anderen Zuwanderungsgruppen abgrenzbar. Im aktuellen Frageprogramm des Mikrozensus wird der Zuzugsgrund der Bevölkerung mit ausländischen Wurzeln erfragt.“ Eine Unterscheidung nach genehmigten und offenen Asylanträgen ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nicht möglich. 25. Wenn ja, wie hoch ist der Anteil von Familien, unbegleiteter Jugendlicher, allein reisender Frauen und allein reisender Männer? Hierzu liegen keine Daten vor. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 21 26. Wie hoch sind die Kosten (grundsicherungsäquivalente Ausgaben) und wie sind die Prognosen bis 2021 und wer erstellt sie? Dem Statistischen Bundesamt liegen Daten aus der Asylbewerberleistungsstatistik zu den Ausgaben bis zum Berichtsjahr 2016 vor: Statistisches Bundesamt: Sozialleistungen. Leistungen an Asylbewerber [= Fachserie 13 Reihe 7], insbes. Abschnitt B „Ausgaben und Einnahmen für Asylbewerberleistungen in Deutschland im Laufe des Berichtsjahres“. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/Asylbewerberleistungen/Asylbewerber .html Das DIW hat im Jahr 2015 im Rahmen einer Simulation (nicht Prognose) versucht die Frage zu klären, wie schnell die Leistungen an Flüchtlinge die zusätzlichen Ausgaben übertreffen. Die Simulation zeige, so das DIW, dass die Integration von Flüchtlingen eine langfristig lohnende Investition ist. Im Rahmen der Untersuchung geht das DIW von folgenden Kosten für den Staat aus: „Im Fokus der derzeitigen Diskussionen stehen jedoch weniger die positiven Effekte als vielmehr die mit der Flüchtlingsmigration verbundenen Kosten. Zunächst betrifft dies die unmittelbaren Kosten, die mit der Unterbringung, Versorgung und Integration der neu ankommenden Flüchtlinge verbunden sind. Plausibel erscheint in diesem Zusammenhang ein Betrag von insgesamt etwa 12000 Euro pro Jahr für jeden Flüchtling; dies entspricht etwa einem Drittel des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens. Weiterhin fallen für Flüchtlinge, die einen Aufenthaltstitel haben, aber entweder dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen oder keine Beschäftigung finden, Sozialleistungen an. Zugrunde gelegt wird in beiden Fällen ein durchschnittlicher Betrag, der Hartz-IV-Zahlungen und Wohngeld zusammenfasst und bei 20 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens liegt; dies entspricht derzeit etwa 7 200 Euro im Jahr. Diese Kostenstruktur wird in einem günstigen Alternativszenario betrachtet, während bereits für das Basisszenario jeweils deutlich höhere Kosten angesetzt werden. In dem Szenario, in dem Chancen und Risiken ungünstiger einschätzt werden, wird sogar von doppelt so hohen Kosten ausgegangen. Für Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt wurde, die aber dennoch in Deutschland geduldet werden, wird pauschal ein Betrag von fünfzehn Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens unterstellt (dies entspricht derzeit rund 5400 Euro); diese Größe ist für die Ergebnisse von untergeordneter Bedeutung, da dieser Personenkreis klein ist und nach und nach abwandert, vor allem aber, weil die Ergebnisse qualitativ robust gegenüber Änderungen in diesem Faktor sind.“8 Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Heinrich Böll Stiftung hat 2016 die Folgen der Zuwanderung nach Deutschland für die Nachhaltigkeit der öffentlichen Haushalte untersucht. Danach könnten öffentliche Ausgaben für Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung und schnelleren wirtschaftlichen Integration der Geflüchteten auf 8 Fratzscher, Marcel; Junker, Simon (2015), Integration von Flüchtlingen – eine langfristig lohnende Investition, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Wochenbericht Nr. 45.2015, https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.518252.de/15-45-4.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 22 mittlere und längere Sicht gute Renditen in Form von Steuer- und Beitragsmehreinnahmen abwerfen und zu niedrigeren Ausgaben bei Sozialleistungen führen. Voraussetzung dafür sei, dass möglichst schnell eine ausreichende Integration der geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt gelinge. Misslinge die Integration der Geflüchteten in qualifizierte Beschäftigung, dann könnten auf die Bürgerinnen und Bürger auf lange Sicht spürbare finanzielle Zusatzbelastungen zukommen .9 Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln kam im Jahr 2016 zu folgender Kostenschätzung: Die staatlichen Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung der Flüchtlinge wurden auf rund 17 Milliarden Euro im Jahr 2016 und circa 23 Milliarden Euro im Jahr 2017 geschätzt. Hinzu kämen Kosten für Sprach- und Integrationskurse sowie für Schul- und Ausbildung, die sowohl für 2016 als auch für 2017 auf pauschal 5 Milliarden Euro geschätzt werden, so dass sich in der Summe Kosten in Höhe von 22 Milliarden Euro im Jahr 2016 und 28 Milliarden Euro im Jahr 2017 ergäbe (siehe Tabelle).10 Kosten der Flüchtlingshilfe Flüchtlinge in 1.000 2015 2016 2017 Anzahl ankommender Flüchtlinge (Annahme ) 1.100 800 500 Jahresdurchschnitt kumuliert 437 1.525 2.163 erwerbstätige Flüchtlinge (Jahresdurchschnitt kumuliert) 6 99 276 Kostenschätzung in Milliarden Euro Kostenblock 1: Unterbringung etc. (Annahme: 12.000 Euro je Flüchtling pro Jahr) Kosten Unterbringung, Verpflegung etc. 5,3 18,3 25,9 wegfallende Sozialkosten (erwerbstätige Flüchtlinge) 0,1 1,2 3,3 bereinigte Kosten Unterbringung, Verpflegung etc. 5,2 17,1 22,6 Kostenblock 2: Kurse zur Integration etc. Kosten Sprach-/Integrationskurse etc. (Annahme) 1 5 5 Kosten gesamt (Unterbringung+Kurse) 6,2 22,1 27,6 Delta gegenüber Vorjahr 5,2 15,9 5,5 9 Bonin, Holger (2016), Gewinne der Integration, Heinrich Böll Stiftung; böll.brief #1, http://www.zew.de/de/daszew /aktuelles/berufliche-qualifikation-und-integrationstempo-entscheiden-ueber-die-kosten-der-aufnahme-gefluechteter / (zuletzt abgerufen am 31. Januar 2018). 10 Hentze, Tobias; Schäfer, Holger (2016), Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, Flüchtlinge Folgen für Arbeitsmarkt und Staatsfinanzen, IW-Kurzberichte 3. 2016, https://www.iwkoeln.de/fileadmin/publikationen /2016/263939/Kosten_Fluechtlinge_IW-Kurzbericht.pdf (zuletzt abgerufen am 30. Januar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 23 Nach Angaben des Bundesministeriums der Finanzen liegen die flüchtlingsbezogenen Aufwendungen des Bundes einschließlich der Mittel zur Fluchtursachenbekämpfung bei voraussichtlich rund 21 Milliarden Euro im Jahr 2018. Darin seien Ausgaben zur Fluchtursachenbekämpfung in Höhe von 6,6 Milliarden Euro, deutliche Entlastungen für die Länder und Kommunen von 6,8 Milliarden Euro und Ausgaben für Leistungen des Bundes für Integration und Sozialtransfers in Höhe von 8 Milliarden Euro enthalten.11 27. Wie entwickelte sich die Grundsicherung seit ihrer Einführung in Abhängigkeit von der Inflation? Die Fortschreibung der Regelleistung nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) war mit dessen Einführung im Jahr 2005 bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Februar 2010 an den jeweils aktuellen Rentenwert gekoppelt (§ 20 Absatz 4 SGB II a.F. gültig bis 31. Dezember 2010). Das BVerfG beanstandete in seiner Entscheidung, dass die Orientierung an der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) einen sachwidrigen Maßstabswechsel darstelle. Während die statistische Ermittlungsmethode der Regelleistung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) auf Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten abstelle, setze eine Fortschreibung nach dem aktuellen Rentenwert nach § 68 SGB VI an den Faktoren der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter, des Beitragssatzes zur allgemeinen Rentenversicherung, in der Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 1. Juli 2013 zuzüglich des Altersvorsorgeanteils (§ 255e SGB VI), und an einem Nachhaltigkeitsfaktor an. Der aktuelle Rentenwert diene zudem nicht dazu, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen zu quantifizieren und entsprechend der Veränderung des Bedarfs jährlich fortzuschreiben.12 Das BVerfG verpflichtete den Gesetzgeber, die Fortschreibung der Regelleistung in einem verfassungsgemäßen Verfahren bis zum 31. Dezember 2010 neu zu regeln. Zur Ermittlung des Anspruchsumfangs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht und nachvollziehbar auf der Grundlage schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen. Am 1. Januar 2011 ist das „Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ vom 24. März 2011 in Kraft getreten. Das „Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG)“ wurde als Artikel 1 dieses Gesetzes beschlossen.13 Die Vorgaben des 11 Bundesministerium der Finanzen (2017), Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2018 und des Finanzplans bis 2021, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik /2017/06/2017-06-28-PM20-bundeshaushalt-2018.html (zuletzt abgerufen am 30. Januar 2018). 12 BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –, BVerfGE 125, 175-260, Rn. 184. 13 BGBl. I 2011 S. 453. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 24 BVerfG wurden entsprechend umgesetzt. Die Fortschreibung erfolgt nun zum 1. Januar eines Jahres und ist vom Rentenwert entkoppelt. Nach § 28 Absatz 1 SGB XII wird die Höhe der Regelbedarfe in einem Bundesgesetz neu ermittelt , wenn die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) vorliegen. Die Daten werden in einem fünfjährigen Turnus erhoben. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 SGB XII erfolgt, werden die Regelbedarfsstufen gemäß § 28a SGB XII aufgrund der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung fortgeschrieben. Die Preisentwicklung geht dabei mit einem Anteil von 70 Prozent und die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter mit 30 Prozent ein (Mischindex). Das Statistische Bundesamt bildet einen speziellen Preisindex für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen, der ausschließlich die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen berücksichtigt . Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wird quartalsweise veröffentlicht. Aus diesen Zahlen kann das Statistische Bundesamt die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter für den relevanten Jahreszeitraum errechnen. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist nicht auf die unteren Einkommensschichten begrenzt. Die Fortschreibung der Regelbedarfe erfolgt nach den Vorschriften der jährlichen Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV) nach § 40 SGB XII. Die folgende Tabelle zeigt zunächst die Entwicklung der Regelleistung (Eckregelsatz) bis zum Ende des Jahres 2010. Sofern eine Rentenanpassung durchgeführt wird, erfolgt diese generell ab dem 1. Juli eines Jahres im Rahmen der jährlichen Rentenwertbestimmungsverordnung (RWBestV). Die Anpassung der Regelleistung erfolgte dementsprechend ebenfalls ab dem 1. Juli des jeweiligen Jahres. Zum 1. Juli 2005 und zum 1. Juli 2006 fand keine Erhöhung der Regelleistung statt, weil der aktuelle Rentenwert jeweils unverändert blieb. Die RWBestV für das Jahr 2010 sah ebenfalls keine Erhöhung des Rentenwertes vor. Demzufolge galt der seit dem 1. Juli 2009 maßgebliche aktuelle Rentenwert über den 30. Juni 2010 hinaus. Im Jahr 2010 blieb die Regelleistung daher auf dem Niveau von 2009 bei 359 Euro. Ab dem Jahr 2011 zeigt die Tabelle die prozentuale Steigerung des Regelbedarfs im Rahmen der neuen gesetzlichen Regelungen zur Fortschreibung des Regelbedarfs ab Januar 2011, also unabhängig vom Rentenwert. Jahr Regelleistung/ Regelbedarf in Euro pro Monat Steigerung Regelleistung / Regelbedarf gegenüber Vorjahr i.v.H. Rentenanpassung gegenüber Vorjahr (West) i.v.H. ab 1. Juli ab 1. Juli 2005 345 West 331 Ost - 0 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 25 Jahr Regelleistung/ Regelbedarf in Euro pro Monat Steigerung Regelleistung / Regelbedarf gegenüber Vorjahr i.v.H. Rentenanpassung gegenüber Vorjahr (West) i.v.H. 2006 345 (ab 01.07.2006 bundeseinheitliche Regelleistung ) 0 0 2007 347 0,6 0,54 2008 351 1,1 1,1 2009 359 2,4 2,41 2010 359 0 0 ab 1. Januar 2011 364 1,4 2012 374 2,7 2013 382 2,1 2014 391 2,4 2015 399 2,0 2016 404 1,24 2017 409 1,23 2018 416 1,71 Eigene Zusammenstellung basierend auf den Quellen: Sozialpolitik aktuell; Tabelle III 18, http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files /sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Sozialstaat/Datensammlung/PDF-Dateien/tabIII18.pdf Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, DRV-Schriften Band 22. Oktober 2016, S. 261; Daten zur Grundsicherung: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 19. April 2016 – 136/16, Seite 2, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen /2016/04/PD16_136_221.html;jsessionid=99B175F283370568FEF34F29F55A427E.cae2 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 077/17 Seite 26 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben sich die Verbraucherpreise in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2017 um 1,8 Prozent gegenüber 2016 erhöht und damit stärker als in den letzten vier Jahren. Von 2014 bis 2016 hatten die Jahresteuerungsraten jeweils unterhalb von einem Prozent gelegen. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, wurden für 2017 in den einzelnen Monaten Inflationsraten – gemessen am Verbraucherpreisindex – zwischen + 1,5 Prozent und + 2,2 Prozent ermittelt. Im Dezember 2017 erreichte die Inflationsrate einen Wert von + 1,7 Prozent.14 *** 14 Statistisches Bundesamt, Verbraucherpreise 2017: + 1,8 % gegenüber Vorjahr, Pressemitteilung Nr. 016 vom 16. Januar 2018, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2018/01/PD18_016_611.html (zuletzt abgerufen am 30. Januar 2018).