© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 076/19 Rechtliche Beurteilung von Beschäftigtenlisten unter besonderer Berücksichtigung der Zugehörigkeit zur Personalakte und betriebsverfassungsrechtlicher Vorgaben Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Betriebsverfassungsrechtliche Beurteilung 10 4. Fazit 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 4 1. Einführung Listen, die von Arbeitgebern über deren Beschäftigte geführt werden, sind in einer großen Vielfältigkeit in ihrer Art und Weise vorstellbar. So werden beispielsweise Beschäftigtenlisten zur Arbeitszeiterfassung und Auflistung von Fehlzeiten geführt. Es sind jedoch auch Listen von Beschäftigten mit vermerkten bewertenden Kommentaren zu dem jeweiligen Leistungsverhalten des Arbeitnehmers, gesammelten sensiblen Informationen wie beispielsweise zu einer Gewerkschaftszugehörigkeit oder mit erfassten gesundheitsrelevanten Daten wie einer Schwangerschaft denkbar. Arbeitsrechtlich lassen sich diese verschiedenen Listen nur im Einzelfall beurteilen. So kann beispielsweise bei einer Benachteiligung eines Arbeitnehmers ein entsprechender Listenvermerk auf eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft , des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität hindeuten und damit gegebenenfalls eine Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) indizieren. Zusätzlich zu den Diskriminierungsverboten des AGG verbieten Art. 3 Abs. 3, 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) darüber hinaus eine Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen (partei-)politischer Anschauung und Betätigung bzw. gewerkschaftlicher Zugehörigkeit und Betätigung.1 In diesen Fällen ist dann jeweils die konkrete Benachteiligung zu prüfen, die sich einer abstrakten Generalisierung verschließt. Gegebenenfalls werden in Listen auch negative Sachverhalte über einzelne Arbeitnehmer zusammengefasst , um individualrechtliche Maßnahmen vorzubereiten. Entscheidend ist auch dann allerdings die konkrete rechtliche Betrachtungsweise des Einzelfalls. Dagegen können Arbeitgeber mit bestimmten Auflistungen auch ihren gesetzlich auferlegten Pflichten nachkommen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist der Arbeitgeber zum Beispiel dazu verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Zudem muss der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz ArbZG ein Verzeichnis der Arbeitnehmer führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit nach § 7 Abs. 7 ArbZG eingewilligt haben, sodass solche Listen beziehungsweise Verzeichnisse nicht nur arbeitsrechtlich als beanstandungsfrei, sondern sogar als erforderlich zu beurteilen sind, da dahingehend eine gesetzliche Dokumentationspflicht des Arbeitgebers besteht. 2. Beschäftigtenlisten als Bestandteil von Personalakten Beschäftigtenlisten sind in der Regel als Bestandteil von Personalakten des jeweils aufgeführten Beschäftigten einzuordnen. Damit richten sich der zulässige Inhalt von Beschäftigtenlisten und auch die damit im Zusammenhang stehenden Rechte des Arbeitnehmers nach der rechtlichen 1 Frieling in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, Art. 3 GG Rn. 94 mwN; Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 75 BetrVG Rn. 7; Linsenmaier in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Art. 9 GG Rn. 45. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 5 Beurteilung des zulässigen Inhalts von Personalakten und nach den Rechten von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit Personalakten allgemein. 2.1. Zulässiger Inhalt von Personalakten Personalakten sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen.2 Maßgeblich ist somit der Begriff der Personalakte im materiellen Sinn, nach dem sich die Zugehörigkeit von Unterlagen zur Personalakte auf Grund inhaltlicher Kriterien bestimmt.3 Zur Personalakte gehören damit nicht ausschließlich Dokumente, die der Arbeitgeber auch als solche bezeichnet.4 Nicht zu den Personalakten gehören allerdings rein statistische Zusammenstellungen der Personaldaten von einer Vielzahl an Arbeitnehmern.5 Eine gemeinsame Nennung mehrerer Arbeitnehmer in einem Schriftstück, wie dies bei Beschäftigtenlisten der Fall ist, schließt die Zuordnung des Schriftstücks als Gegenstand der materiellen Personalakte nicht aus.6 Bei Beschäftigtenlisten, die somit inhaltlich Informationen aufführen, die in einem inneren Zusammenhang zu dem jeweiligen Arbeitsverhältnis mit dem Beschäftigten stehen, wie dies regelmäßig der Fall ist, besteht somit aufgrund dieses Zusammenhangs eine Zugehörigkeit zur Personalakte . So sind Beschäftigtenlisten, die z.B. leistungsbewertende Informationen beinhalten oder Fehlzeiten auflisten, als Bestandteil der Personalakten zu qualifizieren. Das Führen von Geheimakten ist unzulässig.7 In der Hauptpersonalakte müssen zudem Hinweise auf geführte Sonderakten oder an anderer Stelle abgelegte der Personalakte zugehörige Dokumente angebracht werden.8 Somit muss damit ebenso auf etwaige Beschäftigtenlisten, die zur Personalakte gehören, hingewiesen werden und diese dürfen nicht als „Geheimlisten“ geführt werden. 2 BAG vom 19. Juli 2012- 2 AZR 782/11, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 34. 3 BAG vom 7. Mai 1980 – 4 AZR 214/78, BeckRS 1980, 30706869; BAG vom 16. November 2010 - 9 AZR 573/09, NZA 2011, S. 453, 454; Werner in: Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, § 83 BetrVG Rn. 5. 4 Lakies in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Auflage 2018, § 83 BetrVG Rn. 2. 5 Lakies, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Auflage 2018, § 83 BetrVG Rn. 4; Werner, in: Beck'scher Online -Kommentar Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, § 83 BetrVG Rn. 3. 6 Poeche in: Küttner Personalbuch 2019, 26. Auflage 2019, Stand 1. Januar 2019, Personalakte Rn. 7; Reichold in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht I, 4. Auflage 2018, § 95 Personalakten Rn. 5. 7 Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 83 BetrVG Rn. 2; Thüsing in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz , 16. Auflage 2018, § 83 BetrVG Rn. 9. 8 Lakies in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Auflage 2018, § 83 BetrVG Rn. 3; Werner in: Beck'scher Online- Kommentar Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, § 83 BetrVG Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 6 Eine Pflicht des Arbeitgebers zu einer generellen Führung von Personalakten, unbeachtlich ob in digitaler Gestaltung oder in Papierform, besteht gesetzlich grundsätzlich nicht. Entscheidet sich der Arbeitgeber jedoch zur Führung von Personalakten, indem er beispielsweise lediglich Beschäftigtenlisten führt, die materiell als Personalaktenbestandteil zu qualifizieren sind, so sind datenschutzrechtliche Grundsätze einzuhalten. Ist die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung bezüglich personenbezogener Daten nicht spezialgesetzlich wie beispielsweise in § 16 ArbZG bestimmt, so unterliegen digitale Personalakten wie auch weitere personenbezogene Daten den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)9, konkretisiert durch § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die festgelegten Grundprinzipien in Art. 5 DSGVO hat der Arbeitgeber damit bei der Akten- beziehungsweise Listenführung zu berücksichtigen.10 Insbesondere ist dabei der Grundsatz der Vertraulichkeit zu beachten.11 Hiernach hat der Arbeitgeber den Kreis der mit Personalakten befassten Beschäftigten möglichst klein zu halten und die gespeicherten Daten müssen regelmäßig im Kenntnisbereich des Arbeitgebers verbleiben.12 Der Arbeitgeber hat somit die Kenntnisnahme bezüglich des Inhalts auch von Beschäftigtenlisten auf den möglichst engsten Personenkreis zu beschränken . Daneben gelten auch beispielsweise die Grundprinzipien der Datensparsamkeit, Transparenz, Zweckbindung, Richtigkeitsgewähr und Beschränkung der Speicherdauer.13 Nach § 26 BDSG, den Grundsätzen der DSGVO und § 75 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber das Persönlichkeitsrecht und die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Art. 6 DSGVO regelt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, sodass eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig ist, wenn sie auf einen Erlaubnistatbestand gestützt werden kann.14 § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG knüpft dabei an das Prinzip der Erforderlichkeit an: Danach dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies zur Erfüllung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Von dem Begriff der Verarbeitung werden dabei alle Formen des Umgangs mit Daten umfasst, sodass dieser weit auszulegen ist.15 Im Rahmen dieser Erforderlichkeit ist die Datenverarbeitung auf das nötigste Maß zu begrenzen. Nach der Gesetzesbegründung wird die Erforderlichkeit im Wege einer 9 Schröder in: Schröder, Datenschutzrecht für die Praxis, 3. Auflage 2019, 3. Kapitel Datenschutz in der Personalabteilung / Arbeitnehmerdatenschutz, S. 71f. 10 Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 83 BetrVG Rn. 10. 11 Schröder in: Schröder, Datenschutzrecht für die Praxis, 3. Auflage 2019, 3. Kapitel Datenschutz in der Personalabteilung / Arbeitnehmerdatenschutz, S. 71f. 12 Vgl. dazu grundlegend BVerwG vom 28. August 1986 - 2 C 51/84, NJW 1987, S. 1214, 1214; BAG vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86, NJW 1988, S. 791, 791. 13 Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 83 BetrVG Rn. 10. 14 Reiserer/Christ/Heinz, Beschäftigten-Datenschutz und EU-Datenschutz-Grundverordnung - Der Countdown ist abgelaufen – Anpassungsbedarf umgesetzt?, DStR 2018, S. 1501, 1502. 15 Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 83 BetrVG Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 7 Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und den Interessen der Beschäftigten ermittelt: „Dabei sind die Interessen des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung und das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten zu einem schonenden Ausgleich zu bringen, der beide Interessen möglichst weitgehend berücksichtigt.“16 Eine Abwägung der gegenläufigen Interessen erfolgt hier im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.17 Nach § 26 Abs. 7 BDSG gelten die Regelungen des § 26 Abs. 1 - 6 BDSG auch für entsprechende personenbezogene Daten in Papierform . Zeugnisse, Referenzen, Personalfragebögen, Führungs- und Leistungsbeurteilungen, Abmahnungen und Krankheitsbescheinigungen gehören beispielsweise zu den erforderlichen personenbezogenen Daten, die einen Zweckbezug zu dem Beschäftigungsverhältnis aufweisen.18 Solche Inhalte dürften mithin auch in Beschäftigtenlisten geführt werden. Danach dürfen mithin Daten, die nicht zweckgebunden der Erfüllung des Arbeitsverhältnisses dienen, nicht nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG in der Personalakte gespeichert werden. Unzulässig wären damit Hinweise in der Personalakte oder in Beschäftigtenlisten als Bestandteil von Personalakten wie beispielsweise „fehlte an fünf Tagen wegen Rückenschmerzen“.19 Leistungsbeurteilungen hat der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers zu begründen, da nur durch diese Begründungspflicht sichergestellt werden kann, dass eine zusammenfassende Leistungsbeurteilung eines Arbeitgebers sachlich richtig und nachprüfbar ist.20 Es besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers darauf, dass Verhaltens- und Leistungsbeurteilungen nach pflichtgemäßem Ermessen erstellt werden.21 Die Leistungsbeurteilungen müssen in der Sache zutreffend und ordnungsgemäß zustande gekommen sein.22 Dabei sollen Beurteilungen ein möglichst objektives und vollständiges Bild der Person, der Tätigkeit und der Leistung des Beurteilten vermitteln .23 Sie dürfen nicht den beruflichen Werdegang des Arbeitnehmers in unzulässiger Weise behindern , wobei die beiderseitigen Interessen im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden müssen.24 Beschäftigtenlisten, die Arbeitnehmer also nur schlagwortartig ohne nähere Begründung leistungsbezogen bewerten, sind danach unzulässig, da schon kein vollständiges Bild der 16 Bundestags-Drucksache 18/11325, S. 97. 17 Vgl. Kramer, Folgen der EGMR-Rechtsprechung für eine IT-Kontrolle bei Privatnutzungsverbot, NZA 2018, S. 637, 639; Reiserer/Christ/Heinz, Beschäftigten-Datenschutz und EU-Datenschutz-Grundverordnung - Der Countdown ist abgelaufen – Anpassungsbedarf umgesetzt?, DStR 2018, S. 1501, 1504. 18 Poeche in: Küttner Personalbuch 2019, 26. Auflage 2019, Stand 1.1.2019, Personalakte Rn. 5. 19 Schröder in: Schröder, Datenschutzrecht für die Praxis, 3. Auflage 2019, 3. Kapitel Datenschutz in der Personalabteilung / Arbeitnehmerdatenschutz, S. 75. 20 BAG vom 28. März 1979 - 5 AZR 80/77, AP BPersVG § 75 Nr. 3. 21 Thüsing in: Richardi Betriebsverfassungsgesetz, 16. Auflage 2018, § 83 Rn. 13. 22 BAG vom 28. März 1979 - 5 AZR 80/77, AP BPersVG § 75 Nr. 3. 23 BAG vom 18. November 2008 - 9 AZR 865/07, NJW 2009, S. 1627, 1628 24 BAG vom 28. März 1979 - 5 AZR 80/77, AP BPersVG § 75 Nr. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 8 Person vermittelt wird. Zudem besteht bei unrechtmäßiger Weitergabe der Beschäftigtenlisten die Gefahr der unzulässigen Behinderung des weiteren beruflichen Werdegangs. Arbeitnehmer haben zumindest bei diesen schlagwortartigen Leistungsbewertungen damit einen Anspruch auf Begründung dieser Leistungsbeurteilung. Eingeschränkt wird der Umfang der zulässigen Unterlagen und erhobenen Daten in der Personalakte durch das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner Privatsphäre.25 Werden in der Personalakte besondere Kategorien personenbezogener Daten, das heißt besonders sensible Daten, aufgenommen oder ansonsten verarbeitet, sind die strengeren Regelungen des § 26 Abs. 3 BDSG und des Art. 9 Abs. 2 DSGVO einzuhalten.26 Dabei muss eine intensive Interessenabwägung erfolgen , wobei kein Grund zu der Annahme bestehen darf, dass die schutzwürdigen Interessen des jeweiligen Arbeitnehmers die Interessen des Arbeitgebers an der Verarbeitung überwiegen.27 Somit hat der Arbeitgeber bei der Verarbeitung sensibler Daten besonders auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu achten.28 Sensible Gesundheitsdaten dürfen somit nach der Rechtsprechung, die auch nach der Einführung des neuen BDSG weiterhin Geltung haben dürfte, zwar in der Personalakte erfasst werden, müssen allerdings in besonderer Weise so aufbewahrt werden, dass sie vor zufälliger Kenntnisnahme geschützt sind.29 Denn es besteht ein legitimes Interesse des Arbeitgebers daran, dass Personalakten vollständig sind und somit möglichst lückenlos über die Arbeitnehmer und deren dienstliche Tätigkeit Aufschluss geben.30 Solche Informationen dürfen dann allerdings nicht ungeschützt und allgemein zugänglich in der Personalakte oder in Beschäftigtenlisten aufgenommen werden, sondern müssen beispielsweise gesondert in einem abschließbaren Schrank oder in einem verschlossenen Umschlag verwahrt werden.31 Dies betrifft zum Beispiel Daten über Sucht-/ Alkoholerkrankungen .32 Die grundsätzliche Erforderlichkeit beziehungsweise das gerechtfertigte Interesse des Arbeitgebers an einer solchen Vollständigkeit einer Personalakte rechtfertigt sich daraus , dass bei solchen Erkrankungen bei negativer Zukunftsprognose krankheitsbedingte Kündi- 25 BAG vom 12. September 2006 - 9 AZR 271/06, NZA 2007, S. 269, 269. 26 Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 83 BetrVG Rn. 10. 27 Bundestags-Drucksache 18/11325, S. 98. 28 Reiserer/Christ/Heinz, Beschäftigten-Datenschutz und EU-Datenschutz-Grundverordnung - Der Countdown ist abgelaufen – Anpassungsbedarf umgesetzt?, DStR 2018, S. 1501, 1505. 29 Vgl. BAG vom 12. September 2006 - 9 AZR 271/06, NZA 2007, S. 269, 269. 30 BAG vom 12. September 2006 - 9 AZR 271/06, NZA 2007, S. 269, 272. 31 BAG vom 12. September 2006 - 9 AZR 271/06, NZA 2007, S. 269, 272. 32 BAG vom 12. September 2006 - 9 AZR 271/06, NZA 2007, S. 269, 269. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 9 gungen des Arbeitnehmers nach § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial gerechtfertigt sein können.33Auch die Frage nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung34 oder einer Schwangerschaft ist ein besonders geschütztes Gesundheitsdatum . Unter diese Kategorie der besonders sensiblen Daten fallen neben Gesundheitsdaten auch Daten zur rassischen und ethnischen Herkunft, religiöser und weltanschaulicher Überzeugung und die Gewerkschaftszugehörigkeit.35 Solche besonders sensiblen Daten können somit bei Erforderlichkeit und erfolgter zusätzlicher intensiver Interessenabwägung in Beschäftigtenlisten aufgenommen werden. Allerdings sind dann durch den Arbeitgeber die gesteigerten Schutzvorkehrungen zur Sicherung vor zufälliger Kenntnisnahme durch Dritte zu treffen. Eine solche Schutzvorkehrung könnte dann durch Ablage der Akten in einem verschließbaren Schrank oder in geschlossenen, zugeklebten Umschlägen erfolgen. Neben der an das Arbeitsverhältnis zweckgebundenen erforderlichen Datenverarbeitung legitimiert § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch die Datenverarbeitung, soweit dies für die Erfüllung gesetzlicher , betriebsverfassungsrechtlicher und kollektivrechtlicher Rechte und Pflichten erforderlich ist. Darunter dürfte beispielsweise die Erstellung von Arbeitszeitlisten nach § 16 ArbZG fallen, wenn man nicht bereits die generelle Geltung der datenschutzrechtlichen Regelungen in diesem Fall aufgrund der spezialgesetzlichen Regelung ablehnt. Daneben kommen als Rechtsgrundlagen nach § 26 Abs. 4 BDSG auch Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen für die Datenverarbeitung in Betracht. Listen mit Beschäftigtendaten wären bei entsprechender Rechtsgrundlege so zum Beispiel unter datenschutzrechtlichen Aspekten als zulässig zu bewerten. Zudem kann auch die freiwillige, schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers nach § 26 Abs. 2 BDSG eine Datenverarbeitung rechtfertigen. Beispielsweise bei „Geburtstagslisten“, das heißt Listen mit den Namen der Beschäftigten und dem jeweils vermerkten Geburtstag, dürfte eine solche Einwilligung regelmäßig mangels Erforderlichkeit der Datenverarbeitung im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG durch den Arbeitnehmer nach § 26 Abs. 2 BDSG notwendig sein.36 33 BAG vom 12. September 2006 - 9 AZR 271/06, NZA 2007, S. 269, 269. 34 Reiserer/Christ/Heinz, Beschäftigten-Datenschutz und EU-Datenschutz-Grundverordnung - Der Countdown ist abgelaufen – Anpassungsbedarf umgesetzt?, DStR 2018, S. 1501, 1505. 35 Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 83 BetrVG Rn. 10. 36 Vgl. Bundesrats-Drucksache 110/17, S. 97. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 10 2.2. Rechte des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Personalakte Arbeitnehmer haben nach § 83 BetrVG ein Einsichtsrecht in die vollständige eigene Personalakte, unabhängig davon, ob ein Betriebsrat besteht. Dieses Einsichtsrecht gilt somit auch für Beschäftigtenlisten , die als Bestandteil der Personalakte zu qualifizieren sind. Das Einsichtsrecht aus § 83 BetrVG wird nicht durch das neue BDSG eingeschränkt oder verdrängt.37 Dieses Recht folgt aus einem Transparenzschutz des Arbeitnehmers, der einem etwaigen Anspruch des Arbeitnehmers auf Beseitigung oder Korrektur vorgelagert ist.38 Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben Arbeitnehmer abgeleitet aus nachwirkender arbeitgeberseitiger Schutz- und Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ein entsprechendes Einsichtsrecht in ihre vom ehemaligen Arbeitgeber aufbewahrte Personalakte.39 Nach § 83 Abs. 2 BetrVG sind zudem Erklärungen des Arbeitnehmers zum Inhalt der Personalakte auf dessen Verlangen beizufügen. Nach Art. 15 DSGVO besteht neben dem Einsichtsrecht zusätzlich ein Recht auf umfassende Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten. Danach sind etwa Angaben zu Verarbeitungszweck , Kategorie der erhobenen Daten, Empfängern der Daten oder geplanter Speicherdauer zu erteilen. Nach Art. 16 DSGVO besteht zudem ein Recht auf Berichtigung, wobei dabei auch die Vervollständigung unvollständiger personenbezogener Daten mittels ergänzender Erklärung verlangt werden kann. Ein Recht auf Löschung richtet sich nach Art. 17 DSGVO. 3. Betriebsverfassungsrechtliche Beurteilung Auch eine betriebsverfassungsrechtliche Beurteilung von jedweder Art von Beschäftigtenlisten kann nicht generalisierend vorgenommen werden. Vor dem Hintergrund der jeweiligen Mitbestimmungsrechte eines möglicherweise bestehenden Betriebsrats entfaltet bei Beschäftigtenlisten je nach konkreter Ausgestaltung der Beschäftigtenliste gegebenenfalls § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG Wirkung. § 26 Abs. 6 BDSG stellt ausdrücklich klar, dass die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten unberührt bleiben. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat grundsätzlich bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen, ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Von der Mitbestimmung ist sowohl das „Ob“ der Anschaffung der technischen Einrichtung einschließlich näherer Modalitäten bei der Einführung der technischen Einrichtung als auch der Einsatz der technischen Einrichtung zur Überwachung und die dadurch bewirkte Überwachungsmaßnahme im Rahmen der Anwendung der Überwachungstechnik umfasst.40 37 Lakies in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Auflage 2018, § 83 BetrVG Rn. 34. 38 BAG vom 12. Juli 2016 - 9 AZR 791/14, NZA 2016, S. 1344, 1345. 39 BAG vom 16. November 2010 - 9 AZR 573/09, NZA 2011, S. 453, 453. 40 BAG vom 27. Januar 2004 – 1 ABR 7/03, NZA 2004, S. 556, 558. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 11 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein datenverarbeitendes System dann zur Überwachung von Verhalten oder Leistung des Arbeitnehmers bestimmt, wenn es individualisierte oder individualisierbare Daten zum Verhalten oder zur Leistung selbst erhebt und aufzeichnet, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber diese erfassten Daten auch auswerten oder verwenden will.41 Überwachung betrifft dabei sowohl das Sammeln von Informationen als auch das Auswerten bereits vorliegender Informationen.42 Dabei muss die Überwachung durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden, sodass die technische Einrichtung selbst und automatisch Daten erhebt, speichert und/oder verarbeitet.43 In diesem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht aktuell entschieden, dass § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auch bei Verwendung der Software „Excel“ zur Erfassung von Anwesenheitszeiten und Verarbeitung anderer Leistungsparameter, um diese mittels der Summenfunktion leichter zu addieren, einschlägig ist, und keine Bagatellgrenze bei der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG angenommen werden kann.44 In diesen Fällen ist jedoch zu beachten, dass die Erstellung einer Liste über das Programm „Excel“ zwar eine Alternative zu einer händischen Notiz oder Liste darstellt, darüber hinaus jedoch als softwarebasiertes Personalverwaltungssystem automatisiert die Daten erstellt beziehungsweise verarbeitet. Dies wird auch daran deutlich, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung die Zweckmäßigkeit seiner vorgenommenen weiten Auslegung von datenverarbeitenden Systemen zur Arbeitnehmerüberwachung damit begründet, dass die technische Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung die Gefahr hervorruft, dass die Arbeitnehmer durch Verwendung der Überwachungstechnik verobjektiviert werden, wobei die Überwachungstechnik anonym personen- oder leistungsbezogene Informationen erhebt, speichert , verknüpft und sichtbar macht.45 Der Regelungszweck des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht darin, Verletzungen der Persönlichkeitsrechte von Arbeitnehmern mittels des Einsatzes technischer Überwachungssysteme zu verhindern, die nicht durch schützenswerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt sind oder die sich als unverhältnismäßig darstellen.46 Hinzu kommt, dass die Datenerfassung über technische Systeme für die Arbeitnehmer regelmäßig nicht wahrnehmbar ist und diese sich häufig der technikbasierten Datenerhebung nicht entziehen können.47 Wird „Excel“ allerdings ausschließlich als Ersatz für eine händisch erstellte Tabelle genutzt und eine Anwendung der möglichen Automatisierungs- und Berechnungsfunktionen kommt nicht in 41 BAG vom 23. Oktober 2018 – 1 ABN 36/18, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 50. 42 BAG vom 14. November 2006 – 1 ABR 4/06, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 43; BAG vom 25. September 2012 – 1 ABR 45/11, AP BetrVG 1972 § 58 Nr. 5. 43 BAG vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, S. 657, 659. 44 BAG vom 23. Oktober 2018, 1 ABN 36/18, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 50. 45 BAG vom 23. Oktober 2018, 1 ABN 36/18, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 50. 46 BAG vom 13.12.2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, S. 657, 659. 47 Koch in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 17. Auflage 2017, § 235 Die erzwingbare soziale Mitbestimmung Rn. 63. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 12 Betracht, so dürfte eine solche Liste wohl nicht in den Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fallen. Dies wäre beispielsweise bei Listen der Fall, in denen neben den jeweiligen Arbeitnehmern keine Fehlzeiten addiert werden, sondern „bloße“ Einschätzungen beziehungsweise Schlagworte in Textform zu den jeweiligen Arbeitnehmern vermerkt sind, die nicht automatisiert bei „Excel“ weiterverarbeitet oder gar erhoben werden. In diesen Fällen wäre die Benutzung von „Excel“ wohl als reines Hilfsmittel, vergleichbar mit einem Papierbogen, zu qualifizieren. Da die Kontrolle dabei von der eingebenden Person ausgeht und eine Weiterverarbeitung der Daten außer einer händisch veranlassten Speicherung nicht erfolgt, ist die Tabelle dann lediglich als Hilfsmittel im Sinne einer Schreibhilfe einzuordnen. Der Einsatz solcher Hilfsmittel ist von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht erfasst.48 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fällt unter den Begriff der technischen Überwachung nur ein Vorgang, bei dem zumindest die Erhebung von Daten oder deren Auswertung auf technischem Wege erfolgt.49 Im vorliegenden Beispiel erfolgt gegensätzlich dazu sowohl die Erhebung als auch die Datenauswertung rein manuell. Diese betriebsverfassungsrechtliche Einschätzung steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu einer vom Arbeitgeber betriebenen „Facebook“-Seite mit freigeschalteter „Besucher-Beiträge“-Funktion.50 Im amtlichen Leitsatz stellte das Bundesarbeitsgericht zwar fest: „Für eine Überwachung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist es nicht erforderlich , dass die Daten über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern von der technischen Einrichtung selbst – „automatisch“ – erhoben werden. Deren manuelle Eingabe ist ausreichend , wenn diese Daten anschließend gespeichert werden und auf sie zugegriffen werden kann.“ In dieser Entscheidung stellte das Bundesarbeitsgericht somit klar, dass es ausreicht, wenn die leistungs- und verhaltensbezogenen Daten nicht durch die technische Einrichtung selbst erhoben werden, sondern eine manuelle Eingabe erfolgt und durch die technische Einrichtung dann aber eine Weiterverwertung vorgenommen wird.51 Das Bundesarbeitsgericht stellte bezüglich der Weiterverarbeitung durch eine technische Einrichtung dann allerdings auf die automatische dauerhafte Speicherung durch die von „Facebook“ eingesetzte Software und das Zuführen zu einem zeitlich unbegrenzten dauerhaften öffentlichen Zugang ab.52 Diese selbstständige Weiterverwertung dürfte allerdings nicht mit einer „händisch vorgenommenen“ Speicherung einer „Excel-Tabelle“ vergleichbar sein. Es muss somit auch bei der betriebsverfassungsrechtlichen Beurteilung im Einzelfall zwischen den konkreten Arten von Beschäftigtenlisten differenziert werden: 48 Vgl. Schwarze in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, § 87 BetrVG Rn. 154. 49 BAG vom 8. November 1994 - 1 ABR 20/94, NZA 1995, S. 313, 313. 50 BAG vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, S. 657, 657. 51 BAG vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, S. 657, 659. 52 BAG vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, S. 657, 660. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 13 Handelt es sich um Tabellen mit rein manuell eingegebenen Informationen, die nicht automatisiert über eine technische Einrichtung weiterverarbeitet werden, so dürfte kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen. Anders wäre zu entscheiden, wenn eine automatisierte Datenerhebung oder Weiterverarbeitung von verhaltens- und leistungsbezogenen Daten erfolgt. In diesen Fällen ist von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auszugehen, wobei eine Geringwertigkeitsschwelle bei der Anwendung des Mitbestimmungsrechts nicht besteht. Somit besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zum Beispiel bei der Verwendung von „Excel“-Tabellen zur Erfassung von Anwesenheitszeiten mit automatisierten Additionsvorgängen 53 und beim Einsatz von Personalinformationssystemen, in denen auf einzelne Arbeitnehmer bezogene Daten wie krankheitsbedingte Fehlzeiten, attestfreie Krankheitszeiten und unentschuldigte Fehlzeiten verarbeitet werden.54 Erhebt eine Personalverwaltungssoftware somit selbst individualisierte oder individualisierbare Verhaltens- oder Leistungsdaten und zeichnet diese auf und ermöglicht das System die Verknüpfung und Auswertung von erhobenen Daten, so besteht ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.55 Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG greift damit regelmäßig bei der Einführung von elektronischen Personalakten und damit Beschäftigtenlisten, die diesen zuzuordnen sind, vor dem Hintergrund, dass dabei häufig Verhaltensdaten wie Krankheitszeiten, Arbeitsunfälle , Abmahnungen, Beurteilungen und Zeugnisse gespeichert werden, die sich in ihrer Zusammenschau zu zusätzlichen Erkenntnissen auswerten lassen.56 Ein Mitbestimmungsrecht besteht somit, wenn elektronische Personalakten oder Listen dahingehend programmiert worden sind, dass die Statusdaten der Arbeitnehmer, wie beispielsweise Name und Geburtsdatum, mit anderen Daten verknüpft und verarbeitet werden können und dem Arbeitgeber somit eine verhaltensoder leistungsrelevante Bewertung von Arbeitnehmern ermöglicht wird.57 Ein generelles und dauerhaftes Recht auf Zugriff auf elektronische Personalakten und damit Beschäftigtenlisten steht dem Betriebsrat dagegen unter keinem betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkt zu.58 Soweit digitale Personalakten als Mittel zur Personalplanung eingesetzt werden, ist zudem zu beachten , dass der Betriebsrat nach § 92 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen ist. 53 BAG vom 23. Oktober 2018 – 1 ABN 36/18, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 50. 54 BAG vom 11. März 1986 - 1 ABR 12/84, NZA 1986, S. 526, 526. 55 BAG vom 25. September 2012 – 1 ABR 45/11, AP BetrVG 1972 § 58 Nr. 5. 56 Vgl. Kort, Neuer Beschäftigtendatenschutz und Industrie 4.0 - Grenzen einer „Rundumüberwachung“ angesichts der Rechtsprechung, der DSGVO und des BDSG nF, RdA 2018, S. 24, 32; Werner, in: Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand: 1. Juni 2019, § 87 BetrVG Rn. 95. 57 Raif, in: Kramer IT-Arbeitsrecht, 1. Auflage 2017, B. Individualarbeitsrecht Rn. 944. 58 LAG Frankfurt vom 22. Mai 1984 – 4 TaBV 93/83, NZA 1985, S. 97, 97; Kort, Betriebsrat und Arbeitnehmerdatenschutz - Rechte der Interessenvertretung bei datenschutzrechtlich relevanten Maßnahmen des Arbeitgebers, ZD 2016, S. 3, 4; Werner, in: Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, 52. Edition, Stand 1. Juni 2019, § 83 BetrVG Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 076/19 Seite 14 4. Fazit Vor dem Hintergrund der aufgezeigten relevanten gesetzlichen Vorgaben im Zusammenhang mit dem Begriff der Personalakte und der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG wird deutlich, dass keine generelle rechtliche Beurteilung von Beschäftigtenlisten vorgenommen werden kann, sondern eine solche im Einzelfall anhand der konkreten Ausgestaltung einer Beschäftigtenliste erfolgen muss. Es gelten generell die datenschutzrechtlichen Anforderungen, die sich an Personalakten stellen, sodass neben den allgemeinen Datenschutzgrundsätzen insbesondere das Kriterium der Erforderlichkeit und damit Verhältnismäßigkeit die Zulässigkeit der Datenerhebung bestimmt. Bei besonders sensiblen Daten ist somit eine besonders intensive Interessenabwägung vorzunehmen und es sind insbesondere Schutzvorkehrungen vor zufälliger Kenntnisnahme Dritter zu treffen. Werden Beschäftigtenlisten rein manuell erhoben und weiterverarbeitet, so besteht grundsätzlich kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Aufgrund der weiten Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht greift dieses aber grundsätzlich, sobald eine Automatisierung durch eine technische Einrichtung , wie beispielsweise durch eine Automatisierungsfunktion in einer „Excel“-Tabelle, bei der Datenerhebung oder –verarbeitung erfolgt. Arbeitsrechtlich ist bei der Beurteilung von Beschäftigtenlisten auf die konkret erfolgten Kündigungen, Benachteiligungen und gegebenenfalls Befristungen abzustellen, die aufgrund von „Listennotizen“ erfolgen, beziehungsweise könnten Listen bei deren rechtlicher Beurteilung gegebenenfalls die Unzulässig- oder Unwirksamkeit der erfolgten Maßnahme indizieren. ***