© 2018 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 074/17 Fragen zur Rente für Spätaussiedler Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 074/17 Seite 2 Fragen zur Rente für Spätaussiedler Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 074/17 Abschluss der Arbeit: 20. Dezember 2017 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 074/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Berücksichtigung von im Ausland zurückgelegten Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung 4 2. Grundlagen des Fremdrentenrechts 4 3. Spätaussiedlern zuzuordnende Tabellenentgelte für Zeiten im Herkunftsgebiet 5 4. Begrenzung der auf das FRG entfallenden Rente 5 5. Höchstwert bei Zuzug ins Bundesgebiet ab dem 7. Mai 1996 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 074/17 Seite 4 1. Berücksichtigung von im Ausland zurückgelegten Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung Mit einer weiter voranschreitenden Globalisierung steigt auch die Zahl der Menschen, die im Laufe ihres Berufslebens in mehreren Ländern erwerbstätig sind. Im Rentenalter stellt sich die Frage, aus welchem Rentenversicherungssystem Leistungen der Alterssicherung zu gewähren sind.1 Im Ausland zurückgelegte Beitragszeiten sind in der deutschen Rentenversicherung nur dann zu berücksichtigen, wenn dies nach über- oder zwischenstaatlichem Recht bzw. den Regelungen des Fremdrentengesetzes (FRG) vorgesehen ist. Das Vorhaben, mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ein Sozialversicherungsabkommen abzuschließen , besteht von deutscher Seite bereits seit 1992, auch um die Alterssicherung für Personen mit Beitragszeiten in der früheren UdSSR, die nach der Wende in Osteuropa nach Deutschland zugewandert waren, zu regeln. Prinzipiell geht mit den Abkommen über Soziale Sicherheit die Absicht einher, einen „rechtlichen Ausbau der Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten“ zu erreichen.2 2. Grundlagen des Fremdrentenrechts Im Gegensatz zu zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen handelt es sich beim FRG um einseitige innerstaatliche Regelungen, mit denen ursprünglich insbesondere anerkannte Vertriebene und Flüchtlinge nach dem Eingliederungsprinzip so gestellt wurden, als hätten sie ihr Erwerbsleben in Deutschland zurückgelegt. Das Fremdrentenrecht hat seinen Ursprung in der Zwangslage der vertriebenen und geflohenen Deutschen, die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Gebiet der späteren DDR und den Gebieten östlich von Oder und Neiße in der jungen Bundesrepublik eine neue Heimat gefunden hatten, jedoch auf keinerlei Alterssicherung zurückgreifen konnten. Auch für Nachkommen bereits vor dem 20. Jahrhundert nach Osteuropa ausgewanderter Deutscher war das FRG aufgrund ihrer deutschen Volkszugehörigkeit anzuwenden , wenn ihnen die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland als Aussiedler gestattet wurde. Das Fremdrentenrecht war nach dem politischen Umbruch im früheren Ostblock in den Jahren 1989/1990 und der Wiedervereinigung Deutschlands an die neue Lage anzupassen. Die historisch begründete Legitimation des dem FRG zugrunde liegenden, auf Kriegs- und Nachkriegsereignisse wie Flucht und Vertreibung beruhenden Eingliederungsprinzips war mit den eingetretenen politischen , rechtlichen und tatsächlichen Veränderungen entfallen.3 Infolgedessen wurde auch die 1 Vgl. Broschüre Sozialversicherungsabkommen (2016), herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung Bund, 16. Auflage, S. 3. 2 Vgl. http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziales-Europa-und-Internationales/International/sozialversicherungsabkommen .html, letzter Zugriff: 21. Februar 2017; Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Russland (2017). Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 6 – 3000 – 011/17. Abrufbar im Internet unter https://www.bundestag.de/blob/501058/6f66857004dd01b9307c05ca3279559b/wd-6-011-17-pdfdata .pdf, zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2017. 3 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, Bundestags-Drucksache 11/7171, S. 39. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 074/17 Seite 5 Abschaffung des FRG, dessen Grundlage in Frage zu stellen war, diskutiert.4 Auch aus den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Haushalts- und Wirtschaftsführung vom 16. Oktober 1996 geht hervor, dass durch Abschluss von Sozialversicherungsabkommen mit den Herkunftsländern mittelfristig auf die Abschaffung des FRG hingearbeitet werden solle und zu prüfen sei, ob die Anerkennung von FRG-Zeiten alsbald beendet werden kann.5 Dennoch wurde zunächst weiter am Eingliederungsprinzip festgehalten. Der Eingliederungsgedanke ist im Prinzip noch heute Richtschnur für die Anrechnung der von Spätaussiedlern aus den Republiken der früheren Sowjetunion und anderen Staaten des früheren Ostblocks zurückgelegten Zeiten einer Erwerbstätigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar bemisst sich die aus den rentenrechtlichen Zeiten in den Herkunftsgebieten ergebende Rente nicht nach einem gesonderten Rentenniveau, sondern orientiert sich an einer fiktiven ostdeutschen Erwerbsbiographie, jedoch unterliegen die Rentenleistungen nach dem FRG heute gegenüber der Vorwendezeit deutlichen Einschränkungen. 3. Spätaussiedlern zuzuordnende Tabellenentgelte für Zeiten im Herkunftsgebiet Die Eingliederung der nach dem FRG berechtigten Spätaussiedler erfolgt, indem für im Herkunftsgebiet ausgeübte Beschäftigungen grundsätzlich Entgelte zu berücksichtigen sind, die auf der Lohnstruktur in Ostdeutschland beruhen. Damit werden sie so gestellt, als ob sie in Ostdeutschland rentenversichert gewesen wären. Nach § 22 Abs. 1 FRG sind für die Berechtigten je nach Qualifikation und Wirtschaftsbereich Tabellenentgelte zuzuordnen. Die maßgebenden Tabellenentgelte der Anlage 14 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) dienen nach § 256b SGB VI in erster Linie unabhängig davon, ob die Beschäftigung in Deutschland ausgeübt wurde oder nicht, der Anerkennung nicht nachgewiesener , sondern lediglich glaubhaft gemachter Beitragszeiten. Sie sind aus diesem Grunde vorab auf fünf Sechstel gekürzt. Für nachgewiesene Beitragszeiten - unter anderem auch für Berechtigte nach dem FRG - sind die Tabellenentgelte deshalb um ein Fünftel zu erhöhen. Den Tabellenentgelten liegt zwar die ostdeutsche Lohnstruktur zugrunde, sie entsprechen aber aufgrund einer Hochwertung für die weitere Rentenberechnung bereits fiktiven Westentgelten.6 Aus den einzelnen Tabellenentgelten lässt sich im Rahmen der komplexen Rentenberechnung die auf das FRG zurückzuführende monatliche Rente berechnen. 4. Begrenzung der auf das FRG entfallenden Rente Aufgrund der Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG ist die nach dem FRG aufgrund der zugeordneten Tabellenentgelte zu zahlende Rente bei einem Zuzug ins Bundesgebiet nach dem 6. Mai 4 Vgl. Steffan, Ralf „Harmonisierungsbedarf im (Fremd-)Rentenrecht“ in: Zeitschrift für Politik und Recht, 1991/1, S. 12 ff. 5 Bundestags-Drucksache 13/5700, S. 76. 6 Vgl. hierzu Umrechnung der in Ostdeutschland versicherten Verdienste auf einen fiktiven Westverdienst durch den Hochwertungsfaktor gemäß § 256a Abs. 1 i.V.m. Anlage 10 SGB VI. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 074/17 Seite 6 1996 sowie unabhängig vom Zuzug bei allen Rentenzugängen ab 1. Oktober 1996 auf 60 % zu begrenzen . Für Bestandsfälle bzw. Zuzüge vor dem 7. Mai 1996 sind die komplexen Vertrauensschutzregelungen des Art. 6 § 4c Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) zu beachten. Zuvor erfolgte bereits 1991 mit dem Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 eine Begrenzung der nach dem FRG zu zahlenden Rente auf 70 %. Damit sollte das Eingliederungsprinzip dahingehend modifiziert werden, dass die Berechtigten so gestellt werden, als hätten sie ihre Versicherungsbiographie in strukturschwachen Regionen Westdeutschlands zurückgelegt .7 Diese Regelung wurde zunächst für rentennahe Jahrgänge und vor dem 1. Juli 1990 Zugezogene durch weitreichende Vertrauensschutzregelungen abgemildert und galt anfangs nur für Berechtigte nach dem FRG, die ihren Wohnsitz in Westdeutschland genommen hatten. Die weitere Begrenzung der auf das FRG entfallenen Rente auf 60 % auch für vor dem 1. Juli 1990 Zugezogene erfolgte durch das Wachstumsförderungs- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 1. Oktober 1996. Die weitere Senkung wurde damit begründet, dass die ein hohes Rentenniveau sichernden Regelungen sachlich nicht mehr zu rechtfertigen und einschränkende Regelungen auch zur Erhaltung der Akzeptanz der Leistungen nach dem Fremdrentengesetz erforderlich waren.8 In seiner Entscheidung vom 13. Juni 2006 über die Verfassungsmäßigkeit der mit dem WFG eingeführten Einschnitte in das Fremdrentenrecht führt das Bundesverfassungsgericht unter anderem aus, dass die in Frage stehenden Kürzungsregelungen dazu dienten, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen.9 5. Höchstwert bei Zuzug ins Bundesgebiet ab dem 7. Mai 1996 Zusätzlich zur Absenkung auf 60 % und als endgültige Abkehr vom Eingliederungsprinzip orientiert sich die nach dem FRG zu zahlende Rente bei einem Zuzug ins Bundesgebiet ab dem 7. Mai 1996 zudem noch an der Höhe der seinerzeit nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) zu zahlenden Eingliederungshilfe. So erfolgt gegebenenfalls nach § 22b FRG eine weitere Begrenzung auf einen Höchstwert, der einer Rente aufgrund einer durchschnittlichen Beitragszahlung für 25 Jahre, bei Eheleuten und in eheähnlichen Gemeinschaften lebenden Berechtigten für insgesamt 40 Jahre entspricht. Der vollzogene Systemwechsel, nachdem den betroffenen Einzelpersonen und (Ehe-)Paaren nur noch eine am Bedürftigkeitsprinzip orientierte Leistung zu gewähren ist, wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.10 7 Bundesrats-Drucksache 197/91, S. 163. Im Entwurf des RÜG war noch von einer Begrenzung der auf das FRG entfallenen Rente auf 80% ausgegangen worden. 8 Bundestags-Drucksache 13/4610, S. 19. 9 Az. 1 Bvl 9/00. 10 Vgl. Gemeinsame Rechtliche Anweisungen der Träger der Deutschen Rentenversicherung zu § 22b FRG, R 3 Rechtsprechung. Abrufbar im Internet unter http://rvrecht.deutsche-rentenversicherung .de/Raa/Raa.do?f=FRG_22BR3, zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 074/17 Seite 7 Wird sowohl eine Rente aus eigener Versicherung als auch eine Hinterbliebenenrente bezogen, darf die Summe beider Renten den an der Eingliederungshilfe orientierten Höchstwert einer auf einer durchschnittlichen Beitragszahlung für 25 Jahre beruhenden Rente nicht übersteigen.11 Im Fall des Todes eines Ehe- oder Lebenspartners verändert sich der für Eheleute und in eheähnlichen Gemeinschaften lebenden Berechtigten für zwei Personen geltende Höchstwert einer auf einer durchschnittlichen Beitragszahlung für 40 Jahre beruhenden Rente auf den für eine Person geltenden Höchstwert einer auf einer durchschnittlichen Beitragszahlung für 25 Jahre beruhenden Rente. *** 11 Vgl. Gemeinsame Rechtliche Anweisungen der Träger der Deutschen Rentenversicherung zu § 22b FRG, R 6.2 Begrenzung mehrerer Renten eines Berechtigten. Abrufbar im Internet unter http://rvrecht.deutsche-rentenversicherung .de/Raa/Raa.do?f=FRG_22BR6.2, zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2017.