© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 072/20 Einzelfragen zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Juli 2020 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz)1 vorgelegt, der zurzeit dem Bundesrat zur Beratung vorliegt. Artikel 2 des Gesetzentwurfs enthält Änderungen des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch). Ein zentraler Aspekt des Änderungsentwurfs zum GSA Fleisch (GSA Fleisch-Entwurf) ist die als § 6a Abs. 2 GSA Fleisch-Entwurf einzuführende Beschränkung des Einsatzes von Fremdpersonal in dem in der Entwurfsbegründung als „Kerngeschäft der Fleischwirtschaft“ bezeichneten2 Bereich der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung. 2. Geltungsbereich der Beschränkungen beim Einsatz von Fremdpersonal § 6a Abs. 2 GSA Fleisch-Entwurf lautet wie folgt: „Der Inhaber darf im Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern sowie im Bereich der Fleischverarbeitung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur im Rahmen von mit ihm bestehenden Arbeitsverhältnissen und im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung tätig werden lassen. Ein Dritter darf in diesen Bereichen unbeschadet der Zulässigkeit der Überlassung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern nach Satz 1 keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine Selbstständigen tätig werden lassen.“ Hinsichtlich des Geltungsbereichs nimmt § 2 GSA Fleisch auf die Definition der Fleischwirtschaft in § 6 Abs. 9 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) Bezug. Auch § 6a GSA Fleisch- Entwurf sollte nach Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales3 diese (weite) Definition sowohl der Schlachtung, als auch der Fleischverarbeitung zugrunde gelegt werden. Mit der ausdrücklichen Erwähnung der Zerlegung von Schlachtkörpern in § 6a GSA Fleisch-Entwurf, die nach § 6 Abs. 9 AEntG ein Unterfall der Schlachtung ist und daher nicht gesondert erwähnt werden müsste, wollte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Missverständnis vorbeugen , dass die vorgesehenen Einschränkungen des Fremdpersonaleinsatzes in dem offenbar räumlich häufig getrennten Bereich der Zerlegung nicht gelten sollen. Die Definition ist - auch im Hinblick auf die unter § 7 GSA Fleisch-Entwurf vorgesehene Bußgeldbewehrung - abschließend. 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29 Juli 2020. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz), Bundesratsdrucksache 426/20. 2 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29 Juli 2020. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz), Bundesratsdrucksache 426/20, S. 14, 23 und 34. 3 E-Mail vom 12. August 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 072/20 Seite 5 3. Definition des „Fleischerhandwerks“ Die Beschränkung des Einsatzes von Fremdpersonal soll nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GSA Fleisch-Entwurf auf das Fleischerhandwerk keine Anwendung finden. Eine Definition des Begriffs des Fleischerhandwerks enthält § 2 Abs. 2 Satz 2 GSA Fleisch-Entwurf . Hiernach gehören zum Fleischerhandwerk im Sinne des Gesetzes: „[…] Unternehmen der Fleischwirtschaft, die in der Regel nicht mehr als 49 Personen tätig werden lassen und 1. ihre Tätigkeiten nach § 1 Absatz 2 der Handwerksordnung handwerksmäßig betreiben und in die Handwerksrolle des zulassungspflichtigen Handwerks oder in das Verzeichnis des zulassungsfreien Handwerks oder handwerksähnlichen Gewerbes eingetragen sind oder 2. juristische Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften sind, deren Mitglieder und Gesellschafter ausschließlich Unternehmer im Sinne des Satzes 2 Nummer 1 sind.“ Die kumulativ zu erfüllenden Einzelkriterien dieser Legaldefinition lassen sich im Einzelnen wie folgt darstellen: 3.1. Unternehmereigenschaft Grundsätzlich muss es sich für die Einordnung als Fleischerhandwerk um Unternehmen handeln . Der Unternehmerbegriff ist in § 14 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) definiert.4 3.2. Beschäftigtenzahl Des Weiteren legt § 2 Abs. 2 Satz 2 GSA Fleisch-Entwurf fest, dass ein Betrieb des Fleischerhandwerks nur bei Beschäftigung von „in der Regel nicht mehr als 49 Personen“ vorliegt. Der Begründung des Gesetzesentwurfs zufolge sind dabei nur Personen zu berücksichtigen, die in dem Unternehmen nicht nur kurzfristig beschäftigt sind. Nicht berücksichtigt werden hingegen Personen, die zur Deckung eines saisonbedingten personellen Mehrbedarfs beschäftigt werden. Die Anzahl von 49 Personen orientiert sich nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum einen an der Empfehlung der EU-Kommission für die Definition kleiner Unternehmen5 und zum anderen an den für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschlägigen Umsatzzahlen, die eine Abgren- 4 § 14 Absatz 1 BGB: „Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft , die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.“ 5 Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 072/20 Seite 6 zung handwerklicher Unternehmen zu industriellen Unternehmen ermöglichen. Danach verzeichnen Unternehmen ab einer Zahl von 50 und mehr beschäftigten Personen im Durchschnitt Umsatzzahlen, die die Annahme industrieller Erwirtschaftung rechtfertigen.6 3.3. Handwerksmäßige Betriebsausübung Voraussetzung für die Einordnung eines Unternehmens der Fleischwirtschaft als Fleischerhandwerk ist ferner dessen handwerksmäßige Betriebsausübung gemäß § 1 Abs. 2 der Handwerksordnung (HwO).7 Der Begriff „handwerksmäßig“ ist in der Handwerksordnung, ebenso wie der Begriff des „Handwerks“, nicht legaldefiniert. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass sich der Handwerksbegriff zwangsläufig an der technischen Entwicklung orientiert (sogenannter dynamischer Handwerksbegriff) und nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Gewerbezweiges ermittelt werden kann.8 In Ermangelung eines positiv normierten Handwerksbegriffs , kann zur Ermittlung der Handwerksmäßigkeit eines Betriebes jedoch auf von der Literatur und der Rechtsprechung erarbeitete Kriterien zurückgegriffen werden. Im Wesentlichen ist hierbei die handwerksgemäße Betriebsform zum Industriebetrieb abzugrenzen. So kann für die Annahme einer handwerksmäßigen Betriebsausübung auf Art und Umfang der Betriebsausstattung abgestellt werden. Gebraucht der Gewerbetreibende die technische Ausstattung lediglich zur Unterstützung seiner Handfertigkeiten, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) eine Vermutung für einen handwerksmäßigen Betrieb.9 Darüber hinaus kann auch das Ausmaß der Arbeitsteilung für die Abgrenzung handwerksmäßiger von industrieller Betriebsweise herangezogen werden. Sofern die Arbeitsteilung derart gestaltet ist, dass von den einzelnen Beschäftigten regelmäßig nur eng begrenzte Teilarbeiten verrichtet werden, lässt sich auf eine industrielle Betriebsführung schließen.10 Im Bereich der zulassungspflichtigen - das heißt der in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgelisteten - Handwerke wird in der Kommentarliteratur auch dem dort geltenden Befähigungsgrundsatz für die Abgrenzung zur industriellen Betriebsform Bedeutung zugemessen. Es könne davon ausgegangen werden, dass die nachzuweisenden Kenntnisse und Fertigkeiten in dem Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks für dessen möglichst gefahrlosen Arbeitsablauf unverzichtbar sind. Kennzeichnend für das Handwerk nach Anlage A zur Handwerksordnung seien Qualifizierungs- und Befähigungsabhängigkeit der Tätigkeiten. Werden in einem Betrieb keine 6 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29 Juli 2020. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz), Bundesratsdrucksache 426/20, S. 32. 7 § 1 Abs. 2 HwO: „Ein Gewerbebetrieb ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfaßt, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten) […].“ 8 Ambs/Lutz in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 230. Ergänzungslieferung Mai 2020, HwO, § 1 Rn. 8b-8c. 9 BVerwG Urteil vom 12. Dezember 1979 - 5 C 10/79 - juris Rn. 25. 10 BVerwG Urteil vom 17. April 1964 - VII C 228.59 - BVerwGE 18, 226/230f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 072/20 Seite 7 qualifizierungsabhängigen bzw. nichtgefahrengeneigte Tätigkeiten verrichtet, stehe dies der Annahme einer handwerksmäßigen Betriebsausübung entgegen.11 Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1964 kann auch an das Kriterium der Überschaubarkeit und Beherrschbarkeit des Betriebes durch den Betriebsleiter angeknüpft werden. Hat dieser nach der Gesamtstruktur des Unternehmens nicht mehr die Möglichkeit , die Arbeit seiner Beschäftigten zu überwachen und auf sie Einfluss zu nehmen und dadurch die Arbeit des Betriebs durch sein eigenes meisterhaftes Können persönlich zu gestalten und ihren Leistungsgegenstand zu bestimmen, kann danach nicht von einer handwerklichen Betriebsweise ausgegangen werden.12 Für die Frage der Abgrenzung kann ferner von Bedeutung sein, ob und in welchem Umfang die eingesetzten Arbeitskräfte über eine umfassende handwerkliche Ausbildung verfügen.13 Allerdings sind hierbei die Besonderheiten bestimmter Handwerkszweige zu beachten, bei denen auch ungelernte Arbeitskräfte zum Einsatz kommen.14 Letztlich ist für die Abgrenzung entscheidend, ob nach dem Gesamtbild des Betriebes die Elemente der handwerksmäßigen oder der industriellen Betriebsweise überwiegen.15 Dabei sind Kriterien , die weder den Arbeitsablauf noch die Form der Fertigung bestimmen und in keinem Zusammenhang mit der Betriebsausstattung, der Organisation des Produktionsprozesses und der Qualifikation der Beschäftigten stehen, für die Feststellung der handwerksmäßigen Betriebsführung ohne Bedeutung.16 Somit sind Faktoren wie die Betriebsgröße, der Umsatz und Anlagevermögen , die Fertigung auf Vorrat oder Bestellung und die subjektive Überzeugung des Betriebsinhabers von der Kategorie seines Betriebes für die Abgrenzungsfrage ohne Belang.17 3.4. Eintragung Zum Fleischerhandwerk gehören schließlich nur Unternehmen der Fleischwirtschaft, welche in der Handwerksrolle des zulassungspflichtigen Handwerks oder in das Verzeichnis des zulassungsfreien Handwerks oder handwerksähnlichen Gewerbes eingetragen sind. 11 Detterbeck in: Nomos-BR/Detterbeck Handwerksordnung, 3. Auflage 2016, § 1 Rn 27. 12 BVerwG Urteil vom 12 Februar 1965 - VII C 77.64 - juris Rn 15. 13 BVerwG Urteil vom 1. April 2004 - 6B 5/04, 6 B 5/04 (6 PKH 1/04) - juris Rn. 5. 14 So zum Beispiel im Baugewerbe, vgl. Detterbeck in: Nomos-BR/Detterbeck Handwerksordnung, 3. Auflage 2016, § 1 Rn 30. 15 BVerwG Urteil vom 26. April 1994 - 1 C 17/92 - juris Rn 29. 16 Detterbeck in: Nomos-BR/Detterbeck Handwerksordnung, 3. Auflage 2016, § 1 Rn 32. 17 Detterbeck in: Nomos-BR/Detterbeck Handwerksordnung, 3. Auflage 2016, § 1 Rn 33. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 072/20 Seite 8 In die Handwerksrolle des zulassungspflichtigen Handwerks wird der Betriebsinhaber eines A- Handwerks eingetragen, welcher die notwendigen materiellen Eintragungsvoraussetzungen erfüllt . Diese sind in den §§ 7 ff. HwO normiert. Für das Fleischergewerbe besteht nach Nummer 32 der Anlage A zur Handwerksordnung eine Zulassungspflicht. Betriebsinhaber eines selbständigen, zulassungsfreien Handwerks bzw. handwerksähnlichen Gewerbes haben dessen Beginn oder Beendigung der Handwerkskammer anzuzeigen, § 18 Abs. 1 HwO. Diese ist dann zur Aufnahme in das entsprechende Verzeichnis verpflichtet, § 19 Abs. 1 HwO. ***