© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 – 3000-069/20 Beendigung von Dienstverhältnissen von Beamten und Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst bei Verletzung der Verfassungstreuepflicht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Beschäftigungsverhältnisse von Tarifbeschäftigten 12 3.1. Verfassungstreuepflicht 12 3.2. Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Kündigung 13 3.2.1. Ordentliche Kündigung 14 3.2.2. Verhaltensbedingte Kündigungsgründe 14 3.3. Personenbedingte Kündigungsgründe 15 3.3.1. Interessenabwägung 15 3.3.2. Außerordentliche Kündigung 15 3.4. Beendigung durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung 16 3.5. Rechtsprechung 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 4 1. Einleitung Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick darüber gegeben werden, unter welchen Voraussetzungen Dienstverhältnisse von Beamten und Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst in Fällen von extremistischen Betätigungen, mangelnder Verfassungstreue oder Verstößen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung beendet werden können.1 Dabei soll zunächst jeweils auf die rechtliche Grundlage und den Inhalt der Verfassungstreuepflicht eingegangen werden und im Anschluss daran auf die Voraussetzungen der Beendigung von diesen Dienst- und Arbeitsverhältnissen bei Verletzung der Verfassungstreuepflicht beziehungsweise bei mangelnder Verfassungstreue. Ferner sollen ausgewählte einschlägige Entscheidungen aus der Rechtsprechung kurz dargestellt werden. Die rechtliche Ausgestaltung der Dienst- und Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst ist nicht einheitlich geregelt. Vielmehr unterscheidet man die Dienstverhältnisse der Beamten von den privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen. Nach Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz (GG) ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, somit den Beamten. Daneben werden die Aufgaben des öffentlichen Dienstes auch durch Tarifbeschäftigte wahrgenommen. Während sich die rechtliche Stellung der Beamten des Bundes maßgeblich aus den Regelungen des Grundgesetzes, des Bundesbeamtengesetzes (BBG), des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) und der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) ergibt, wird das Arbeits- und Tarifrecht der Beschäftigten vor allem durch die jeweiligen Tarifverträge geprägt und die Beschäftigungsverhältnisse durch privatrechtliche Arbeitsverträge gestaltet. Dies hat zur Konsequenz, dass auch die Beendigung der Rechtsverhältnisse für Beamte und Tarifbeschäftigte an unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen geknüpft ist. 2. Beamtenverhältnis 2.1. Verfassungstreuepflicht Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet.2 Beamte stehen daher in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die sie vereidigt sind, bekennen und für sie aktiv eintreten (politische Treuepflicht beziehungsweise Verfassungstreuepflicht ).3 1 In Bezug auf Beamtenverhältnisse beschränkt sich diese Arbeit auf Regelungen für Bundesbeamte - hier Beamte auf Lebenszeit, Beamte auf Probe und Beamte auf Widerruf - ; im Hinblick auf Tarifbeschäftigte auf solche des Bundes. 2 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25/17. 3 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, Rn. 40 ff.; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25/17, Rn. 15 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 5 Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG ist die Verfassungstreue Voraussetzung, um in das Beamtenverhältnis berufen werden zu können. Danach darf nur in ein Beamtenverhältnis berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG regelt die verfassungsrechtliche politische Treuepflicht ausdrücklich auch als Grundpflicht und bestimmt, dass für Beamte die Pflicht besteht, sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten. Gefordert ist dabei die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem die Beamten dienen sollen, mit der freiheitlich -demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dabei ist unverzichtbar, dass die Beamten den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejahen, sie als schützenswert anerkennen, in diesem Sinne sich zu ihr bekennen und aktiv für sie eintreten.4 Eine Distanzierung, Indifferenz oder Neutralität gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist mit dieser Pflicht nicht zu vereinbaren . Diese Verpflichtung betrifft gleichermaßen dienstliches wie außerdienstliches Verhalten.5 Wenn, wie es der Sinn der politischen Treuepflicht ist, damit eine verlässliche, den Staat vor allem in Krisenzeiten und in Loyalitätskonflikten verteidigende Beamtenschaft garantiert werden soll, dann muss von jedem Beamten verlangt werden, dass er auch im außerdienstlichen Bereich von der Unterstützung jeglicher Aktivitäten absieht, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind oder die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung diffamieren und verächtlich machen.6 Die Verfassungstreuepflicht gilt für jedes Beamtenverhältnis und ist nach gefestigter Rechtsprechung auch einer Differenzierung nach der Art der dienstlichen Obliegenheiten der Beamten nicht zugänglich.7 2.2. Beendigung des Beamtenverhältnisses Bei Verletzung der Verfassungstreuepflicht beziehungsweise mangelnder Verfassungstreue eines Beamten kann - je nach Status - eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, eine Entlassung oder eine Rücknahme der Ernennung erfolgen. 2.2.1. Entfernung aus dem Dienst bei Beamten auf Lebenszeit Die Entfernung aus dem Dienstverhältnis kann durch Urteil eines Verwaltungsgerichts als Folge eines schweren Dienstvergehens erfolgen. 4 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, NJW 1975, S. 1641, 1642. 5 Werres in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 18. Edition, Stand: 1. April 2020, § 60 BBG, Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1999 - 1 D 74/98, Rn. 38 (zitiert nach juris) mit weiteren Nachweisen aus seiner Rechtsprechung; BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, NJW 1975, S. 1641, 1642. 6 BVerwG, Urteil vom 12. März 1986 - 1 D 103/84, Rn. 32 (zitiert nach juris). 7 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, NJW 1975, S. 1641, 1644; vgl. Schwarz in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK, Beamtenrecht Bund, 19. Edition, Stand: 1. April 2020, § 7 BeamtStG, Rn. 11.4 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; andere Auffassung vgl. Battis in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 7, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 6 Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG liegt ein Dienstvergehen vor, wenn der Beamte schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Der Beamte muss objektiv eine oder mehrere der ihm obliegenden Pflichten durch Tun oder Unterlassen verletzt haben. Umfasst ist hierbei auch die Verfassungstreuepflicht , die sich als Grundpflicht aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG ergibt. Der Beamte muss die ihm obliegende Dienstpflicht schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig verletzt haben. Außerhalb des Dienstes ist eine schuldhafte Pflichtverletzung nur dann ein Dienstvergehen, wenn die Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen , § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG. In Bezug auf einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht wurde in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass dies stets als Vergehen innerhalb des Dienstes zu werten sei, da die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt sei.8 Die Verfolgung von Dienstvergehen richtet sich gemäß § 77 Abs. 3 BBG für Bundesbeamte nach dem Bundesdisziplinargesetz (BDG). Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, muss der Dienstvorgesetzte nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG ein Disziplinarverfahren einleiten und die zur Aufklärung erforderlichen Ermittlungen veranlassen. Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens nach § 20 BDG zu unterrichten. Er ist darüber zu informieren, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen. Sind die Ermittlungen abgeschlossen, muss der Dienstvorgesetzte nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Regelungen der §§ 32 ff. BDG entscheiden, ob das Disziplinarverfahren einzustellen oder eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen ist. Gemäß § 5 Abs. 1 BDG sind für aktive Beamte verschiedene Disziplinarmaßnahmen vorgesehen, die je nach Schwere des Dienstvergehens ausgesprochen werden können (Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis). Nach § 5 Abs. 3 BDG können Beamten auf Probe und Beamten auf Widerruf nur Verweise erteilt und Geldbußen auferlegt werden. Für die Entlassung von Beamten auf Probe und Beamten auf Widerruf wegen eines Dienstvergehens gelten §§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 sowie § 37 BBG. Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ist gemäß § 13 Abs. 1 BDG nach pflichtgemäßem Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BDG), dem Persönlichkeitsbild des Beamten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG) und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG) zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Eine Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände 8 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 16. Januar 2019 - 16a D 15.2672, Rn. 27 (zitiert nach juris); Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Sachsen- Anhalt, Urteil vom 15. März 2018 - 10 L 9/17, Rn. 47 (zitiert nach juris) jeweils bezogen auf die mit §§ 77Abs. 1 Satz 2, 60 Abs. 1 Satz 3 BBG wortgleichen §§ 47 Abs. 1 Satz 2, 33 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 7 des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.9 Die Entfernung aus dem Dienstverhältnis nach § 10 BDG als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme richtet sich nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG. Demnach sind Beamte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn sie durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben. Die Regelung hebt mithin die Ermessensregelung des § 13 Abs. 1 Satz 1 BDG auf. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist die Maßnahme zwingend auszusprechen. Maßstäbe für die im Gesetz nicht näher erläuterten Tatbestandsmerkmale „schweres Dienstvergehen“ und „endgültiger Vertrauensverlust“ lassen sich allein aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG gewinnen, wobei auch hier das Bemessungskriterium des „Persönlichkeitsbildes “ entlastend wie belastend einzubeziehen ist.10 Die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kann der Dienstherr nicht selbst treffen. Hält er eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis für angezeigt, muss er vor dem zuständigen Verwaltungsgericht eine Disziplinarklage gemäß § 34 BDG erheben. Das Disziplinarverfahren vor dem Verwaltungsgericht richtet sich nach den §§ 52 ff. BDG. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis tritt mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils ein, § 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDG.11 2.2.2. Entlassung von Beamten auf Probe nach § 34 BBG Bei Beamten auf Probe nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BBG12 kommt bei extremistischen Betätigungen, fehlender Verfassungstreue oder Verstößen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung eine Entlassung nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BBG in Betracht. Danach können Beamte auf Probe zum einen bei Verhalten, das im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte, entlassen werden, § 34 Abs. 1 Nr. 1 BBG. Ob dies der Fall ist, ist anhand disziplinarrechtlicher Maßstäbe dergestalt zu prüfen, dass hypothetisch festzustellen ist, wie die zuständige Disziplinarbehörde oder das zuständige Gericht entschieden hätte.13 Zum anderen kann nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 BBG eine Entlassung erfolgen, wenn sich der Beamte auf Probe in der Probezeit nicht bewährt hat. Das ist auch dann der Fall, wenn der Beamte auf 9 BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6/14, Rn. 12 ff. (zitiert nach juris) mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 10 Urban in: Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Auflage 2017, § 13, Rn. 29 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 11 Wichmann in: Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 8. Auflage 2017, Rn. 294. 12 Die Regelung soll nur für Beamte gelten, die eine Probezeit zur späteren Verwendung auf Lebenszeit ableisten, § 6 Abs. 3 Nr. 1 BBG, insoweit liege hier ein Redaktionsversehen vor, vgl. Sauerland in: Brinktrine/Schollendorf , BeckOK Beamtenrecht, 19. Edition, Stand: 1. April 2020, § 34 BBG, Rn. 3. 13 Sauerland in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 19. Edition, Stand: 1. April 2020, § 34 BBG, Rn. 11 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 8 Probe nach seinem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes nicht die Gewähr dafür bietet , dass er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt.14 Anders als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgt die Entlassung von Beamten auf Probe nach § 34 BBG in den genannten Fällen durch Entlassungsverfügung der zuständigen Stelle und nicht durch Entscheidung in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren nach dem Bundesdisziplinargesetz. 2.2.3. Entlassung von Beamten auf Widerruf nach § 37 BBG Beamte auf Widerruf können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden. Damit besteht für den Dienstherrn ein weiter Ermessensspielraum. Gleichwohl muss die Entlassung von sachlichen Erwägungen getragen sein. Dabei genügt grundsätzlich ein an den Besonderheiten des Einzelfalls zu messendes sachgerechtes Entlassungsmotiv.15 Daher sind bereits Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung des Beamten auf Widerruf für sein Amt und die angestrebte Laufbahn ausreichend. Ersteres umfasst auch begründete Zweifel an der Gewähr der Verfassungstreue des Widerrufsbeamten.16 Die Entlassung eines Beamten auf Widerruf ist mithin nicht von dem Nachweis eines konkreten Dienstvergehens abhängig. Nach § 37 Abs. 2 BBG soll Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Eine Entlassung kommt aber auch hier aus in der Person des Widerrufsbeamten liegenden und den Sinn des Vorbereitungsdienstes gefährdenden Gründen, etwa wegen fehlender Gewähr der Verfassungstreue aufgrund verfassungsfeindlicher Betätigung, in Betracht.17 Auch bei Beamten auf Widerruf erfolgt die Entlassung nach § 38 Satz 1 BBG durch eine entsprechende Verfügung der zuständigen Stelle. 2.2.4. Rücknahme der Ernennung nach § 14 BBG Zuletzt sei hier auf die Möglichkeit der Rücknahme der Ernennung nach § 14 BBG, insbesondere nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG, hingewiesen. Danach ist eine Ernennung mit Wirkung auch für die Vergangenheit unter anderem dann zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei unrichtigen Angaben stets von einer Täuschung auszugehen, unabhängig davon, ob die Ernennungsbe- 14 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, NJW 1975, S. 1641, 1643; BVerwG, Urteil vom 28. April 1983 - 2 C 89/81, Rn. 16. 15 Sauerland in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, 19. Edition, Stand: 1. April 2020, § 37 BBG, Rn. 5. 16 Sauerland in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 19. Edition, Stand: 1. April 2020, § 37 BBG, Rn. 5; Hebeler in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 37, Rn. 2. 17 Hebeler in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 37, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 9 hörde hiernach gefragt hat oder nicht; das Verschweigen von Tatsachen dann, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung erheblich sind oder sein können.18 So wurde eine solche Offenbarungspflicht hinsichtlich der früheren Mitgliedschaft in einer vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Partei angenommen.19 Die arglistige Täuschung muss für die Ernennung ursächlich geworden sein („herbeigeführt“).20 Die Rücknahme erfolgt durch Rücknahmebescheid. Zuständig ist die oberste Dienstbehörde, die die Ernennung innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntwerden vom Grund der Rücknahme zurücknimmt, § 14 Abs. 3 BBG. 2.3. Rechtsprechung Im Folgenden werden ausgewählte Entscheidungen der Rechtsprechung, die sich mit der Verfassungstreuepflicht im Beamtenverhältnis und der Verletzung dieser Pflicht auseinandergesetzt haben und hierin entwickelte Grundsätze dargestellt: Das Bundesverfassungsgericht führt in einer grundlegenden Entscheidung vom 22. Mai 197521 (sogenannter Extremistenbeschluss) zu dieser politischen Treuepflicht insbesondere aus, dass damit nicht eine Verpflichtung, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren, gemeint sei. „Gemeint ist vielmehr die Pflicht zur Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik üben zu dürfen, für Änderungen der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer „unkritischen” Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, daß der Beamte den Staat - ungeachtet seiner Mängel - und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung, so wie sie in Kraft steht, bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Der Beamte, der dies tut, genügt seiner Treuepflicht und kann von diesem Boden aus auch Kritik äußern und Bestrebungen nach Änderungen der bestehenden Verhältnisse - im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und auf verfassungsmäßigen Wegen! - unterstützen. Das Entscheidende ist, daß die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung, auch soweit sie im Wege einer Verfassungsänderung veränderbar 18 Sauerland in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 19. Edition, Stand: 1. April 2020, § 14 BBG, Rn. 8 ff. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 19 Battis in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 14, Rn, 6 mit Nachweis aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. 20 Thomsen in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, 19. Edition, Stand: 1. April 2020; BVerwG, Urteil vom 12. September 1962 - II C 195.61, Rn. 18 ff. (zitiert nach juris). 21 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 10 ist, zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, daß der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Die politische Treuepflicht - Staats- und Verfassungstreue - fordert mehr als nur eine formal korrekte , im übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, daß er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet , daß er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, daß der Beamte Partei für ihn ergreift. Der Staat - und das heißt hier konkreter, jede verfassungsmäßige Regierung und die Bürger - muß sich darauf verlassen können, daß der Beamte in seiner Amtsführung Verantwortung für diesen Staat, für „seinen” Staat zu tragen bereit ist, daß er sich in dem Staat, dem er dienen soll, zu Hause fühlt - jetzt und jederzeit und nicht erst, wenn die von ihm erstrebten Veränderungen durch entsprechende Verfassungsänderungen verwirklicht worden sind.“22 Weiter führt das Gericht aus, dass die hergebrachte Treuepflicht der Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes ein besonderes Gewicht dadurch erhalte, dass diese Verfassung nicht wertneutral sei, sondern sich für zentrale Grundwerte entscheide, sie in ihren Schutz nehme und dem Staat aufgebe, sie zu sichern und sie zu gewährleisten. Die Verfassung treffe Vorkehrungen gegen ihre Bedrohung, sie konstituiere eine wehrhafte Demokratie. „Diese Grundentscheidung der Verfassung schließt es aus, daß der Staat, dessen verfassungsmäßiges Funktionieren von der freien inneren Bindung seiner Beamten an die geltende Verfassung abhängt, zum Staatsdienst Bewerber zuläßt und im Staatsdienst Bürger beläßt, die die freiheitliche demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Der Beamte kann nicht zugleich in der organisierten Staatlichkeit wirken und die damit verbundenen persönlichen Sicherungen und Vorteile in Anspruch nehmen und aus dieser Stellung heraus die Grundlage seines Handelns zerstören wollen. Der freiheitliche demokratische Rechtsstaat kann und darf sich nicht in die Hand seiner Zerstörer geben.“23 Im Hinblick auf die Verletzung der Verfassungstreuepflicht führt das Gericht aus, dass das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, niemals eine Verletzung der Treuepflicht, die dem Beamten auferlegt ist, sein könne. Dieser Tatbestand sei überschritten , wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung ziehe.24 22 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, NJW 1975, S. 1641, 1642. 23 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, NJW 1975, S. 1641, 1642. 24 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, NJW 1975, S. 1641, 1643. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 11 Das Bundesverwaltungsgericht befasste sich in einer Entscheidung vom 27. November 1980 mit der Eignungsbeurteilung des Dienstherrn hinsichtlich der Gewähr der Verfassungstreue eines Beamtenanwärters.25 In diesem Zusammenhang führte das Gericht insbesondere aus, dass die Verfassungstreuepflicht dem Beamten zwar nicht gebiete, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Sie schließe nicht aus, Kritik an Erscheinungen des Staates üben zu dürfen und für eine Änderung der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werde. Die Grenzen einer sich im Rahmen der Verfassung haltenden Kritik würden überschritten , wenn die freiheitliche demokratische Grundordnung offen als nicht erhaltenswert bezeichnet würde.26 Die Entfernung eines Beamten auf Lebenszeit aus dem Dienst sei nur aufgrund eines begangenen konkreten Dienstvergehens möglich. Ein derartiges Dienstvergehen bestehe nicht schon in der “mangelnden Gewähr” des Beamten dafür, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintrete, sondern erst in der nachgewiesenen Verletzung der Treuepflicht. Jene mangelnde Gewähr reiche aber aus, die begehrte Einstellung eines Beamtenbewerbers abzulehnen. Anders als bei der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigten bei der Eignungsbeurteilung bereits berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue eine Ablehnung. Die Zweifel müssten allerdings auf Umständen beruhen, die von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet seien, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung seiner Verfassungstreuepflicht auszulösen. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar seien, schließe nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus. Sie könne aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände des jeweils zu entscheidenden Falls gleichwohl Schlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue rechtfertigen.27 Das Bundesverwaltungsgericht stellte in einem Urteil vom 12. März 1986 fest, dass ein Beamter, der sich aktiv durch die Übernahme von Parteiämtern und Kandidaturen in einer Partei betätigt, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbare Ziele verfolgt, gegen die Verfassungstreuepflicht verstoße.28 Mit dieser politischen Treuepflicht sei es unvereinbar, wenn sich ein Beamter in einer Partei für eine Abkehr von der Verfassung widerstreitenden Zielen einsetze , durch die Übernahme von Kandidaturen und Ämtern aber nach außen hin deren Programm und Politik voll unterstütze und als deren Repräsentant erscheine. Solange diese Abkehr nicht vollzogen ist, so das Gericht, verbiete es die politische Treuepflicht einem Beamten, sich in einer solchen Partei aktiv zu betätigen; dies auch nicht mit dem Ziel, sie zu einer Hinwendung zu den Wertvorstellungen einer freiheitlichen Demokratie zu veranlassen.29 25 BVerwG, Urteil vom 27. November 1980 - 2 C 38/79. 26 BVerwG, Urteil vom 27. November 1980 2 C 38/79, Rn. 27 (zitiert nach juris). 27 BVerwG, Urteil vom 27. November 1980 - 2 C 38/79, Rn. 29 ff. (zitiert nach juris). 28 BVerwG, Urteil vom 12. März 1986 - 1 D 103/84, Rn. 33 (zitiert nach juris). 29 BVerwG, Urteil vom 12. März 1986 – 1 D 103/84, Rn. 91 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 12 In einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2001 stellt das Gericht fest, dass ein Beamter durch die bloße Mitteilung einer Überzeugung noch nicht seine Pflicht zur Verfassungstreue verletze, sondern dies erst dann der Fall sei, wenn aus der politischen Überzeugung des Beamten Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung , für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner Überzeugung ziehe. Pflichtwidrig handele ein Beamter, der zwar kein Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sei, durch konkretes Handeln aber diesen Rechtsschein hervorrufe.30 In einem Urteil vom 17. November 2017 stellte das Bundesverwaltungsgericht insbesondere fest, dass ein Beamter Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung auch durch plakative Kundgabe in Gestalt des Tragens einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt ziehen könne. Die Betätigung einer verfassungsfeindlichen Gesinnung durch "bloße" Tätowierung sei möglich. Zwar stelle eine Tätowierung zunächst nur eine Körperdekorierung dar. Durch diese wird, so das Gericht, der Körper indes bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Mit dem Tragen einer Tätowierung sei eine plakative Kundgabe verbunden, durch die eine mit ihr verbundene Aussage das "forum internum" verlasse. Durch eine Tätowierung erfolge eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst. Dieser komme im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, weil das Motiv in die Haut eingestochen werde und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekenne. Ein Beamter, der sich mit einer Auffassung, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspreche, derart identifiziere, dass er sie sich in die Haut eintätowieren lasse, sei nicht tragbar. Er dokumentiere mit dem Tragen der Tätowierung sein dauerhaftes Bekenntnis zu dieser Anschauung und damit seine Abkehr von der Verfassungsordnung. Eine hieran anknüpfende Disziplinarmaßnahme sanktioniere nicht die innere Haltung und Gesinnung des Beamten, sondern sein äußeres Handeln. Dass sich die Tätowierung in dem beim Tragen von Dienstkleidung sichtbaren Bereich des Körpers befinde, sei nicht erforderlich. Allerdings müsse bei einer nur eingeschränkt sichtbaren Betätigung der Inhalt der gelebten Auffassung von besonderem Gewicht sein, damit die in der Bejahung einer Pflichtverletzung liegende Einschränkung der Meinungsfreiheit in einem angemessenen Verhältnis zur bezweckten Gewährleistung der Verfassungstreue des Beamten stehe.31 3. Beschäftigungsverhältnisse von Tarifbeschäftigten 3.1. Verfassungstreuepflicht Die Pflichten der im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer ergeben sich aus verschiedenen Rechtsquellen, unter anderem den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes, Dienstvereinbarungen sowie dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses ist der gemäß § 611a BGB privatrechtlich geschlossene Arbeitsvertrag mit den darin getroffenen 30 BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15/01, Orientierungssätze (zitiert nach juris) mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1982 - 1 D 3.82, BeckRS 1982, 31254768. 31 BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25/17, Rn. 25 ff. (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 13 Vereinbarungen. Daneben ist für Tarifbeschäftigte des Bundes insbesondere der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) maßgeblich. Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers ist gemäß § 611a BGB die Leistung weisungsgebundener , fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Daneben bestehen aber auch zahlreiche Nebenpflichten. So sieht § 241 Abs. 2 BGB eine Rücksichtnahmepflicht der Vertragspartner vor. Danach kann das Arbeitsverhältnis, wie andere Schuldverhältnisse auch, nach seinem Inhalt jeden Vertragsteil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Mithin sind auch Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers verpflichtet. Aus § 41 Satz 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - Besonderer Teil Verwaltung (TVöD BT-V) ergibt sich, dass Beschäftigte des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen müssen.32 Insoweit stellt dies eine Konkretisierung der allen Arbeitnehmern obliegenden Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dar, auf die berechtigten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen.33 Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass alle Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes insofern einer beamtenähnlichen und somit gesteigerten Verfassungstreuepflicht unterliegen.34 Nach der vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelten sogenannten Funktionstheorie richtet sich das Maß der Verfassungstreuepflicht der im öffentlichen Dienst Beschäftigten nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der den Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen ist.35 Daher muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Aufgaben, die dem Beschäftigten übertragen sind, und der staatlichen Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers entschieden werden, in welchem Maße der Beschäftigte der Verfassungstreuepflicht unterliegt . Die Beschäftigten schulden lediglich das Maß an politischer Loyalität, welches für die funktionsgerechte Verrichtung ihrer Tätigkeit unverzichtbar ist. Dabei differenziert die Rechtsprechung je nach Aufgabenstellung zwischen einer gesteigerten politischen Treuepflicht etwa bei Lehrern und Erziehern und einer einfachen politischen Treuepflicht, die von den Beschäftigten lediglich verlangt, ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufzubringen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung und ihre Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. 3.2. Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Kündigung Wird diese Loyalitätspflicht verletzt, kann sich hieraus ein Kündigungsgrund ergeben. Bei Tarifbeschäftigten des Bundes richtet sich die Wirksamkeit einer Kündigung maßgeblich nach den 32 Diese Verfassungstreuepflicht gilt nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), wobei diese für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gleichermaßen gilt. 33 Zu § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L: BAG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 AZR 372/11, Rn. 16 (zitiert nach juris). 34 BAG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 AZR 372/11, Rn. 17 (zitiert nach juris). 35 Diese Grundsätze wurden vom Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 31. März 1976 - 5 AZR 104/74, Rn. 41 ff. (zitiert nach juris) entwickelt und später als Funktionstheorie bezeichnet: unter anderem in: BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09, Rn. 29 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 14 Kündigungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), sowie den Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst.36 3.2.1. Ordentliche Kündigung Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eine Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. § 1 Abs. 2 KSchG sieht betriebs-, verhaltens-, und personenbedingte Gründe als Kündigungsgründe vor. Im Zusammenhang Verletzungen der Verfassungstreuepflicht kann einerseits eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen und andererseits kann dies die fehlende Eignung des Beschäftigten begründen und damit eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. 3.2.2. Verhaltensbedingte Kündigungsgründe Eine verhaltensbedingte Kündigung knüpft an das Verhalten des Arbeitnehmers an und setzt voraus, dass ein dem Arbeitnehmer vorwerfbares und steuerbares Verhalten zu einer schuldhaften Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht führt.37 Mithin kann dies auch durch die schuldhafte Verletzung der dem Tarifbeschäftigten obliegenden Verfassungstreuepflicht erfolgen. Maßgeblich ist insoweit sowohl das inner- als auch das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers . In letzterem Fall liegt ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund allerdings nur vor, wenn das Arbeitsverhältnis konkret durch das im außerdienstlichen Bereich liegende Verhalten des Arbeitnehmers - sei es im Leistungsbereich, im Bereich der Verbundenheit aller bei der Dienststelle beschäftigten Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich oder im behördlichen Aufgabenbereich - beeinträchtigt wird.38 Grundsätzlich bedarf es bei einer verhaltensbedingten Kündigung einer Abmahnung. Das Bundesarbeitsgericht hat, ausgehend vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Grundsätze zur Abmahnung entwickelt. Die Abmahnung hat sowohl Rüge- als auch Warnfunktion. Mit einer Abmahnung soll dem Arbeitnehmer einerseits verdeutlicht werden, dass er eine Pflichtverletzung begangen hat, und andererseits zu erkennen gegeben werden, dass eine erneute Pflichtverletzung zu individualrechtlichen Konsequenzen führen kann. Eine Abmahnung ist lediglich dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder es sich um eine derart schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Rechtswidrigkeit für den 36 Die ersten sechs Monate der Beschäftigung gelten nach § 2 Abs. 4 TVÖD als Probezeit. Die Regelungen zu sozial ungerechtfertigten Kündigungen nach dem Kündigungsschutzgesetz finden keine Anwendung, da diese erst gelten, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate gedauert hat, § 1 Abs. 1 KSchG; vgl. Powietzka in: Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 13, 2020, Rn. 15. Nach § 34 Abs. 2 TVöD kann das Arbeitsverhältnis von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Mithin ist insoweit die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen. 37 Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 1 KSchG, Rn. 188 f.; vgl. BAG Urteil vom 3. November 2011 - 2 AZR 748/10, Rn. 20 ff. (zitiert nach juris). 38 BAG, Urteil vom 28. September 1989 - 2 AZR 317/86, Rn. 38 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 15 Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.39 3.3. Personenbedingte Kündigungsgründe Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund persönlichen Fähigkeiten oder Eigenschaften nicht mehr in der Lage ist, künftig eine vertragsgerechte Leistung zu erbringen.40 Insofern kommt es auch auf ein Verschulden des Arbeitnehmers nicht an und es ist anders als bei der verhaltensbedingten Kündigung keine Abmahnung erforderlich .41 Im öffentlichen Dienst kann sich ein solcher Eignungsmangel aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Tarifbeschäftigten ergeben. Der öffentliche Arbeitgeber muss, so das Bundesarbeitsgericht, keine Arbeitnehmer beschäftigen, die das ihnen abzuverlangende Maß an Verfassungstreue nicht jederzeit aufbringen. Dadurch wird die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gesichert. Daher bedarf es, so das Gericht, keines Nachweises weitergehender Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses.42 3.3.1. Interessenabwägung In beiden Fällen muss im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt werden, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an einer Weiterbeschäftigung überwiegt.43 3.3.2. Außerordentliche Kündigung Ferner kann auch eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber in Betracht kommen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB gilt unabhängig von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes für alle Dienst- und Arbeitsverhältnisse. Mit der außerordentlichen Kündigung kann ein Arbeitsverhältnis beendet werden, selbst wenn eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB, bei der das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, ist möglich, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 39 Niemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 626 BGB, Rn. 29 ff. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 40 Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 1 KSchG, Rn. 99. 41 Reidel in: Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst, 6. Auflage 2020, Rn. 2107. 42 BAG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 AZR 372/11, Rn. 35. 43 Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 1 KSchG, Rn. 82 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 16 und 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine zweistufige Prüfung zur Feststellung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung erforderlich. Zunächst muss losgelöst von den besonderen Umständen des Einzelfalls ein typischerweise „an sich“ geeigneter wichtiger Grund vorliegen. Alsdann ist im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht.44 Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen . Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen.45 3.4. Beendigung durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Wie jeder zivilrechtliche Vertrag kann auch der Arbeitsvertrag durch Anfechtung zum Erlöschen kommen. Da Art. 33 Abs. 2 GG für den Zugang zu allen öffentlichen Ämtern die Forderung nach Eignung, Befähigung und Leistung aufstellt, kann im Zusammenhang mit mangelnder Verfassungstreue dann, wenn die Einstellung mittels arglistiger Täuschung bewirkt wurde, die Einstellung anfechtbar sein, § 123 Abs. 1 BGB. Allerdings zwingt die Funktionstheorie zu berücksichtigen , dass auch bei der Einstellung der zulässige Fragenkatalog durch die vorgesehene Funktion des Betroffenen und das daraus resultierende Maß seiner ihm obliegenden Verfassungstreue determiniert wird.46 3.5. Rechtsprechung Die Frage, in welchen Fällen die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses im öffentlichen Dienst bei extremistischer Betätigung wirksam ist, kann nicht verallgemeinernd beantwortet werden . Insoweit sind die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Anhand ausgewählter 44 Vgl. etwa BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09, Rn. 16 (zitiert nach juris) mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 45 BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09, Rn. 34 (zitiert nach juris) mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 46 Siems, Der Umgang mit Extremismus im Öffentlichen Dienst, DÖV 2014, S. 338, 342; BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09, Rn. 34 ff. (zitiert nach juris) mit weiteren Nachweisen aus seiner Rechtsprechung und aus der Literatur. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 17 zentraler beziehungsweise aktueller Entscheidungen der Judikatur, soll folgend für Tarifbeschäftigte dargestellt werden, nach welchen Maßstäben die Rechtsprechung entsprechende Kündigungen bewertet hat. So befasste sich das Bundesarbeitsgericht sich seinem Urteil vom 12. Mai 2011 mit der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Verwaltungsangestellten in der Oberfinanzdirektion wegen fehlender Verfassungstreue.47 Das Gericht führte in seiner Entscheidung insbesondere aus, dass bei politischer Betätigung eines Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für eine verfassungsfeindliche Partei oder Organisation, insbesondere bei einem Eintreten für deren verfassungsfeindliche Ziele, eine Kündigung sowohl unter verhaltensbedingten als auch unter personenbedingten Gesichtspunkten in Betracht komme. Die tarifvertragliche Regelung zur Verfassungstreue bedeute gleichwohl nicht, dass allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ohne Bezug zu der jeweils auszuübenden Tätigkeit eine Pflicht zur Verfassungstreue obliege. Vielmehr ergebe sich das Maß der einem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes obliegenden Verfassungstreuepflicht aus seiner Stellung und dem Aufgabenkreis, der ihm laut Arbeitsvertrag übertragen ist. „Trifft den Arbeitnehmer nach der ihm übertragenen Funktion keine Pflicht zu gesteigerter Loyalität, ist er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, jederzeit und auch außerdienstlich aktiv für den Bestand der politischen Ordnung des Grundgesetzes einzutreten. Je nach Stellung und Aufgabenkreis kann er die Verfassung schon dadurch „wahren“, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung jedenfalls nicht aktiv bekämpft […].“48 Diesen Grundsätzen sei auch bei der Ausübung des Fragerechts im Zusammenhang mit der Einstellung Rechnung zu tragen. Dränge sich dem Arbeitnehmer bei seiner Einstellung auf, dass er wegen seines politischen Engagements nicht in der Lage sein werde, das für die angestrebte Tätigkeit erforderliche Maß an Verfassungstreue aufzubringen, und versäume er es bewusst, diesen Umstand zu offenbaren, könne dies den Arbeitgeber unabhängig von Inhalt und Umfang einer Belehrung zur Verfassungstreue zur Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigen.49 Das Bundesarbeitsgericht führte in einem Urteil vom 6. September 2012 aus, dass Zweifel an der Verfassungstreue mit der Folge eines Eignungsmangels nicht schon dann anzunehmen seien, wenn ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Anhänger einer verfassungsfeindlichen Partei oder einer sonstigen verfassungsfeindlichen Organisation ist.50 Zwar könnten Mitgliedschaft in und aktives Eintreten für eine solche Partei Indizien für eine fehlende Bereitschaft zur Verfassungstreue sein. Derartige Umstände führten aber selbst bei Arbeitnehmern, die gesteigerten Loyalitätsanforderungen unterliegen, nicht ohne weiteres zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung . Verbreite ein Arbeitnehmer über das Internet einen Demonstrationsaufruf, dessen Verfasser bei sachgerechter Deutung der in dem Aufruf enthaltenen Äußerungen für einen gewaltsamen Umsturz eintreten würden, berechtige dies allerdings zu der Annahme, der Arbeitnehmer bringe 47 BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09. 48 BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09, Rn. 30 (zitiert nach juris). 49 BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09, Rn. 32 ff. (zitiert nach juris). 50 BAG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 AZR 372/11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 069/20 Seite 18 das für seine Beschäftigung im Dienst der Finanzverwaltung eines Bundeslandes erforderliche Mindestmaß an Verfassungstreue nicht auf. Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Mitarbeiters bei einem IT-Dauerdienst , der beim Landeskriminalamt angesiedelt war, wurde vom Landesarbeitsgericht Thüringen 2018 verneint.51 Der Mitarbeiter nahm an einer Diskussion im öffentlich einsehbaren Teil von Facebook teil und bezeichnete darin Muslime als „Pfeifen“ und „Abschaum“. Einen Bezug zum Arbeitgeber ließ seine Facebook-Seite nicht erkennen. Die außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen wurde für unverhältnismäßig erklärt, da es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen wäre, die Vertragsstörung zunächst mit einer Abmahnung zu beheben. Angesichts des 17-jährigen Bestandes des Arbeitsverhältnisses ging die Interessenabwägung daher zugunsten des Arbeitnehmers aus und die außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen wurde für unwirksam erklärt. Das Gericht gelangte aber zu dem Ergebnis, dass ein personenbedingter Kündigungsgrund vorliege, da im Sinne des Thüringer Sicherheitsüberprüfungsgesetzes neben Zweifeln an der Zuverlässigkeit angesichts seiner rassistischen Einstellungen begründete Anhaltspunkte für Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden. Allerdings hielt das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang nur eine ordentliche Kündigung für zulässig. Da der Arbeitgeber den Personalrat lediglich zur außerordentlichen Kündigung angehört, aber kein Mitbestimmungsverfahren für eine ordentliche Kündigung durchgeführt hatte, war diese ordentliche Kündigung wegen fehlerhafter Personalratsbeteiligung unwirksam. Die Revision gegen das Urteil wurde vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.52 *** 51 Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14. November 2018 - 6 Sa 2014/18. 52 BAG, Urteil vom 27. Juni 2019 - 2 AZR 28/19.