© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 068/20 Arbeitsschutz in der Fleischwirtschaft Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 2 Arbeitsschutz in der Fleischwirtschaft Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 068/20 Abschluss der Arbeit: 4. August 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Arbeitsschutz und Unfallverhütung 5 2.1. Rechtliche Grundlagen 5 2.2. Überwachung 6 3. Zusammenarbeit mit anderen Behörden 7 4. Bußgeldvorschriften 10 5. Strafvorschriften 12 6. Fazit 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland sind in der Fleischwirtschaft circa 300.000 Beschäftigte in über 15.000 Betrieben tätig. Damit liefert die Branche der Fleischwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und die Betriebe stellen einen bedeutenden Zweig der deutschen Wirtschaft dar. Aktuell ist der Wirtschaftszweig der Fleischwirtschaft im Hinblick auf die dort vorherrschenden Arbeitsbedingungen verstärkt in die Kritik geraten, insbesondere durch die zuletzt gehäuft aufgetretenen Infektionen von Beschäftigten in Schlachtbetrieben mit COVID 19. Vor diesem Hintergrund kommt dem Arbeitnehmerschutz der Beschäftigten in der Fleischindustrie eine besondere Bedeutung zu. Arbeitsschutz und Unfallverhütung haben unterschiedliche Rechtsgrundlagen und Überwachungssysteme . In Deutschland ist der Arbeitsschutz den staatlichen Behörden übertragen, während die Unfallverhütung Aufgabe der Unfallversicherungsträger ist ("duales System"). Die Grundlage für den Arbeitsschutz bilden das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sowie die darauf basierenden Rechtsvorschriften. Sie sind wesentlich vom Recht der Europäischen Union geprägt. Staatliche Behörden (in der Regel Landesbehörden) beraten und überwachen die Einhaltung dieser Rechtsvorschriften. An dieser Stelle kann nur auf die Rechtslage auf Bundesebene eingegangen werden. Darüber hinaus gehende Informationen dokumentieren die Internetseiten der jeweiligen zuständigen Ämter beziehungsweise Aufsichtsbehörden in den einzelnen Bundesländern. Die Unfallverhütung beruht in der Praxis auf eigenständigen Unfallverhütungsvorschriften, die von den Unfallversicherungsträgern erlassen werden. Unfallversicherungsträger sind in erster Linie die gewerblichen Berufsgenossenschaften. Sie beraten und überwachen gleichzeitig die Einhaltung dieser Vorschriften. Als Arbeitnehmerschutz beziehungsweise Arbeitsschutz werden alle Maßnahmen, Mittel und Methoden zum Schutz der Beschäftigten vor arbeitsbedingten Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen verstanden. Das angestrebte Ziel ist die Verhütung von Arbeitsunfällen und der Schutz der Gesundheit aller Beschäftigten. Der allgemeine Arbeitsschutz soll Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer schützen, ihre Arbeitskraft erhalten, sowie die Arbeit menschengerecht gestalten. Elementare Sicherheitsvorschriften, welche die Arbeitnehmer vor erheblichen Gesundheitsgefahren schützen sollen, sind daher von diesen unbedingt einzuhalten.1 Für die Einhaltung der Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften ist allein der Arbeitgeber verantwortlich.2 1 Diesem Sachstand liegen zum Teil frühere Beiträge der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zur selben Thematik zugrunde. 2 Pelz in: Kollmer/Klindt/Schucht, Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 25 ArbSchG, Rn. 120. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 5 2. Arbeitsschutz und Unfallverhütung 2.1. Rechtliche Grundlagen Die gesetzliche Grundlage des Arbeitsschutzes bilden das Arbeitsschutzgesetz, das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG). Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Gesetze und Verordnungen (zum Beispiel Geräte- und Produktsicherheitsgesetz, Chemikaliengesetz, Arbeitsstättenverordnung , Betriebssicherheitsverordnung, Gefahrstoffverordnung). Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet jeden Arbeitgeber, für eine angemessene arbeitsmedizinische Betreuung seiner Mitarbeiter zu sorgen. Daneben erlassen die Unfallversicherungsträger gemäß §§ 14 ff. SGB VII Unfallverhütungsvorschriften (UVVen), deren Einhaltung von den Aufsichtsdiensten der Unfallversicherungsträger überprüft wird. Unterhalb dieser Vorschriftenebene haben die Fachbereiche und Sachgebiete der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zudem ein umfassendes Regelwerk (Regeln, Informationen und Grundsätze) zur Unterstützung der Unternehmer und Versicherten bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten im Bereich Sicherheit und Gesundheit erarbeitet. Für die Fleischwirtschaft hat das Sachgebiet Fleischwirtschaft des Fachbereichs Nahrungsmittel diverse Informationsschriften sowie die DGUV Regel 110-008 – Arbeiten in der Fleischwirtschaft – für die Unternehmen erarbeitet. Diese sind abrufbar unter: https://www.dguv.de/fb-nahrungsmittel/sachgebiete/fleischgewinnung/index.jsp. Konkret fordert das Arbeitsschutzgesetz gemäß §§ 3 ff. ArbSchG in einem präventiven Ansatz auch für die Arbeitsplanung Gefährdungsbeurteilungen für alle Arbeitsplätze, eine auf diesen Beurteilungen basierende Festlegung von Arbeitsschutzmaßnahmen, die Umsetzung dieser Maßnahmen und Wirksamkeitskontrollen. Daraus ergibt sich für den Arbeitgeber die Aufgabe, durch Fehlbelastungen verursachte Gefährdungen zu vermeiden sowie arbeitsbedingten Erkrankungen vorzubeugen. Um den notwendigen Anforderungen an den Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Krise gerecht zu werden, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 16. April 2020 den allgemeinen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard („Corona-Arbeitsschutzstandard“) veröffentlicht.3 Mit dem Corona-Arbeitsschutzstandard sollen alle Beschäftigten bundesweit nach einheitlichen Kriterien geschützt werden. Der Corona-Arbeitsschutzstandard sieht technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen vor, die von den Betrieben umzusetzen sind. Der allgemeine Corona-Arbeitsschutzstandard wird branchenspezifisch durch die Unfallversicherungsträger konkretisiert . Für die Branche der Fleischwirtschaft hat die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) für die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG den allgemeinen Corona-Arbeitsschutzstandard entsprechend ergänzt.4 3 Abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard .pdf, zuletzt abgerufen am 15. Juli 2020. 4 Abrufbar unter: https://www.bgn.de/?storage=3&identifier=%2F604628&eID=sixomc_filecontent &hmac=9436b9ccddde9e45b6e220f6c8dda395340a5e79, zuletzt abgerufen am 15. Juli 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 6 Neben den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zum Arbeitsschutz ergeben sich auch Schutzpflichten des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag gemäß § 618 Bürgerliches Besetzbuch (BGB). Danach hat der Arbeitgeber gemäß § 618 Abs. 1 BGB Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten, und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln , dass der Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Gerade in Bezug auf das Risiko einer Infektion mit SARS- CoV-2 kommt auch der Erweiterung der Schutzpflicht gemäß § 618 Abs. 2 BGB Bedeutung zu. Danach hat der Arbeitgeber unter anderem in Ansehung des Wohn- und Schlafraums sowie der Verpflegung diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit des Arbeitnehmers erforderlich sind, wenn dieser in die „häusliche Gemeinschaft “ aufgenommen ist. Davon werden auch arbeitgeberseitig organisierte Gemeinschaftsunterkünfte erfasst.5 Die in § 618 BGB festgelegten Fürsorgepflichten sind nach § 619 BGB unabdingbar. Dem Arbeitgeber ist es folglich nicht möglich, sich auf arbeitsvertraglicher Grundlage seinen diesbezüglichen Fürsorgepflichten zu entziehen.6 2.2. Überwachung Die Überwachung des Arbeitsschutzes ist in § 21 ArbSchG geregelt. Danach ist die Überwachung grundsätzlich staatliche Aufgabe. Demzufolge ist der Gesetzgeber schon von Rechts wegen verpflichtet , die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutzpflichten zu gewährleisten.7 Alle Arbeitsschutzgesetze und -verordnungen des Bundes werden von den Bundesländern ausgeführt . Sie überwachen die Einhaltung der Bestimmungen durch ihre Gewerbeaufsicht und können gemäß § 22 ArbSchG auch bestimmte Maßnahmen anordnen. Bei Verstößen gegen entsprechende Vorschriften können Bußgelder nach § 25 ArbSchG verhängt werden. Oberste Landesbehörden sind in der Regel die Landesminister oder Senatoren für Arbeit. Die Durchführung des betrieblichen Arbeitsschutzes und die Überwachung der Einhaltung der Gesetze und Verordnungen des Staates obliegt den Staatlichen Ämtern für Arbeitsschutz beziehungsweise den Gewerbeaufsichtsämtern. Sie sind jedoch nicht nur als Überwachungsbehörde tätig, sondern beraten auch präventiv. Als Bundesoberbehörde ist zudem die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung angesiedelt. 5 Seiwerth/Witschen in: Die Dreifachwirkung des Arbeitsschutzrechts gegen Risiken der Corona-Pandemie, NZA 2020, Rn. 826, 827. 6 Aligbe in: Die Durchsetzbarkeit arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen bzw. die Reaktionsmöglichkeiten des Beschäftigten bei Verstößen des Arbeitgebers, ArbRAktuell 2019, Rn. 456. 7 Aligbe in: Die Durchsetzbarkeit arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen bzw. die Reaktionsmöglichkeiten des Beschäftigten bei Verstößen des Arbeitgebers, ArbRAktuell 2019, Rn. 457, 458. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 7 Der staatliche Arbeitsschutz wird durch den Arbeitsschutz, der von den Berufsgenossenschaften und anderen Unfallversicherungsträgern nach den Vorschriften des SGB VII geleistet wird, ergänzt . Dieser Arbeitsschutz wird auch selbstverwalteter Arbeitsschutz genannt, weil hier Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Selbstverwaltung bei den Unfallversicherungsträgern die Arbeitsschutzmaßnahmen selbst bestimmen und durchführen. Staatlicher und selbstverwalteter Arbeitsschutz wirken bei der Überwachung des Arbeitsschutzes in den Unternehmen eng zusammen und fördern den Erfahrungsaustausch. Sie unterrichten sich gegenseitig über durchgeführte Betriebsbesichtigungen und deren wesentliche Ergebnisse (§ 21 Abs. 3 ArbSchG und § 20 Abs. 1 SGB VII). Die zuständige Arbeitsschutzbehörde kann gemäß § 22 Abs. 3 ArbSchG im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen zu treffen haben, um die sich aus dem Arbeitsschutzgesetz und den darauf beruhenden Rechtsverordnungen ergebenen Verpflichtungen zu erfüllen. Diese können dann auch mit Mitteln des Verwaltungszwanges durchgesetzt werden. Weiterhin ist der Verstoß gegen vollziehbare Anordnungen nach § 22 Abs. 3 ArbSchG gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbSchG bußgeldbewehrt und kann sogar bei beharrlicher Wiederholung auch den Tatbestand einer Straftat nach § 26 Nr. 1 ArbSchG erfüllen.8 Jedoch enthält das Arbeitsschutzgesetz selbst nur sehr wenige Tatbestände für Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Dagegen finden sich Bußgeldtatbestände und Straftatbestände in den aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen. Diese können dann ebenfalls entsprechend sanktioniert werden.9 3. Zusammenarbeit mit anderen Behörden Der Arbeitgeber ist gemäß § 23 Abs. 1 ArbschG verpflichtet, den für den Arbeits- und Gesundheitsschutz zuständigen Behörden die Daten, die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich sind, mitzuteilen. Die Arbeitsschutzbehörden können die ihnen bei den Revisionen zur Kenntnis gelangenden Daten und betrieblichen Verhältnisse, soweit sie arbeitsschutzrelevante Tatsachen beinhalten, an die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung weiterleiten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Beschäftigten eine optimale Abschirmung vor Gefahren für Leben und Gesundheit erhalten.10 Im Gegenzug kommt den mit der Überwachung beauftragten Personen eine besondere Geheimhaltungspflicht der offenbarten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach § 23 Abs. 2 ArbSchG zu. Eine Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist nur dann zulässig, wenn Behör- 8 Aligbe in : Die Durchsetzbarkeit arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen bzw. die Reaktionsmöglichkeiten des Beschäftigten bei Verstößen des Arbeitgebers, ArbRAktuell 2019, Rn. 457, 458. 9 Aligbe in : Die Durchsetzbarkeit arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen bzw. die Reaktionsmöglichkeiten des Beschäftigten bei Verstößen des Arbeitgebers, ArbRAktuell 2019, Rn. 458. 10 Baßlsperger in: Kollmer/Klindt/Schucht, Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 23 ArbSchG, Rn. 2, 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 8 den, Körperschaften des öffentlichen Rechts oder sonstige Dienststellen um Auskünfte, Mitteilungen , oder Zusendung von Unterlagen bitten, sofern sie „unmittelbar oder zumindest in Durchführung des Arbeitsschutzes“ tätig werden.11 Die Verpflichtung zur Geheimhaltung nach § 23 Abs. 2 ArbSchG steht unter dem Vorbehalt der Anzeige von Gesetzwidrigkeiten. Mitteilungen über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse können also an die Staatsanwaltschaft, Polizei oder sonstige Verfolgungsbehörden gehen. Die Bekanntgabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist allerdings nur dann erlaubt, wenn es um die Verfolgung von rechtswidrigen Handlungen im Bereich des Arbeitsschutzes geht. Eine Gesetzwidrigkeit liegt in erster Linie dann vor, wenn eine Straftat begangen wurde. Weiterhin tritt die Geheimhaltungspflicht zurück, wenn nach den Feststellungen des Gewerbeaufsichtsbediensteten auf Grund von schwerwiegenden Verstößen gegen Vorschriften auch außerhalb des Fachbereichs Arbeitsschutz unmittelbare Gefahren für Leib oder Leben von Personen oder für Sachgüter drohen. Gesetzwidrigkeiten im Sinne von. § 23 Abs. 2 ArbSchG sind auch Ordnungswidrigkeiten. Auch hier muss ein thematischer Bezug zum arbeitsschutzspezifischen Begriff der Gesetzwidrigkeit vorliegen.12 Verletzt der Gewerbeaufsichtsbeamte seine Verschwiegenheitspflicht, so kann dies nicht nur disziplinarische , sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Der Gewerbeaufsichtsbeamte muss also bei Prüfung der Frage, ob er ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis nach außen hin mitteilen darf, stets darauf bedacht sein, dass ein Ausnahmetatbestand von der Pflicht zur Geheimhaltung auch tatsächlich vorliegt.13 Die Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen an spezielle Verwaltungsträger ist gemäß § 23 Abs. 3 ArbSchG ausdrücklich gestattet. Soweit sich im Einzelfall für die für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden konkrete Anhaltspunkte für eine illegale Betätigung ergeben , müssen die Arbeitsschutzbehörden gemäß § 23 Abs. 3 ArbSchG die für die Verfolgung und Ahndung dieser Verstöße zuständigen Behörden unterrichten.14 Der Begriff der illegalen Betätigung ist gesetzlich nicht definiert. Hierunter fällt im Wesentlichen jede Erwerbstätigkeit, bei der gegen einschlägige öffentlich-rechtliche Verpflichtungen verstoßen 11 Baßlsperger in: Kollmer/Klindt/Schucht, Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 23 ArbSchG, Rn. 26, 27. 12 Baßlsperger in: Kollmer/Klindt/Schucht, Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 23 ArbSchG, Rn. 28-30. 13 Baßlsperger in: Kollmer/Klindt/Schucht, Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 23 ArbSchG, Rn. 54, 56. 14 Baßlsperger in: Kollmer/Klindt/Schucht, Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 23 ArbSchG, Rn. 35. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 9 wird. Der Tatbestand der illegalen Betätigung ist stets dann erfüllt, wenn Schwarzarbeit vorliegt , Ausländer illegal beschäftigt, Sozialabgaben vorenthalten oder Steuern hinterzogen werden .15 Soweit sich konkrete Anhaltspukte für Verstöße im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 1 bis 7 ArbSchG gegen die dort genannten Vorschriften ergeben, unterrichten die zuständigen Behörden die für die Verfolgung verantwortlichen Verwaltungsträger, die dann gegebenenfalls bei Verstößen gegen die entsprechenden Vorschriften ein Ordnungswidrigkeitsverfahren in eigener Zuständigkeit einleiten können, beispielsweise gemäß § 111 SGB IV bei Verstößen gegen die Meldepflicht oder bei Verstößen nach § 8 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwArbG). Im Einzelnen sind gemäß § 23 Abs. 3 ArbSchG dabei folgende Vorschriften zu beachten: – § 90 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) – § 13 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwArbG) – § 18 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) – § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) – § 64 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) – § 405 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) – § 113 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) – § 305 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – § 321 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) – § 211 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) – Steuerrechtliche Vorschriften Als potentielle Informationsempfänger kommen je nach Art des Verstoßes danach folgende Behörden in Betracht: Die Bundesagentur für Arbeit, die Hauptzollämter, Finanzbehörden, Sozialversicherungsträger, Kreisverwaltungsbehörden, Gewerbeaufsichtsbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft. Weiterhin sind auch die Vorschriften des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (§§ 18, 22 AEntG) sowie die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (§ 17 sowie §§ 22 und 23 ArbZG) zu beachten. 15 Baßlsperger in: Kollmer/Klindt/Schucht, Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 23 ArbSchG, Rn. 66. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 10 4. Bußgeldvorschriften Art. 4 Abs. 1 der europäischen Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG16 verpflichtet die Mitgliedstaaten, Arbeitsschutzpflichten effektiv durchzusetzen. Dies geschieht nicht nur durch präventive Aufsicht, sondern auch repressiv durch Ahndung begangener Verstöße. § 25 ArbSchG regelt als zentrale Bußgeldvorschrift des Arbeitsschutzrechts lediglich zwei Tatbestände . Zum einen wird in § 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG auf Arbeitsschutzverordnungen nach §§ 18 und 19 ArbSchG, die selbst entsprechende Bußgeldtatbestände enthalten, verwiesen. In § 25 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG werden zum anderen Verstöße gegen konkrete aufsichtsbehördliche Anordnungen im Einzelfall sanktioniert. Die speziellen Bußgeldtatbestände finden sich somit dort, wo auch die sanktionierten Pflichten geregelt sind: in den auf Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes erlassenen Arbeitsschutzverordnungen . Folgende Arbeitsschutzverordnungen enthalten entsprechende Bußgeldtatbestände: – § 9 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) – § 22 Abs. 1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) – § 10 Abs. 1 Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) – § 7 Abs. 1 Baustellenverordnung (BaustellV) – § 20 Abs. 1 Biostoffverordnunng (BioStoffV) – § 6 Abs. 1 Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) – § 16 Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) – § 11 Abs. 1 Arbeitsschutzverordnung zu künstlich optischer Strahlung (OStrV) – § 22 Abs. 1 elektromagnetischen Feldern (EMFV) – § 22 Abs. 1 Druckluftverordnung (DruckluftV) – §§ 21, 22 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) – § 7 Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) Die Aufzählung der unmittelbar als Ordnungswidrigkeit zu ahndenden Pflichtverletzungen in den jeweiligen Verordnungen ist abschließend. Es ist folglich nicht möglich, vergleichbare Verstöße ebenfalls nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG zu ahnden. Möglich ist nur eine Ahndung nach 16 Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31989L0391:DE:HTML, zuletzt abgerufen am 20. Juli 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 11 § 25 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG, wenn die Aufsichtsbehörde zuvor eine vollziehbare Anordnung erlassen hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Anordnung bestandskräftig oder nach § 80 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für sofort vollziehbar erklärt worden ist.17 Gegen den Arbeitgeber kann auch ein Bußgeld verhängt werden, wenn er Arbeitsschutzverstöße im Betrieb schuldhaft nicht verhindert, ohne dass ihm hinsichtlich der konkreten Pflichtverletzung ein eigenes Verschulden nachgewiesen werden kann. Im arbeitsschutzrechtlichen Kontext geht es dabei um Fälle, in denen der Betriebsinhaber Pflichten wirksam delegiert hat und deshalb als Täter ausscheidet, weil er nicht selbst gehandelt hat und nach der innerbetrieblichen Arbeitsteilung für die Erfüllung dieser Pflicht auch nicht (mehr) zuständig war. Als Inhaber ist der Arbeitgeber jedoch immer verpflichtet, seinen Betrieb so zu organisieren, dass es nicht zur Verletzung von Arbeitsschutzpflichten kommt. In Verbindung mit § 9 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) können auf diesem Wege wiederum auch verantwortliche Personen im Sinne des § 13 Abs. 1 ArbSchG für eine unzureichende Betriebsorganisation in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verantwortung gezogen werden. Der von der Ordnungswidrigkeit betroffene Beschäftigte kann hingegen nicht mit einem Bußgeld belangt werden, sofern er selbst nicht der Träger einer Verpflichtung nach den §§ 15 ff. ArbSchG ist. Eine eventuelle Einwilligung des betroffenen Beschäftigten in einen Pflichtenverstoß des Arbeitgebers ist für diesen oder für die verantwortlichen Personen kein Rechtfertigungsgrund, da der Beschäftigte auf die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen nicht wirksam verzichten kann.18 Soweit Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei Verstößen gegen arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, führt die jeweils zuständige Verwaltungsbehörde die bußgeldrechtliche Ahndung nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 35 OWiG durch. Nach § 17 Abs. 2 OWiG in Verbindung mit § 25 Abs. 2 ArbSchG beträgt bei fahrlässigen Taten das Höchstmaß der zu verhängenden Geldbuße die Hälfte des für Vorsatztaten angedrohten Höchstbetrages. Bei wirtschaftlichen Vorteilen kann die zu verhängende Geldbuße dieses Höchstmaß überschreiten. Die Geldbuße darf jedoch auch in diesem Fall nicht höher sein als der wirtschaftliche Vorteil aus der Ordnungswidrigkeit zuzüglich des angedrohten Höchstmaßes der Geldbuße. Zur länderübergreifenden Vereinheitlichung der Verfolgung hat der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) Bußgeldkataloge zur Arbeitsstättenverordnung (LASI LV 56)19, zur Biostoffverordnung (LASI LV 61)20 und zur Betriebssicherheitsverordnung 17 Wiebauer in: Strafbarkeit und bußgeldrechtliche Ahndung von Arbeitsschutzverstößen (Teil 1), ArbRAktuell 2017, Rn. 534 ff. 18 Ambs, Häberle in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 230. Ergänzungslieferung Mai 2020, § 25 ArbSchG, Rn. 5. 19 Abrufbar unter: https://lasi-info.com/uploads/media/LV56-Bussgeld_Arbeitsstaette.pdf, zuletzt abgerufen am 21. Juli 2020. 20 Abrufbar unter: https://lasi-info.com/uploads/media/lv61.pdf, zuletzt abgerufen am 21. Juli 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 12 (LASI LV 62)21 herausgegeben. Diese Bußgeldkataloge entfalten für die Gerichte jedoch keine Bindungswirkung .22 5. Strafvorschriften Während die Bußgeldtatbestände nach § 25 ArbSchG einmalige und einfache Verstöße gegen bestimmte Arbeitsschutzverordnungen sanktionieren, regelt § 26 ArbSchG als Straftatbestand Qualifizierungen dieser Verstöße, entweder durch beharrliche Wiederholung (§ 26 Nr. 1 ArbSchG) oder durch die besondere Gefährdung von Leben oder Gesundheit eines Beschäftigten (§ 26 Nr. 2 ArbSchG).23 Die beharrliche Wiederholung setzt voraus, dass gegen eine Arbeitsschutzvorschrift mehrfach aus Gleichgültigkeit oder vorsätzlich verstoßen wird. Ein einmaliges Zuwiderhandeln reicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „beharrlich“ nicht aus. Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung der Umstände, wobei eine bereits erfolgte Handlung oder Abmahnung sich erschwerend auswirkt. Eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit eines Beschäftigten nach § 26 Nr. 2 ArbSchG erfordert das Eintreten einer konkreten Gefahr durch die Tathandlung. Es muss eine Wahrscheinlichkeit für den Schadenseintritt bestehen, eine abstrakte Gefährdung genügt nicht. Allerdings muss sich der Vorsatz nicht auf den zu erwartenden Schadenseintritt beziehen , jedoch auf die Gefährdung der Gesundheit oder das Leben eines Beschäftigten (Gefährdungsvorsatz ). Eine Gefährdung des Lebens liegt vor, wenn der Beschäftigte durch die Tathandlung in die konkrete Gefahr des Todes gebracht wird. Gesundheit ist der unversehrte körperliche, geistige oder psychische Zustand eines Menschen. Eine drohende Gesundheitsschädigung setzt voraus, dass durch die Tathandlung eine nicht nur geringfügige Verschlechterung des allgemeinen Wohlbefindens und ein pathologischer, krankheitswertiger Zustand herbeigeführt oder gesteigert wird. Die zu erwartende Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands muss zudem eine gewisse Erheblichkeit aufweisen. Ob die Gesundheitsbeeinträchtigung dauerhaft oder nur vorübergehend ist, spielt keine Rolle, ebenso wenig, ob der Beschäftigte zuvor gesund war oder eine Vorerkrankung bestand. § 26 Nr. 2 ArbSchG stellt ein konkretes Gefährdungsdelikt dar, wonach schon die Herbeiführung einer realen Gefahr durch eine der genannten Tathandlungen strafwürdig ist, ohne dass es zu einem tatsächlichen Gesundheitsschaden des Beschäftigten gekommen sein muss. Die Gefahr für Leben oder Gesundheit des Beschäftigten muss allerdings konkret bestehen; eine nur abstrakte, allgemein denkbare Gefährlichkeit genügt nicht. Eine konkrete Gefährdung ist anzunehmen, wenn nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls eine begründete Wahrscheinlichkeit für einen alsbaldigen Schadenseintritt besteht; die Möglichkeit einer Schädigung muss im jeweiligen 21 Abrufbar unter: https://lasi-info.com/uploads/media/LV_62_Bussgeld_BetrSichV-Maerz_2018.pdf, zuletzt abgerufen am 21. Juli 2020. 22 Ambs, Häberle in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 230. Ergänzungslieferung Mai 2020, § 25 ArbSchG, Rn. 13. 23 Otto in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, § 26 ArbSchG, Rn.1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 13 Einzelfall bedrohlich nahe liegen. Ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ist hingegen nicht erforderlich. Ebenso unerheblich ist es, wenn die eingetretene Gefahr durch spätere Gegenmaßnahmen wieder beseitigt worden ist. Ein Kausalzusammenhang zwischen einer Handlung oder Unterlassung und einer Gesundheitsgefahr liegt bereits dann vor, wenn das Verhalten des Täters für das Entstehen oder Verstärken der Gefährdungslage zumindest mitursächlich geworden ist; ein ausschließlicher Ursachenzusammenhang muss nicht bestehen.24 In der Praxis fallen weniger die Fälle der Tatverwirklichung durch aktives Handeln auf als vielmehr die Begehung durch Unterlassen von Schutzmaßnahmen durch den Arbeitgeber nach § 13 Strafgesetzbuch (§ 13 StGB).25 Eine „echte“ eigenverantwortliche Selbstgefährdung stellt im Arbeitsschutz die große Ausnahme dar. § 3 Abs. 1 ArbSchG weist dem Arbeitgeber die umfassende Verantwortung für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu und akzeptiert eine Eigenverantwortung der Beschäftigten in diesem Bereich aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht. Sichtbar wird dies auch in der Pflicht des Arbeitgebers, gemäß § 6 Abs. 2 BetrSichV einer Umgehung von Schutz- und Sicherheitseinrichtungen durch Beschäftigte vorzubeugen. Verstöße gegen § 26 ArbSchG können mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen oder mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden. 6. Fazit Regelmäßig können Arbeitsschutzverstöße auch haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen . Diese können dann aus dem Vertragsrecht oder auch aus dem Deliktsrecht des BGB abgeleitet werden. Sofern Personenschäden allerdings auf einen Versicherungsfall im Sinne  der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 7 SGB VII beruhen (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit), gilt das Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz. Der Arbeitgeber ist hier nur dann zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet, wenn er den Versicherungsfall gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII vorsätzlich verursacht hat. Allerdings kann der Unfallversicherungsträger hier den Arbeitgeber nach § 110 SGB VII in Regress nehmen, sofern der Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Versäumnisse im Arbeitsschutz können sowohl zivilrechtlich eingeklagt als auch mittels staatlichen Verwaltungszwang durchgesetzt werden. Auch drohen bußgeld- und strafrechtliche Folgen bei entsprechenden Verstößen.26 24 Pelz in: Kollmer/Klindt/Schucht, Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 26 ArbSchG, Rn. 10 bis 13. 25 Otto in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, § 26 ArbSchG, Rn.3. 26 Aligbe in : Die Durchsetzbarkeit arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen bzw. die Reaktionsmöglichkeiten des Beschäftigten bei Verstößen des Arbeitgebers, ArbRAktuell 2019, Rn. 459. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 068/20 Seite 14 Bereits eine Verletzung der Aufsichtspflichten des Betriebsinhabers rechtfertigt die Festsetzung eines Bußgeldes. Vor allem aber droht säumigen Arbeitgebern die Strafverfolgung, wenn sie entweder vorsätzlich handeln oder Beschäftigte zu Schaden kommen. Ihre umfassende Arbeitsschutzverpflichtung begründet eine Garantenpflicht für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit.27 Auch in der Fleischwirtschaft haben Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften vor dem Hintergrund zahlreicher COVID-19-Infektionen erneut an Bedeutung gewonnen. Bereits in den letzten Jahren wurden verstärkt Maßnahmen ergriffen und Initiativen gestartet, um die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in der Fleischwirtschaft zu verbessern. Dazu zählen unter anderem die Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch)“ oder die Leitlinie „Arbeitsschutz bei der Kooperation mehrerer Arbeitgeber im Rahmen von Werkverträgen“. Die aktuelle Situation zeigt, dass weiterer Handlungsbedarf besteht. Dies hat dazu geführt, dass das BMAS am 20. Mai 2020 im Bundeskabinett ein „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft “ vorgestellt hat.28 Das 10-Punkte-Eckpapier sieht vor, durch verschiedene Maßnahmen für mehr Arbeitsschutz und Hygiene in der Fleischwirtschaft zu sorgen. Danach ist unter anderem durch Änderungen im Arbeitsschutzgesetz vorgesehen, dass Zoll und Arbeitsschutzverwaltungen durch häufigere Kontrollen die Überwachungsquote in den Betrieben erhöhen. Auch sollen Mindeststandards für die Unterbringung von Beschäftigten eingeführt werden. Eine weitere einschneidende Maßnahme ist das ab 1. Januar 2021 vorgesehene Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Fleischwirtschaft. Darüber hinaus ist geplant, eine digitale Zeiterfassung zur besseren Überwachung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes einzuführen. Im Zusammenspiel damit sind für Verstöße gegen die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes Erhöhungen der entsprechenden Bußgelder geplant. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist durch Beschluss des Bundekabinetts am 29. Juli 2020 durch den Entwurf eines Arbeitsschutzkontrollgesetzes konkretisiert worden. Nicht zuletzt konzipieren das BMAS und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine gemeinsame Studie über die Einhaltung rechtlicher Regelungen in der Fleischwirtschaft. Inwieweit durch die geplanten Reformen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigen in der Fleischwirtschaft erzielt werden, bleibt jedoch abzuwarten. *** 27 Wiebauer in: Strafbarkeit und bußgeldrechtliche Ahndung von Arbeitsschutzverstößen (Teil 2), ArbRAktuell 2017, Rn. 564. 28 Abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Pressemitteilungen/2020/eckpunktearbeitsschutzprogramm -fleischwirtschaft.pdf, zuletzt abgerufen am 22. Juli 2020.