© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 067/20 Berücksichtigung von sogenannten Corona-Soforthilfen im Hinblick auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 2 Berücksichtigung von sogenannten Corona-Soforthilfen im Hinblick auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 067/20 Abschluss der Arbeit: 4. September 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Hilfebedürftigkeit sowie Einkommen und Vermögen nach dem SGB II 4 3. Soforthilfen zur ausschließlichen Sicherung der wirtschaftlichen Existenz 6 3.1. Keine Berücksichtigung als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II 6 3.2. Berücksichtigung der Soforthilfen bei der Bestimmung der Betriebsausgaben 9 3.3. Auswirkung des Zahlungszeitpunkts der Soforthilfe 11 4. Soforthilfen auch zur Sicherung des privaten Lebensunterhalts 12 4.1. Berücksichtigung als Einkommen gemäß § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II 12 4.2. Auswirkung des Zahlungszeitpunkts der Soforthilfe 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 4 1. Einleitung Zur Milderung wirtschaftlicher Notlagen infolge der Corona-Pandemie haben Bund und Länder eine Reihe von Soforthilfeprogrammen beschlossen, um insbesondere aufgrund von Liquiditätsengpässen in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdete Soloselbständige, Angehörige der Freien Berufe und kleine Unternehmen zu unterstützen.1 So gibt es das einheitliche Bundesprogramm „Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige“, für das die Länder die Antragsbewilligung und Auszahlung übernommen haben. Zusätzlich haben viele Bundesländer eigene Soforthilfeprogramme aufgelegt.2 Vor diesem Hintergrund wurden die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages um Auskunft gebeten, inwieweit eine Berücksichtigung von Corona-Soforthilfen erfolge, soweit der Zuschuss vor dem ersten Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - zugeflossen sei. Dabei sei insbesondere danach zu differenzieren, ob die Soforthilfen ausschließlich zur Deckung betrieblicher Ausgaben oder auch zur Sicherung des privaten Lebensunterhaltes bestimmt seien. 2. Hilfebedürftigkeit sowie Einkommen und Vermögen nach dem SGB II Beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II sind grundsätzlich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Leistungsberechtigten zu prüfen. Dies gilt auch für Leistungsberechtigte, die Leistungen nach dem SGB II ergänzend zu einem Erwerbseinkommen oder Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) - Arbeitsförderung - beziehen. Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist unter anderem grundsätzlich , dass die Person hilfebedürftig ist, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, „wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen , insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.“ § 9 SGB II bringt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Grundsicherung für Arbeitsuchende nachrangig ausgestaltet hat. Der Antragsteller hat daher grundsätzlich zunächst sein Einkommen und Vermögen3 zur Sicherung des Lebensunterhaltes einzusetzen.4 1 Vgl. für einen Überblick über die gewährten Soforthilfen zum Beispiel Bundesagentur für Arbeit, Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Pakete) sowie ergänzende Regelungen (Loseblattsammlung ), Stand: 1. Juli 2020, Anhang zu 2.4, S. 34 (https://www.arbeitsagentur.de/datei/fachliche-weisungen -zu--67-sgb-ii_ba146402.pdf; zuletzt abgerufen am 31. August 2020). 2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Kurzfakten zum Corona-Soforthilfeprogramm des Bundes, Stand: 30. März 2020 (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/kurzfakten-corona-soforthilfen .pdf?__blob=publicationFile&v=6, zuletzt abgerufen am 31. August 2020). 3 Siehe hierzu jedoch die befristete Aussetzung der Vermögensprüfung gemäß § 67 SGB II. 4 Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 57. Edition, Stand: 1. Juni 2020, SGB II § 9, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 5 §§ 11, 11a und 11b SGB II legen fest, welches Einkommen bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen grundsätzlich Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen. § 11a SGB II bestimmt das nicht zu berücksichtigende Einkommen, das heißt das Einkommen, das nicht auf Leistungen nach dem SGB II anrechenbar ist. § 11b SGB II legt die Absetzbeträge vom Einkommen fest, also jene Aufwendungen und Belastungen, die nach dem Gesetz vom Einsatz zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen sind.5 Weitere Regelungen zur Anrechenbarkeit von Einkommen enthält die auf Grundlage von § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erlassene Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V). Vorgaben für die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit enthält insbesondere § 3 Alg II-V. Weder das Sozialschutzpaket I noch das Sozialschutzpaket II haben Neu- beziehungsweise Sonderregelungen zur Einkommensanrechnung getroffen.6 Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Um den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu begegnen hat jedoch der Gesetzgeber auch den Zugang zu Leistungen der Grundsicherung erleichtert. So wird unter anderem für Anträge in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 30. September 2020 die Vermögensprüfung ausgesetzt, sofern das Vermögen nicht erheblich ist, § 67 Abs. 1 und 2 SGB II in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Vereinfachter-Zugang-Verlängerungsverordnung - VZVV7. 5 Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 57. Edition, Stand: 1. Juni 2020, SGB II § 11b, Rn. 1. 6 Meßling in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19 - Corona-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 1. Auflage 2020, § 2 Grundsicherung für Arbeitssuchende, Rn. 89; Groth in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB II, 5. Auflage (Stand: 14. Juli 2020), § 67, Rn. 17; vgl. auch Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket), Bundestagsdrucksache 19/18107 vom 24. März 2020 und Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutz-Paket II), Bundestagsdrucksache 19/18966 vom 5. Mai 2020. 7 Verordnung zur Verlängerung des Zeitraums für das vereinfachte Verfahren für den Zugang zu den Grundsicherungssystemen und für Bedarfe für Mittagsverpflegung aus Anlass der COVID-19-Pandemie (Vereinfachter-Zugang -Verlängerungsverordnung - VZVV) vom 25. Juni 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 6 3. Soforthilfen zur ausschließlichen Sicherung der wirtschaftlichen Existenz Bei den sogenannten Corona-Soforthilfen handelt es sich um Leistungen, die aufgrund öffentlichrechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck geleistet werden. Sie sind damit gemäß § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen.8 3.1. Keine Berücksichtigung als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II Nach § 11a Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen , als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Mit der Regelung soll einerseits vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, und andererseits verhindert werden, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden.9 Öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II sind solche, die einen Träger öffentlich-rechtlicher Verwaltung zur Leistung ermächtigen oder verpflichten. Auf die Art der Rechtsvorschrift kommt es dabei nicht an; umfasst sind Leistungen, die aufgrund von Gesetzen , Verordnungen, Satzungen oder Verwaltungs- beziehungsweise Förderrichtlinien gewährt werden.10 Voraussetzung für die Privilegierung ist ferner, dass die Leistung einem ausdrücklichen Zweck dient, der über die Sicherung des Lebensunterhaltes hinausgeht und zudem ein anderer als derjenige sein muss, für den die im Einzelfall in Frage stehende Leistung nach dem SGB II gewährt wird.11 Eine allgemeine Zweckrichtung ist nicht ausreichend.12 Auch die Verwendung des Wortes „Zweck“ ist nicht erforderlich. Der Zweck kann vielmehr auch durch Formulierungen wie „zur Sicherung“, „zum Ausgleich“ oder Ähnliches zum Ausdruck kommen. Ferner kann es genügen, wenn aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung 8 SG Leipzig, Beschluss vom 27. Mai 2020 - S 24 AS 817/20 ER, Rn. 24 (zitiert nach juris); Meßling in: Schlegel /Meßling/Bockholdt, COVID-19 - Corona-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 1. Auflage 2020, § 2 Grundsicherung für Arbeitssuchende, Rn. 93; so auch Bundesagentur für Arbeit, Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Pakete) sowie ergänzende Regelungen (Loseblattsammlung), Stand: 1. Juli 2020 (https://www.arbeitsagentur.de/datei/fachliche-weisungen-zu--67-sgb-ii_ba146402.pdf; zuletzt abgerufen am 31. August 2020). 9 BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 14 AS 36/17 R -, Rn. 22 (zit. nach juris). 10 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB II, 5. Auflage (Stand: 26. Juni 2020), § 11a, Rn. 37; Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 19. 11 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB II, 5. Auflage (Stand: 26. Juni 2020), § 11a, Rn. 38. 12 Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. November 2017 - L 11 AS 322/17 -, Rn. 19 (zit. nach juris); J. Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 57. Edition, Stand: 1. Juni 2020, SGB II § 11b, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 7 die Zweckbestimmung folgt, soweit diese sich aus dem Gesamtzusammenhang eindeutig ableiten lässt.13 Nicht ausreichend ist hingegen, dass die Leistung aus einem bestimmten Rechtsgrund oder Motiv erfolgt ohne konkrete Zweckbestimmung, zum Beispiel als Gegenleistung „für etwas“, sondern sie muss final „zu etwas“ geleistet sein, das heißt in ihrer Verwendung zweckbestimmt sein.14 Da eine Anrechnung nur bei Zweckidentität erfolgt, ist in einem zweiten Schritt zu ermitteln, zu welchem Zweck die gleichzeitig gewährte Leistung nach dem SGB II im konkreten Fall geleistet wird.15 Neben den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 14 ff. SGB II) umfasst die Grundsicherung für Arbeitssuchende insbesondere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§§ 19 ff. SGB II). In einem dritten Schritt sind die Zwecke der beiden Leistungen gegenüberzustellen und zu prüfen , ob sie identisch sind. Diese Identität fehlt in der Regel dann, wenn die Zweckrichtung der anderen Leistung durch eine Anrechnung vereitelt würde.16 Da nach dem Wortlaut des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II die Leistungen „nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen“ sind, als sie demselben Zweck dienen, ist auch eine teilweise Anrechnung der Leistung denkbar.17 Grundlagen für die Gewährung von „Corona-Soforthilfen“ sind die Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“)18, die beihilfegebende Stellen ermächtigt, sogenannte Kleinbeihilfen zu vergeben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020), sowie die entsprechenden Richtlinien beziehungsweise Vorgaben des Bundes und der Länder zur Vergabe der Soforthilfen. Zudem hat der Bund mit den 13 Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. November 2017 - L 11 AS 322/17 -, Rn. 19 (zit. nach juris); Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB II, 5. Auflage (Stand: 26. Juni 2020), § 11a, Rn. 39. 14 BSG, Urteil vom 24. August 2017 - B 4 AS 9/16 R -, Rn. 26 (zit. nach juris); SG München, Urteil vom 4. Mai 2018 - S 46 EG 25/17 BG -, Rn. 19 (zit. nach juris); Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 21. 15 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB II, 5. Auflage (Stand: 26. Juni 2020), § 11a, Rn. 40; Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 18. 16 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB II, 5. Auflage (Stand: 26. Juni 2020), § 11a, Rn. 40. 17 Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 66. UPD August 2020, § 11a, Rn. 26. 18 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bekanntmachung der Regelung zur vorübergehenden Gewährung von Bürgschaften, Rückbürgschaften und Garantien im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Bundesregelung Bürgschaften 2020“) vom 20. März 2020, Bundesanzeiger Allgemeiner Teil 31. März 2020 B1 sowie Bekanntmachung der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“) vom 26. März 2020, Bundesanzeiger Allgemeiner Teil 31. März 2020 B2 sowie nachfolgende Änderungen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 8 Ländern einheitliche Verwaltungsvereinbarungen über die Gewährung von Soforthilfen des Bundes geschlossen.19 Es handelt sich mithin um Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften .20 Maßgebend für die Frage, ob und inwieweit eine Anrechnung der Soforthilfen erfolgt, ist folglich, für welchen Zweck die jeweilige Maßnahme im Einzelfall gewährt wird. Hier ist zwischen solchen Liquiditätshilfen, die ausschließlich zur Deckung betrieblicher Ausgaben bestimmt sind, und solchen, die auch private Lebenshaltungskosten decken sollten (siehe hierzu unten unter 4), zu unterscheiden. Soweit die Soforthilfen ausschließlich der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz beziehungsweise der Deckung ausschließlich betrieblicher Ausgaben dienen, liegt keine Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II, insbesondere der Sicherung des Lebensunterhaltes, vor. Dies gilt beispielsweise für die Mittel der Corona-Soforthilfe des Bundes: Diese sind laut den mit den Ländern geschlossenen Verwaltungsvereinbarungen zur Finanzierung von Verbindlichkeiten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand vorgesehen (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsvereinbarung). Auch nach den Eckpunkten zur Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige der Bundesregierung ist Ziel des Soforthilfe-Programms des Bundes ein Zuschuss zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Antragsteller und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen und andere durch laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten und ähnliches.21 Die Kurzfakten zum Corona-Soforthilfeprogramm des Bundes22 weisen ergänzend ausdrücklich darauf hin, dass Kosten des privaten Lebensunterhalts wie die Miete der Privatwohnung oder Krankenversicherungsbeiträge nicht durch die Soforthilfe abgedeckt werden können. Die Soforthilfen dienten nicht dem Lebensunterhalt der Betroffenen, sondern ausschließlich der Aufrechterhaltung der Betriebe .23 19 Bundesministerium der Finanzen, Weg für Gewährung der Corona-Bundes-Soforthilfen ist frei - Umsetzung durch die Länder steht, Pressemitteilung vom 29. März 2020 (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content /DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/03/2020-03-29-PM-Verwaltungsvereinbarung-Soforthilfe.html; zuletzt abgerufen am 31. August 2020); siehe zum Beispiel Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Brandenburg über die Soforthilfen des Bundes für die Gewährung von Überbrückungshilfen als Billigkeitsleistungen für „Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbständige“ vom 31. März 2020 (https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/vereinb_soforthilfen_2020; zuletzt abgerufen am 31. August 2020). 20 Siehe auch SG Leipzig, Beschluss vom 27. Mai 2020 - S 24 AS 817/20 ER, Rn. 26 (zitiert nach juris). 21 Unterrichtung durch die Bundesregierung, Eckpunkte zur Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige , Bundestagsdrucksache 19/18105 vom 23. März 2020. 22 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Kurzfakten zum Corona-Soforthilfeprogramm des Bundes, Stand: 30. März 2020 (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/kurzfakten-corona-soforthilfen .pdf?__blob=publicationFile&v=6; zuletzt abgerufen am 31. August 2020). 23 Meßling in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19 - Corona-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 1. Auflage 2020, § 2 Grundsicherung für Arbeitsuchende, Rn. 93. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 9 Derartige Soforthilfen sind daher gemäß § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen.24 3.2. Berücksichtigung der Soforthilfen bei der Bestimmung der Betriebsausgaben Nach soweit ersichtlich bislang einhelliger Meinung sind die Corona-Soforthilfen zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz jedoch bei der Bestimmung der prognostizierten Betriebsausgaben, und damit bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen.25 Die Berechnung des Einkommens bestimmt sich nach § 3 Alg II-V. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Alg II-V ist bei der Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen . Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen sodann die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen, § 3 Abs. 2 Alg II-V. Für jeden Monat ist der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V), das heißt, das nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 bis 3 Alg II-V berechnete Einkommen wird gleichmäßig auf die den Bewilligungszeitraum bildenden Monate aufgeteilt.26 Von dem so gebildeten Durchschnittseinkommen sind schließlich die Absetzbeträge nach § 11b SGB II abzusetzen, § 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V. Nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit und Meßling sind Soforthilfen als Betriebseinnahmen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-V zu berücksichtigen. Diese seien zur Deckung von Liquiditätsengpässen über einen längeren Zeitraum, in der Regel mehrere Monate, bestimmt. Daher 24 SG Leipzig, Beschluss vom 27. Mai 2020 - S 24 AS 817/20 ER, Rn. 27 (zitiert nach juris); Meßling in: Schlegel /Meßling/Bockholdt, COVID-19 - Corona-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 1. Auflage 2020, § 2 Grundsicherung für Arbeitssuchende, Rn. 93; Bundesagentur für Arbeit, Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Pakete) sowie ergänzende Regelungen (Loseblattsammlung), Stand: 1. Juli 2020, S. 19 (https://www.arbeitsagentur.de/datei/fachliche-weisungen-zu--67-sgb-ii_ba146402.pdf; zuletzt abgerufen am 31. August 2020). 25 Bundesagentur für Arbeit, Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Pakete) sowie ergänzende Regelungen (Loseblattsammlung), Stand: 1. Juli 2020, S. 19 (https://www.arbeitsagentur .de/datei/fachliche-weisungen-zu--67-sgb-ii_ba146402.pdf; zuletzt abgerufen am 31. August 2020). 26 Hannes in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, 57. Edition, Stand: 1. Juni 2020, Alg II-V § 3, Rn. 61. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 10 seien die Betriebsausgaben zunächst aus der Soforthilfe zu bestreiten.27 Sie würden, so die Bundesagentur für Arbeit auf Nachfrage, entsprechend § 3 Abs. 3 Satz 4 und Satz 5 Alg II-V28 den Betriebsausgaben für die Monate gegenüber gestellt, für die sie gewährt werden. Die Regelung über die Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit nach § 3 Abs. 4 Alg II-V sei im Lichte des höherrangigen Gesetzesrechts auszulegen. Übersteige die Liquiditätshilfe die Betriebsausgaben im vorgesehenen Zeitraum, verbleibe es bei dem überschüssigen Teil bei der Privilegierung nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Sonstige Betriebseinnahmen, die (nach Einsatz der Soforthilfe) nicht für die Deckung von Betriebsausgaben benötigt würden, seien hingegen als Einkommen zu berücksichtigen.29 Nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Leipzig seien die Soforthilfen demgegenüber nicht als Betriebseinnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-V zu qualifizieren. Betriebseinnahmen seien nur solche Einnahmen, die in unmittelbarem Zusammenhang zur selbständigen Tätigkeit stünden. Es seien daher nur solche Einnahmen als Betriebseinnahmen zu berücksichtigen, die einen objektiven Anknüpfungspunkt zu der selbständigen Tätigkeit selbst hätten und aus ihr heraus entsprängen beziehungsweise aus der konkret ausgeübten Tätigkeit herrührten. Da die Soforthilfe selbst nicht unmittelbar aus der selbständigen Tätigkeit stamme, sondern aufgrund öffentlich -rechtlicher Vorschriften gewährt werde, könne sie nicht als Betriebseinnahme im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 2 ALG II-V angesehen werden.30 Jedoch sind die Soforthilfen auch nach Ansicht des Sozialgerichts Leipzig zunächst zur Deckung der Betriebsausgaben in Ansatz zu bringen. Lediglich die verbleibenden Betriebsausgaben dürften von den sonstigen Betriebseinnahmen abgezogen werden. Dabei dürfe aber die Einkommensprivilegierung der Soforthilfe nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht unterlaufen werden. Der die (prognostizierten) Betriebsausgaben übersteigende Anteil der Soforthilfe dürfe daher nicht als Betriebsgewinn angerechnet werden.31 27 Bundesagentur für Arbeit, Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Pakete) sowie ergänzende Regelungen (Loseblattsammlung), Stand: 1. Juli 2020, S. 19 (https://www.arbeitsagentur .de/datei/fachliche-weisungen-zu--67-sgb-ii_ba146402.pdf; zuletzt abgerufen am 31. August 2020). 28 § 3 Abs. 3 Satz 4 und Satz 5 Alg II-V: 4Ausgaben sind ferner nicht abzusetzen, soweit für sie Darlehen oder Zuschüsse nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbracht oder betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind. 5Dies gilt auch für Ausgaben, soweit zu deren Finanzierung andere Darlehen verwandt werden. 29 Bundesagentur für Arbeit, Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Pakete) sowie ergänzende Regelungen (Loseblattsammlung), Stand: 1. Juli 2020, S. 19 (https://www.arbeitsagentur .de/datei/fachliche-weisungen-zu--67-sgb-ii_ba146402.pdf; zuletzt abgerufen am 31. August 2020); im Grundsatz ebenso unter Hinweis auf die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit: Meßling in: Schlegel/Meßling /Bockholdt, COVID-19 - Corona-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 1. Auflage 2020, § 2 Grundsicherung für Arbeitssuchende, Rn. 95. 30 SG Leipzig, Beschluss vom 27. Mai 2020 - S 24 AS 817/20 ER, Rn. 32 (zitiert nach juris). 31 SG Leipzig, Beschluss vom 27. Mai 2020 - S 24 AS 817/20 ER, Rn. 36 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 11 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass nach beiden Ansichten die Soforthilfen bei der Berechnung des Einkommen aus selbständiger Arbeit insoweit zu berücksichtigen sind, als sie gemäß der jeweils geltenden Zweckbestimmung für einen bestimmten Zeitraum zur Deckung der Betriebsausgaben einzusetzen sind. 3.3. Auswirkung des Zahlungszeitpunkts der Soforthilfe Bei der Berechnung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II ist grundsätzlich zwischen Einkommen und Vermögen zu unterscheiden. Maßgeblicher Bezugszeitpunkt für die Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen im SGB II ist der Zeitpunkt der Antragstellung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 37 SGB II, wobei der Antrag auf den jeweils Monatsersten zurück wirkt, § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II.32 Einkommen ist, was jemand nach Antragstellung wertmäßig erhält, und Vermögen, was jemand bereits vor Antragstellung (beziehungsweise aufgrund der Rückwirkung des Antrags dem Monat vor Antragstellung) bereits hatte. Dabei ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses maßgebend, wenn rechtlich kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist (sogenannte modifizierte Zuflusstheorie).33 Dabei ist zu beachten, dass die Vermögensprüfung derzeit für Anträge bis zum 30. September 2020 ausgesetzt ist, Vermögen also nicht berücksichtigt wird, sofern es sich nicht um erhebliches Vermögen handelt (siehe oben unter 2). Nach dem im SGB II grundsätzlich geltenden Zuflussprinzip sind als Einkommen (§ 11 Abs. 1 SGB II) zu berücksichtigende einmalige Einnahmen in der Regel in dem Monat zu berücksichtigen , in dem sie zufließen, § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Liegt der Zuflussmonat im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs. 3 SGB II), handelt es sich grundsätzlich um Einkommen. Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit unterfallen die Soforthilfen jedoch nicht dem Zuflussprinzip , da dieses nur für zu berücksichtigendes Einkommen gelte. Dies sei bei den Corona- Soforthilfen gerade nicht der Fall (siehe hierzu die Ausführungen unter 3.1). Unabhängig vom Antragszeitpunkt sei die Soforthilfe zur Deckung der Betriebsausgaben für den Zeitraum in Ansatz zu bringen, für den sie bezweckt sei. Folgt man der Auffassung des Sozialgerichts Leipzig, dass die Soforthilfen bereits keine Betriebseinnahmen seien, dürfte auch hier das Zuflussprinzip nicht gelten. Maßgeblich wäre allein, für welche Monate die Soforthilfen zur Deckung der Betriebsausgaben im Einzelfall bestimmt sind. Auch nach hiesiger Ansicht dürfte die Zweckbestimmung der Soforthilfen maßgebend für die Bestimmung des Zeitraums sein, in dem sie zur Deckung der Betriebsausgaben anzusetzen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II eine gegenüber der allgemeinen Regelung in § 11 SGB II speziellere Bestimmung über die einnahmeartenspezifische Abgrenzung von zu berücksichtigendem und nicht zu berücksichtigendem Einkommen. 32 BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 36/13 R -, Rn. 22 ff. (zitiert nach juris). 33 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11, Rn. 15 mit Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 12 Demnach gilt die durch § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II bewirkte einnahmeartenspezifische Ausgrenzung von Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, vom zu berücksichtigenden Einkommen, soweit sie greift, neben den allgemeinen Berücksichtigungsregeln sowohl für laufende Einnahmen nach § 11 Abs. 2 SGB II als auch für einmalige Einnahmen nach § 11 Abs. 3 SGB II.34 Nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts ist dabei die Zweckbestimmung einer nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II privilegierten Leistung auch in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigen.35 Letztlich ist festzuhalten, dass das Zuflussprinzip bei Soforthilfen, die ausschließlich der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz dienen, nicht gelten dürfte. Vielmehr kommt es ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung auf Leistungen der Grundsicherung darauf an, für welchen konkreten Zeitraum die Soforthilfen zur Deckung der Betriebsausgaben bestimmt sind. 4. Soforthilfen auch zur Sicherung des privaten Lebensunterhalts 4.1. Berücksichtigung als Einkommen gemäß § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II Einige Bundesländer haben neben den Soforthilfen, die ausschließlich zur Sicherung der betrieblichen Existenz bestimmt waren, Liquiditätshilfen zur Verfügung gestellt, die auch zur Deckung privater Lebenshaltungskosten eingesetzt werden durften. Auch hierbei handelt es sich um Leistungen , die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wurden. Sie sind daher gemäß § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II so weit als Einkommen zu berücksichtigen , als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen (siehe hierzu die Ausführungen unter 3.1). So konnten im Rahmen des Soforthilfeprogrammes II des Landes Berlin die Landesmittel anders als die Bundesmittel neben den laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen auch für Personalkosten, Kosten der privaten Lebensführung und Krankenversicherungskosten verwendet werden.36 Soweit die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bestimmt sind, dienen sie daher demselben Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II und sind dementsprechend als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen. 34 BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 36/13 R -, Rn. 33 (zitiert nach juris). 35 Siehe BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 36/13 R -, Rn. 35 (zitiert nach juris) zur Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes gemäß § 51 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) als Einkommen nach alter Rechtslage: „Das Überbrückungsgeld ist aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 51 StVollzG eine Leistung, die [im Sinne] des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird. Denn das Überbrückungsgeld soll nach § 51 Abs. 1 StVollzG "den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern". Damit dient es demselben Zweck wie das Alg II als eine der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II […]. Indes dient das Überbrückungsgeld demselben Zweck wie das Alg II nur für die ersten vier Wochen nach Haftentlassung . Es ist deshalb nur "so weit" [im Sinne] des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, soweit auch in zeitlicher Hinsicht die Zweckidentität von Überbrückungsgeld und Alg II reicht.“ 36 Investitionsbank Berlin (IBB), FAQ Soforthilfe Corona - Fragen und Antworten rund um das Thema Soforthilfe Corona (https://www.ibb.de/de/wirtschaftsfoerderung/themen/coronahilfen/faq-corona-zuschuss.html; zuletzt abgerufen am 27. August 2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 067/20 Seite 13 4.2. Auswirkung des Zahlungszeitpunkts der Soforthilfe Wie oben unter 3.3 ausgeführt ist im SGB II zwischen Einkommen (§§ 11 ff. SGB II) und Vermögen (§ 12 SGB II) zu unterscheiden, wobei maßgebliches Differenzierungskriterium der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses ist. Danach ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II alles das, was jemand nach Antragstellung37 wertmäßig dazu erhält, und Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II das, was jemand vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie ).38 Dabei sind einmalige Einnahmen gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II in dem Monat zu berücksichtigen , in dem sie zugeflossen sind. Daraus folgt, dass Soforthilfen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn sie im Monat der Antragstellung zugeflossen sind. Sind sie vor dem Monat der Antragstellung zugeflossen, handelt es sich grundsätzlich um Vermögen im Sinne des § 12 SGB II. Wie bereits unter 2 erläutert wird jedoch nach § 67 Abs. 1 und 2 SGB II das Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist.39 *** 37 Unter Beachtung der Rückwirkung des Antrags auf den jeweils Monatsersten gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II. 38 BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 36/13 R -, Rn. 16 (zitiert nach juris). 39 Nicht geprüft wird an dieser Stelle die Frage, ob die Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung zu einer Über- oder Doppelkompensation bei Verwendung der Soforthilfe für die Sicherung des privaten Lebensunterhaltes führt und daher gegebenenfalls eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung der Soforthilfe besteht .