© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 065/16 Verfahren der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bei Verstößen gegen Kernarbeitsnormen und Zusammenarbeit mit der Welthandelsorganisation (WTO) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 2 Verfahren der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bei Verstößen gegen Kernarbeitsnormen und Zusammenarbeit mit der Welthandelsorganisation (WTO) Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 065/16 Abschluss der Arbeit: 11. Mai 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. ILO-Kernarbeitsnormen 4 2. Durchsetzung und Überwachung der Übereineinkommen 5 2.1. Staatenberichte 5 2.2. Beschwerden und Klagen 7 3. Förderung der Verwirklichung von Kernarbeitsnormen 8 4. Zusammenarbeit mit der Welthandelsorganisation 8 4.1. Standpunkte der Organisationen 9 4.2. Meinungen aus der Wissenschaft 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 4 1. ILO-Kernarbeitsnormen Als Konsequenz der Forderung der internationalen Gemeinschaft auf dem Weltgipfel für soziale Entwicklung in Kopenhagen 1995 nach universellen sozialen Regeln zur Begleitung der fortschreitenden Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens1 hat die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization - ILO) im Juni 1998 die "Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit"2 verabschiedet, die die Mitglieder zur Ratifizierung der acht wichtigsten ILO-Übereinkommen auffordert, in denen die "grundlegenden Prinzipien und Richte bei der Arbeit" (GPRA), die sogenannten "Kernarbeitsnormen", niedergelegt sind: – Übereinkommen 29: Beseitigung der Zwangs- oder Pflichtarbeit (1930) – Übereinkommen 87: Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes (1948) – Übereinkommen 98: Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen (1949) – Übereinkommen 100: Gleichheit des Entgelts (1951) – Übereinkommen 105: Abschaffung der Zwangsarbeit (1957) – Übereinkommen 111: Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (1958) – Übereinkommen 138: Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (1973) – Übereinkommen 182: Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (1999) Zum Stand Ende April 2016 hatten 139 ILO-Mitgliedstaaten alle acht Übereinkommen über Kernarbeitsnormen ratifiziert. Jedoch wurde bisher keines der Übereinkommen von allen 187 Mitgliedstaaten ratifiziert.3 Die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit wurden in der Erklärung der ILO über soziale Gerechtigkeit und eine faire Globalisierung vom Juni 20084 erneut bestätigt und ihre Förderung und Verwirklichung als eines der vier strategischen Ziele der ILO verankert: – Förderung von Beschäftigung – Entwicklung und Stärkung von Maßnahmen des sozialen Schutzes 1 Vgl. zu den Ergebnissen dieses Gipfels den Internetauftritt der Vereinten Nationen: http://www.un.org/Depts/german/wirtsozentw/socsum/socsum1.htm#res1 (letzter Abruf: 9. Mai 2016). 2 Eine deutsche Übersetzung der Erklärung ist abrufbar im Internetauftritt der ILO: http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---europe/---ro-geneva/---ilo-berlin/documents/normativeinstrument /wcms_193727.pdf (letzter Abruf. 9. Mai 2016). 3 Die Liste der Mitgliedstaaten, die alle Kernarbeitsnormen ratifiziert haben, und der Ratifizierungsstand im Übrigen sind abrufbar im Internetauftritt der ILO: http://www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=NORMLEX- PUB:10011:0::NO::P10011_DISPLAY_BY,P10011_CONVENTION_TYPE_CODE:2,F (letzter Abruf: 9. Mai 2016). 4 Die deutsche Übersetzung der Erklärung findet sich im internetauftritt der ILO: http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---europe/---ro-geneva/---ilo-berlin/documents/genericdocument /wcms_100192.pdf (letzter Abruf: 9. Mai 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 5 – Förderung des sozialen Dialogs und der Dreigliedrigkeit – Achtung, Förderung und Verwirklichung der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit. 2. Durchsetzung und Überwachung der Übereineinkommen „Die Ratifikation der ILO-Normen ist freiwillig. Kein Mitgliedstaat kann hierzu gezwungen werden . Selbst dann nicht, wenn die Delegierten des Landes dem Übereinkommen auf der Konferenz zugestimmt haben. Die einzige Verpflichtung eines jeden Mitgliedstaates besteht darin, ein verabschiedetes Übereinkommen spätestens ein Jahr nach der Konferenz den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen. Hierüber haben die Regierungen den Generaldirektor zu unterrichten, ebenso über ihr abgegebenes Votum. Empfehlen sie Nichtratifikation, müssen sie die Gründe hierfür mitteilen.“5 Etwas anderes ergibt sich aus der 1998 formulierten Erklärung zu den grundlegenden Arbeitsrechten auch nicht für den Bereich der Kernarbeitsnormen. In Deutschland bedürfen ILO-Übereinkommen wie andere völkerrechtliche Verträge zu ihrer innerstaatlichen Wirksamkeit nach Art. 59 GG der Zustimmung des Gesetzgebers. „Sie binden nur die Völkerrechtssubjekte, d.h. die Staaten. Sollen die Regelungen auch gegenüber dem Bürger gelten, so müssen sie – in der Regel durch Gesetz – in nationales Recht umgesetzt werden.“6 Soweit ILO-Normen durch Ratifikation nationales Recht geworden sind, ist bei Klagen wegen Verstößen zunächst die nationale Rechtsprechung, in Deutschland also je nach Zusammenhang die Arbeitsgerichtsbarkeit oder die Sozialgerichtsbarkeit, zuständig. Auf der Ebene der ILO gibt es zur Überwachung der internationalen Übereinkommen eigene Kontrollmechanismen , die auf Berichtspflichten der Mitgliedstaaten (Art. 19 und 22 der ILO-Verfassung ) oder einer Beschwerde bzw. Klage gegen einen Mitgliedstaat (Art. 24 und 26 der ILO-Verfassung ) beruhen. 2.1. Staatenberichte Art. 19 der Verfassung der ILO7 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die verabschiedeten Übereinkommen ihren gesetzgebenden Organen im Hinblick auf ihre Umsetzung durch die Gesetzgebung oder durch andere Maßnahmen vorzulegen und ein Jahr bzw. spätestens 18 Monate nach Schluss 5 Internetauftritt der ILO unter http://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/lang--de/index.htm (letzter Abruf : 9. Mai 2016). 6 Thüsing, Gregor: International Framework Agreements: rechtliche Grenzen und praktischer Nutzen. In: RdA 2010, S. 78-93 (81). 7 Eine deutsche Übersetzung der Verfassung der ILO findet sich im Internetauftritt der ILO: http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---europe/---ro-geneva/---ilo-berlin/documents/genericdocument /wcms_193725.pdf (letzter Abruf: 9. Mai 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 6 der Tagung der Konferenz8 gegenüber der ILO zu berichten. Darüber hinaus besteht nach Art. 22 der Verfassung für die Mitgliedstaaten, die einem Übereinkommen beigetreten sind, eine jährliche Berichtsflicht über Maßnahmen zur Durchführung des Übereinkommens. Die Prüfung der Staatenberichte obliegt seit Mitte der 1920er-Jahre dem Sachverständigenausschuss für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen, der die Berichte auf mögliche Verstöße gegen die ILO-Normen überprüft und seinerseits der Internationalen Arbeitskonferenz jährlich darüber Bericht erstattet.9 Der Ausschuss setzt sich aus 20 Mitgliedern zusammen, bei denen es sich um auf nationaler und internationaler Ebene herausragende Rechtssachverständige handelt.10 Die Mitglieder werden auf Vorschlag des Generaldirektors vom Verwaltungsrat ernannt. Die Berichte des Sachverständigenausschusses umfassen seit Anfang der 1960er-Jahre auch regelmäßig Hinweise auf die Ergebnisse seiner Arbeit und die der anderen Kontrollsysteme. Im Rahmen seiner Tätigkeit befasst sich der Ausschuss auch mit Anfragen und inoffiziellen Beschwerden wegen der Nichteinhaltung von Übereinkommen.11 Vorbereitet werden die Berichte des Sachverständigenausschusses vom Internationalen Arbeitsamt , so dass ein detailliertes Studium der nationalen Gesetze und die Subsumtion der Reglungen unter die einzelnen Konventionen möglich ist. Die Auswertung der Spruchpraxis zeige jedoch einer Stimme aus der Fachliteratur zufolge, dass nur selten definitive Aussagen über die Kompatibilität der nationalen Regelungen mit internationalen Konventionen getroffen würden. Für den Ausschuss sei es vielmehr vor allem wichtig, den öffentlichen Dialog zwischen der ILO und den Nationalstaaten über die Entwicklung von Recht und Praxis aufrechtzuerhalten.12 8 Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (Internationale Arbeitskonferenz) ist das Hauptorgan der ILO; wesentliche weitere Organe sind nach § 2 der Verfassung der ILO der Verwaltungsrat und das vom Generaldirektor geleitete Internationale Arbeitsamt, das als ständiges Sekretariat der ILO fungiert; vgl. zu den Organen der ILO und ihren Aufgaben Muhr, Gerd (1992): Die Internationale Arbeitsorganisation. In: Das Arbeitsrecht der Gegenwart Band 29 - Dokumentation für das Jahr 1991, S. 87-116 (92 ff.). 9 Muhr (Fn. 8), S. 102; vgl. dazu den jüngsten Bericht zur Durchführung der internationalen Arbeitsnormen 2016 (I) für die 105. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz 2016, abrufbar im Internetauftritt der ILO: http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_norm/---relconf/documents/meetingdocument /wcms_448727.pdf (letzter Abruf: 11. Mai 2016). 10 Für eine Übersicht über die derzeitigen Mitglieder des Sachverständigenausschusses siehe im Internetauftritt der ILO: http://www.ilo.org/global/standards/applying-and-promoting-international-labour-standards/committee -of-experts-on-the-application-of-conventions-and-recommendations/WCMS_192093/lang--de/index.htm (letzter Abruf: 11. Mai 2016). 11 Muhr (Fn. 8), S. 102 f. 12 Nußberger, Angelika (2005): Sozialstandards im Völkerrecht. Eine Studie zur Entwicklung und Bedeutung der Normsetzung der Vereinten Nationen, der Internationalen Arbeitsorganisation und des Europarats zu Fragen des Sozialschutzes, Berlin, S. 298, 299 ff. mit Einzelbeispielen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 7 Die Berichte des Sachverständigenausschusses werden in einem zweiten Schritt vom Konferenzausschuss für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen geprüft und diskutiert , der sich aus Delegierten oder Beratern der Internationalen Arbeitskonferenz zusammensetzt. Der Konferenzausschuss kann Regierungsvertreter in öffentlicher Sitzung wegen behaupteter Verstöße befragen und deren Antworten bewerten sowie besonders deutliche und nachhaltige Verstöße in seinen Bericht an die Internationale Arbeitskonferenz hervorheben.13 2.2. Beschwerden und Klagen Nach Art. 24 der Verfassung der ILO kann ein Berufsverband von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern an das Internationale Arbeitsamt eine Beschwerde richten, dass irgendein Mitglied die Durchführung eines Übereinkommens, dem es beigetreten ist, nicht in befriedigender Weise sichergestellt habe. Art. 26 der ILO-Verfassung sieht darüber hinaus vor, dass jedes Mitglied beim Internationalen Arbeitsamt Klage gegen ein anderes Mitglied einreichen kann, das nach seiner Ansicht die Durchführung eines von beiden Teilen nach den vorstehenden Artikeln ratifizierten Übereinkommens nicht in befriedigender Weise sicherstellt. Die Prüfung von Beschwerden nach Art. 24 der ILO-Verfassung obliegt einem vom Verwaltungsrat 14 eingesetzten Beschwerdeausschuss, der im Regelfall aus drei Mitgliedern des Verwaltungsrats besteht. Der Verwaltungsrat hat für die Prüfung von Beschwerden eine besondere Verfahrensordnung beschlossen. Der Bericht des Beschwerdeausschusses wird dem Verwaltungsrat vorgelegt , der auch darüber entscheidet, ob die von den Regierungen abgegebenen Stellungnahmen befriedigend sind und ob gegebenenfalls ein Untersuchungsausschuss gemäß Art. 26 der ILO-Verfassung eingesetzt werden soll.15 Klagen nach Art. 26 der ILO-Verfassung lösen das intensivste Überprüfungsverfahren aus. Der Verwaltungsrat setzt hierzu einen Untersuchungsausschuss ein, der in der Regel aus drei unabhängigen Juristen besteht, die im internationalen Recht besondere Erfahrungen besitzen.16 Klageberechtigt sind die Regierungen untereinander sowie jeder Delegierte zur Internationalen Arbeitskonferenz . Das Klageverfahren kann aber auch vom Verwaltungsrat von Amts wegen beschlossen werden. Das Verfahren ist in Art. 26 ff. der ILO-Verfassung geregelt; im fortbestehenden Streitfall kann eine endgültige Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs herbeigeführt werden. 13 Muhr (Fn. 8), S. 103; Nußberger, Angelika (Fn. 12), S. 298. 14 Zu den Organen der ILO siehe oben Fn. 8. 15 Muhr (Fn. 8), S. 103. 16 Muhr (Fn. 8), S. 104. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 8 3. Förderung der Verwirklichung von Kernarbeitsnormen Der Stand der Verwirklichung der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit war Gegenstand der Beratungen der 101. Internationalen Arbeitskonferenz im Juni 2012. In dem vorbereitenden Bericht des Internationalen Arbeitsamts werden Maßnahmen, Programme und Initiativen der ILO und ihrer Mitgliedstaaten zur Förderung der GPRA sowie diesbezügliche Aktivitäten außerhalb der ILO dargestellt und weitere Initiativen zur effektiven Verwirklichung der GPRA auf nationaler Ebene vorgeschlagen.17 Die Internationale Arbeitskonferenz hat dazu eine Resolution verabschiedet18, in der sie einen Aktionsrahmen für die effektive und universelle Respektierung, Förderung und Verwirklichung grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit 2012 - 2016 formuliert. Er umfasst neben einer breit angelegten Informationskampagne, die zur Sensibilisierung für das Thema beitragen soll, die systematische Sammlung und nutzerfreundliche Aufbereitung von Informationen über die Umsetzung der Kernarbeitsnormen. Die Ratifizierung der acht Kern-Übereinkommen sowie ihre Umsetzung in nationales Recht sollen durch technische Zusammenarbeit und andere Maßnahmen neue Impulse erhalten. Mit den Ergebnissen des Aktionsplans soll sich die Internationale Arbeitskonferenz auf ihrer Tagung im Juni 2016 befassen. Bestrebungen, Verstöße gegen die Kernarbeitsnormen oder mangelhafte Umsetzung zu sanktionieren , sind dem Katalog der vorgeschlagenen Maßnahmen im Hinblick auf eine verbesserte Durchsetzung der Arbeits- oder Sozialschutzstandards der ILO-Übereinkommen nicht zu entnehmen und auch aus anderen vorliegenden Dokumenten der ILO nicht ersichtlich. Die Einführung von über die bisherigen Kontrollinstrumente hinausgehenden Sanktionsmechanismen dürfte auch nicht im Interesse der von der Internationalen Arbeitskonferenz angestrebten Aufrechterhaltung eines offenen Dialogs über die Entwicklung der Sozialstandards in Recht und Praxis in den Mitgliedstaaten (siehe oben 2.1, S. 6) liegen. 4. Zusammenarbeit mit der Welthandelsorganisation Die zunehmende ökonomische Verflechtung von Ländern und Regionen und der dadurch entstandene globale Wettbewerb haben Forderungen nach einem globalen Schutz von Arbeitsstandards als sozialem Gegengewicht hervorgerufen, in deren Fokus sich die beiden internationalen Organisationen ILO und WTO befinden. 17 Bericht VI. Grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit: Vom Engagement zum Handeln. Wiederkehrende Diskussion im Rahmen der Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung und der Folgemaßnahmen zu der Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit. Abrufbar im Internetauftritt der ILO: http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_norm/---relconf/documents/meetingdocument /wcms_176785.pdf (letzter Abruf: 10. Mai 2016). 18 Resolutions adopted by the International Labour Conference at its 101st Session (Geneva, June 2012), S. 17-23, abrufbar im Internetauftritt der ILO: http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_norm/---relconf/documents /meetingdocument/wcms_194631.pdf (letzter Abruf: 10. Mai 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 9 4.1. Standpunkte der Organisationen Die Erklärung der ILO über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit von 1998 leistet einen entscheidenden Beitrag zur Verwirklichung des auf dem Weltsozialgipfel 1995 in Kopenhagen verabschiedeten Aktionsprogramms das folgenden Zielen dienen soll: – Verbot der Zwangs- und Kinderarbeit – Vereinigungsfreiheit – Freiheit, Gewerkschaften zu gründen und Kollektivverhandlungen zu führen – gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern – Beseitigung der Diskriminierung im Arbeitsleben Die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (World Trade Organization - WTO) „hat 1996 in Singapur die Ziele des Aktionsprogramms von Kopenhagen bekräftigt. Die teilnehmenden Staaten verpflichteten sich erneut zur Einhaltung der international anerkannten Arbeitsnormen. Die WTO betonte außerdem, die ILO bei der Förderung der Normen zu unterstützen.“19 Auch der derzeitige Generaldirektor der ILO, Guy Ryder, wünscht sich eine vertiefte Zusammenarbeit mit der WTO; in einer Veröffentlichung der WTO zu ihrem zwanzigjährigen Bestehen wird er mit den Worten zitiert: “It is surely a shared goal of the ILO and the WTO to realise the potential of trade openness for employment to provide more jobs – and more productive and decent jobs – to more people . If so that is an argument that we must together help to develop, and an argument for deepening of the cooperation you got started. I hope that can take place in our future work. — Guy Ryder, International Labour Organization Director-General, Fourth Global Review of Aid for Trade, 9 July 2013”20. 4.2. Meinungen aus der Wissenschaft Vorschläge, das WTO-Vertragswerk durch eine Sozialklausel zu ergänzen, zielen vor allem auf den Schutz vor einem globalen Deregulierungswettbewerb und die Schaffung eines handelspolitischen Anreizes zur Einhaltung sozialer Mindeststandards.21 Die Frage, inwieweit ein globaler 19 Vgl. im Intenetauftritt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: https://www.bmz.de/de/themen/Unternehmerische_Verantwortung/sozialstandards/kernarbeitsnormen/index .html (letzter Abruf: 10. Mai 2016). 20 WTO (2015): 20 years of the WTO. A retrospective, S. 111. Abrufbar im Internetauftritt der WTO: https://www.wto.org/english/res_e/booksp_e/20years_wto_e.pdf (letzter Abruf: 10. Mai 2016). 21 Vgl. dazu Ellinger, Julia (2007): Soziale Mindeststandards im Welthandel, S. 14 und Fn. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 065/16 Seite 10 Ordnungsbedarf besteht, sowie der Frage, ob WTO oder ILO in ihrer institutionellen Gestalt geeignet sind, diesen Bedarf zu decken, widmet sich eine Magisterarbeit der Universität Bonn: Ellinger, Julia (2007): Soziale Mindeststandards im Welthandel. Marburg: Tectum Verlag . Inhaltsverzeichnis und Auszug: S. 122-130.Howse und Langille Anlage Die Autorin gelangt zu dem Ergebnis, dass beide Organisationen als normative Institutionen ihr politisches Programm auf starke Prinzipien stützen. Während die WTO rein regulative Funktion aufweise und daher nicht in der Lage sei, entwicklungsökonomische Ursachen niedriger Arbeitsstandards zu beseitigen, verfüge die ILO sowohl über einen regulativen als auch einen redistributiven Auftrag und könne schwächere Mitgliedstaaten durch das Mittel der technischen Hilfe unterstützen . Hinsichtlich der Entscheidungsfindung sei die WTO bei formeller Konsensbildung stark durch informelle Verhandlungsprozesse geprägt, die mit dem Anspruch eines multilateralen und fairen Verfahrens nicht vereinbar sei. Demgegenüber sei das Verfahren in der ILO durch die dreigliedrige Besetzung aller relevanten Organe geprägt, die gewährleiste, dass weder nationale noch gesellschaftliche Partikularinteressen dominieren könnten. Das aktuelle Regelwerk der WTO sehe Sanktionsmechanismen zur Sicherung der Kernarbeitsnormen nicht vor, während die ILO über differenzierte Instrumente zu deren Umsetzung und Kontrolle verfüge. Vor diesem Hintergrund erkennt die Autorin keine Regulierungslücke im Bereich des Schutzes globaler Arbeitsstandards . Statt des Ausbaus der Kompetenzen der WTO, die die Gefahr einer Entfremdung von ihrem eigentlichen Auftrag berge, fordert sie mehr Kompetenzen der ILO auf diesem Gebiet. Sie hebt abschließend aber gleichwohl auch die Rolle der WTO in diesem Zusammenhang und ihren Beitrag zum Schutz internationaler Arbeitsstandards hervor. Auch andere Autoren äußern sich hinsichtlich der Eignung der WTO zur sanktionsbewehrten Einhaltung von Mindestsozialstandards durch Einführung einer Sozialklausel skeptisch.22 Im Zusammenhang mit dem Bekenntnis zur Förderung der Beschäftigung in der Präambel zum WTO- Übereinkommen setzen sich andere Autoren aber auch für eine engere Zusammenarbeit von WTO und ILO ein. Handelspolitik sei zu wichtig, um sie allein der WTO zu überlassen, und Beschäftigungspolitik sei zu wichtig, um sie allein der ILO zu überlassen.23 Ende der Bearbeitung 22 Vgl. Howse, Robert; Langille, Brian (2006): The World Trade Organization and Labour Rights: Man Bites Dog. In: Leary, Virginia; Warner Daniel (Eds.): Sozial Issues, Globalisation and International Institutions. Labour Rights and the EU, ILO, OECD and WTO. Leiden, S. 157-231. 23 Charnovitz, Steve (2006): The (Neglected) Employment Dimension oft he World Trade Organization. In: Leary, Virginia; Warner Daniel (Eds.): Sozial Issues, Globalisation and International Institutions. Labour Rights and the EU, ILO, OECD and WTO. Leiden, S. 125-156 (154).