© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 062/19 Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern in verschiedenen europäischen Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 2 Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern in verschiedenen europäischen Staaten Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 062/19 Abschluss der Arbeit: 24. Mai 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz im Vereinigten Königreich 4 3. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz in Rumänien 5 4. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz in Polen 6 5. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz in Norwegen 6 6. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz in Frankreich 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 4 1. Einleitung Im Folgenden werden im Vereinigten Königreich, in Rumänien, Polen, Norwegen und Frankreich bestehende gesetzliche Vorschriften, die sich mit dem Schutz von Hinweisgebern (so genannte Whistleblower) befassen, dargestellt. Diese Darstellung beruht auf Angaben aus den jeweiligen Ländern und stellt die Regelungen lediglich in einem kurzen Überblick dar, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu haben. Insbesondere geht es um Fragen zu den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen in Bezug auf die strafrechtliche oder zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Hinweisgebern, den Umgang mit Repressalien durch den Arbeitgeber, die Voraussetzungen des Schutzes von Hinweisgebern und den Geltungsbereich der Regelungen. 2. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz im Vereinigten Königreich Die wichtigsten Bestimmungen zum Schutz von Hinweisgebern sind in Teil 4A des Employment Rights Act 1996 (ERA) enthalten. Diese Regelungen wurden durch den Public Interest Disclosure Act 1998 eingeführt und sind seit Juli 1999 in Kraft. Sie wurden seitdem mehrfach geändert. Durch den ERA werden die Mitarbeiter (worker) geschützt, die so genannte protected disclosures vornehmen (Section 43A ERA). Der Begriff des workers ist in Section 230 ERA definiert und wird im Zusammenhang mit protected disclosures auch auf weitere Personen ausgedehnt (etwa Leiharbeiter ), Section 43K und 43KA ERA. Das Gesetz bietet im weitesten Sinne zwei Arten des Schutzes. Zum einen gelten Mitarbeiter, die wegen einer protected disclosure entlassen wird, automatisch als zu Unrecht entlassen (Section 103A ERA). Zum anderen dürfen Mitarbeiter von ihrem Arbeitgeber nicht benachteiligt werden, weil sie eine protected disclosure vorgenommen haben (Section 47B ERA). Das Gesetz definiert hierbei zwar nicht, was unter einem „Nachteil“ genau zu verstehen ist; es wird jedoch allgemein davon ausgegangen, dass ein breites Spektrum von Handlungen abgedeckt wird (zum Beispiel Suspendierungen oder Herabstufungen). Zusätzlich schreibt der ERA vor, dass jede Vereinbarung insoweit ungültig ist, als sie versucht, eine Person daran zu hindern, eine protected disclosure vorzunehmen (Section 43J ERA). Damit eine Enthüllung als protected disclosure angesehen werden kann, muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. In Section 43B(1) ERA wird definiert, dass eine schützenswerte Offenlegung dann vorliegt, wenn sie nach vernünftiger Sicht desjenigen, der die Offenlegung vornimmt , im öffentlichen Interesse erfolgt und in der Tendenz einen oder mehrere der aufgeführten Sachverhalte erfüllen muss (etwa, dass eine Straftat begangen wurde, begangen wird oder begangen werden könnte). Was die Ausgestaltung der Meldewege anbelangt, enthält der ERA Bedingungen, wie Informationen offengelegt werden müssen, um schutzfähig zu sein. Das Gesetz nennt hierbei verschiedene Personen, denen gegenüber der Hinweisgeber eine Enthüllung mitteilen kann (zum Beispiel dem Arbeitgeber, einem Rechtsberater oder einer anderen hierfür vorgesehenen Person). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 5 Erfolgt die Offenlegung gegenüber einer anderen Person, müssen die in Section 43G ERA (Disclosure in other cases) enthaltenen Bedingungen erfüllt sein.1 Der ERA schützt Mitarbeiter nicht vor strafrechtlicher Verantwortung, sofern die Offenlegung von Informationen eine Straftat darstellt (beispielsweise ein Verstoß gegen den Official Secrets Act 1989) (Section 43B(3) ERA). Der ERA gilt für Mitarbeiter sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Ausnahmen gelten für den Bereich des Militärs nach Section 192 ERA (Armed forces) und für die nationalen Sicherheitsdienste nach Section 193 ERA (National security). Die Regelungen des ERA gelten für Großbritannien. Regelungen in Nordirland zu protected disclosures sind in Part 5A der Employment Rights (Northern Ireland) Order 1996 enthalten, die mit den Regelungen für Großbritannien sehr ähnlich und in den meisten Fällen sogar identisch sind. 3. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz in Rumänien In Rumänien wurde der Schutz von Hinweisgebern im Jahr 2004 mit dem Gesetz Nr. 571/2004 eingeführt. Der gesetzliche Schutz gilt nur für den öffentlichen Sektor und schließt nationale staatliche Kapitalgesellschaften ein. Es richtet sich an alle Beamte und Beschäftigte aller landesweiten öffentlichen Einrichtungen. Das Gesetz gewährt ein Schutzsystem für Hinweisgeber, die Repressalien in Form von missbräuchlichen Verwaltungs- oder Gerichtssanktionen erfahren. Im Falle des Vorliegens eines public interest warnings werden die Bestimmungen über den Zeugenschutz (Gesetz Nr. 682/2002) von Amts wegen angewendet. Dabei wird von dem Vorliegen eines public interest warnings dann ausgegangen, wenn eine nach Treu und Glauben erfolgte Mitteilung über Tatsachen gemacht wird, wonach ein Verstoß gegen das Recht, die berufliche Sittenlehre oder die Grundsätze guter Verwaltung vorliegt. Als Hinweisgeber in diesem Zusammenhang sind Personen anzusehen, durch die ein public interest warning erfolgt und die einer Einrichtung , die vom gesetzlichen Schutz erfasst sind, zugeordnet ist. In Bezug auf Konflikte, die das Arbeitsverhältnis betreffen, kann das Gericht über die Aufhebung einer Disziplinar- oder Verwaltungssanktion entscheiden, welche gegenüber einem Hinweisgeber aufgrund eines im guten Glauben durch ihn erfolgten public interest warnings verhängt wurde. 1 Für nähere Informationen kann auf zwei Publikationen der The House of Commons Library hingewiesen werden : Briefing Paper, Key Employment Rights, November 2018, abrufbar unter: file://na07-jkh-fs01/u_daten $/wd6-3/Dokumente/CBP-7245.pdf (zuletzt abgerufen am 23. Mai 2019); Briefing Paper, Whistleblowing and gagging clauses, Januar 2016, abrufbar unter: file://na07-jkh-fs01/u_daten$/wd6-3/Dokumente/CBP-7442.pdf (zuletzt abgerufen am 23. Mai 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 6 4. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz in Polen Seit dem 13. Juli 2018 ist das Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Kraft, welches unter anderem Regelungen zur obligatorischen Einführung eines neuen Verfahrens zur anonymen Meldung von Verstößen beinhaltet. Dieses Verfahren verpflichtet bestimmte Institutionen (beispielsweise Banken, Finanzinstitute, Investmentgesellschaften, Kapitalgesellschaften ) interne anonyme Verfahren zu entwickeln und umzusetzen, die es Mitarbeitern oder anderen Personen, die für das Institut tätig sind, ermöglichen, tatsächliche oder potentielle Verstöße gegen Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu melden. Nach dem eben genannten Gesetz kann „Whistleblower“ jeder Mitarbeiter einer von den Regelungen erfassten Institution sowie andere Personen sein, die zugunsten einer verpflichteten Institution Tätigkeiten ausüben. Das Gesetz ermöglicht es dem Hinweisgeber, anonyme Informationen über Unregelmäßigkeiten über einen speziellen unabhängigen Informationskanal an das Management zu übermitteln, wodurch Anonymität gewährleitet wird. Im Zusammenhang mit dem Schutz von Hinweisgebern sind zwei Gesetzentwürfe der Regierung zu nennen. Der eine Gesetzentwurf (liability of collective enteties for acts prohibited under penalty) zielt darauf, die Verantwortlichkeit von Unternehmen für verbotene Handlungen zu erweitern. Ferner sieht es Regelungen in Bezug auf die Haftung von Unternehmen für Maßnahmen gegen Mitarbeiter vor, die Unregelmäßigkeiten aufdecken und hierüber informieren, um den Schutz von Hinweisgebern sicherzustellen. Als Begründung dafür wird angeführt, dass die bestehenden Vorschriften (z.B. das Arbeitsgesetzbuch) nicht für ausreichenden Schutz vor Repressalien , denen die Hinweisgeber an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt sein können, sorgen. Der Gesetzentwurf wurde im Januar dieses Jahres dem Parlament zugeleitet. Der zweite Gesetzentwurf (draft law on openness of public life), der seit 2017 von der Regierung vorbereitet wird, sieht Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern vor. Nach dem Entwurf sind Hinweisgeber natürliche Personen oder Unternehmer, deren Zusammenarbeit mit der Justiz in der Meldung von möglichen Begehungen von Straftaten seitens des Unternehmens besteht, mit welchem sie durch einen Arbeitsvertrag oder ein anderes Vertragsverhältnis verbunden sind, und sich die Meldung nachteilig auf ihr Leben, ihre Arbeit oder ihre materielle Lage auswirken könnte und vom Staatsanwalt der Status eines Hinweisgebers gewährt wird. Es ist vorgesehen, dass ein Arbeitgeber den Arbeitsvertrag des Hinweisgebers ohne eine entsprechende Zustimmung der Staatsanwaltschaft nicht kündigen oder seine Bedingungen ändern kann. 5. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz in Norwegen In Norwegen sind die wichtigen gesetzlichen Bestimmungen, die sich mit dem Schutz von Hinweisgebern befassen, in Kapitel 2 A Working Enviroment Act festgelegt. Das Gesetz wurde zuletzt 2017 geändert und unter anderem geregelt, dass ein Arbeitgeber Meldeverfahren bereitzustellen hat, wenn mehr als fünf Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt sind. Ferner wurde geregelt, dass auch Zeitarbeitnehmer das Melderecht haben. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 7 Der gesetzliche Schutz erstreckt sich sowohl auf den privaten als auch auf den öffentlichen Sektor. Eine Definition, was unter einem Hinweisgeber zu verstehen ist, gibt es im norwegischen Recht nicht. Die wichtigste Bestimmung ist, dass der Mitarbeiter berechtigt ist, kritische Umstände im Unternehmen zu melden. Diese Vorschrift gilt für externe als auch interne Anzeigen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor sowie auf allen Arbeitsgebieten. Der Schutz vor Repressalien aufgrund einer solchen Meldung ist in Section 2 A-2 geregelt. «Section 2 A-1. The right to notify censurable conditions at the undertaking (1) An employee has a right to notify censurable conditions at the employer's undertaking. Workers hired from temporary-work agencies also have a right to notify censurable conditions at the hirer's undertaking. (2) The employee shall proceed responsibly when making such notification. The employee has notwithstanding the right to notify in accordance with the duty to notify or the undertaking's routines for notification. The same applies to notification to supervisory authorities or other public authorities. (3) The employer has the burden of proof that notification has been made in breach of this provision. Section 2 A-2. Protection against retaliation in connection with notification (1) Retaliation against an employee who notifies pursuant to section 2 A-1 is prohibited. As regards workers hired from temporary-work agencies, the prohibition shall apply to both employers and hirers. If the employee submits information that gives reason to believe that retaliation in breach of the first or second sentence has taken place, it shall be assumed that such retaliation has taken place unless the employer or hirer substantiates otherwise. (2) The first paragraph applies correspondingly in connection with retaliation against an employee who makes known that the right to notify pursuant to section 2 A-1 will be invoked, for example by providing information. (3) Anyone who has been subjected to retaliation in breach of the first or second paragraph may claim compensation without regard to the fault of the employer or hirer. The compensation shall be fixed at the amount the court deems reasonable in view of the circumstances of the parties and other facts of the case. Compensation for financial loss may be claimed pursuant to the normal rules. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 8 Section 2 A-3. Obligation to prepare procedures for internal notification (1) If the conditions at the undertaking so indicate, the employer shall be obliged to prepare procedures for internal notification in accordance with section 2 A-1 in connection with systematic health, environment and safety work. (2) The employer is always obliged to prepare such procedures if the undertaking regularly employs five or more employees. (3) The procedures shall be prepared in cooperation with the employees and their elected representatives. (4) The procedures shall not limit the employees' right to notify pursuant to section 2 A-1. (5) The procedures shall be in writing and at least contain: a) encouragement to notify censurable conditions, b) procedure for notification, c) procedure for receipt, processing and follow-up of notifications. (6) The procedures shall be easily accessible to all employees at the undertaking. Section 2 A-4. Duty of confidentiality in connection with notification to public authorities (1) When supervisory authorities or other public authorities receive notification concerning censurable conditions, any person who performs work or services for the body receiving such notification shall be obliged to prevent other persons from gaining knowledge of employees' names or other information identifying employees. (2) The duty of confidentiality shall also apply in relation to parties to the case and their representatives. Sections 13 to 13e of the Public Administration Act shall otherwise apply correspondingly.» Nach Section 2 A-1 hat ein Mitarbeiter das Recht, zu beanstandende Bedingungen im Unternehmern des Arbeitgebers zu melden. Er muss aber bei einer solchen Meldung verantwortungsbewusst vorgehen. Verantwortungsbewusstes Handeln impliziert hierbei, dass man loyal handelt, was bedeutet, dass ein Mitarbeiter, der über zu beanstandende Bedingungen informieren möchte, immer zuerst eine interne Benachrichtigung in Betracht ziehen sollte, sofern dies möglich ist. Andere Gesichtspunkte, die vor einer Meldung berücksichtigt werden sollten, sind: – das Bestehen einer fundierten Grundlage für den Hinweis, – die Frage, ob es sich bei dem Hinweis um Angelegenheiten von allgemeinem Interesse handelt, – die Frage, welcher Schaden dem Arbeitgeber hierdurch entstehen kann, – die Position des Mitarbeiters, – die Frage, ob es eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht gibt, Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 9 – die Art und Form der Äußerung, – die Motivation der Meldung. 6. Rechtslage zum Hinweisgeberschutz in Frankreich Es gibt in Frankreich kein spezifisches Gesetzbuch über Hinweisgeber, sondern eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen, welche bei Handlungen von Hinweisgebern Anwendung finden. Die im Folgenden genannten Gesetze gelten sowohl für Bedienstete der öffentlichen Hand als auch für Arbeitnehmer des Privatsektors. Mitarbeiter im Bereich der nationalen Sicherheit unterliegen den Bestimmungen von Kapitel I des Gesetzbuches über die innere Sicherheit, welches die Überschrift trägt: „Schutz von Verteidigungsgeheimsachen und der Anonymität der Bediensteten“ (Artikel L. 861-1 bis L. 861-3). Der Begriff des Hinweisgebers wurde in Frankreich durch das Gesetz Nr. 2016-1691 vom 9. Dezember 2016 über Transparenz, den Kampf gegen Korruption und die Modernisierung des Wirtschaftslebens rechtlich verankert. Artikel 6 dieses Gesetzes lautet: „Ein Hinweisgeber ist eine natürliche Person, die uneigennützig und in gutem Glauben ein Verbrechen oder ein Vergehen, einen schweren und offensichtlichen Verstoß gegen eine ordnungsgemäß ratifizierte oder genehmigte völkerrechtliche Verpflichtung Frankreichs, gegen einen von einer internationalen Organisation auf der Grundlage einer solchen Verpflichtung erlassenen einseitigen Rechtsakt, gegen das Gesetz oder das Verordnungsrecht oder eine schwerwiegende Gefahr oder einen schwerwiegenden Schaden für das Allgemeinwohl aufdeckt oder meldet, von denen er persönlich Kenntnis erlangt hat. Von den Bestimmungen dieses Kapitels über den Rechtsrahmen für Hinweise ausgenommen sind Sachverhalte, Informationen und Dokumente jeder Art und in jeder Form, welche unter das Militärgeheimnis, die ärztliche Schweigepflicht oder die anwaltliche Schweigepflicht fallen .“ Mit dem Gesetz vom 9. Dezember 2016 wurden auch bestimmte strafrechtliche und arbeitsrechtliche Vorschriften novelliert. Mit Artikel 7 des Gesetzes Nr. 2016-1691 vom 9. Dezember 2016 wurde im Strafgesetzbuch ein Artikel 122-9 neu hinzugefügt. Dieser lautet wie folgt: „Eine Person, die ein gesetzlich geschütztes Geheimnis preisgibt, darf nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, sofern diese Preisgabe aufgrund des Schutzes der in Frage stehenden Interessen notwendig und verhältnismäßig ist, die vom Gesetz vorgesehenen Meldeverfahren eingehalten werden und die betreffende Person gemäß den Kriterien von Artikel 6 des Gesetzes Nr. 2016-1691 vom 9. Dezember 2016 über Transparenz, den Kampf gegen Korruption und die Modernisierung des Wirtschaftslebens als Hinweisgeber anzusehen ist.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 10 Mit Artikel 10 des Gesetzes Nr. 2016-1691 wurde ferner im Arbeitsgesetzbuch der Artikel L. 1132- 3-3 novelliert, dessen Absatz 1 nunmehr wie folgt lautet: „Niemand, der unter Einhaltung der Vorschriften der Artikel 6 bis 8 des Gesetzes Nr. 2016- 1691 vom 9. Dezember 2016 über Transparenz, den Kampf gegen Korruption und die Modernisierung des Wirtschaftslebens einen Hinweis gegeben hat, darf von einem Einstellungsverfahren oder dem Zugang zu einem Praktikum, zu einer Probezeit oder zu einer Aus- oder Fortbildung ausgeschlossen werden, als Arbeitnehmer bestraft, entlassen oder Gegenstand unmittelbarer oder mittelbarer diskriminierender Maßnahmen werden, insbesondere betreffend Vergütungen im Sinne der Vorschrift von Artikel L. 3221-3, durch finanzielle Beteiligungen oder die Ausgabe von Aktien begünstigt werden oder Gegenstand von Ausbildungs-, Neueinstufungs -, Zuweisungs-, Qualifikations-, Einstufungs-, Beförderungs- oder Versetzungsmaßnahmen werden oder in den Genuss einer Vertragsverlängerung kommen.“ Auch weitere gesetzliche Bestimmungen sichern in Frankreich Hinweisgeber rechtlich ab. So wurde durch das Gesetz Nr. 2017-86 vom 27. Januar 2017 (Gleichheits- und Bürgerschaftsgesetz) das Gesetz Nr. 83-634 vom 13. Juli 1983 über die Rechte und Pflichten der Beamten geändert und an verschiedenen Stellen der folgenden Absatz hinzugefügt: „Im Rahmen von einen Beamten betreffenden Einstellungs-, Berufungs-, Besoldungs-, Weiterbildungs-, Bewertungs-, Benotungs-, Disziplinar-, Beförderungs-, Zuweisungs- oder Versetzungsmaßnahmen darf […] die Tatsache, dass der betreffende Beamte Handlungen, die gegen diese Grundsätze verstoßen, bezeugt oder von solchen Verstößen berichtet hat, keine Berücksichtigung finden“. Dieser Absatz gilt ganz besonders in Bezug auf folgende Bereiche: – Meinungsfreiheit (Artikel 6 des oben stehenden Gesetzes vom 13. Juli 1983); – direkte oder indirekte Ungleichbehandlungen von Beamten aufgrund des Geschlechts (Artikel 6 bis des Gesetzes vom 13. Juli 1983). Aufgrund des Gesetz Nr. 2016-483 vom 20. April 2016 (Verhaltenskodex, Rechte und Pflichten der Beamten) gilt der oben genannte Absatz auch: – im Falle von Meldungen „an die Justiz- oder an die Verwaltungsbehörden über Sachverhalte , die Tatbestandsmerkmale eines Vergehens oder eines Verbrechens erfüllen oder die möglicherweise einen Interessenkonflikt darstellen können“ (eingefügt in Artikel 6 ter A des Gesetzes vom 13. Juli 1983); – bei Aufdeckung eines Falles von sexueller Belästigung (eingefügt in Artikel 6 ter des Gesetzes vom 13. Juli 1983). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 062/19 Seite 11 Gemäß dem Gesetz Nr. 2015-912 vom 24. Juli 2015 über die Nachrichtendienste sind Beamte befugt, Verstöße gegen die Vorschriften über Überwachungen und Sicherheitskontrollen zu melden . Das Gesetz Nr. 2015-912 hat den Artikel L. 861-3 des Gesetzbuches über die innere Sicherheit geändert, welcher nunmehr Folgendes bestimmt: „I. – Nachrichtendienstliche Mitarbeiter, die […] im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit Kenntnis von Sachverhalten erlangen, die einen offensichtlichen Verstoß gegen die Vorschriften dieses Buches darstellen können, dürfen diese Informationen nur gegenüber der Nationalen Kontrollkommission für nachrichtendienstliche Tätigkeiten offenbaren, welche ihrerseits den Staatsrat anrufen […] und den Premierminister davon unterrichten kann […]. „II. – Kein nachrichtendienstlicher Mitarbeiter darf wegen einer in gutem Glauben erfolgten Meldung von Sachverhalten nach Ziffer I. an die Nationale Kontrollkommission für nachrichtendienstliche Tätigkeiten zum Gegenstand unmittelbarer oder mittelbarer diskriminierender Maßnahmen werden, insbesondere in Bezug auf seine Besoldung, Einstellung, Berufung oder Benotung, auf Disziplinarmaßnahmen, auf seine Behandlung, Weiterbildung, Neueinstufung, Zuweisung, Qualifikation, Einstufung, Beförderung oder seine Versetzung, oder auf eine Aufhebung oder Verlängerung des Beamtenverhältnisses. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrift sind nichtig […]“. Aufgrund der vorgenannten Bestimmungen müssen die Informationen des Hinweisgebers ohne „böse Absicht“ und auch nicht „mit der Absicht zu schaden oder in dem Wissen um die zumindest teilweise Unwahrheit des behaupteten Sachverhalts“ preisgegeben worden sein. Verstöße können den Tatbestand nach Artikel 226-10 des Strafgesetzbuches erfüllen, welcher Folgendes bestimmt: „Wer, auf gleich welche Art, eine bestimmte Person wegen eines Sachverhalts, von dem er weiß, dass dieser gänzlich oder teilweise unzutreffend ist, und der zu gerichtlich verhängten Strafen, zu verwaltungsrechtlichen Sanktionen oder zu Disziplinarmaßnahmen führen kann, gegenüber einem Justizbeamten, einem Beamten der Schutz- oder der Kriminalpolizei, oder gegenüber einem Organ, das diese Anzeige verfolgen oder an die zuständige Behörde weiterleiten kann, oder gegenüber den Vorgesetzten oder dem Arbeitgeber beziehungsweise Dienstherrn der angezeigten Person anzeigt, wird mit fünf Jahren Freiheitsstrafe und 45.000 Euro Geldstrafe bestraft“. ***