© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 061/19 Fragen zum Einigungsvertrag im Zusammenhang mit der Rentenüberleitung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 061/19 Seite 2 Fragen zum Einigungsvertrag im Zusammenhang mit der Rentenüberleitung Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 061/19 Abschluss der Arbeit: 24. April 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 061/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Herleitung von Rentenansprüchen aus dem Einigungsvertrag 4 1.1. Rechtsnatur des Einigungsvertrages 4 1.2. Fortgeltung des Einigungsvertrages nach dem Beitritt 4 1.3. Regelungsgehalt des Art. 30 Abs. 5 EV 5 1.3.1. Art. 30 Abs. 5 Satz 1 EV: Gesetzgebungsauftrag 5 1.3.2. Art. 30 Abs. 5 Satz 2 EV: Vertrauens- und Bestandsschutz 5 1.3.3. Art. 30 Abs. 5 Satz 3 EV: Zielbestimmung 6 2. Klagebefugnis aus Nichtumsetzung der im Einigungsvertrag enthaltenen Vorgaben 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 061/19 Seite 4 1. Herleitung von Rentenansprüchen aus dem Einigungsvertrag In der Sozialpflichtversicherung der DDR wurde die in der Braunkohleveredelung ausgeübte Beschäftigung hinsichtlich der Altersversorgung mit einer bergmännischen Tätigkeit unter Tage gleichgestellt.1 Eine entsprechende Regelung wurde mit der Rentenüberleitung nicht in das SGB VI aufgenommen, da die Privilegierung der ehemaligen Beschäftigten der Braunkohleveredelung in der Knappschaftlichen Rentenversicherung dem Ziel der Rentenüberleitung, ein einheitliches Rentenrecht zu schaffen, entgegenstünde und gegenüber anderen Versicherten mit ähnlichen gesundheitlichen Belastungen nicht zu rechtfertigen wäre. Die betroffenen ehemaligen Beschäftigten der Braunkohleveredelung haben mehrfach gefordert, für die Rente weiterhin mit unter Tage tätigen Bergleuten gleichgestellt zu werden, insbesondere zur Bewilligung einer vorzeitigen abschlagfreien Altersrente. Fraglich ist, ob sich aus dem Einigungsvertrag (EV) konkrete Rentenansprüche herleiten lassen und ob sich für die ostdeutschen Länder aus der Nichtumsetzung der im Einigungsvertrag zur Rentenüberleitung enthaltenen Vorgaben möglicherweise eine Klagebefugnis ergibt. Um die Frage nach der Herleitung von Rentenansprüchen aus Art. 30 Abs. 5 EV beantworten zu können, muss zunächst die Rechtsnatur des Einigungsvertrages und die Fortgeltung des Vertrages nach dem Beitritt geklärt werden. In einem nächsten Schritt ist dann festzustellen, ob Art. 30 Abs. 5 EV dahingehend ausgelegt werden kann, dass dieser Rechtsansprüche enthält. 1.1. Rechtsnatur des Einigungsvertrages Während die Rechtsnatur des Einigungsvertrages in der Literatur stark umstritten ist und er zum Teil als rein völkerrechtlicher, zum Teil als rein staatsrechtlicher Vertrag eingeordnet wird, geht die herrschende Meinung von der Theorie des Doppelcharakters des Einigungsvertrages aus. Danach enthält der Vertrag sowohl völkerrechtliche als auch staatsrechtliche Elemente.2 Die völkerrechtliche Vertragsbeziehung zwischen den Vertragspartnern ist jedoch mit dem Untergang der DDR als Völkerrechtssubjekt, d.h. mit der Wiedervereinigung, erloschen.3 1.2. Fortgeltung des Einigungsvertrages nach dem Beitritt Auch wenn die völkerrechtliche Vertragsbeziehung zwischen den Vertragspartnern mit dem Beitritt der DDR erloschen ist, wird anerkannt, dass der Einigungsvertrag mit den darin vereinbarten 1 § 41 Abs. 1 Bst. i) der Ersten Durchführungsbestimmung zur Rentenverordnung vom 23. November 1979 (DDR- GBl. I S. 413). 2 Kerschbaumer, Judith (2011): Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, Wiesbaden : VS-Verl., S. 298. 3 Badura in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2012, § 225 Innerdeutsche Verträge, insbesondere der Einigungsvertrag, Rn. 43 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 061/19 Seite 5 Rechten und Pflichten nicht untergegangen ist.4 In Art. 45 Abs. 2 EV wird die Fortgeltung des Einigungsvertrages als Bundesrecht nach Wirksamwerden des Beitritts ausdrücklich angeordnet.5 Die Regelungen des Einigungsvertrages sind mit Beitritt Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden und haben den Rang eines Bundesgesetzes.6 Wenn sich aus den in Frage stehenden Regelungen Rechtsansprüche ergeben, dann bestehen diese mithin weiterhin fort. 1.3. Regelungsgehalt des Art. 30 Abs. 5 EV In Bezug auf den Regelungsgehalt des Art. 30 Abs. 5 EV und der Ableitung möglicher Rechtsansprüche ist zwischen den drei Sätzen des Absatzes 5 zu unterscheiden. 1.3.1. Art. 30 Abs. 5 Satz 1 EV: Gesetzgebungsauftrag Artikel 30 Abs. 5 EV enthält zunächst in Satz 1 die Aufforderung an den gesamtdeutschen Gesetzgeber , die erforderlichen Vorschriften für die Überleitung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf die neuen Länder zu schaffen. Diese Vorgabe hat der Gesetzgeber mit dem Renten- Überleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 (RÜG), in dem auch in Artikel 3 das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) enthalten ist, umgesetzt.7 Ferner wurden mit dem Rentenüberleitungs -Ergänzungsgesetz (RÜ-ErgG) vom 24. Juni 1993 die Versorgungssysteme der DDR- Blockparteien und Anwartschaften der Carl-Zeiss-Stiftung Jena in das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) aufgenommen. Die Überführung sämtlicher staatlicher Alterssicherungssysteme der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung ist damit abgeschlossen.8 1.3.2. Art. 30 Abs. 5 Satz 2 EV: Vertrauens- und Bestandsschutz Der zweite Absatz des Art. 30 Abs. 5 EV trifft eine Regelung zum Vertrauens- und Bestandsschutz für Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 beginnt. Die Regelung gewährleistet, dass die bis zum 30. Juni 1990, das heißt dem Zeitpunkt vor Beginn der Rentenangleichung, erworbenen Ansprüche und Anwartschaften erhalten bleiben. Demzufolge bleiben bis zum 30. Juni 1995 für die Beurteilung, ob ein 4 Badura in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2012, § 225 Innerdeutsche Verträge, insbesondere der Einigungsvertrag, Rn. 44. 5 Art. 45 Abs. 2 Einigungsvertrag: „Der Vertrag bleibt nach Wirksamwerden des Beitritts als Bundesrecht geltendes Recht.“ 6 Kerschbaumer, Judith (2011): Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, Wiesbaden : VS-Verl., S. 299; Badura in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2012, § 225 Innerdeutsche Verträge, insbesondere der Einigungsvertrag, Rn. 45 ff. 7 Antwort der Bundesregierung, Anerkennung der Altersversorgung aus bergmännischer Tätigkeit in der Carbochemie , Bundestagsdruckssache 15/3433, S.2. 8 Deutscher Bundestag (2018), Wissenschaftliche Dienste: Von der Rentenüberleitung betroffene besondere Personen - und Berufsgruppen, WD 6-3000-047/19, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 061/19 Seite 6 Rentenanspruch besteht, die Rentenregelungen weiter maßgeblich, die am 30. Juni 1990 auf dem Gebiet der DDR galten. Bei Rentenbeginn zwischen dem 1. Januar 1992 und dem 30. Juni 1995 wird eine Rente aus der Rentenversicherung mindestens in der Höhe geleistet, die sich bei ihrer Feststellung bis zum 30. Juni 1990 ergeben hätte.9 Dies wurde vom Gesetzgeber durch Art 2 RÜG umgesetzt und darüber hinaus die zeitliche Grenze bis zum 31. Dezember 1996 erstreckt. In der Rechtsprechung wurde anerkannt, dass soweit das RÜG das in Art. 30 Abs. 5 Satz 2 EV vorgegebene Regelungsprogramm nur unvollständig umgesetzt hat, sich aus Art. 30 Abs. 5 Satz 2 EV ein subjektives Recht ergibt. Die nach der Bestandsschutzregelung bestehende Garantie ist „nicht nur ein Programmsatz für den Gesetzgeber des RÜG, sondern räumt bereits konkrete unter dem Schutz der Eigentumsgarantie nach Art 14 Abs. 1 GG stehende öffentlich-rechtliche subjektive Rechtspositionen ein, die der Gesetzgeber des RÜG ohne Verfassungsverstoß nicht mehr oder nur unter den von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) umrissenen Voraussetzungen entziehen oder auch nur kürzen durfte.“ Dies gilt für die "Zahlbetragsgarantie" der Anwartschaftsberechtigten der Sonder- und Zusatzversorgungsysteme der DDR (EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst b) nach der Rechtsprechung des BVerfG (Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95; 1 BvR 2105/95 -, Umdruck S. 43 ff.) und für die "Rentenartgarantie " des Art 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EV.10 Ein sich insoweit aus Art. 30 Abs. 5 Satz 2 EV unter Umständen ergebender Anspruch bezieht sich lediglich auf diese Vertrauensschutzregelungen und den Bestandsschutz hinsichtlich der Renten bei Rentenbeginn bis zum 30. Juni 1995 bzw. 31. Dezember 1996. Bei einem späteren Rentenbeginn kann aus Art. 30 Abs. 5 Satz 2 EV jedenfalls kein darüber hinausgehender Rechtsanspruch abgeleitet werden. Insbesondere besteht keine Verpflichtung, im Rahmen des Rentenrechts stets in unverändertem Umfang an ehemals in der DDR relevante Sachverhalte, die in der DDR eine besondere rentenrechtliche Einordnung und Bewertung fanden, anzuknüpfen.11 Dem Gesetzgeber steht für den Weg zur Rechtseinheit im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ein Gestaltungsspielraum zu, der auch die Befugnis zur Umgestaltung von rentenrechtlichen Positionen beinhaltet .12 1.3.3. Art. 30 Abs. 5 Satz 3 EV: Zielbestimmung Art. 30 Abs. 5 Satz 3 EV bestimmt: „Im übrigen soll die Überleitung von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter in dem in Art. 3 genannten Gebiet (die 9 Denkschrift zum Einigungsvertrag, Bundestagsdrucksache 11/7760, S. 371. 10 Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Juni 1999, Az. B 8 KN 9/98 R, Rn. 43. 11 Antwort der Bundesregierung, Anerkennung der Altersversorgung aus bergmännischer Tätigkeit in der Carbochemie , Bundestagsdruckssache 15/3433, S.2 ff. 12 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28. April 1999, Az. 1 BvR 32/95; Beschluss vom 11. Mai 2005, Az. 1 BvR 368/97. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 061/19 Seite 7 neuen Bundesländer und Berlin Ost) an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen.“ Der Satz 3 enthält schon dem Wortlaut nach lediglich eine Zielbestimmung dahingehend, dass der Gesetzgebungsauftrag zur Überleitung nach Satz 1 mit der Angleichung der Löhne und Gehälter auch die Angleichung der Renten verwirklicht werden soll. Auch aus den Materialien zum Einigungsvertrag ergibt sich in Bezug auf den Satz 3 kein weitergehender Gehalt, hier wird lediglich auf die Regelung zum Bestandsschutz (s.o.) eingegangen.13 Ein systematischer Vergleich mit dem Satz 2 zeigt, dass dieser unbedingt („wird“) formuliert ist, während Satz 3 als „Soll“-Vorschrift ausgestaltet ist. Ebenso dürfte sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergeben, dass dieser nur einen Programmsatz für den Gesetzgeber darstellt und kein öffentlich-rechtliches subjektives Recht auf Anpassung der Renten vermittelt werden soll.14 Es könnte sich lediglich in Zusammenschau mit Art. 30 Abs. 5 Satz 1 EV ein Anspruch auf eine gesetzliche Regelung zur Angleichung der Renten ergeben.15 Dabei dürfte dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zukommen.16 Selbst wenn man von einem Anspruch auf gesetzliche Angleichungsregelungen ausgeht, wäre dieser wohl durch das Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs- Abschlussgesetz) vom 17. Juli 2017, das eine schrittweise Angleichung der in Ost und West dem Lohnniveau entsprechenden unterschiedlichen Berechnungswerte der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Jahr 2025 vorsieht, 17 erfüllt. 2. Klagebefugnis aus Nichtumsetzung der im Einigungsvertrag enthaltenen Vorgaben Art. 44 EV sichert grundsätzlich die Möglichkeit einer prozessualen Geltendmachung von Rechten , die nach dem Einigungsvertrag zugunsten der DDR oder der in Artikel 1 genannten Länder bestehen. Es wird klargestellt, dass die Rechte der DDR, auch wenn sie als Völkerrechtssubjekt mit dem Beitritt untergeht, im Umfang des Art. 45 Abs. 2 EV nicht erlöschen und künftig von den Selbstverwaltungskörperschaften prozessual eingeklagt werden können, die als Repräsentanten der Bevölkerung der untergegangenen DDR angesehen werden können. Eine Regelung bezüglich 13 Denkschrift zum Einigungsvertrag, Bundestagsdrucksache 11/7760, S. 371. 14 So im Ergebnis zumindest auch: Kerschbaumer, Judith (2011): Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, Wiesbaden: VS-Verl., S. 297 ff. 15 Kerschbaumer, Judith (2011): Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, Wiesbaden : VS-Verl., S. 301 f. 16 Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Mai 2005, Az. 1 BvR 368/97; Kerschbaumer, Judith (2011): Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, Wiesbaden: VS-Verl., S. 301. 17 Entwurf eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz), Bundestagsdrucksache 18/11923. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 061/19 Seite 8 des Rechtsweges und der Gerichtszuständigkeit trifft der Art. 44 EV nicht, dazu muss auf das im Einzelfall geltende Recht abgestellt werden.18 Grundsätzlich dürfte für Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern über die Rechte im Sinne des Art. 44 EV zum Beispiel das Bundesverfassungsgericht im Wege eines Bund-Länder- Streits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG) zuständig sein, da es sich um materielles Verfassungsrecht handeln dürfte. Grundsätzlich teilen Rechtspositionen, die einem Vertrag entspringen, die Rechtsnatur dieses Vertrages (zur Rechtsnatur des EV siehe oben).19 Welche Rechte nach Art. 44 EV als solche, die zugunsten der DDR oder der in Artikel 1 EV genannten Länder von diesen geltend gemacht werden können, anzusehen sind, ist durch Auslegung des Einigungsvertrages zu bestimmen: Ein „Recht“ im Sinne des Art. 44 EV kann sich nur aus vertraglichen Rechtszuweisungen ergeben, die zum einen eine Schutzwirkung zugunsten der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsteile der früheren DDR oder zugunsten einzelner Länder entfalten und zum anderen über den Zeitpunkt des Beitritts hinaus fortbestehen sollen.20 Dies gilt beispielsweise für die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Art. 7 EV, aus denen die Länder Rechte ableiten können.21 Ein Recht im Sinne des Art. 44 EV kann sich auch aus der Verpflichtung des Bundes zugunsten der DDR aus Art. 41 Abs. 1 und 3 EV zur Einhaltung der rechtsverbindlichen Bestandteile der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 zur Regelung offener Vermögensfragen (Anlage III) ergeben .22 Dagegen sind etwa Aufgabennormen und Gesetzgebungsaufträge nicht als einklagbare Rechte nach Art. 44 EV anzusehen. Dies gilt zum Beispiel für Gesetzgebungsaufträge, die an den „gesamtdeutschen Gesetzgeber“ gerichtet sind, wie in Art. 30, Art. 31 und Art. 35 EV geregelt (abgesehen von der Gewährleistung zugunsten der Sorben gemäß Klarstellung zu Art. 35 Nr. 14 Protokoll zum EV). 23 Soweit sich aus Art. 30 Abs. 5 EV lediglich ein Gesetzgebungsauftrag ergibt, ist mithin kein nach Art. 44 EV prozessual durchsetzbares Recht gegeben. *** 18 Denkschrift zum Einigungsvertrag, Bundestagsdrucksache 11/7760, S. 377; Badura in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2012, § 225 Innerdeutsche Verträge, insbesondere der Einigungsvertrag, Rn. 48. 19 Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. April 1996, Az. 2 BvG 1/93. 20 Badura in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2012, § 225 Innerdeutsche Verträge, insbesondere der Einigungsvertrag, Rn. 52. 21 Badura in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2012, § 225 Innerdeutsche Verträge, insbesondere der Einigungsvertrag, Rn. 52. 22 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. April 1996, Az. 2 BvG 1/93. 23 Badura in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2012, § 225 Innerdeutsche Verträge, insbesondere der Einigungsvertrag, Rn. 52.