© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 060/20 Gebärdensprachdolmetschen - Anspruchsgrundlagen und Kostenübernahme Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 060/20 Seite 2 Gebärdensprachdolmetschen - Anspruchsgrundlagen und Kostenübernahme Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 060/20 Abschluss der Arbeit: 4. September 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 060/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Verwaltungsverfahren auf Bundesebene 4 3. Ausführung von Sozialleistungen und Sozialverwaltungsverfahren 5 3.1. Ausführung von Sozialleistungen 5 3.2. Amtssprache im Sozialverwaltungsverfahren 5 4. Gerichtswesen 5 5. Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen 6 5.1. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, § 49 SGB IX 7 5.2. Leistungen zur Teilhabe an Bildung, § 75 SGB IX 7 5.3. Leistungen zur Sozialen Teilhabe, § 76 SGB IX 8 5.3.1. Assistenzleistungen, § 78 SGB IX 8 5.3.2. Leistungen zur Förderung der Verständigung, § 82 SGB IX 8 5.4. Eingliederungshilfe 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 060/20 Seite 4 1. Einleitung Rechtliche Regelungen in Hinblick auf einen Rechtsanspruch auf den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern sowie zur entsprechenden Kostenübernahme finden sich in verschiedenen Rechtsgebieten und Rechtsgrundlagen. Aufgrund der teilweise individuellen Anspruchsvoraussetzungen im Einzelfall und der unterschiedlichen Leistungsträger ist eine abschließende Aufzählung nicht möglich. Es erfolgt daher nachfolgend ein Überblick ausgewählter Rechtsgebiete und Rechtsgrundlagen. 2. Verwaltungsverfahren auf Bundesebene § 6 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) erkennt die Deutsche Gebärdensprache als eigenständige Sprache an und stellt damit, einem Beschluss des Deutschen Bundestages folgend, klar, dass diese von Menschen mit Hörbehinderungen verwendete Sprache als eine der deutschen Lautsprache ebenbürtige Form der Verständigung zu respektieren ist.1 Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BGG haben Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen nach Maßgabe der Kommunikationshilfenverordnung (KHV)2 das Recht, mit Trägern öffentlicher Gewalt des Bundes (§ 1 Abs. 1a BGG) zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Auf Wunsch der Berechtigten stellen die Träger öffentlicher Gewalt diese geeigneten Kommunikationshilfen kostenfrei zur Verfügung oder tragen die notwendigen Aufwendungen. Eine Kommunikationshilfe gilt als geeignet, wenn sie im konkreten Fall eine für die Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderliche Verständigung sicherstellt. Zu den möglichen Kommunikationshilfen gehören auch Gebärdensprachdolmetscher (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 KHV). Die zu tragenden Kosten richten sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), § 5 Abs. 1 KHV. Das BGG und die KHV gelten nur für Träger öffentlicher Gewalt des Bundes (§ 1 Abs. 1a BGG), also Bundesbehörden. Vergleichbare Regelungen für die Verwaltungsverfahren und Verwaltungsbehörden der Länder und Kommunen gelten zumeist nach dem jeweiligen Landesrecht.3 1 Dau in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, Rn. 2. 2 Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Kommunikationshilfenverordnung - KHV). 3 Dau in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 9 BGG, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 060/20 Seite 5 3. Ausführung von Sozialleistungen und Sozialverwaltungsverfahren 3.1. Ausführung von Sozialleistungen, § 17 Abs. 1 SGB I Gemäß § 17 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) haben Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Die für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger sind verpflichtet, die durch die Verwendung der Kommunikationshilfen entstehenden Kosten zu tragen. Der Begriff der Ausführung von Sozialleistungen ist umfassend zu verstehen. Er bezieht sich jedoch nicht auf die Sozialleistung selbst, sondern lediglich auf deren Durchführung.4 3.2. Amtssprache im Sozialverwaltungsverfahren, § 19 Abs. 1 SGB X § 19 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) bestimmt, dass Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen das Recht haben, in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren; Kosten für Kommunikationshilfen sind von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen. Zu den geeigneten Kommunikationshilfen gehört auch der Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern .5 4. Gerichtswesen Auch im Gerichtswesen gibt es eine Reihe von Bestimmungen, die die Nutzung der Gebärdensprache , den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern und die Kostenübernahme regeln. Grundsätzliche Aussagen für das Gerichtswesen trifft § 186 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).6 Demnach erfolgt die Verständigung mit einer hör- oder sprachbehinderten Person nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. Als Sprachmittler kommen insbesondere auch Gebärdensprachdolmetscher in Betracht.7 Weitere Regelungen finden sich beispielsweise in § 483 Zivilprozessordnung (Eidesleistung sprach- oder hörbehinderter Personen), §§ 22, 24 Beurkundungsgesetz 4 Öndül in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB I, 3. Auflage (Stand: 15. März 2018), , § 17, Rn. 47; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Mai 2016 - 7 A 10583/15 -, Rn. 26 (zitiert nach juris). 5 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts , Bundestagsdrucksache 18/7824 vom 9. März 2016, S. 48. 6 Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Gebärdensprache (https://www.integrationsaemter.de/Fachlexikon/Gebaerdensprache/77c451i1p/index.html#, zuletzt abgerufen am 3. September 2020). 7 Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2020, § 186 GVG, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 060/20 Seite 6 (Beurkundung von Erklärungen hörbehinderter, sprachbehinderter oder sehbehinderter Beteiligter ) und § 66 Abs. 1 Strafprozessordnung (Eidesleistung sprach- oder hörbehinderter Personen). Die Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers ist in der Regel kostenfrei (vgl. Kostenverzeichnis Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichts- und Notarkostengesetz Teil 3 Nr. 31005 und Justizvergütungs - und -entschädigungsgesetz). 5. Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen Das gegliederte System der sozialen Sicherung in Deutschland kennzeichnet auch das Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Abhängig vom Grund und dem Ziel einer Leistung, der Behinderungsursache und den individuellen Versicherungsvoraussetzungen können unterschiedliche rechtliche Regelungen gelten und auch verschiedene Kostenträger (Rehabilitationsträger) zuständig sein. Dies gilt auch für einen möglichen Anspruch auf Kostenerstattung für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern. Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) enthält dabei eine bereichsübergreifende Zusammenfassung von Rechtsvorschriften zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen. Ziel des SGB IX ist es, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen sowie ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch besondere Sozialleistungen (Leistungen zur Teilhabe) zu fördern, vgl. § 1 Satz 1 SGB IX.8 Die Leistungen zur Teilhabe wiederum sind nicht einem eigenständigen Sozialleistungsbereich übertragen. Sie sind vielmehr eingebettet in den Aufgabenbereich einer Reihe von Leistungsträgern , die bei den Leistungen zur Teilhabe als Rehabilitationsträger bezeichnet werden.9 Die Rehabilitationsträger , also die Träger der Leistungen für Teilhabe, sind unter anderem die gesetzlichen Krankenkassen, die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die Träger der Eingliederungshilfe; letztere sind in der Regel die Kommunen, § 6 SGB IX. Für die Leistungserbringung selbst sind die jeweils für den zuständigen Rehabilitationsträger einschlägigen Leistungsgesetze maßgebend. Das heißt, welcher Rehabilitationsträger unter welchen Voraussetzungen welche Leistungen zur Teilhabe zu erbringen hat, richtet sich nach den für den einzelnen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Dementsprechend gelten die bereichsübergreifenden Vorschriften des SGB IX auch nur, soweit in den 8 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Übersicht über das Sozialrecht, 16. Auflage 2019, Kapitel 9, Überblick . 9 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Übersicht über das Sozialrecht, 16. Auflage 2019, Kapitel 9, Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 060/20 Seite 7 einzelnen Leistungsgesetzen für den einzelnen Rehabilitationsträger keine abweichende Regelung getroffen wurde.10 Letztlich kommt es auf die jeweilige Situation im konkreten Einzelfall an, ob und in welchem Umfang ein Leistungsanspruch besteht. Die Teilhabeleistungen umfassen ein weites Spektrum an Leistungen und werden in unterschiedliche Leistungsgruppen unterteilt. Zu den Leistungsgruppen gehören unter anderem Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Teilhabe an Bildung und Leistungen zur Sozialen Teilhabe (§ 5 SGB IX). 5.1. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, § 49 SGB IX Gemäß §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 49 Abs. 1 SGB IX werden die zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern , herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. § 49 Abs. 3 SGB IX listet die wichtigsten Einzelleistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf; der Leistungskatalog ist nur beispielhaft und nicht abschließend.11 Dabei können auch Ansprüche auf die Finanzierung notwendiger Kommunikationshilfen durch den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern umfasst sein12, zum Beispiel beim Besuch einer Berufsschule im Rahmen einer dualen Berufsausbildung13 oder zur Vermittlung von beruflichen Kenntnissen am Arbeitsplatz.14Auch Leistungen an den Arbeitgeber sind möglich, um die Eingliederungschancen zu erhöhen (§ 50 SGB IX).15 Auch im Rahmen einer Arbeitsassistenz (§ 49 Abs. 8 Nr. 3 SGB IX) kann ein Anspruch auf Kostenübernahme für Dolmetschleistungen bestehen.16 Zuständig für die Finanzierung einer Arbeitsassistenz sind die Integrationsämter (§ 185 Abs. 5 SGB IX). 5.2. Leistungen zur Teilhabe an Bildung, § 75 SGB IX Leistungen zur Teilhabe an Bildung sind unterstützende Maßnahmen, die erforderlich sind, damit Menschen mit Behinderungen Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können, § 75 Abs. 1 SGB IX. Die Leistungen umfassen insbesondere Hilfen zur Schulbildung, Hilfen zur 10 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Übersicht über das Sozialrecht, 16. Auflage 2019, Kapitel 9, Rn. 17. 11 Deusch in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 49, Rn. 24. 12 Siehe zum Beispiel Luik in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB IX, 3. Auflage (Stand: 17. Juni 2020), § 49, Rn. 194, 200 f., 254; Deusch in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 49, Rn. 15. 13 Deusch in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 49, Rn. 34. 14 Deusch in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 49, Rn. 15. 15 Luik in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB IX, 3. Auflage (Stand: 17. Juni 2020), § 49, Rn. 86. 16 Vgl. Luik in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB IX, 3. Auflage (Stand: 17. Juni 2020), § 49, Rn. 257. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 060/20 Seite 8 schulischen Berufsausbildung, Hilfen zur Hochschulausbildung und Hilfen zur schulischen und hochschulischen beruflichen Weiterbildung, § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Der Anspruch gilt nicht im Kernbereich der pädagogischen Arbeit, da diese nicht in die Zuständigkeit der Rehabilitationsträger , sondern der Bildungsträger, zum Beispiel der Schulverwaltung, fällt.17 Zu den unterstützenden Leistungen gehört auch Gebärdensprachdolmetschung.18 5.3. Leistungen zur Sozialen Teilhabe, § 76 SGB IX Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden erbracht, um Leistungsberechtigten eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern und sie zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen, § 76 Abs. 1 SGB IX. 5.3.1. Assistenzleistungen, § 78 SGB IX Zu den Leistungen der Sozialen Teilhabe gehören unter anderem Assistenzleistungen. Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, der für alle Rehabilitationsträger gilt, werden Leistungen der Assistenz zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung , die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Zudem beinhalten sie die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen. Auch Gebärdensprachdolmetschung kann von Assistenzleistungen umfasst sein.19 Auch Eltern mit Behinderungen können bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder Assistenzleistungen in Anspruch nehmen, § 78 Abs. 3 SGB IX. 5.3.2. Leistungen zur Förderung der Verständigung, § 82 SGB IX Nach § 82 SGB IX werden Leistungen zur Förderung der Verständigung erbracht, um Leistungsberechtigten mit Hör- und Sprachbehinderungen die Verständigung mit der Umwelt aus besonderem Anlass zu ermöglichen oder zu erleichtern. Anders als Assistenzleistungen, die der Unterstützung zur Bewältigung des Alltags dienen, ist für § 82 SGB IX ein besonderer Anlass dergestalt erforderlich, dass über das regelmäßige Kommunikationsbedürfnis hinaus ein gemessen an den 17 Zinsmeister in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 75, Rn. 8. 18 Bundessozialgericht, Urteil vom 20.04.2016 - B 8 SO 20/14 R; Zinsmeister in: Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage 2019, § 75, Rn. 7. 19 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG), Bundestagsdrucksache 18/9522 vom 5. September 2016, S. 264. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 060/20 Seite 9 Zielen der Leistungen zur Teilhabe schutzwürdiges besonderes Kommunikationsbedürfnis besteht . Dazu gehören besondere, nicht regelmäßig auftretende Situationen, in denen Hilfen erforderlich sind, wie etwa wichtige Vertragsverhandlungen, Elternversammlungen in der Schule oder besondere Familienfeiern.20 Die Leistungen umfassen ausdrücklich insbesondere Hilfen durch Gebärdensprachdolmetscher und andere geeignete Kommunikationshilfen, § 82 Satz 2 SGB IX. 5.4. Eingliederungshilfe, § 90 SGB IX Ein Anspruch auf die Kostenübernahme für Gebärdensprachdolmetscher kann sich auch aus der - grundsätzlich nachrangigen - Eingliederungshilfe ergeben. Die Eingliederungshilfe soll den Menschen mit Behinderungen eine individuelle Lebensführung ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können, § 90 Abs. 1 SGB IX, und umfasst ein weites Spektrum. Insbesondere zur Sozialen Teilhabe , deren besondere Aufgabe es ist, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, gehören auch Hilfen zur Verständigung mit der Umwelt , wie die Übernahme der Kosten für einen Gebärdensprachdolmetscher.21 Bei der Eingliederungshilfe handelt es sich um bedürftigkeitsabhängige Leistungen, für die, abhängig von der Einkommens- und Vermögenslage des Leistungsberechtigten, ein Betrag zu leisten sind (§§ 92, 135 ff. SGB IX). *** 20 Luthe in: Schlegel/Voelzke, juris PraxisKommentar SGB IX, 3. Auflage (Stand: 15. Januar 2018), § 82, Rn. 15. 21 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Rehabilitation und Teilhabe (https://www.bmas.de/DE/Themen/Teilhabe-Inklusion/Rehabilitation-und-Teilhabe/reha-und-teilhabe.html; zuletzt abgerufen am 2. September 2020).