© 2014 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 060/14 Mindestlöhne für jüngere Arbeitnehmer/Jugendliche in Europa und die Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau dieser Gruppen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 2 Mindestlöhne für jüngere Arbeitnehmer/Jugendliche in Europa und die Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau dieser Gruppen Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 060/14 Abschluss der Arbeit: 26. März 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis Die Beantwortung der Fragen in Kürze 5 1. Einleitung 6 2. Mindestlohnregelungen in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien und Portugal 8 2.1. Einleitung 8 2.2. Belgien 10 2.2.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems 10 2.2.2. Mindestlohnregelung 10 2.3. Frankreich 12 2.3.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems 12 2.3.2. Mindestlohnregelungen 12 2.4. Großbritannien 14 2.4.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems 14 2.4.2. Mindestlohnregelung 14 2.5. Irland 15 2.5.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems 15 2.5.2. Mindestlohnregelung 16 2.6. Luxemburg 17 2.6.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems 17 2.6.2. Mindestlohnregelung 17 2.7. Niederlande 18 2.7.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems 18 2.7.2. Mindestlohnregelung 18 2.8. Portugal 20 2.8.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems 20 2.8.2. Mindestlohnregelung 21 2.9. Spanien 21 2.9.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems 21 2.9.2. Mindestlohnregelung 22 3. Empirische Studien zu Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen 23 4. Empirische Studien zu Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen für Jugendliche 28 5. Kann die Einführung eines Mindestlohns zu berufsbildungspolitischen Fehlanreizen führen? 29 6. Diskriminierung wegen Alters 31 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 4 7. Literaturverzeichnis 34 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 5 Die Beantwortung der Fragen in Kürze Frage: In welchen Staaten der Europäischen Union gibt es gesonderte Mindestlohnregelungen für Jugendliche und wie sind diese ausgestaltet? In zwölf Staaten der Europäischen Union gilt ein einheitlicher Mindestlohn (im Wesentlichen süd- und osteuropäische Staaten mit niedrigen Mindestlöhnen); in neun Ländern gibt es gesonderte Mindestlohnregelungen für jüngere Arbeitnehmer: Belgien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Malta, die Niederlande und Tschechien. Keine Sonderregelungen für Jugendliche haben Portugal und Spanien. In Belgien wird die gesonderte Mindestlohnregelung für über 18-Jährige zum 1. Januar 2015 aufgehoben. Rücksprachegemäß werden hier die Regelungen für die Länder Belgien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden , Spanien und Portugal dargestellt. Frage: Gibt es empirische Untersuchungen über die Effekte dieser Sonderregelungen? In den letzten Jahrzehnten sind eine Reihe von Untersuchungen zu den Wirkungen des Mindestlohns - und insbesondere zu den Effekten auf die Beschäftigung junger Menschen - veröffentlicht worden, die je nach zugrundegelegtem theoretischen Paradigma und methodischer Herangehensweise unterschiedliche Ergebnisse geliefert haben. Bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts hatten viele der vorgelegten Studien negative Beschäftigungswirkungen eines Mindestlohns - insbesondere für Jugendliche - zum Ergebnis. Die in den 80er und 90er Jahren durchgeführten Untersuchungen lieferten dagegen weniger eindeutige Befunde. Die Ergebnisse zeigten entweder keine Effekte oder lediglich statistisch nicht signifikante negative Effekte. Als Ursache für diese Diskrepanz wurden methodologische Schwächen der älteren Arbeiten genannt, zum Beispiel bei der Spezifikationen der zugrundegelegten Modelle, der Auswahl der Variablen und/oder den statistischen Messverfahren. Die britische Low Pay Commission ist anhand einer Literaturauswertung zu dem Ergebnis gekommen , dass „die Beschäftigungseffekte seit der Einführung oder der Anhebung von Mindestlöhnen für jüngere Menschen im Allgemeinen extrem klein und am Rande der statistischen Aussagefähigkeit bei der überwiegenden Anzahl der Studien liegen“. Grundsätzlich besteht in diesem Feld der empirischen Forschung die Schwierigkeit, Effekte eines Mindestlohns von anderen Einflüssen wie Marktstruktur, Arbeitsmarktsituation und konkreter Mindestlohnhöhe zu trennen. Frage: Gibt es einen empirisch messbaren Zusammenhang zwischen der Zahlung eines Mindestlohns an junge Menschen und deren möglichen Verzicht auf Berufsausbildung? Zu den Einflüssen von Mindestlöhnen auf das schulische Ausbildungsverhalten gibt es scheinbar nur wenige Quellen. Der Bericht der Low Pay Commission merkt hierzu an, dass sich in den USA und Großbritannien gezeigt habe, dass diese nur einen geringen Einfluss auf die Fortsetzung des Schulbesuchs gehabt hätten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 6 Frage: Würde die Einbeziehung jüngerer Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in den Mindestlohn, der Altersstufen mit geringerer Bezahlung vorsieht, diese möglicherweise diskriminieren? Der vorliegende Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie“ vom 19. März 2014 enthält zum Mindestlohn für Jugendliche folgende Regelung: - § 1 (1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. - § 22 (2) Personen im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ohne abgeschlossene Berufsausbildung gelten nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. § 2 Abs. 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes haben zum Inhalt: (1) Kind im Sinne dieses Gesetzes ist, wer noch nicht 15 Jahre alt ist. (2) Jugendlicher im Sinne dieses Gesetzes ist, wer 15, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Das bedeutet, dass Jugendliche, die keine Ausbildung abgeschlossen haben und noch keine 18 Jahre alt sind, keinen Mindestlohn erhalten. Eine Diskriminierung allein aufgrund des Alters ist nach dem allgemeinen Gleichheitssatz verboten . Eine Ausnahme von einem Mindestlohn für jüngere Arbeitnehmer stellt sich mithin als verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung im Sinne Art 3 Abs. 1 GG dar. Die Statuierung von Ausnahmen von einem gesetzlichen Mindestlohn für eine oder mehrere Arbeitnehmergruppen könnte gleichwohl verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Soweit Jugendliche und jüngere Arbeitnehmer von einem Mindestlohn ausgenommen werden sollten, könnten zum Beispiel berufsbildungspolitische Überlegungen in Betracht kommen. Eine Ausnahme dieser Gruppe von der Gruppe der Arbeitnehmer könnte dann durch das Ziel gerechtfertigt werden, falsche Anreize zu vermeiden, damit diese mit der Aussicht auf eine Entlohnung nach Mindestlohn nicht dazu verleitet werden, auf eine Berufsausbildung zu verzichten. In verfassungsrechtlicher Hinsicht käme es also darauf an zu beurteilen, ob die rechtliche Unterscheidung sachlich gerechtfertigt werden kann und ob das angestrebte (in diesem Fall berufsbildungspolitische ) Ziel in einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß der Ungleichbehandlung steht. Wie sich das Bundesverfassungsgericht zu dieser Frage positionieren könnte, erscheint derzeit offen. 1. Einleitung Über den Zusammenhang von Mindestlohn und Beschäftigungswirkung wird seit Jahren mit unverminderter Intensität diskutiert. Die derzeitige Koalitionsregierung aus CDU, CSU und SPD hat grundsätzlich die Einführung eines Mindestlohns beschlossen. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2015 ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro gelten soll. Regionale oder branchenspezifische Ausnahmen sind nicht vorgesehen . Ausnahmen soll es allerdings für Jugendliche unter 18 Jahren und für Langzeitarbeitslose Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 7 geben. Ausgeschlossen vom Mindestlohn sind außerdem ehrenamtlich Tätige sowie Schüler und Praktikanten, wenn sie im Rahmen ihrer Ausbildung zu einem Praxiseinsatz verpflichtet sind. Industrie und Handwerk haben bereits vor Bekanntwerden des Gesetzentwurfs deutlich gemacht, dass ein flächendeckender Mindestlohn zu einem „berufspolitisch fatalen“1 Fehlanreiz führen könnte, weil durch ihn Jugendliche möglicherweise nicht mehr von der Notwendigkeit einer Ausbildung überzeugt werden und sich für einen besser bezahlten Mindestlohn-Job und gegen das duale Ausbildungssystem entscheiden könnten. Um eine Schlechterstellung von Auszubildenden gegenüber anderen Jugendlichen zu vermeiden, wird vorgeschlagen, bis zu einer bestimmten Altersgrenze keinen gesetzlichen Mindestlohn zu garantieren. Der DGB hingegen plädiert in einer Argumentationshilfe zur Durchsetzung des Mindestlohns für möglichst wenige Ausnahmen2. In den letzten Jahrzehnten sind eine Reihe von Untersuchungen zu den Wirkungen des Mindestlohns 3 - und insbesondere zu den Effekten auf die Beschäftigung junger Menschen - veröffentlicht worden, die je nach zugrundegelegtem theoretischen Paradigma und methodischer Herangehensweise unterschiedliche Ergebnisse geliefert haben. Die vorhandene Literatur lässt zwar grundsätzlich den Eindruck aufkommen, dass die empirische Forschungslage gut sei und eindeutige Befunde liefere. Detzer4 macht jedoch deutlich, dass dieser Eindruck durchaus mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln sei. Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts hätten viele der vorgelegten Studien negative Beschäftigungswirkungen eines Mindestlohns - insbesondere für Jugendliche - zum Ergebnis gehabt. Die Metastudien, die die Ergebnisse zusammenfassten und bewerteten, seien daher zu dem Schluss gekommen, dass eine 1 Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, in Deutsche Handwerkszeitig vom 31.12.2013, Eric Schweitzer, Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Wallstreet online 5.1.2014. 2 DGB-Kampagne für strengen Mindestlohn, in: Berliner Zeitung vom 6.3.2014. 3 Hier sind hauptsächlich neuere Arbeiten aufgeführt: Croucher, R., White, G.: The impact of minimum wages on the youth labour market, An international literature review for the low pay commission, März 2011; Zukunft unsicher: Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich, Bertelsmann Stiftung, 2014; Laporsek, S.: Minimum wage effects on youth employment in the European Union, Applied Economics Letters, Vol. 20, 2013; Garcia-Beleguer, F., Morral-Carcedo, J.: Education signalling and the School-to-work Transition, Working Paper 2011, Departamento de Analisis Económico, Universidad Autónoma de Madrid; Görlich, D., Stepanok, I., Al- Hussani, F.: Youth unemployment in Europe and the world: Causes, consequences and solutions, Institut für Weltwirtschaft in Kiel, Kiel Policy Brief, Nr. 59, Januar 2013; Horn, G. A., Joebges, H., Logeay, C., Sturn, S.: Frankreich: Ein Vorbild für Deutschland? Ein Vergleich wirtschaftspolitischer Strategie mit und ohne Mindestlohn . Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Report Nr. 31, September 2008; Neumark, D., Wascher, W.: Minimum wages and employment: A review of evidence from the New Minimum Wage Research , NBER Working Paper 12663, Cambridge, 2006; König, M., Möller, J., Stops, M., Walwei, U.: Zur Einführung von gesetzlichen oder branchenspezifischen Mindestlöhnen: Lohnuntergrenzen und ihre Wirkungen, IAB- Stellungnahme 2/2012, Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit; Bosch, G., Weinkopf, C.: Gut gemachte Mindestlöhne schaden der Beschäftigung nicht, Institut Arbeit und Qualifikation , Universität Essen-Duisburg, Nr. 4, 2013. 4 Detzer, D.: Mindestlöhne und Beschäftigung – Die theoretische Debatte und empirische Ergebnisse, WSI Mitteilungen , Nr. 8, 2010, S. 412 – 418, S. 414. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 8 Anhebung des Mindestlohns zu Beschäftigungsverlusten bei jugendlichen Arbeitnehmern führen müsse. Die in den 80er und 90er Jahren durchgeführten Untersuchungen lieferten dagegen weniger eindeutige Ergebnisse. Ebenso habe sich gezeigt, dass mit verfeinerten Messmethoden erneut untersuchte ältere Studien diese Ergebniseindeutigkeit nicht gezeigt hätten. Die Ergebnisse zeigten entweder keine Effekte oder lediglich statistisch nicht signifikant negative Effekte.5 Als Ursache für diese Diskrepanz wurden methodologische Schwächen der älteren Arbeiten genannt, zum Beispiel bei den Spezifikationen6 der Modelle, der Auswahl der Variablen und/oder den statistischen Messverfahren. Auch die in den Überblicks- oder Metastudien (zum Beispiel die häufig zitierte Studie von Neumark und Wascher) rezipierten Ergebnisse könnten aufgrund der Systematik und Zielsetzung der Wissenschaftler bzw. der vorgenommen Auswahl und der einbezogenen empirischen Untersuchungen zu voreiligen Schlüssen führen. Dies sei zum Beispiel dann der Fall, wenn hauptsächlich Studien rezipiert werden, bei denen signifikant messbare Effekte vorlagen oder - wie Detzer belegt – Ergebnisse uminterpretiert wurden.7 Der Autor versucht, bei den für diese Arbeit durchgesehenen Studien, Metastudien, Literaturstudien oder Ministeriumsberichten zum Thema Beschäftigungswirkungen eines Mindestlohns, diese Kritik in die Ergebnisbewertung einzubeziehen . Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die durchgesehene Literatur insgesamt keine eindeutigen Aussagen zu Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen zutage gefördert hat. Im Ergebnis lässt sie den von Detzer8 gezogenen Schluss, dass es sich letztlich um die Frage drehe, „ob Mindestlöhne einen kleinen negativen, einen kleinen positiven oder gar keinen Beschäftigungseffekt haben“( im Original kursiv), als nicht falsch erscheinen.9 2. Mindestlohnregelungen in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien und Portugal 2.1. Einleitung In 21 Staaten der Europäischen Union gibt es Mindestlohnregelungen; in sieben existieren sektorale Mindestlohnsysteme (Dänemark, Finnland, Schweden, Deutschland, Österreich, Italien).10 5 Detzer, D., 2010, S. 414. 6 Siehe auch Bosch, G.: Beschäftigung und Mindestlöhne – Neue Ergebnisse der empirischen Mindestlohnforschung , in: WSI Mitteilungen, Nr. 8, 2010, S. 404 – 411, S. 408. 7 Detzer, D., 2010, S. 415. 8 Detzer, D., 2010, S. 417. 9 Eine Feststellung in die gleiche Richtung machen auch Amlinger, M., Bispinck, R., Schulten, Th.: Jugend ohne Mindestlohn? Zur Diskussion um die Ausnahme und Sonderregelung für junge Beschäftigte, WSI Report, Nr. 14, 2014. 10 Schulten, Th.: Mindestlohnregime in Europa und was Deutschland von ihnen lernen kann, Studie Friedrich- Ebert-Stiftung, Februar 2014, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 9 Deutschland würde bei Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro im europäischen Vergleich, sowohl was die absolute Höhe als auch was den Kaufkraftstandard betrifft , zum oberen Drittel in Europa gehören. Die Mindestlohndatenbank des Instituts für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hans- Böckler-Stiftung11 bietet einen aktuellen Überblick über in der Europäischen Union geltende gesetzliche Mindestlöhne. Mindestlöhne über acht Euro (Stand Januar 2014) werden in Luxemburg (11,10 Euro), Frankreich (9,53 Euro), den Niederlanden (9,11 Euro), Belgien (9,10 Euro), Irland (8,65 Euro) und Großbritannien (7, 43 Euro) gezahlt; unter acht Euro erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Slowenien (4,56), Malta (4,15 Euro), Spanien (3,91 Euro), Griechenland (3,35 Euro), Portugal (2,92 Euro), Polen (2,31 Euro), Kroatien (2,30 Euro), Estland (2,13 Euro), der Slowakei (2,02 Euro), Ungarn (1,97 Euro), Tschechien (1,95 Euro), Lettland (1,93 Euro), Litauen (1,76 Euro), Rumänien (1,14 Euro) und Bulgarien (1,04 Euro). In zwölf Staaten der Europäischen Union gilt ein einheitlicher Mindestlohn12 (im Wesentlichen süd- und osteuropäische Staaten); in neun Ländern gibt es gesonderte Mindestlohnregelungen für jüngere Arbeitnehmer: Belgien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Malta, den Niederlanden und Tschechien. Keine Sonderregelungen für Jugendliche haben Portugal und Spanien. In Belgien wird die gesonderte Mindestlohnregelung für über 18-Jährige zum 1. Januar 2015 aufgehoben. Die vorliegende Arbeit stellt in dem nachfolgenden Überblick zu den Mindestlohnregelungen für Belgien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien auch die Grundzüge des Berufsbildungssystems dieser Länder dar. Die kurze Darstellung der verschiedenen Berufsbildungssysteme soll ein Hinweis darauf sein, dass zwangsläufig Wechselwirkungen zwischen dem Berufsbildungssystem und dem Übergang auf den Arbeitsmarkt bestehen. Es kann grundsätzlich festgestellt werden, dass in Europa jungen Menschen mit geringer Qualifikation oder ohne Schulabschluss der Übergang von der Schule ins Arbeitsleben besonders schwer fällt. Aber auch unter den jungen Menschen mit Schulabschluss gibt es beträchtliche Unterschiede , was die Arbeitslosenquote und die Dauer des Übergangs ins Erwerbsleben betrifft. Die länderspezifischen Unterschiede lassen sich zu einem nicht unerheblichen Teil durch die Unterschiede zwischen den Bildungseinrichtungen der verschiedenen Länder erklären, insbesondere durch die Art und den Umfang beruflicher Bildungsgänge: zum einen durch das Maß, in dem sie berufs- und branchenspezifische Fertigkeiten (im Gegensatz zu allgemeinen beruflichen Kompetenzen ) vermitteln und zum anderen in dem Grad der Standardisierung – der Einheitlichkeit von Lehrplänen und Prüfungen an Schulen und weiterführenden Berufsbildungseinrichtungen.13 11 WSI-Mindestlohndatenbank: http://www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_43610.htm (letzter Aufruf: 4. März 2014). 12 Amlinger, M., Bispinck, R., Schulten, Th., 2014, S. 3. 13 Zukunft unsicher: Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich, Bertelsmann Stiftung, 2014, Übersetzung der Studie des Institute for Public Policy Research (IPPR): „Tackling Youth Unemployment: Lessons for Europe “, S. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 10 2.2. Belgien 2.2.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems14 In Belgien besteht für alle Kinder eine allgemeine Schulpflicht vom sechsten bis zum fünfzehnten Lebensjahr. Bis zum achtzehnten Lebensjahr besteht eine Teilzeitschulpflicht.15. Für Belgien muss im Zusammenhang mit der Berufsbildung eher von Systemen anstatt von einem System gesprochen werden, da die einzelnen Ausbildungsgänge sich im französisch-, flämisch- und deutschsprachigen Teil leicht unterscheiden. Die Primarschulbildung dauert sechs Jahre, vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr. Die sich anschließende Sekundarschulbildung endet mit dem 18. Lebensjahr. Sie ist in drei Stufen von jeweils zwei Jahren Dauer gegliedert. Die Vollzeitschulpflicht umfasst die Primarschulzeit und die beiden ersten Jahre des Vollzeitsekundarunterrichts . Die Zugangsvoraussetzung für diesen Bereich ist das Abschlusszeugnis der Grundschule oder der Besuch einer einjährigen Übergangsklasse. Hierfür gibt es zwei Typen: Typ 1 (reformiertes Modell): drei zweijährige Stufen (Beobachtungs-, Orientierungs- und Spezialisierungsstufe ), wobei in der Spezialisierungsstufe eine schrittweise abschlussbezogene Differenzierung einsetzt, sowie Typ 2 mit zwei dreijährigen Stufen. Es stehen folgende Berufsprofile zur Auswahl: allgemeinbildend, technisch-beruflich oder künstlerisch-beruflich. Die große Mehrheit der Jugendlichen erhält die berufliche Erstausbildung in technisch-beruflichen Sekundarschulen der Stufe II. Daneben findet Unterricht in Teilzeit statt, das heißt, einer Kombination aus Lehre, betrieblicher Arbeit und ergänzendem Schulbesuch. Die Lehre wird mit eine staatlichen Abschlussprüfung zertifiziert. 2.2.2. Mindestlohnregelung16 Die Festlegung des Mindestlohns erfolgt in Belgien in einem sogenannten kollektiven Arbeitsabkommen (Collectieve arbeidsovereenkomst - CAO) durch den Nationalen Arbeitsrat (NAR). Der Nationale Arbeitsrat ist ein soziales Beratungsorgan auf privatwirtschaftlicher Ebene. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Empfehlungen oder Vorschläge zu sozialen Angelegenheiten zu formulieren und diese der belgischen Regierung und/oder dem Parlament zu unterbreiten. Der NAR kann zudem kollektive Arbeitsabkommen für alle Wirtschaftszweige oder für einen dieser Zweige abschließen. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen mit der höchsten Repräsentanz entsenden jeweils eine gleiche Anzahl Vertreter in diese beiden Räte. 14 Siehe hierzu: Cotton, P.: Die Berufsbildungssysteme in Belgien, Kurzfassung, Cedefop Panorama series; 16, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2001. 15 Siehe auch hierzu: Gries, J., Lindenau, M., Maaz, K., Waleschkowski, U.: Bildungssysteme in Europa, Kurzdarstellungen , Arbeitsmaterialien, Institut für Sozialforschung, Informatik und Soziale Arbeit, Berlin, 2005, S. 15 – 16; siehe auch http://www.bildungsserver.be/desktopdefault.aspx/tabid-2270//4284_read-31613/ (letzter Aufruf : 5. März 2013); Online-Version der Broschüre „Struktur der europäischen Bildungssysteme 2013/2014“, Europäische Kommission, November 2013 . 16 Federale Overheidsdienst Werkgelegenheid, Arbeid en Sociaal Overleg, http://www.werk.belgie.be/defaultTab.aspx?id=23946 (letzter Aufruf: 5. März 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 11 Die Mindestlöhne sind an die Entwicklung verschiedener Indexziffern der Verbraucherpreise angebunden. Alter garantierte monatlicher Brutto-Mindestlohn (GMMI17, ab 1. April 2013) Arbeitnehmer über 22 Jahre (für mindestens ein Jahr) 1.559,38 Euro Arbeitnehmer ab 21 ½ Jahre (für mindestens sechs Monate) 1.541,67 Euro Arbeitnehmer ab 21 Jahre 1.501,82 Euro Für Arbeitnehmer unter 21 Jahre gelten folgende Mindestlöhne: Alter Prozent monatlicher Brutto-Mindestlohn 21 100 1.501,82 Euro 20 98 1.471,78 Euro (ab 1.4. 2014) 19 96 1.441,75 Euro(ab 1.4. 2014) 18 94 1.411,71 Euro (ab 1.4. 2014) 17 76 1.141,38 Euro 16 und jünger 70 1.051,27 Euro 17 Gewaarborgd minimum maandinkomen (GMMI). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 12 2.3. Frankreich 2.3.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems In Frankreich besteht zwischen sechs und 16 Jahren Schulpflicht. Im Sekundarbereich II gibt es die Wahl zwischen verschiedenen Bildungsgängen. So führt das allgemeinbildende oder/und das technische Gymnasium (Lycée d‘enseignement général ou/et technologique) nach drei Jahren zur allgemeinen Hochschulreife (Baccalauréat général), zur technischen Hochschulreife (Baccalauréat technologique) oder zum Techniker-Diplom (Brevet de technicien). Das Techniker-Abitur (Baccalauréat technologique) erlaubt den direkten Übergang ins Berufsleben Das berufsbildende Lycée (Lycée professionnel) führt in der Regel nach zwei Jahren zu folgenden Abschlüssen: Brevet d‘Ètudes Professionnelles (BEP), einem Facharbeiter-/Fachangestellten- Diplom oder nach dreijähriger Ausbildung mit engerem Qualifikationsprofil zum Certificat d‘Àptitude Professionnelle (CAP). Der Erwerb des BEP ermöglicht zwei weiterführende Schuljahre mit Abschluss des Berufsabiturs (Baccalauréat professionnel – Bac pro).20 2.3.2. Mindestlohnregelungen 1970 wurde in Frankreich der Salaire minimum interprofessionnel de croissance (SMIC) begründet . Er ersetzte den 1950 eingeführten berufsübergreifenden garantierten Mindestlohn (Salaire minimum interprofessionnel garanti - SMIG). Der Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer über 18 Jahre. Die Höhe des SMIC wird jährlich zum 1. Januar von der Regierung festgelegt . Zum 1. Januar 2014 wurde der Mindestlohn um 1,1 % erhöht und beträgt aktuell 9,53 Euro pro Stunde bzw. auf der Grundlage einer 35-Stunden-Woche 1.445,38 Euro monatlich. 21 Ausnahmen hiervon gibt es für Menschen mit Behinderungen und für Auszubildende und jüngere Arbeitnehmer, auf die prozentual verringerte Sätze Anwendung finden. 20 Siehe hierzu: Gries, J., Lindenau, M., Maaz, K., Waleschkowski, U.: Bildungssysteme in Europa, Kurzdarstellungen , Arbeitsmaterialien, Institut für Sozialforschung, Informatik und Soziale Arbeit, Berlin, 2005., S. 27 – 28; siehe auch Online-Version der Broschüre „Struktur der europäischen Bildungssysteme 2013/2014, Europäische Kommission, November 2013. 21 Internetauftritt des französischen Arbeitsministeriums (Ministeriums für Arbeit, Beschäftigung, Berufsausbildung und sozialen Dialog - Ministère du travail, de l’emploi, de la formation professionnelle et du dialogue social): http://travail-emploi.gouv.fr/informations-pratiques,89/fiches-pratiques,91/remuneration,113/lesmic ,1027.html (frz.) (letzter Abruf 24. Januar 2014); vgl. auch in deutscher Sprache den Internetauftritt der Französischen Botschaft in Berlin: http://www.ambafrance-de.org/Mindestlohn-Der-SMIC (letzter Abruf 21. Januar 2014); Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 13 Auszubildende und jüngere Arbeitnehmer mit Einstellungsvertrag zur „Professionalisierung“ (contrat de professionnalisation)22 haben Anspruch auf den Mindestlohn in Abhängigkeit vom Lebensalter und der Dauer der Ausbildung. Bei der Personengruppe, die zur „Professionalisierung “ eingestellt sind, kommt es neben dem Alter auf den Schulabschluss an. Die Mindestlohnsätze für diese Gruppe stellen sich wie folgt jeweils als prozentualer Anteil am SMIC dar: – Berufsausbildung (contrat d‘apprentissage):23 Alter 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 16-17 Jahre 25 % 37 % 53 % 18-20 Jahre 41 % 49 % 65 % 21-25 Jahre 53 % 61 % 78 % – Einstellung zur „Professionalisierung“:24 Alter mit baccalauréat ohne baccalauréat 16-20 Jahre 55 % 65 % 21-25 Jahre 70 % 80 % 26 Jahre und älter 100 % 100 % Jugendliche Arbeitnehmer unter 18 Jahren mit weniger als sechs Monaten Berufserfahrung unterliegen ebenfalls Abschlägen beim SMIC: 17-jährige Arbeitnehmer haben Anspruch auf 90 % des 22 Diese Form des Ausbildungsvertragsverhältnisses ersetzt seit 2004 bisherige Formen von Qualifizierungs-, Weiterbildungs - oder Berufsorientierungsverhältnissen. Sie richtet sich an Jugendliche von 15 bis 26 Jahren oder an Arbeitsuchende über 26 Jahre und zielt darauf ab, ihnen den Erwerb einer beruflichen Qualifikation zu ermöglichen , und soll ihre berufliche Eingliederung fördern. Vgl. dazu den Internetauftritt des französischen Arbeitsministeriums : http://travail-emploi.gouv.fr/informations-pratiques,89/fiches-pratiques,91/contrats,109/lecontrat -de-professionnalisation,992.html (letzter Abruf 24. Januar 2014). 23 Quelle: Internetauftritt der Regionalabteilung Midi-Pyrénées des französischen Arbeitgeberverbandes MEDEF: http://www.medef-midipyrenees-alternance.com/apprentissage-salaire.html (frz.) (letzter Abruf 24. Januar 2014). 24 Internetauftritt MEDEF (Fn. 23): http://www.medef-midipyrenees-alternance.com/professionnalisationsalaire .html (frz.) (letzter Abruf 24. Januar 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 14 SMIC, Arbeitnehmer unter 17 Jahren erhalten 80 %. Die Ausnahmen gelten jedoch nicht für junge Arbeitnehmer, deren Beschäftigung im Rahmen eines „emploi d’avenir“ staatlich gefördert wird.25 2.4. Großbritannien 2.4.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems In Großbritannien26 besteht zwischen sechs und 16 Jahren Schulpflicht. Der Sekundarbereich II umfasst die Klassen 12 und 13 (Sixth Form). Dieser ist in „All-through Comprehensive Schools“ integriert oder es sind eigenständige „Sixth Form Colleges“. Als Abschluss erhalten die Schüler das „General Certificate of Education Advanced Level“ oder „Advanced Supplementary Level (GCE A-Level oder AS-Level)“. Die Berufsausbildung für Jugendliche ab 16 Jahren (keine Vollzeitschule ) ist wie folgt organisiert: - „On the job Training“ (Anlernverfahren am Arbeitsplatz (eher selten)), - Traditionelle Lehre in einem Betrieb mit berufsschulischem Teilzeitunterricht (ebenfalls geringe Anzahl), - „Youth-Training-Programm (YT)“ (berufliche Erstausbildung für unter 18-Jährige umfasst berufliche Ausbildungsgänge, die in einen Arbeitsbereich einführen, zentrale Fähigkeiten vermitteln und theoretische Ausbildungsanteile enthalten, Unternehmen als Anbieter von Ausbildungsplätzen, Zeugnis: National Record of Achievement), - „Further Education (FE)“ (weiterführende Bildung im gesamten Bereich der schulischen Aus-, Fort- und Weiterbildung außerhalb der Sekundar- und Hochschulen). 2.4.2. Mindestlohnregelung Der in Großbritannien seit 1999 geltende nationale gesetzliche Mindestlohn (National Minimum Wage - NMW) wird jährlich zum 1. Oktober auf der Grundlage der Empfehlung einer Mindestlohnkommission (Low Pay Commission) von der Regierung festgesetzt. Er gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind (ca. 16 Jahre27). Der NMW wird als Stundenlohnsatz ausgedrückt, ist aber auch auf Arbeitsverhältnisse anwendbar, in denen nicht auf Stundenlohnbasis entlohnt wird.28 25 Diese Förderung richtet sich an jüngere Arbeitnehmer im Alter zwischen 16 und 25 Jahren (bei vorliegen anerkannter Behinderungen bis 30 Jahre) ohne Berufsabschluss; vgl. Internetauftritt des französischen Arbeitsministeriums : http://travail-emploi.gouv.fr/informations-pratiques,89/les-fiches-pratiques-du-droit-du,91/emploi-desjeunes ,2217/les-emplois-d-avenir,15635.html#sommaire_1 (frz.), (letzter Abruf: 24.1.2014). 26 Siehe hierzu: Gries, J., Lindenau, M., Maaz, K., Waleschkowski, U.: Bildungssysteme in Europa, Kurzdarstellungen , Arbeitsmaterialien, Institut für Sozialforschung, Informatik und Soziale Arbeit, Berlin, 2005, S. 32 – 33. 27 Genauer: ab dem letzten Freitag im Juni des Jahres, in dem die betreffende Person das 16. Lebensjahr vollendet. 28 Internetauftritt der britischen Regierung: https://www.gov.uk/national-minimum-wage/who-gets-the-minimumwage (engl.) (letzter Abruf 24. Januar 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 15 Für jugendliche Arbeitnehmer bis 21 Jahren und für Auszubildende wird ein besonderer NMW festgelegt. Er beträgt seit dem 1. Oktober 2013: Alter NMW 21 Jahre und darüber £ 6,31 (≈ 7,61 Euro)29 18-20 Jahre £ 5,03 (≈ 6,07 Euro) unter 18 Jahren £ 3,72 (≈ 4,49 Euro) Einem besonderen Satz unterliegen Auszubildende unter 19 Jahren und ältere Auszubildende im ersten Jahr ihrer Ausbildung (apprenticeship). Für sie beträgt der NMW £ 2,68 (≈ 3,23 Euro).30 2.5. Irland 2.5.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems In Irland besteht eine allgemeine Schulpflicht vom 6. bis 15. Lebensjahr. In der Sekundarstufe II stehen den Schülern folgende Bildungsgänge zur Wahl: - Staatliche Gesamtschule (Comprehensive): sie wird von den meisten Jugendlichen besucht und bietet eine Kombination allgemeinbildender und berufsbezogener Fächer an, - Gymnasium (Grammar): konzentriert sich auf studienvorbereitende Fächer, - Berufliche Sekundarschulen (Vocational): dienten ursprünglich als Grundlage für eine betriebliche Berufsausbildung. Sie bieten heute ein breiteres Fächerspektrum an, das dem der Gesamtschule entspricht. Berufliche Bildung kann in folgenden Formen erfolgen: - Lehre im Betrieb ohne zusätzliche Berufsschule, - Ausbildung in einer Schule mit längeren Praktika, - Vollzeitschule für die Berufsausbildung, - Ausbildung am Arbeitsplatz , bzw. 29 Umrechnung nach http://www.waehrungsrechner-euro.com/euro_pfund (Stand: 24. Januar 2014). 30 Internetauftritt der britischen Regierung: https://www.gov.uk/national-minimum-wage-rates (engl.) (letzter Abruf : 24. Januar 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 16 - berufliche Qualifikationen im tertiären Bereich 2.5.2. Mindestlohnregelung In Irland ist 2000 ein nationaler gesetzlicher Mindestlohn durch den „Minimum Wage Act“ 2000 eingeführt worden. Das Gesetz gilt für alle Arbeitnehmer (Vollzeit, Teilzeit, Zeitarbeitnehmer und Aushilfskräfte). Der Mindestlohn wird durch die Sozialpartner in einem sogenannten „National Agreement - Programme for Prosperity and Fairness and Sustaining Progress“ festgesetzt. Die Sätze für den Mindestlohnlohn sind seit 2007 nicht mehr angehoben worden. Die Kürzung auf 7.65 Euro im Jahr 2011 ist kurz nach Einführung wieder zurückgenommen worden.31 Der nationale Mindestlohn32 für Arbeitnehmer mit Berufserfahrung und die Teilminimumlöhne für junge Menschen und Trainees betragen: Seit dem 1. Juli 2011 Mindeststundenlohn Prozentanteil des monatlichen Mindestlohns Arbeitnehmer mit Berufserfahrung 8.65 Euro 100% unter 18 Jahren33 6.06 Euro 70% erstes Berufsjahr über 18 6.92 Euro 80% zweites Berufsjahr über 18 7.79 Euro 90% Arbeitnehmer über 18 im Rahmen einer strukturierten Ausbildung seit dem 1. Juli 2011 erstes Drittel (1st one third period34) 6.49 Euro 75% zweites Drittel (2nd one third period) 6.92 Euro 80% drittes Drittel (3rd one third period) 7.79 Euro 90% 31 Siehe hierzu: http://www.moneyguideireland.com/category/minimum-wage (letzter Abruf: 6. März 2014). 32 http://www.citizensinformation.ie/en/employment/employment_rights_and_conditions/ pay_and_employment/pay_inc_min_wage.html (letzter Abruf: 6. März 2014). 33 Selbst eine vorhandene Qualifikation führt zu keinem höheren Mindestlohn. Siehe hierzu: http://www.finfacts.ie/Private/personel/nationalpayagreement.htm (letzter Abruf: 6. März 2014). 34 Die Zeiträume betragen mindestens einen bis höchsten 12 Monate. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 17 2.6. Luxemburg 2.6.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems In Luxemburg besteht eine elfjährige Bildungspflicht35, die aus der neunjährigen Schulpflicht und der Pflicht zum Besuch der zweijährigen Vorschule resultiert. Der allgemeinbildende Sekundarunterricht setzt sich in einem vierjährigen Bildungsgang fort, entspricht dem deutschen Gymnasium und schließt mit einem Examen ab. Der berufliche Sekundarbereich entspricht in wesentlichen Zügen einem technischen Gymnasium mit der Ausnahme, dass neben dem fachspezifischen (technischen) Abitur auch Abschlüsse als Facharbeiter und Techniker erworben werden können. In einem zweijährigen technischberuflichen Zweig ist schulische Vollzeitausbildung möglich. In einem dreijährigen beruflichen Zweig erfolgt eine Verbindung von betrieblicher Lehre mit zusätzlichem Unterricht. Der vierjährige Zweig der Technikerausbildung führt zu einer Doppelqualifikation von technischem Abitur und Technikerdiplom. 2.6.2. Mindestlohnregelung Der gesetzliche Mindestlohn in Luxemburg gilt unterschiedslos für alle Arbeitnehmer, die im Rahmen eines Arbeitsvertrages bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind. Der Mindestlohn ist nach Alter und Qualifizierung der Arbeitnehmer gestaffelt. Die Anpassung des Mindestlohns ist im Arbeitsgesetzbuch geregelt und findet in der Regel im Jahresrhythmus statt. Seit dem 1. Oktober 2013 beträgt der Mindestlohn für volljährige unqualifizierte Arbeitnehmer monatlich 1.921,03 Euro bzw. 11,10 Euro pro Stunde. Für volljährige qualifizierte Arbeitnehmer liegt der Mindestlohn bei 2.305,23 Euro im Monat bzw. einem Stundenlohn von 13,32 Euro. Seit dem 1. Oktober 2013 gelten folgende Mindestlöhne: Alter Prozent monatlicher Brutto- Mindestlohn ab 18 Jahre - mit Qualifikation 120 2305,23 ab 18. Jahre - ohne Qualifikation 100 1921,03 17 – 18 8036 1536,82 15 – 17 75 1440,77 35 Siehe hierzu: Gries, J., Lindenau, M., Maaz, K., Waleschkowski, U.: Bildungssysteme in Europa, Kurzdarstellungen , Arbeitsmaterialien, Institut für Sozialforschung, Informatik und Soziale Arbeit, Berlin, 2005, S. 48 – 49; Online-Version der Broschüre „Struktur der europäischen Bildungssysteme 2013/2014, Europäische Kommission , November 2013. 36 Arbeitsgesetzbuch (Code du Travail), gültige Version ab dem 31. Dezember 2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 18 Allerdings wird in Artikel 7 des Gesetzes vom 6. Februar 2009 über die Schulpflicht die Dauer der Schulpflicht mit zwölf Jahren festgelegt. Die Schulpflicht gilt demzufolge von vier bis 16 Jahren . Artikel L. 341-1 ff. des Arbeitsgesetzbuchs (Code du Travail) betreffend junge Arbeitnehmer definiert Jugendliche als Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind und nicht mehr der nach der anwendbaren Rechtsordnung geltenden Schulpflicht unterliegen. Aus diesen beiden Bedingungen ergibt sich, dass nunmehr nur noch Jugendliche ab einem Alter von 16 Jahren im arbeitsrechtlichen Sinne als Jugendliche zu betrachten sind. Artikel L. 222-5 des Arbeitsgesetzbuchs, in dem der soziale Mindestlohn der jugendlichen Arbeitnehmer unter 18 Jahren als Prozentsatz des sozialen Mindestlohns erwachsener Arbeitnehmer festgelegt ist, soll dahingehend geändert werden , dass er sich nur noch auf Jugendliche ab 16 Jahren bezieht. 2.7. Niederlande 2.7.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems Die Vollzeitschulpflicht37 beginnt mit dem 1. Schultag, der auf den fünften Geburtstag eines Kindes folgt und endet mit der Vollendung des Schuljahres in dem der Schüler 16 Jahre alt wird oder dem Nachweis des Vollzeitschulbesuches von mindestens 12 Schuljahren; es besteht eine weitergehende Teilzeitschulpflicht bis zum 18. Lebensjahr. Die berufliche Erstausbildung ist wie folgt organsiert: - Zwei-, drei-, oder vierjähriger berufsbildender Sekundarunterricht (Middelbaar Beroepsonderwijs – MBO) im Anschluss an MAVO (Middelbaar Algemeen Voortgezet Onderwijs – MAVO) oder VBO (Voorbereidend Beroepsonderwijs – VBO), Vollzeitschulen bereiten auf mittlere Berufsfunktionen in Technik, Wirtschaft, Landwirtschaft, Verwaltung, Sozialfürsorge, Gesundheitspflege und öffentlichen Dienst vor. - Zwei- bis dreijährige Lehrlingsausbildung für Jugendliche ab 16 Jahren mit MAVO- oder VBO-Abschluss, Duales System. 2.7.2. Mindestlohnregelung Die Niederlande gehören ebenfalls zu den 21 Mitgliedstaaten der EU, in denen ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn (wettelijk minimumloon - WML) gilt. Er wird zweimal jährlich (zum 1. Januar und zum 1. Juli) auf der Grundlage der durchschnittlichen Entwicklung der Tariflöhne (collectieve arbeidsovereenkomst - CAO) durch Gesetz38 festgelegt und beträgt seit dem 1. Januar 37 Siehe hierzu: Gries, J., Lindenau, M., Maaz, K., Waleschkowski, U.: Bildungssysteme in Europa, Kurzdarstellungen , Arbeitsmaterialien, Institut für Sozialforschung, Informatik und Soziale Arbeit, Berlin, 2005, S. 54 – 55; Online-Version der Broschüre „Struktur der europäischen Bildungssysteme 2013/2014, Europäische Kommission , November 2013. 38 Wet minimumloon en minimumvakantiebijslag; abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank der niederländischen Regierung: http://wetten.overheid.nl/BWBR0002638/geldigheidsdatum_27-01-2014 (ndl.) (letzter Abruf: 27. Januar 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 19 2014 für einen Vollzeitarbeitnehmer über 23 Jahre 1.485,60 Euro pro Monat; hinzu kommt ein Mindesturlaubszuschlag (minimumvakantiebijslag) von 8 %. Keinen Anspruch auf Bezahlung nach Mindestlohn haben Jugendliche unter 15 Jahren.39 Da der WML auf Monatsbasis festgesetzt wird, ergeben sich je nach vereinbarter Wochenarbeitszeit unterschiedliche Stundenlohnsätze:40 36 Std./Woche 38 Std./Woche 40 Std./Woche 9,52 Euro 9,02 Euro 8,57 Euro Der Mindestlohn für jüngere Arbeitnehmer wurde 1974 eingeführt. Zwischen 15 und 23 Jahren können sie nur einen prozentualen Anteil am WML beanspruchen, der nach Altersgruppen differenziert wird. Alter Anteil am WML 22 Jahre 85 % 21 Jahre 72,5 % 20 Jahre 61,5 % 19 Jahre 52,5 % 18 Jahre 45,5 % 17 Jahre 39,5 % 16 Jahre 34,5 % 15 Jahre 30 % Sonderregelungen für Auszubildende in der dualen Berufsausbildung gibt es in den Niederlanden nicht. 39 Internetauftritt der niederländischen Regierung: http://www.rijksoverheid.nl/onderwerpen/minimumloon (ndl.) (letzter Abruf: 27. Januar 2014). 40 Internetauftritt der niederländischen Regierung: https://zoek.officielebekendmakingen.nl/stcrt-2013-31007.html (ndl.), letzter Abruf: 21.3. 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 20 Allerdings hat die Zentrale Planungsbehörde der Niederlande (Centraal Planbureau, CPB) konstatiert, dass der Mindestlohn für Jugendliche in den Niederlanden im Vergleich zu anderen Staaten relativ gering ist. Das CPB sieht einen kausalen Zusammenhang zwischen dem einerseits geringen Mindestlohn für Jugendliche und der andererseits sehr niedrigen Jugendarbeitslosigkeit. Eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes für Jugendliche oder ein Wegfall der gegenwärtigen Regelung würde nach Auffassung des CPB wahrscheinlich dazu führen, dass die Beschäftigungsquote Jugendlicher sinken würde. 2.8. Portugal 2.8.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems42 Die Schulpflicht in Portugal beträgt neun Jahre und dauert vom Anfang des 6. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr. Die Grundschule (Ensino Básico) endet mit einem Abschlusszeugnis (Diploma do Ensino Básico). Das Bildungsangebot im Sekundarbereich umfasst allgemeinbildende und beruflich orientierte Kurse. Die rein allgemeinbildenden Kurse sind die sogenannten wissenschaftlich -humanistischen Bildungsgänge (Cursos Cientifico-Humanisticos), die mit dem „Diploma do Ensino Secundário“ abschließen. Die übrigen Bildungsgänge sind doppelt qualifizierend , d. h. sie führen sowohl zu einem schulischen als auch zu einem beruflichen Abschluss, dem „Diploma de Qualificação Profissional“. Wenn kein entsprechender schulischer Abschluss vorliegt, wird ein „Certificado de Qualificação Profissional“ ausgestellt, welches ausschließlich berufliche Kompetenzen nachweist. Das „Diploma de Qualificação Profissional“ kann über technologische Bildungsgänge (Cursos Tecnológicos) und spezialisierte künstlerische Bildungsgänge (Cursos Artísticos Espezializados) erworben werden. Der Abschluss berechtigt sowohl zur Aufnahme eines Studiums als auch zum Eintritt ins Berufsleben. Mindestens zwei Jahre dieser dreijährigen Bildungsgänge sind allgemeinbildend . Bildungsgänge mit beruflicher Ausrichtung (Cursos Profissionais) bereiten vorrangig den Eintritt in den Arbeitsmarkt vor. Diese Bildungsgänge umfassen sowohl einen allgemeinbildenden als auch einen praktischen Teil in dem jeweiligen beruflichen Kontext. Bildungsgänge mit beruflicher Ausrichtung werden mehrheitlich an privaten Berufsschulen aber auch an staatlichen Sekundarschulen angeboten. Die Lehrlingsausbildung (Cursos de Aprendizagem) wird vom Institut für Beschäftigung und Berufsbildung (Instituto de Emprego e Formação Profissional – IEFP) verwaltet und der Unterricht findet vorwiegend an Berufsbildungszentren statt. 42 Siehe hierzu: https://www.bq-portal.de/de/db/berufsbildungssysteme/2072 (letzter Abruf: 13. März 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 21 Im postsekundären, nicht-tertiären Bereich können nach dem Sekundarabschluss Ausbildungsgänge mit technischer Ausrichtung (Cursos de Especialização Tecnológica - CET) absolviert werden . Die Ausbildungsgänge führen zu einem Diplom mit technischer Ausrichtung (Diploma de Especialização Tecnológica - DET). Sie werden in Sekundarschulen, Berufsbildungszentren, technologischen Schulen und anderen akkreditierten Einrichtungen angeboten. Der Abschluss kann auf ein Hochschulstudium angerechnet werden. 2.8.2. Mindestlohnregelung43 Der gesetzliche Mindestlohn wurde 1974 in Portugal eingeführt. Gesetzliche Grundlage ist das Arbeitsgesetzbuch (Código do Trabalho, Artikel 273, 274 und 275 - SECÇÃO III Retribuição mínima mensal garantida). Der Mindestlohn ist seit 2004 einheitlich und beträgt zurzeit 485,00 Euro brutto im Monat. Die autonomen Regionen Azoren und Madeira zahlen 5% bzw. 2% mehr aufgrund ihrer Insellage. Die Anpassung des Mindestlohns erfolgt grundsätzlich jährlich per Gesetzesdekret nach Konsultation der Sozialpartner (Arbeitgeber, Gewerkschaften), die im Rahmen einer Ständigen Kommission („Comissão Permanente de Concertação Social“) an dem Diskussionsprozess beteiligt sind. Die Auswirkungen der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise auf Portugal haben allerdings dazu geführt, dass seit 2011 der Mindestlohn unverändert geblieben ist. Zu Beginn galt das Gesetz über den Mindestlohn für alle unselbständigen Arbeitnehmer, für Beamte und Verwaltungsangestellte. Ausgenommen waren Soldaten, Landarbeiter, Hausangestellte und der Arbeitnehmer unter 20 Jahren. Heute gilt der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer und alle Tätigkeitssektoren. Eine altersspezifische Differenzierung des Mindestlohns wurde 1998 abgeschafft. 2.9. Spanien 2.9.1. Grundzüge des Berufsbildungssystems44 In Spanien besteht eine zehnjährige Schulpflicht, die mit dem 16. Lebensjahr endet. Das spanische Berufsbildungssystem kennt zwei Abschlussarten. Der „Técnico“ oder „Técnico de Grado Medio“ kann in eineinhalb- bis zweijährigen Ausbildungsgängen an Berufsschulen erworben werden und ist eine berufliche Erstausbildung. Vorgesehen sind 2000 Stunden, wovon 25% in betrieblicher Praxis erfolgen; die andere Zeit ist schulisch organisiert. Zugangsvoraussetzung ist in Regel der erfolgreiche Abschluss der Sekundarstufe (Título de Educación Secundaria). Der „Técnico de Grado Superior“ kann in eineinhalb- bis zweijährigen Ausbildungsgängen an Berufsschulen erworben werden und ist eine berufliche Fort- und Weiterbildung. Vorgesehen sind 2.000 Stunden, wovon 25% in betrieblicher Praxis erfolgen; die andere Zeit ist schulisch 44 Siehe hierzu: https://www.bq-portal.de/de/db/berufsbildungssysteme/1823 (letzter Abruf: 13. März 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 22 organisiert. Zugangsvoraussetzung ist in der Regel das Abitur (Bachillerato) oder ein "Técnico de Grado Medio". Sofern zuvor kein "Técnico de Grado Medio" absolviert wurde, handelt es sich beim "Técnico de Grado Superior" um eine berufliche Erstausbildung. Mit dem Abschluss wird zugleich die Hochschulzugangsberechtigung erworben. Private Bildungseinrichtungen sind ebenfalls Anbieter von beruflichen Ausbildungen. Abschlüsse privater Bildungsträger sind daran zu erkennen, dass sie nicht den Titel "Técnico de Grado Medio" oder "Técnico de Grado Superior" verleihen. Einige private Bildungseinrichtungen sind staatlich anerkannt und berechtigt, Ausbildungsgänge des staatlichen Systems anzubieten. 2.9.2. Mindestlohnregelung Der gesetzliche Mindestlohn Salario Mínimo Interprofesional (SMI) ist 1963 vom Franco-Regime eingeführt worden. Seit 1980 legt der SMI einen Mindestausgleichsbetrag für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für eine Vollzeitbeschäftigung bei 14 Monatsgehältern fest. Der Mindestlohn stellt gleichzeitig auch die Pfändungsgrenze für Lohnpfändungen45 dar und ist ferner für eine Reihe anderer Regelungen der Maßstab: Nationales Arbeitslosengeld, Eingliederungsgeld, Abfindungen.46 Der Mindestlohn wird von der spanischen Regierung für jedes Jahr festgesetzt (formal durch ein königliches Dekret); Ausnahmen hiervon sind möglich. Gewerkschaften und Arbeitgeber haben bei der Ermittlung des Satzes nur eine beratende Stimme. Die Ermittlung des Satzes erfolgt unter Berücksichtigung der Faktoren Verbraucherpreisindex, durchschnittliche nationale Arbeitsproduktivität , allgemeiner Anstieg des Volkseinkommens und allgemeine wirtschaftliche Bedingungen .47 Der Betrag wird pro Tag, pro Monat oder pro Jahr und im Fall von Hausangestellten pro Stunde festgelegt. Er gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unabhängig davon, ob es sich um dauerhafte oder vorübergehende Tätigkeit handelt.48 Bezüglich der Beschäftigung im Bereich von Tagelöhnern oder gelegentlicher Tätigkeit gelten Sonderregelungen. Zum einen haben Arbeitnehmer, die nur stundenweise und weniger als 120 Tage für den gleichen Arbeitgeber tätig sind, einen Anspruch auf mindestens 30,75 Euro pro Arbeitseinsatz.49 Des Weiteren gilt für Hausangestellte die Regelung, dass sie einen Mindestlohn von mindestens 5,05 Euro pro Stunde erhalten müssen.50 45 http://www.empleo.gob.es/es/informacion/smi/contenidos/quees.htm (letzter Abruf: 10. März 2014). 46 http://www.empleo.gob.es/es/informacion/smi/contenidos/quees.htm (letzter Abruf: 10. März 2014). 47 http://www.empleo.gob.es/es/informacion/smi/contenidos/quees.htm (letzter Abruf: 10. März 2014). 48 http://www.empleo.gob.es/es/informacion/smi/contenidos/imporcualact.htm (letzter Abruf: 10. März 2014). 49 http://www.empleo.gob.es/es/informacion/smi/contenidos/importraevotemp.htm (letzter Abruf: 10. März 2014). 50 http://www.empleo.gob.es/es/informacion/smi/contenidos/imporemhog.htm (letzter Abruf: 10. März 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 23 Im Jahr 2013 betrug der Mindestlohn für alle Tätigkeitsbereiche 21,51 Euro/Tag oder 645,30 Euro /Monat. Der Mindestlohn für 2014 ist nicht angehoben worden.51 Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dieser Betrag auf 14 Monate berechnet wird, ergibt sich auf zwölf Monate verteilt von jeweils 752,85 Euro pro Monat. Seit 1998 gilt der nationale Mindestlohn ab 16 Jahren. Jugendliche, die an Bildungsprogrammen zur Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt teilnehmen, erhalten 75 % des Mindestlohnsatzes.52 Die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie legen nahe, dass der Einfluss der Bildungs- und Berufsbildungssysteme , die in den europäischen Ländern durchaus unterschiedlich sind, einen nicht unerheblichen Einfluss auf die oben beschriebenen Kennziffern haben. Die Studie konstatiert jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine höhere relative oder absolute Jugendarbeitslosigkeitsquote dadurch verursacht wird, dass die Zahl der qualifizierten Jugendlichen zurückgeht.53 Zudem findet sich eine vergleichsweise schwache Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Jugendarbeitslosigkeit, was den Studien zufolge eher auf strukturelle Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit hinweist.54 Generell gilt aber als empirisch gesichert, dass das Risiko der Arbeitslosigkeit mit zunehmender Qualifikation sinkt, was für die Relevanz von Bildungsabschlüssen spricht. Darüber hinaus haben nicht nur unterschiedliche Ausbildungsstrategien, sondern auch sozialstaatliche Regelungen, zum Beispiel Arbeitsmarktregulierung, Arbeitsschutzgesetze, Transfersysteme und oder die Tarifsituation Einfluss auf die Arbeitsmarktsituation von Jugendlichen. 55 3. Empirische Studien zu Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen Der Sachverständigenrat für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung stellt in seinem Jahresgutachten fest, dass die Mehrheit der international durchgeführten Studien auf negative Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen hinweise.56 Die als Beleg hierzu aufgeführte Literaturstudie von Neumark und Wascher57 wertet hauptsächlich Studien bis zum Jahr 2000 aus, die in der Tat 51 Real Decreto 1046/2013, de 27 de diciembre, por el que se fija el salario mínimo interprofesional para 2014 Ministerio de Empleo y Seguridad Social ; http://www.boeckler.de/pdf/ta_spanien_mldb.pdf (letzter Abruf: 10. März 2014). 52 Croucher, R., White, G.: The impact of minimum wages on the youth labour market, An international Literature Review for the low pay commission, März 2011, S. 25, Table 1b: Youth minimum wages. 53 Zukunft unsicher: Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich, Bertelsmann Stiftung, 2014, S. 57. 54 Zukunft unsicher: Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich, Bertelsmann Stiftung, 2014, S. 72. 55 Zukunft unsicher: Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich, Bertelsmann Stiftung, 2014, S. 80. 56 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: „Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik“, Jahresgutachten 2013/14, Rn. 484, S. 270. 57 Neumark, D./Wascher, W.: Minimum Wages and Employment: A Review of Evidence from the New Minimum Wage Research, NBER Working Paper 12663, Cambridge, 2006 (letzter Abruf: 13. März 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 24 mehrheitlich zu einem negativen Ergebnis der Beschäftigungswirkung von Mindestlöhnen kommen .58 Die Annahme, dass Mindestlöhne grundsätzlich negative Beschäftigungseffekte haben, wird durch die neuere empirische Mindestlohnforschung aus den USA, Frankreich und Großbritannien 59 nicht bestätigt. Die mit verfeinerten Methoden erneut überprüften Daten dieser Untersuchungen haben daraufhin keine so eindeutigen Schlussfolgerung mehr zugelassen und keine klaren Antworten im Hinblick auf die ökonomischen Effekte von Mindestlöhnen gegeben. Bosch folgert, dass diese ältere Studien und Untersuchungen darum als widerlegt gelten könnten.60 Auch eine von Dube und anderen61 durchgeführte verfeinerte Studie früherer empirischer Untersuchungen aus den USA hatte zum Ergebnis, dass sämtliche Anhebungen von Mindestlöhnen in den Jahren 1990 bis 2006 ohne Beschäftigungseffekte geblieben seien. 62 Vor diesem Hintergrund sollten mögliche positive oder negative Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden. 63 Im Königreich Belgien64 gibt es einen garantierten Mindestlohn (Gewaarborgd gemiddeld minimum maandinkomen, GGMMI). Dieser wird von Arbeitgebern und Gewerkschaften paritätisch tarifvertraglich vereinbart und legt den Mindestlohn fest. Daneben existieren allerdings noch regionale paritätisch besetzte Komitees und Unterkomitees, die einen sektorgebundenen Mindestlohn aushandeln könnten, der höher als der Mindestlohn sein darf, aber nicht niedriger. Sie können nach Aussage des Arbeitsministeriums (Federale Overheidsdienst Werkgelegenheid, Arbeid en Sociaal Overleg) bis 18,50 Euro pro Stunde betragen. Der durchschnittliche effektive Mindestlohn liegt daher gegenüber dem GGMMI um ca. 20 % höher und betrug Ende 2009 ca. 9,20 Euro. Der Bericht zeigt allerdings auch, dass einerseits der hohe Mindestlohn und andererseits das belgische Wohlfahrtssystem dazu führen, dass insbesondere gering qualifizierte Menschen Schwierigkeiten haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.65 Ein Befund, den auch Cockx66 in seiner 58 Detzer, D., 2010, S. 415. 59 Bosch, G., Weinkopf, C.: Gut gemachte Mindestlöhne schaden der Beschäftigung nicht, in: IAQ-Report, Nr. 4, 2013, S. 12, siehe auch: Bosch, G.: Beschäftigung und Mindestlöhne – Neue Ergebnisse der empirischen Mindestlohnforschung , in: WSI-Mitteilungen, 8, 2010, S. 404 – 411, S. 404. 60 Bosch, G., Weinkopf, C., 2013, S. 12. 61 Dube, A., Lester, W., Reich, M.: Minimum wage effects state cross borders: Estimates using contiguous Counties, 2010, zitiert nach „Studie widerlegt Mindestlohngegner“ in: Böcklerimpuls, Nr. 1, 2011, Seite 4 – 5. 62 Bosch, G., S. 407 ff. 63 Detzer, D.: Mindestlöhne und Beschäftigung – Die theoretische Debatte und empirische Ergebnisse, in: WSI- Mitteilungen, 8, 2010, S. 412 – 418, S. 417; Siehe hierzu: Bosch, G., Weinkopf, C.: Wirkungen der Mindestlohnregelungen in acht Branchen, Friedrich-Ebert-Stiftung, November 2012, S. 58. 64 Zum folgenden siehe: Hoge raad voor de werkgelegenheid, Verslag 2013, Laaggeschoolden op de arbeidsmarkt, Belgien, 2013, S. 19. 65 Ähnlich Croucher, R., White, G.:, 2011, S. 79. 66 Cockx, B.: Youth unemployment in Belgium: Diagnosis and key remedies, Forschungsinstitut Zukunft der Arbeit , Paper No. 66, 2013, S. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 25 Studie bestätigt. Dieser sieht zudem die strikte Trennung zwischen Schule und Arbeitswelt und das vertikal segmentierte Schulsystem mit seiner hohen Zahl an Sitzenbleibern als Hauptursachen für die hohe Jugendarbeitslosigkeit an. Für Frankreich stellt der Bericht des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK-Report)67, der einen Überblick über Studien bezüglich der Beschäftigungswirkung des SMIC gibt, fest, dass sich insgesamt keine empirische Evidenz für eine beschäftigungsreduzierende Wirkung des SMIC finden lasse. Zudem zeigt der Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosenquote und der Entwicklung des Mindestlohns, dass die Erhöhung des SMIC nicht zu einer erkennbaren Erhöhung der Arbeitslosenquote geführt habe.68 In Frankreich sind Beschäftigte mit einem Mindestlohn hauptsächlich in Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern (28,7 %) zu finden. 69 Dabei handelt es sich meistens um geringqualifizierte Frauen. 90 % der jungen Franzosen im Alter von 15 bis 19 Jahren befinden sich in Ausbildung, was bedeutet, dass die hohe Arbeitslosenrate im Wesentlichen junge Menschen über 19 Jahre betrifft. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den kleinen Betrieben (5 % im privaten Sektor) ist eher gering und Kontrollen der Arbeitsverwaltung zur Einhaltung von Standards sind unzureichend. Die Umgehung des Mindestlohns , zum Beispiel durch unbezahlte Überstunden, bleibt daher meist folgenlos. Bei der Einführung des Mindestlohns in Großbritannien 1999 hatte die Low Pay Commission70 lediglich zwei Lohnstufen vorgesehen. Eine Stufe für Erwachsene über 22 Jahre und eine Stufe, die von 18 bis 22 Jahre reichte. Allerdings waren bei der Einführung des Mindestlohns in Großbritannien nur 5% der Arbeitnehmer direkt davon betroffen. Trotz der starken relativen Anhebung des Mindestlohns in Großbritannien verdienten im Jahr 2013 weiterhin nur 3,7% der über 21-jährigen Arbeitnehmer genau den Mindestlohn (Office for National Statistics 2013).71 Die Evaluierung der Teilmindestlöhne führte 2004 dazu, dass neben den bestehenden noch eine dritte Lohnstufe für junge Menschen im Alter von 16 bis 17 Jahren eingeführt wurde. Die Sätze für Auszubildende und Jugendliche wurden unter dem Normalsatz festgesetzt, um die Beschäftigungschancen dieser Gruppen nicht negativ zu beeinflussen. 72 Die Befürchtung, dass der Mindestlohn die Jugendlichen dazu veranlassen könnte, verstärkt auf den Arbeitsmarkt zu drängen und keine Ausbildung zu machen, hat sich nachweislich nicht bestätigt, was wohl auch an der geringen Höhe des Mindestlohns in diesen Altersgruppen liegt. Auch die Einführung des Mindestlohns für 16- bis 17-Jährige hatte keine beobachtbaren negativen Effekte auf die Ausbildungs- 67 Horn, G. A., Joebges, H., Logeay, C., Sturn, S.: Frankreich: Ein Vorbild für Deutschland? Ein Vergleich wirtschaftspolitischer Strategie mit und ohne Mindestlohn. Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Report Nr. 31, September 2008, Appendix 3: Beschäftigungseffekte des französischen Mindestlohns, S. 22. 68 George, R.: Mindestlöhne und Beschäftigung, in: WSI Mitteilungen, Nr. 9, 2008, S. 5. 69 Siehe hierzu: Croucher, R., White, G.: 2011, S. 66-69. 70 Croucher, R., White, G., 2011, S. 59 – 65. 71 Zitiert nach: Knabe, A., Schöb, R., Thum, M.: Der flächendeckende Mindestlohn, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft , Diskussionsbeiträge Economics Nr. 4, Freie Universität Berlin, 2014, S. 22. 72 Croucher, R.: Die Einführung des britischen Mindestlohns: Ursprünge, Umsetzung und Wirkungen, in: Arbeit, Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik, Heft 2, Jg. 14, 2005, S.94-102, S. 97. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 26 quote; es seien sogar positive Effekte gemessen worden.73 Hier ist möglicherweise auch eine Korrelation mit der gesamtwirtschaftlichen Lage zu erkennen. So sind seit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 die Jugendlichen eher in einer Vollzeitausbildung verblieben. Trotzdem arbeiten ca. 40 % der 18- bis 21-Jährigen neben ihrer Ausbildung. Die im Bericht der Low Pay Commission angeführte Untersuchung zu den Beschäftigungseffekten seit Einführung des Mindestlohns auf Jugendliche ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nur statistisch geringfügige Effekte aufgetreten seien.74 Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den Niederlanden wird in den letzten Jahren von zwei Langzeittrends geprägt: Zum einen durch die allgemeine wirtschaftliche Rezession, ausgelöst durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise, und zum anderen die Abnahme von Arbeitsplätzen für Menschen mit mittlerer Qualifikation. Letzteres ist ein Trend, der insgesamt auf dem Arbeitsmarkt in Europa wahrzunehmen ist.75 Gestiegen ist dagegen besonders der Bedarf an gutausgebildeten Arbeitnehmern. Der Bericht des Zentralen Planungsbüros (CPB) führt diese Entwicklung in den Niederlanden vor allem auf den technologischen Fortschritt zurück und damit auf geänderte Ansprüche der Nachfrageseite. Dahingegen wird den institutionellen Veränderungen, zum Beispiel dem Einfluss von Gewerkschaften oder den Mindestlöhnen, so gut wie kein Einfluss auf die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt in den letzten 15 Jahren eingeräumt. Trotzdem schließt der Bericht nicht aus, dass der Mindestlohn die Beschäftigungschancen für gering Qualifizierte negativ beeinflusst haben könnte.76 Ältere Studien hätten keine klaren Hinweise darauf gegeben, dass die Höhe der Mindestlöhne Einfluss auf die Beschäftigung gehabt habe77. Ursache hierfür könne die hohe Zahl an allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen sein. Auch van Soest, der die Effekte von abgesenkten Mindestlöhnen für Jugendliche in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts untersucht hat, hat keine negative Auswirkungen auf die Beschäftigung von Jugendlichen gefunden.78 Seit der Einführung des Mindestlohns für Jugendliche (1974) gab es in den Niederlanden eine Diskussion über die Altersstufen. Während die Gewerkschaften für einen Mindestlohn für alle ab 18 Jahre plädierten, gab es auch Stimmen, diese Grenze auf 27 Jahre anzuheben .79 Die Auswirkungen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise haben in Portugal zu einer schweren wirtschaftlichen Rezession geführt, was erhebliche Auswirkungen auf die nationale Beschäftigungssituation hatte. Auch in Portugal ist der Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräften gestiegen, was dazu geführt hat, dass ältere und gering qualifizierte Arbeitnehmer immer häu- 73 Croucher, R., White, G., 2011, S. 60. 74 Siehe auch Detzer, D., 2010, S. 417. 75 Centraal Planbureau, Loonongelijkheid in Nederland steigt, CPB, Policy Brief, 06/2012, S. 11. 76 Centraal Planbureau, 2012, Fußnote 16 auf S. 11. 77 Croucher, R., White, G., 2011, S. 87. 78 Soest, A. van, (Tilburg University, The Netherlands): Youth Minimum Wage Rates: The Dutch Experience, International Journal of Manpower, Vol. 15 Iss: 2/3, pp.100 – 117, 1994, Abstract. 79 Croucher, R., White, G., 2011, S. 86. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 27 figer arbeitslos werden. Trotzdem finden gut ausgebildete, junge Portugiesen keine angemessene und entsprechend bezahlte Arbeitsstelle.80 Nach einer Studie des portugiesischen Wirtschaftsministeriums stieg die Anzahl der Mindestlohnempfänger in Portugal zwischen April 2011 und Ende 2013 von 10,9 % auf 13 %. Das bedeutet, dass ca. 420.000 Menschen in Portugal für eine Vollzeitbeschäftigung 485 Euro Netto im Monat erhalten.81 Auch in Portugal gibt es eine hohe Tarifbindung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, deren ausgehandelte Mindestgehälter meist höher als der gesetzliche Mindestlohn sind. Portugal wird allerdings für seinen relativ hohen Beschäftigungsschutz kritisiert. Im Bericht des Europäischen Beschäftigungsobservatoriums findet sich der Hinweis, dass nach Meinung einiger Wirtschaftsforscher die Arbeitsschutzgesetze maßgeblich zur Arbeitsmarktsegmentierung und zur eingeschränkten Möglichkeit von Entlassungen und Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Dies habe zu einer insgesamt höheren Arbeitslosenquote und zu Arbeitsplätzen mit ungünstigeren Beschäftigungsbedingungen geführt (Zeitverträge, Leiharbeit usw.).82 In Spanien hat der Mindestlohn lediglich eine geringe Bedeutung. Das Land verfügt über einen umfassenden Mechanismus zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, so dass nur diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf einen Mindestlohn angewiesen sind, in deren Branche kein Tarifvertrag existiert. Zudem hat das niedrige Niveau des Mindestlohnes kaum Einfluss, weder auf die Lohngestaltung noch auf die Beschäftigung.83 Hatten ältere Untersuchungen zum Ergebnis, dass die Einführung des Mindestlohns entweder zum Verlust von Arbeitsplätzen oder erst gar nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze geführt hatte84, zeigten neuere Studien gegenteilige Ergebnisse. So stellt die regionale Langzeitstudie von Blazquez85 und anderen fest, dass in dem von Ihnen untersuchten Zeitraum (2000 bis 2008) keine Hinweise auf negative Beschäftigungswirkungen gefunden wurden. Zudem befindet sich auch in Spanien der weitaus größte Teil der jungen Menschen im Alter von 15 bis 19 Jahren in einer Ausbildung. Auch die empirische Forschung in Deutschland zu möglichen Beschäftigungseffekten von branchenspezifischen Mindestlöhnen liefert keine einheitlichen Ergebnisse. Grundsätzlich besteht immer die Schwierigkeit, Effekte eines Mindestlohns von anderen Einflüssen wie Marktstruktur, Arbeitsmarktsituation und konkreter Mindestlohnhöhe zu trennen. Die bislang vorliegenden em- 80 Bericht des Europäischen Beschäftigungsobservatoriums: Langzeitarbeitslosigkeit, Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration Referat C.1, September 2012, S. 13. 81 Hinweis auf: http://www.entdecken-sie-algarve.com/component/content/article/316-berichte-01/3320- sesselruecken113 (letzter Abruf: 17. März 2014). 82 Bericht des Europäischen Beschäftigungsobservatoriums: Langzeitarbeitslosigkeit, 2012, S. 27. 83 Mindestlohn, Situation und Handlungsbedarf: Bericht der SGB-Expertengruppe Mindestlohn, Doris Bianchi, Stefan Giger, Daniel Lampart, Danièle Lenzin, Alessandro Pelizzari, Andreas Rieger, Georges Tissot, Redaktion, Doris Bianchi, Daniel Lampart, Isabel Martinez, Gabriela Medici, Schweiz, Mai 2011, S. 54, 55. 84 Croucher, R., White, G., 2011, S. 69 – 72. 85 Balzquez, M., Llorente, R., Moral, J.: Minimum wage and youth employment rates in Spain, Working Paper 2, S. 1, 2009, Universidad Autonoma de Madrid, S. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 28 pirischen Untersuchungsergebnisse zu branchenspezifischen Mindestlöhnen86 zeigen keine oder nur geringe Effekte auf die Beschäftigungsentwicklung. So könnten bei Einführung eines generellen Mindestlohns heterogene Effekte und dynamische Prozesse selbst bei unverändert bleibendem Beschäftigungsniveau auf dem Arbeitsmarkt oder den Teilarbeitsmärkten auftreten, die wiederum Substitutionsprozesse auszulösen vermögen. Die Antworten auf Anfragen zu empirischen Untersuchungen zum Mindestlohn in Irland und Luxemburg lagen bis Redaktionsschluss noch nicht vor. 4. Empirische Studien zu Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen für Jugendliche Generell lässt sich aus den empirischen Untersuchungen der Befund ablesen, dass es in allen hier betrachteten Ländern Jugendlichen mit geringer Qualifikation oder ohne Schulabschluss schwerfällt, nach der Allgemeinausbildung einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden .87 Dass Jugendliche tendenziell schlechter bezahlt werden, ist ein überall in Europa anzutreffendes Phänomen88. Zudem ist diese Gruppe weitaus mehr durch konjunkturelle Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt betroffen als männliche Personen im Haupterwerbsalter.89 Eine Feststellung , die auch von der Expertengruppe zu Beschäftigungswirkungen des SMIC geteilt wird.90 Zwar geht allgemein die Zahl der Jugendlichen, die keinen Abschluss der Sekundarstufe II haben , insgesamt zurück: trotzdem verlässt zum Beispiel in Spanien aber immer noch etwa ein Viertel der Jugendlichen ohne einen ersten Abschluss die Schule. Letzteres gilt übrigens allgemein für ganz Südeuropa.91 Zu der Frage, welchen Beitrag Mindestlöhne zum Niveau der Jugendarbeitslosigkeit in Europa leisten, gibt es eine Reihe von empirischen Studien. Insbesondere Croucher und White92 haben für die britische Low Pay Commission anhand vorhandener Literatur diesen Zusammenhang dar- 86 Siehe hierzu: Bosch, G., Weinkopf, C.: Wirkungen der Mindestlohnregelungen in acht Branchen, Friedrich- Ebert-Stiftung, November 2012. 87 Zum Folgenden siehe: Zukunft unsicher: Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich, Bertelsmann Stiftung , 2014, S. 15 – 16. 88 Grimshaw, D. (University of Manchester): What do we know about low-wage work and low-wage workers? Analysing the definitions, patterns, causes and consequences in international perspective, International Labour Organization 2011 , Conditions of Work and Employment Series No. 28, S. 14, 16; siehe hierzu auch OECD Employment outlook, Boosting Jobs and Income, Paris, 2006. 89 Siehe hierzu Grimshaw, D.; auch Horn, G. A., Joebges, H., Logeay, C., Sturn, S., S. 21. 90 Le salaire minimum interpersonnel de croissance, Rapport du groupe d’experts, 2013, S. 9. 91 Leao, J., Nogueira, G.: Youth unemployment in southern europe, Office for Strategies and Studies (GEE), Portuguese Ministry of economie, 2013. 92 Croucher, R., White, G.: The impact of minimum wages on the youth labour market, An international Literature Reviewfor the low pay commission, März 2011. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 29 gestellt und kommen dabei zu dem Ergebnis, dass „die Beschäftigungseffekte seit der Einführung oder der Anhebung von Mindestlöhnen für jüngere Menschen im Allgemeinen extrem klein und am Rande der statistischen Aussagefähigkeit bei der überwiegenden Anzahl der Studien liegen “.93 Allerdings ziehen die Autoren durchaus auch den vorsichtigen Schluss, dass der Einfluss der Mindestlöhne in den Ländern, die keine Sonderregelungen für diese Gruppe haben, eher negativ ist.94 Auch das Institut für Weltwirtschaft in Kiel kommt nach Auswertung der vorliegenden empirischen Forschungen zu dem Ergebnis, dass Mindestlöhne eine lediglich moderate Wirkung auf die Beschäftigungsentwicklung von Jugendlichen habe.95 So stellt der IMK-Report zu Frankreich fest, dass sich nur in einzelnen Studien Hinweise auf eine beschäftigungsreduzierende Wirkung finden ließen.96 Zu gegenteiligen Ergebnissen kommt allerdings Laporček97 in ihrem kurzen Aufsatz zu Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen für Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahre. Sie konstatiert einen statistisch signifikant negativen Effekt auf die Beschäftigung von Jugendlichen, der für die Gruppe der 15- bis 19-Jährigen noch deutlicher ausgeprägt sei. Zu den Einflüssen von Mindestlöhnen auf das schulische Ausbildungsverhalten gibt es scheinbar nur wenige Quellen. Der Bericht der Low Pay Commission merkt hierzu an, dass sich in den USA und Großbritannien gezeigt habe, dass diese nur einen geringen Einfluss (allerdings negativ) auf die Fortsetzung des Schulbesuchs gehabt hätten.98 5. Kann die Einführung eines Mindestlohns zu berufsbildungspolitischen Fehlanreizen führen ? Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hatten in Deutschland von den 54,0 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter (15 bis unter 65 Jahre) 17 Prozent (7,9 Millionen) keinen Berufsabschluss und befanden sich nicht in Schule, Studium oder Ausbildung.99 Trotzdem weist Deutschland im internationalen Vergleich100 sowohl bei den 15- bis unter 20-Jährigen als auch bei 93 Croucher, R., White, G., Executive Summary, S. 8. Der Bericht umfasst die Länder USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Griechenland, Belgien, Portugal, die Niederlande und Finnland . 94 Croucher, R., White, G., 2011, Executive Summary, S. 8. 95 Görlich, D., Stepanok, I., Al-Hussani, F.: Youth unemployment in Europe and the world: Causes, Consequences ans Solutions, Institut für Weltwirtschaft in Kiel, Kiel Policy Brief, Nr. 59, Januar 2013, S. 7. 96 Siehe hierzu Grimshaw, D.; auch Horn, G. A., Joebges, H., Logeay, C., Sturn, S., S. 24 97 Laporček, S.: Minimum wage effects on youth employment in the European Union, in: Applied economics Letters , Vol. 20, Nos. 13 – 15, 2013, S. 1288 – 1292. 98 Croucher, R., White, G., 2011, Seite 92. 99 Der Arbeitsmarkt in Deutschland, Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktberichterstattung, Mai 2013, S. 7. 100 Zum Folgenden siehe: Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2012, Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf, Bielefeld: Bertelsmann, 2012, 1., Aufl., S. 40. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 30 den 20- bis unter 25-Jährigen hohe Bildungsbeteiligungsquoten auf. Diese hohe Bildungsbeteiligung wird auch auf das duale Berufsbildungssystem zurückgeführt. Die hohe Bildungsbeteiligungsquote geht tendenziell mit einem niedrigen Anteil an frühzeitigen Schulabgängerinnen und -abgängern einher, also Personen, die als potenzielle Risikogruppe im Hinblick auf ihre Chancen am Arbeitsmarkt und ihre gesellschaftliche Teilhabe gelten. Die Europäische Union (EU) hat im Rahmen der Europa 2020-Strategie unter anderem die Reduktion des Anteils der frühzeitigen Schulabgänger auf 10% als Ziel definiert. Der Anteil belaufe sich in Deutschland 2010 auf 12% und liege damit unter dem EU-Mittelwert (14%). Während Personen ohne Migrationshintergrund in Deutschland die europäische Zielmarke mit 10% bereits erfüllten, seien 30% der Personen mit Migrationshintergrund frühzeitige Schulabgängerinnen und -abgänger.101 Der Anteil der erwachsenen Personen mit einem mittleren Qualifikationsniveau, einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder Abitur, ist in Deutschland mit 60 Prozent besonders groß. Der Anteil geringqualifizierter Personen (knapp 15 Prozent) und Personen mit einem tertiären Bildungsabschluss (ca. 25 Prozent) ist im europäischen Vergleich dagegen vergleichsweise gering. Ein deutlich höherer Anteil von Personen ohne weiterführenden Schul- oder Berufsabschluss finde sich mit mehr als 40 Prozent in den südeuropäischen Ländern. Aber auch in den Benelux- Ländern und Frankreich sowie Irland seien mehr als ein Viertel der erwachsenen Erwerbsbevölkerung gering qualifiziert. Allerdings sei in diesen Ländern der Prozentsatz der Akademiker merklich höher als in Deutschland. Anteile von mehr als 30 Prozent finden sich in den skandinavischen Ländern, aber auch in Estland, Großbritannien, Belgien oder den Niederlanden. 102 Die oben dargestellten Ergebnisse empirischer Untersuchungen und Literaturauswertungen zu dem Thema Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen in Europa zeigen, dass eine einfache Schlussfolgerung: hoher Mindestlohn gleich negative Beschäftigungseffekte nicht zu ziehen ist. So gibt es in Italien keine Mindestlohnregelung, allerdings liegt dort die Arbeitslosigkeit für Jugendliche nach Angaben des italienischen Statistikamtes (ISTAT) im Oktober 2013 um rund 40 %. Ein klares Muster ist also nicht zu erkennen. In der politischen Diskussion in Deutschland wird hauptsächlich als Argument gegen einen einheitlichen Mindestlohn vorgebracht, dass die Motivation der Jugendlichen, eine Ausbildung zu absolvieren, gestärkt werden solle. Weitere Argumente könnten sein: geringere Arbeitserfahrung bzw. geringere Produktivität der Jugendlichen oder die Verhinderung eines Verdrängungseffektes von älteren Arbeitnehmern durch billigere und jüngere. Die These, dass jüngere Arbeitnehmer grundsätzlich eine geringere Produktivität aufweisen, wäre allerdings zu hinterfragen, da in bestimmten Bereichen – in denen eine berufliche Erfahrung eine geringe Rolle spielt - das jugendliche Alter durchaus ein Vorteil sein kann (Handel, Lebensmittelbranche, Gastronomie, einfache Hilfstätigkeiten). Wie dargestellt, gibt die vorliegende Literatur auf die im vorherigen Absatz gemachten Annahmen über mögliche Effekte eines Mindestlohns zwar kaum eindeutige Antworten. Zudem sind 101 Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2012, S. 41. 102 Siehe hierzu: Eichhorst, W., Thode, E.: Erwerbstätigkeit im Lebenszyklus, Benchmarking Deutschland: Steigende Beschäftigung bei Jugendlichen und Älteren, Bertelmann Stiftung, Deutschland – Ländernotiz – Bildung auf einen Blick 2013, S. 4 und 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 31 die empirisch gemessenen Beschäftigungseffekte eher gering, allerdings zum Negativen wie zum Positiven (zum Beispiel in Großbritannien durch den Aufbau zusätzlicher Ausbildungsstellen). Der Autor hat in den vielen Interviews und Zeitungsartikeln zum Thema Sonderregelung beim Mindestlohn für junge Arbeitnehmer keine weiteren belastbaren Argumente entdecken können als die bereits angeführten. Die in Deutschland gegebene hohe Bildungsbeteiligungsquote lässt die Befürchtungen, dass für Jugendliche der Anreiz, bei Einführung eines gleichen Mindestlohns für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von 8,50 Euro lieber im Niedriglohnsektor arbeiten zu gehen als eine Ausbildung zu absolvieren, mit der nach dem Ausbildungsabschluss faktisch ein höheres Arbeitsentgelt als beim Mindestlohn möglich ist, eher unwahrscheinlich erscheinen . Bei den empirischen Untersuchungen über die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen bei Jugendlichen haben die nationalen Motive für die Staffelung von Mindestlöhnen keine Rolle gespielt . Aus anderen Quellen lassen sich aber ähnliche Argumente wie die in Deutschland vorgebrachten : Steigerung der Attraktivität der Ausbildung, geringere Produktivität, geringere Berufserfahrung finden. 6. Diskriminierung wegen Alters Der vorliegende Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie“ vom 19. März 2014 enthält zum Mindestlohn für Jugendliche folgende Regelung: - § 1 (1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auch Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. - § 22 (2) Personen im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ohne abgeschlossene Berufsausbildung gelten nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. § 2 Abs. 1 und 2 Jugendarbeitsschutzgesetz haben zum Inhalt: (1) Kind im Sinne dieses Gesetzes ist, wer noch nicht 15 Jahre alt ist. (2) Jugendlicher im Sinne dieses Gesetzes ist, wer 15, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Das bedeutet, dass Jugendliche, die keine Ausbildung abgeschlossen haben und noch keine 18 Jahre alt sind, keinen Mindestlohn erhalten. Erwerbstätig sind in dieser Altersgruppe laut Mikrozensus 2010 insgesamt 344.000 Menschen. Hierzu gehören zum einen die Auszubildenden und zum anderen etwa 100.000 jobbende Schüler /-innen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 32 Das Bundesverfassungsgericht sah den Gleichheitssatz „vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.“108 Danach ist also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, wobei auf Art und Gewicht der bestehenden Unterschiede zwischen den beiden Gruppen abzustellen ist. Die rechtliche Unterscheidung muss in den sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden.109 Eine Ungleichbehandlung ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in einem späteren Urteil nur dann verfassungsgemäß , wenn „Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbe- 108 BVerfG Beschluss vom 7. Oktober 1980 -1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79. BVerfGE 55, 72 (88); zit. nach EPPING, V., Rn. 797. 109 BVerfGE 87, 234 (255); zit. nach EPPING, V. Rn. 797. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 33 handlung rechtfertigen können.“110 Damit ist die Zweck-Mittel-Relation angesprochen: In die Betrachtung fließt nun auch der Differenzierungsweck, also das vom Staat mit der Regelung verfolgte Ziel mit ein, das in einem angemessenen Verhältnis zu Ausmaß und Schwere der Ungleichbehandlung stehen muss. Die Verhältnismäßigkeit zwischen Ungleichbehandlung und Rechtfertigungsgrund muss anhand dieser „neuen Formel“ des BVerfG differenziert beurteilt werden. In einem vom Zentrum für europäische Rechtspolitik verfassten Gutachten zum Verfassungs-, völker- und europarechtlichen Rahmen für die Gestaltung von Mindestlohnausnahmen111 kommt Fischer-Lescano zu folgenden Ergebnissen112: - Das im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) konkretisierte Verbot der Altersdiskriminierung gelte ausnahmenlos. - Jedenfalls unterliege die Rechtfertigung unmittelbarer Altersdiskriminierung besonders hoher verfassungsrechtlicher Hürden. Das Ziel der Vermeidung von Fehlanreizen reiche hierfür nicht aus. - Die Mindestlohnberechtigung am Alter oder an der vorherigen Berufserfahrung festzumachen sei fraglich und umstritten. - Für die altersabhängigen Mindestlohnausnahmen in Großbritannien habe nicht nachgewiesen werden können, dass diese die Attraktivität der Berufsausbildung im Vergleich zur Erwerbstätigkeit gesteigert hätten und den gewünschten Steuerungseffekt gehabt hätten. - Würde das Ziel in der Bekämpfung des Lohndumpings gesehen, führten Ausnahmeregelungen zu einer Unterminierung des Zwecks. Sie wären systemwidrig und dies führe, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, zu einem Gleichheitsverstoß. - Auch vor dem Hintergrund des propagierten Ziels des Mindestlohns, dem Schutzauftrag nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 20 Abs.1 nachzukommen, sei die Herausnahme von junger Menschen und Berufsanfängern nicht gerechtfertigt. - Zudem sehe auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung bei einer Bemessung der Grundvergütung nach Altersstufen einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und folge damit der Rechtsprechung des EuGH zum Verbot der Altersdiskriminierung. Fischer-Lescano sieht in der Konsequenz daher in der berufspolitischen Zielsetzung grundsätzlich keinen Rechtfertigungsgrund für Mindestlohnausnahmen. Wie sich das Bundesverfassungsgericht zu dieser Frage positionieren könnte, erscheint derzeit offen. 110 EPPING,V. Rn. 798 unter Bezugnahme auf BVerfG Beschluss vom 26. Januar 1993 - 1 BvL 38/92/ 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92. BVerfGE 88 (87). 111 Fischer-Lescano, A.: Verfassungs-, völker- und europarechtlicher Rahmen für die Gestaltung von Mindestlohnausnahmen , Rechtsgutachen, im Auftrag des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans- Böckler-Stiftung (WSI) und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 2014. 112 Fischer-Lescano, A., S. 15 sowie S. 19-21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 060/14 Seite 34 7. Literaturverzeichnis Amlinger, M., Bispinck, R., Schulten, Th.: Jugend ohne Mindestlohn? Zur Diskussion um die Ausnahme und Sonderreglungen für junge Beschäftigte, WSI Report, Nr. 14, 2014. Arbeitsgesetzbuch (Code du Travail), Luxemburg, gültige Version ab dem 31. Dezember 2013. Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2012, Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf, Bielefeld: Bertelsmann, 2012. 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