© 2017 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 055/17 Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Einzelfragen zur Wahl der Auszahlungsmodalitäten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Das Sachleistungsprinzip ist in § 3 Abs. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) normiert. Dabei formuliert § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG für die Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchsund Verbrauchsgüter des Haushalts (notwendiger Bedarf) einen Sachleistungszwang und § 3 Abs. 1 Satz 6 AsylbLG für die Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (notwendiger persönlicher Bedarf) einen Vorrang der Sachleistung. Nur soweit Sachleistungen nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich sind, können nach § 3 Abs. 1 Satz 7 AsylbLG auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden. Für diesen Fall setzt § Abs. 1 Satz 8 AsylbLG die für den notwendigen persönlichen Bedarf zu leistenden Beträge nach Bedarfsstufen fest. Wertgutscheine und andere unbare Abrechnungen gelten nach der Gesetzesbegründung nicht als Sachleistungen im Sinne des AsylbLG, sondern als Geldleistung.2 Einen Vorrang von Geldleistungen statuiert § 3 Abs. 2 AsylbLG für den notwendigen Bedarf von Berechtigten, die nicht in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind. Hierfür werden in § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG die Leistungsbeträge nach Bedarfsstufen gesetzlich festgelegt. Bei einer Unterbringung außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen sind nach § 3 Abs. 2 AsylbLG zur Deckung des notwendigen Bedarfs vorrangig Geldleistungen zu gewähren. Für Asylbewerber, die sich bereits länger als 15 Monate in Deutschland aufhalten, bestimmt § 2 Abs. 1 AsylbLG , dass statt der Leistungen nach § 3 AsylbLG Leistungen entsprechend den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) zu erbringen sind. Das heißt, dass Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich als Geldleistung in Höhe der Regelsätze nach § 28 SGB XII zu erbringen ist. 2. Zuständigkeit Nach § 10 AsylbLG bestimmen die Landesregierungen oder die von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden die für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden und Kostenträger und können Näheres zum Verfahren festlegen, soweit dies nicht durch Landesgesetz geregelt ist. Dies ist durch § 14 der bayerischen Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl)3 der Fall. 1 Vgl. z.B. § 10 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). 2 Bundestagsdrucksache 12/5008, S. 16. 3 Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl) vom 16. August 2016 (GVBl. S. 258) BayRS 26-5-1-A/I; abrufbar im Internet unter: http://www.gesetze-bayern.de/Content /Document/BayDVAsyl-G5 (letzter Abruf: 2. Oktober 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 055/17 Seite 5 § 14 Abs. 2 DVAsyl bestimmt, dass die Geldleistungen und unbaren Abrechnungen gemäß § 3 AsylbLG vom örtlichen Träger gewährt werden. Für die Entscheidung, Leistungsberechtigten an Stelle der nach § 3 Abs. 1 AsylbLG zu gewährenden Sachleistungen ausnahmsweise Geldleistungen, Wertgutscheine oder andere vergleichbare unbare Abrechnungen zu gewähren, ist nach § 14 Abs. 3 Nr. 1 DVAsyl im Fall des § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylbLG die Regierung, im Fall des § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylbLG die Regierung im Einvernehmen mit dem örtlichen Träger und im Fall des § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG das Landratsamt oder die kreisfreie Gemeinde zuständig. Soweit Ausnahmen vom Sachleistungsprinzip zugelassen worden sind, deckt nach § 14 Abs. 4 DVAsyl der örtliche Träger den Bedarf der Leistungsberechtigten an den in § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG genannten Grundleistungen. Der örtliche Träger gewährt bei Bedarf alle Grundleistungen, wenn Leistungsberechtigte mit Gestattung aus der Gemeinschaftsunterkunft oder der dezentralen Unterkunft ausgezogen sind. 3. Durchführungsprinzipien Der für die Durchführung des AsylbLG zuständige Sozialleistungsträger hat auch über die konkrete Durchführung der Auszahlung der Geldleistungen zu befinden. § 3 Abs. 6 Satz 1 AsylbLG sieht vor, dass Leistungen in Geld oder Geldeswert persönlich ausgehändigt werden sollen. Dabei handelt es sich wegen des Wortes „sollen“ um eine gebundene Ermessensentscheidung , so dass die kostenfreie bargeldlose Überweisung auf ein Konto des Empfangsberechtigten nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Magdeburg die Ausnahme bilde.4 In der Kommentarliteratur wird allerdings auch die Auffassung vertreten, dass „trotz des entgegenstehenden Gesetzestextes […] – schon aus praktisch organisatorischen Gründen – die Überweisung auf ein Konto möglich“ sei.5 Mit Blick auf die im Sozialrecht geltende Regelung des § 17 Abs. 1 Nr. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB), nach der die Leistungsträger darauf hinzuwirken haben, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält, dürfte diese Argumentation nicht von der Hand zu weisen sein. Hinzuweisen ist freilich auf den Umstand, dass „für Ausländer die Eröffnung eines Kontos auf Schwierigkeiten stoßen [kann], weil nach § 3 des Zahlungskontengesetzes dieses Gesetz nur für Verbraucher mit einem rechtmäßigen Aufenthalt gilt.“ 6 Vor diesem 4 VG Magdeburg, Urteil vom 20. Januar 2003 – 6 A 672/02 MD, zit. nach Hohm in Schellhorn/Hohm/Schneider, Kommentar zum Sozialgesetzbuch XII, 19. Aufl. 2015, § 3 AsylbLG Rn. 62. 5 Wahrendorf, Volker, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar. 1. Aufl. 2017, § 3 Rn. 73. 6 Wahrendorf, Volker, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar. 1. Aufl. 2017, § 3 Rn. 73. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 055/17 Seite 6 Hintergrund dürfte etwa die Wahl eines von einem persönlichen Bankkonto unabhängigen Chipkartensystems , das auch Barabhebungen zulässt, wie es z.B. durch den Landkreis Erding eingeführt wurde,7 nicht auf grundsätzliche Bedenken stoßen. Zwar sind auch Sozialleistungsträger bei der Gewährung von Sozialleistungen an den allgemeinen Verwaltungsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass stets die für den Träger wirtschaftlich günstigste Lösung zu wählen ist, vielmehr kann der Träger auch andere Gesichtspunkte in seine Entscheidung einbeziehen. So dürfte etwa nichts gegen eine besondere Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten bei der Barauszahlung der Leistungen sprechen. Schließlich können auch etwa bestehende Probleme für Asylbewerber , ein Girokonto einzurichten, für die Einführung eines einheitlichen kontenunabhängigen Chipkartensystems sprechen, auch wenn dies gegenüber einer Überweisung geringere Kosten für den Träger verursachen sollte. 4. Konkrete Gestaltung des Chipkartensystems Der monatlich auf den Chipkarten zur Verfügung gestellte Betrag muss bei Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung auf den Geldbetrag zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs beschränkt sein. Der notwendige Bedarf an den in § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG genannten Bedarfspositionen ist von der zuständigen Behörde durch Sachleistungen zu decken. Ein Ermessen besteht im Rahmen des § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht. Vom Sachleistungsprinzip darf im Regelungsbereich dieser Vorschrift selbst dann nicht abgewichen werden, wenn mögliche und geeignete Ersatzformen zur Bedarfsdeckung (wie Geldleistungen) kostengünstiger wären.8 Für Asylbewerber außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen könnten sich hinsichtlich der Nutzung des Chipkartensystems Bedenken ergeben, wenn der auf der Chipkarte verfügbare Betrag nur teilweise (etwa nur in Höhe des Geldbetrags für den notwendigen persönlichen Bedarf) als Barbetrag abgehoben werden kann, denn der notwendige Bedarf dieser Gruppe ist nach § 3 Abs. 2 AsylbLG im Wesentlichen vorrangig als Geldleistung in der dort festgelegten Höhe zu erbringen . Jedoch steht insoweit die Entscheidung über die Einzelheiten der Leistungserbringung in analoger Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII im Ermessen der jeweils zuständigen Behörde .9 Vor diesem Hintergrund erscheint es letztlich auch zulässig, wenn im Hinblick auf den notwendigen Bedarf auf die Bezahlfunktion der Chipkarte verwiesen wird. Dies ist jedenfalls 7 Vgl. die Internetveröffentlichung des Landratsamts Erding vom 26. April 2016, abrufbar unter: https://www.edlive .de/nachrichten_details?id=69946 (letzter Abruf: 4. Oktober 2017) sowie die Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Integration vom 6. Juni 2017 auf die Schriftliche Anfrage der Abg. Doris Rauscher SPD vom 29. April 2016 im Bayerischen Landtag, abrufbar im Internet unter: https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen /17_0011803.pdf (letzter Abruf: 4. Oktober 2017). 8 Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, § 3 AsylbLG Rn 16. 9 Korff in BeckOK SozR, AsylbLG § 3 Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 055/17 Seite 7 dann der Fall, wenn der für die Abdeckung des notwendigen Bedarfs in Betracht kommende Handel vor Ort die Chipkarte ausnahmslos als Zahlungsmittel anerkennt. Auf Asylbewerber, die sich schon mindestens 15 Monate in Deutschland aufhalten, sind nach § 2 Abs. 1 AsylbLG die Bestimmungen des SGB XII analog anwendbar. „Der notwendige Lebensunterhalt des Ausländers, auf den § 2 AsylbLG zutrifft, bestimmt sich nach sozialhilferechtlichen Regelsätzen […]. Die laufende Hilfe ist grundsätzlich in Geld zu gewähren.10 Aus der gesetzlichen Forderung einer entsprechenden Anwendung kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Hilfeträger im Ermessenswege darüber entscheidet, ob er den notwendigen Lebensunterhalt in Form von Sach- oder Geldleistungen sicherstellen wolle.“ 11 Soweit auch für diese Gruppe die Barabhebefunktion der Chipkarte auf den notwendigen persönlichen Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG eingeschränkt ist, erscheint dies bedenklich, da das analog anzuwendende Sozialhilferecht die Kategorie des notwendigen persönlichen Bedarfs nicht kennt. Andererseits ist anzuerkennen , dass auch die Bezahlfunktion der Chipkarte als Geldleistung zu werten ist, sofern die Karten vom Handel uneingeschränkt als Zahlungsmittel anerkannt werden. Insofern widerspricht eine solche Gestaltung dem Geldleistungsprinzip nicht grundsätzlich, schränkt den Empfänger aber in seiner Handlungsfähigkeit nicht unerheblich ein. Vor diesem Hintergrund scheinen rechtliche Bedenken gegen eine Einschränkung der Barabhebefunktion für diesen Personenkreis nicht von der Hand zu weisen sein. 5. Kosten der Barabhebungsfunktion Wie bereits das VG Magdeburg12 feststellte, steht eine kostenfreie Überweisung eines Geldbetrages der persönlichen Aushändigung im Sinne des § 3 Abs. 6 AsylbLG im Einzelfall gleich. Jedenfalls also dürfen die Überweisungsempfänger sowie die Nutzer eines obligatorischen Chipkartensystems auch bei Nutzung der Barabhebungsfunktion nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie den Barbetrag kostenfrei unmittelbar ausgehändigt erhalten hätten. Ein Chipkartensystem, dessen Barabhebungsfunktion für den Empfänger mit zusätzlichen Kosten für den jeweiligen Abhebungsvorgang verbunden ist, dürfte diesen Anforderungen nicht gerecht werden und begegnet insoweit rechtlichen Bedenken. *** 10 Siehe oben Fn. 4. 11 Wahrendorf, Volker, Asylbewerberleistungsgesetz, Kommentar. 1. Aufl. 2017, § 2 Rn. 45. 12 Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, § 3 AsylbLG Rn 16.