© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 055/16 Aufsichts- und Einflussmöglichkeiten des Bundes im Zusammenhang mit der Anwendung des Ghettorentengesetzes Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 055/16 Seite 2 Aufsichts- und Einflussmöglichkeiten des Bundes im Zusammenhang mit der Anwendung des Ghettorentengesetzes Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 055/16 Abschluss der Arbeit: 12. April 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 055/16 Seite 3 1. Anwendung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) Durch das erst im Jahre 2002 verabschiedete Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ist die Anerkennung der von den Opfern nationalsozialistischer Zwangsherrschaft in den Ghettos erbrachten Arbeitsleistung nicht im Rahmen einer Entschädigungsleistung , sondern als von der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung zu erbringende Leistung geregelt worden. Hintergrund ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1997, nach der für eine Beschäftigung im Ghetto Łódź unter bestimmten Voraussetzungen Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind. Dies sollte nach dem Willen des Gesetzgebers für alle in den Ghettos Beschäftigten gelten. Entgegen dem sonst geltenden Auslandsrentenrecht sind nach dem ZRBG Rentenzahlungen ins Ausland auch aus einer Beschäftigung in einem Ghetto außerhalb der dem Deutschen Reich angeschlossenen Gebiete möglich. Bei der Umsetzung des ZRBG ist es zu verschiedenen Auslegungen der von der Gesetzgebung verabschiedeten Regelungen seitens der verschiedenen Rentenversicherungsträger sowie der Sozialgerichtsbarkeit gekommen, die erst im Jahre 2009 endgültig geklärt werden konnten. Die Rentenversicherungsträger haben sich bei der Prüfung der Anträge zunächst davon leiten lassen, dieselben Maßstäbe an die Glaubhaftmachung von Tatsachen und die Anforderungen an eine Beschäftigung zu setzen, die für die Anerkennung von Beitragszeiten nach den übrigen rentenrechtlichen Regelungen gelten. Aufsichts- und Einflussmöglichkeiten des Bundes im Zusammenhang mit der Anwendung des ZRBG bestehen bereits aufgrund der für die gesetzliche Rentenversicherung bestimmten mittelbaren staatlichen Verwaltung nur sehr eingeschränkt und sind auf die Überprüfung begrenzt, ob das Verwaltungshandeln der Bundesträger der Deutschen Rentenversicherung mit dem geltenden Recht und Gesetz übereinstimmt. Dies ist Folge der Eingliederung der Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto in die gesetzliche Rentenversicherung unabhängig davon, ob Beitragsleistungen tatsächlich erfolgt sind. 2. Rechtsstellung der Rentenversicherungsträger Gemäß § 29 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind die Rentenversicherungsträger rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, die durch die Versicherten und die Arbeitgeber über gewählte Organe ausgeübt wird. Die Rentenversicherungsträger erfüllen im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie maßgebenden Rechts ihre Aufgaben daher in eigener Verantwortung, regelmäßig in einzelfallbezogenen Verwaltungsverfahren. Insoweit ist die verwaltungsmäßige Umsetzung der gesetzlichen Rentenversicherung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung ausgegliedert und auf selbständige Rechtsträger übertragen worden. Nach der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland haben primär die Länder gemäß Art. 30, 83 GG die Aufgabe und Kompetenz, das im Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelte Rentenrecht umzusetzen und hierfür entsprechende Behörden einzurichten. Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung werden gemäß § 125 SGB VI jedoch nicht nur von Regionalträgern , sondern auch von zwei Bundesträgern wahrgenommen. Bundesträger sind die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Für diese sieht Art. 87 Abs. 2 GG die Organisation als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts vor. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 055/16 Seite 4 Aufgrund der bis zur Organisationsreform der Rentenversicherung zum 1. Oktober 2005 geregelten Zuständigkeitsverteilung sind die heutigen Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung als frühere Träger der Arbeiterrentenversicherung weitaus häufiger mit der Umsetzung des ZRBG befasst als die frühere in der Deutschen Rentenversicherung Bund aufgegangene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die frühere in der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft- Bahn-See aufgegangene Bundesknappschaft. 3. Lediglich Rechtsaufsicht, keine Fachaufsicht Zwar stehen die Rentenversicherungsträger als öffentlich-rechtliche Körperschaften mit Selbstverwaltung unter staatlicher Aufsicht; diese berührt gemäß § 87 Abs. 1 SGB IV jedoch nur die Rechts- und nicht die Fachaufsicht, so dass nur die Einhaltung von Recht und Gesetz sichergestellt ist, nicht jedoch auch eine Kontrolle darüber erfolgt, ob die Art und Weise der Aufgabenerfüllung zweckmäßig ist. Die Rechtsaufsicht über die Bundesträger obliegt gemäß § 90 Abs. 1 bis 3 SGB IV dem Bundesversicherungsamt. Aufsichtsbehörden für die Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung sind die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder oder die nach Landesrecht bestimmten Behörden. Wird durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt, soll die Aufsichtsbehörde gemäß § 89 SGB IV zunächst beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt. Kommt der Versicherungsträger dem innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Neben der Durchführung von Aufsichtsprüfungen stellen vor allem die Bearbeitung von Petitionen , Eingaben und Beschwerden einen bedeutenden Teil der Aufsichtstätigkeit des Bundesversicherungsamtes dar. Des Weiteren prüft das Bundesversicherungsamt die Haushaltspläne und Geldanlagen der Bundesträger und genehmigt Immobilienvorhaben sowie Darlehensvergaben. 4. Verbindliche Entscheidungen zur einheitlichen Rechtsanwendung Zur Klärung von grundsätzlichen Fach- und Rechtsfragen zur Sicherung der einheitlichen Rechtsanwendung trifft der Bundesvorstand als Selbstverwaltungsorgan der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 138 SGB VI von allen Rentenversicherungsträgern zu beachtende verbindliche Entscheidungen. In den meisten Fällen wird mit den verbindlichen Entscheidungen das Rentenversicherungsrecht konkretisiert. Vor allem unbestimmte Rechtsbegriffe werden so einheitlich ausgelegt. Zum ZRBG sind – soweit bekannt – keine verbindlichen Entscheidungen getroffen worden. Bis zum 30. September 2005 erfolgte die Abstimmung der Rentenversicherungsträger über den in der Deutschen Rentenversicherung Bund aufgegangenen Verband Deutscher Rentenversicherungsträger. Ende der Bearbeitung