Deutscher Bundestag Erholungsurlaub während Mutterschutz und Elternzeit? Sachstand Wissenschaftliche Dienste © 2012 Deutscher Bundestag WD 6 – 3000-054/12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-054/12 Seite 2 Erholungsurlaub während Mutterschutz und Elternzeit? Aktenzeichen: WD 6 – 3000-054/12 Abschluss der Arbeit: 22. März 2012 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-054/12 Seite 3 1. Erholungsurlaub während Mutterschutz - Beschäftigungsverbot Die Beschäftigungsverbote im Mutterschutzgesetz (MuSchG) sollen dem Gesundheitsschutz von Mutter und Kind dienen und eine Gefährdung durch die Schwangere überfordernde oder für Mutter und Kind gefährliche Tätigkeiten ausschließen oder wenigstens minimieren. Das Gesetz unterscheidet zwischen sogenannten individuellen und generellen Beschäftigungsverboten. Individuelle Beschäftigungsverbote berücksichtigen die persönliche Konstitution der Arbeitnehmerin wie auch des Kindes und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit eines ärztlichen Zeugnisses, §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 MuSchG oder einer Einzelanordnung der Aufsichtsbehörde, §§ 4 Abs. 5, 6 Abs. 3 MuSchG. Im Gegensatz dazu ist die individuelle Belastbarkeit im Rahmen genereller Beschäftigungsverbote unbeachtlich . Während bestimmter Zeiten, §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3-5 MuSchG, für bestimmte Tätigkeiten, §§ 4, 6 Abs. 3 MuSchG und insbesondere im Leistungslohn ,§ 4 Abs. 3 MuSchG, ist eine Beschäftigung untersagt1. Generelle Beschäftigungsverbote hat ein Arbeitgeber von sich aus zu beachten, ohne dass es der Vorlage eines Attestes bedürfte. Während der vorgeburtlichen Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG besteht ein sog relatives Beschäftigungsverbot, da sich die Arbeitnehmerin zur Fortsetzung der Arbeit trotz des grundsätzlich bestehenden Verbots bereiterklären kann. Diese Möglichkeit besteht jedoch nicht während der nachgeburtlichen Schutzfrist gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG, weshalb das Beschäftigungsverbot während dieses Zeitraums als absolutes Beschäftigungsverbot bezeichnet wird. In beiden letztgenannten Fällen ist die Arbeitnehmerin aber zu Erholungszwecken von ihrer Arbeitspflicht befreit, dies hat der Arbeitgeber zwingend zu beachten. Urlaub im Rechtssinne ist die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsverpflichtung . Grundsätzlich gilt: Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch, indem er unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers Beginn und Ende des Urlaubs festlegt, § 7 Abs. 1 S. 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), mit der Folge, dass Erfüllung auch dann eintritt, wenn eine Arbeitnehmerin später wegen eines relativen Beschäftigungsverbots, mit der Arbeit aussetzen muss. Diese Beschäftigungsverbote befreien die Arbeitnehmerin nicht von ihrer fortbestehenden Arbeitspflicht, sondern beschränken den Arbeitgeber lediglich in der Zuweisung bestimmter Tätigkeiten hinsichtlich Art und Umfang. Etwas anderes gilt jedoch während der Schutzfristen vor und nach der Entbindung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss sichergestellt sein, dass eine Frau sowohl den „Mutterschaftsurlaub“ als auch den Erholungsurlaub ungeschmälert erhält. Eine Anrechnung von bereits festgelegtem Urlaub ist ausgeschlossen2. 1 Vgl. hierzu im Einzelnen: Leopold, Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht § 3 MuSchG Rn. 1, Stand: 1. Dezember 2011. 2 EuGH vom 18. 3. 2004, Rs. C-342/01, NZA 2004,535; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 2. Auflage , Rn 9-10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-054/12 Seite 4 Für alle mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und somit sowohl für die sechswöchige Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG vor der Geburt des Kindes als auch für die achtwöchige Schutzfrist gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG nach der Geburt des Kindes gilt § 17 MuSchG, der besagt:„Für den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und dessen Dauer gelten die Ausfallzeiten wegen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote als Beschäftigungszeiten. Hat die Frau ihren Urlaub vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten, so kann sie nach Ablauf der Fristen den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen“. Das bedeutet, dass die mutterschutzrechtlichen Ausfallzeiten wegen der Beschäftigungsverbote bei der Berechnung des Erholungsurlaubs wie Arbeitszeiten zählen. Ein durch Beschäftigungsverbote bedingter Arbeitsausfall soll sich nicht nachteilig auf den gesamten Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin auswirken. Daher kann die Arbeitnehmerin seitens des Arbeitgebers nicht gezwungen werden, bezahlten Urlaub während der Zeit des absoluten mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots zu nehmen.3 Zwar gilt gemäß § 17 Satz 1 MuSchG das Beschäftigungsverbot als Beschäftigungszeit. Diese Fiktion erstreckt sich aber nur auf „den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und dessen Dauer“. Die Wahrnehmung von Urlaubszeiten wird davon nicht erfasst, sodass der Urlaub nicht einseitig vom Arbeitgeber erteilt werden kann4. Der Urlaubsanspruch stellt einen Anspruch des Arbeitnehmers dar, durch welchen er von der nach dem Arbeitsvertrag bestehenden Arbeitspflicht befreit wird. Dieser Anspruch kann daher so lange nicht erfüllt werden, wie infolge des Beschäftigungsverbots keine Arbeitspflicht besteht5. 2. Erholungsurlaub während Elternzeit - Beschäftigungsverbot Nicht anders gestaltet sich die Situation im Rahmen der Elternzeit nach §§ 15 ff Bundeselterngeld - und Elternzeitgesetz (BEEG). Der Arbeitgeber kann ebenfalls nicht von dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin verlangen, während der Elternzeit bezahlten Urlaub zu nehmen. Der Anspruch auf Elternzeit gemäß § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die Regelungen über die Elternzeit sind zwingendes Gesetzesrecht, von dem weder durch Einzelverträge noch durch Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge abgewichen werden kann6. 3 Etwas anderes kann für die o.g. individuellen Beschäftigungsverbote gelten, s. hierzu Friese: Das Verhältnis von Erholungsurlaub und Mutterschutz – die Neuregelung in § 17 MuSchG, NZA 2003,597. 4 Buchner, Herbert/Becker, Ulrich; Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz; Auflage 2008;§ 17 MuSchG Rn. 5. 5 Düwell, in: Vereinbarkeit von Familie und Beruf; Kap. 5.23 § 17 MuSchG. 6 Neumann, Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht; § 15 BEEG Rn. 22; Stand: 1. Dezember 2011. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-054/12 Seite 5 Nicht genommener Urlaub bleibt gemäß § 17 Abs. 2 BEEG erhalten. Er wird dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin allerdings abhängig von der Dauer der Elternzeit nach § 17 Abs. 1 BEEG für jeden kompletten Monat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt. Bei einer Übertragung des nicht genommenen Urlaubsanspruchs in das folgende Kalenderjahr , muss sich der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin nicht auf die ersten drei Monate beschränken, wie es § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG vorsieht. Der Resturlaub kann in das bei Ende der Elternzeit laufende und das nachfolgende Jahr übertragen werden7. 7 Neumann, Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht; § 17 BEEG Rn. 9; Stand: 1. Dezember 2011.