Deutscher Bundestag Die Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretungen nach kirchlichem Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht Vergleich der Regelungen der Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG.EKD) und des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2012 Deutscher Bundestag WD 6 – 3000-053/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 2 Die Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretungen nach kirchlichem Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht Vergleich der Regelungen der Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG.EKD) und des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) Aktenzeichen: WD 6 – 3000-053/12 Abschluss der Arbeit: 7. Juni 2012 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 1.1. Rechtsquellen 5 1.2. Vergleich 6 2. Aufbau und Terminologie 6 2.1. Aufbau und allgemeine Bestimmungen 7 2.2. Terminologie der Beteiligungsformen 7 2.2.1. MAVO (katholische Kirche) 7 2.2.2. MVG.EKD (evangelische Kirche) 8 2.2.3. BetrVG 8 2.2.4. Mitwirkung und Mitbestimmung 8 2.3. Allgemeine Bestimmungen und Sanktionen 8 3. Beteiligungsrechte nach der MAVO 9 3.1. Informationsrecht 9 3.2. Anhörung und Mitberatung 10 3.2.1. Tatbestände des § 29 MAVO 10 3.2.2. Massenentlassung 11 3.2.3. Kündigung 11 3.2.3.1. Ordentliche Kündigung 11 3.2.3.2. Außerordentliche Kündigung 12 3.2.3.3. Fiktion der Zustimmungserteilung, Weiterbeschäftigungsanspruch 12 3.3. Vorschlagsrecht 13 3.4. Zustimmung 13 3.4.1. Verfahren und Konsequenzen der Nichtbeachtung 13 3.4.2. Beteiligungstatbestände 14 3.4.2.1. Einstellung und Anstellung 15 3.4.2.2. Sonstige persönliche Angelegenheiten 16 3.4.2.3. Angelegenheiten der Dienststelle 16 3.5. Antragsrecht 17 4. Beteiligungsrechte nach dem MVG.EKD 18 4.1. Mitbestimmung 18 4.1.1. Verfahren 18 4.1.2. Beteiligungstatbestände 19 4.2. Eingeschränkte Mitbestimmung 19 4.2.1. Einstellung 20 4.2.2. Kündigung 20 4.2.3. Weitere Beteiligungstatbestände 20 4.2.4. Zustimmungsverweigerungsgründe 21 4.3. Abweichungen 21 4.4. Mitberatung 21 4.4.1. Verfahren 22 4.4.2. Beteiligungstatbestände 22 4.5. Initiativrecht 22 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 4 4.6. Informationsrecht 23 5. Fazit 23 6. Literaturverzeichnis 24 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 5 1. Einleitung Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) verfassungsrechtlich verankert und räumt den Religionsgesellschaften die Befugnis ein, die eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln. Zu den eigenen Angelegenheiten zählt auch die Mitarbeiterbeteiligung. Dem folgend gilt das staatliche Betriebsverfassungsrecht gemäß § 118 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)1 nicht für die Kirchen und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unabhängig von deren Rechtsform. Für die sogenannte verfasste Kirche folgt dies bereits aus § 130 BetrVG. 1.1. Rechtsquellen Die Kirchen haben, um ihren Mitarbeitern ebenfalls die Teilhabe an sie betreffenden betrieblichen Entscheidungen zu ermöglichen, eigene Regelungen zum Mitarbeitervertretungsrecht geschaffen .2 Es gibt jedoch weder für die katholische noch für die evangelische Kirche eine bundesweit einheitliche Regelung. Bei der katholischen Kirche ist jeder der 27 Diözesanbischöfe Gesetzgeber (Canon 391 Codex Iuris Canonici).3 Inhaltlich allerdings kann praktisch von einem allgemeinen Mitarbeitervertretungsrecht gesprochen werden, da die Deutsche Bischofskonferenz eine Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) beschlossen hat, die von den Diözesen mit teilweise geringfügigen Abweichungen in Kraft gesetzt wurde.4 Bei der evangelischen Kirche hat jede der 22 Gliedkirchen das Recht, eigene Mitarbeitervertretungsregelungen zu schaffen.5 Um einer Zersplitterung des Mitarbeitervertretungsrechts der evangelischen Kirche entgegenzuwirken, verabschiedete die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland am 6. November 1992 das Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD – MVG.EKD), welches jedoch nicht unmittelbar in den Gliedkirchen gilt.6 Es wurde bei Erlass des MVG.EKD davon ausgegangen , dass die Gliedkirchen ihre Zustimmung abgeben würden. 17 Gliedkirchen haben dies getan, teilweise wurden Gesetze mit einigen Abweichungen verabschiedet. Eigene Gesetze gelten jedoch für die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Evangelische Landeskirche in Württemberg und die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit Ausnahme der 1 Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2424) geändert worden ist. 2 Zur Frage einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung der Kirchen zur Schaffung von Regelungen der Mitarbeitervertretung vgl. Schielke (2007) S. 76 ff. 3 Richardi in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht § 327 Rn. 49. 4 Richardi (2012) § 17 Rn. 14 § 18 Rn 3f. 5 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 8. 6 Richardi (2012) § 19 Rn. 6, 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 6 Evangelisch-reformierten Kirche. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau wendet ein Kirchengesetz aus dem Jahre 1988 an. 7 1.2. Vergleich Im Folgenden werden die Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretungen nach der MAVO in der Fassung vom 20. Juni 20118 und nach dem MVG.EKD in der Fassung vom 15. Januar 20109 jeweils mit den im BetrVG vorgesehenen Beteiligungsrechten des Betriebsrates verglichen. Zu berücksichtigen ist, dass die Ausgestaltung des Mitarbeitervertretungsrechts in den einzelnen Diözesen und Gliedkirchen von der MAVO bzw. dem MVG.EKD (zum Teil erheblich) abweichen kann. Auch wird die aktuelle Fassung der jeweiligen Rahmenregelung oft erst zeitversetzt übernommen . Der Vergleich wird für die Regelungen der katholischen MAVO und des evangelischen MVG.EKD getrennt vorgenommen, da sich die kirchlichen Regelungen in Inhalt und Aufbau voneinander erheblich unterscheiden. Der Aufbau der Prüfung folgt dabei dem jeweiligen Regelungsaufbau . Für das MVG.EKD liegt in der Fachliteratur bereits ein Vergleich mit dem BetrVG und dem BPersVG vor: Schielke, Christian (2009): Betriebliche Mitbestimmung im Vergleich – Vergleich des MVG mit dem BetrVG und dem BPersVG. ZfPR 2009, S. 13-23. Anlage Hingewiesen wird insbesondere auf die tabellarischen Übersichten auf den Seiten 19-21.10 2. Aufbau und Terminologie Die kirchlichen Regelungen unterscheiden sich in Aufbau und Terminologie vom BetrVG. Dies ist zum Teil bedingt durch das Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft11, das auch der Mit- 7 Internetauftritt der EKD: http://www.ekd.de/mitarbeitervertretungsrecht/mitarbeitervertretungsrecht.html [Abruf : 7. Juni 2012]. 8 Deutsche Bischofskonferenz (2011): Kirchliches Arbeitsrecht. Die Deutschen Bischöfe Nr. 95, S. 51-129. Abrufbar im Internetauftritt der Deutschen Bischofskonferenz unter: http://www.dbk-shop.de/de/DBK/Die-deutschen- Bischoefe/Kirchliches-Arbeitsrecht/1195.html [Abruf: 29. Mai 2012]. 9 ABl. EKD 2010, S. 3; der Text ist abrufbar z.B. im Internetauftritt der Evangelischen Kirche in Mecklenburg- Vorpommern unter: http://pix.kirche-mv.de/fileadmin/ELLM-Gesetze/Personal/2010_MVG-EKD.pdf [Abruf:29. Mai 2012]. 10 Ausführlicher zum Vergleich mit dem Betriebsverfassungsrecht: Schielke, Christian (2007) S. 102 ff. 11 Vgl. zum Begriff der Dienstgemeinschaft Richardi (2012) § 4 Rn. 7 ff.; eingehend zur Dienstgemeinschaft in der katholischen Kirche: Thiel, Adolf in: Bleistein/Thiel (MAVO) Präambel Rn. 21 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 7 arbeitervertretung zugrundeliegt. So stehen den Begriffen Betriebsrat und Arbeitgeber im BetrVG in den kirchlichen Regelwerken die Bezeichnungen Mitarbeitervertretung und Dienstgeber gegenüber . Das Mitarbeitervertretungsrecht der Kirchen geht auch nicht vom Begriff des Arbeitnehmers , sondern von dem zum Teil weitreichenderen Begriff des Mitarbeiters aus. Dieser umfasst z.B. nach § 3 Abs. 1 MAVO alle Personen, die bei einem Dienstgeber aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses , aufgrund ihrer Ordenszugehörigkeit, aufgrund eines Gestellungsvertrages oder zu ihrer Ausbildung tätig sind, nicht aber Leiharbeitnehmer und Personen, die im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) beschäftigt werden (sog. Ein-Euro-Jobber).12 2.1. Aufbau und allgemeine Bestimmungen Gesetzestechnisch folgt der Aufbau der MAVO und des MVG.EKD nicht dem Modell des BetrVG, sondern orientiert sich eher am Personalvertretungsrecht.13 Die Beteiligungstatbestände werden in den Regelungen beider Kirchen nach der Form der Beteiligung in einer Vorschrift zusammengefasst . Demgegenüber unterteilen sich die Bestimmungen des BetrVG nicht nach der Beteiligungsform , sondern nach der Art der Angelegenheiten (soziale, personelle und wirtschaftliche Angelegenheiten), in denen der Betriebsrat in jeweils unterschiedlicher Form beteiligt werden muss. 2.2. Terminologie der Beteiligungsformen Zur Bezeichnung der abgestuften Beteiligungsrechte verwenden die Regelungen der Kirchen vom staatlichen Betriebsverfassungsrecht abweichende, aber auch untereinander verschiedene Begriffe . 2.2.1. MAVO (katholische Kirche) In der MAVO werden in § 28 Abs. 1 S. 2 MAVO folgende Formen der Beteiligung unterschieden: – Anhörung und Mitberatung, – Vorschlagsrecht, – Zustimmung und – Antragsrecht Die jeweiligen Beteiligungstatbestände sind in den §§ 29-37 MAVO geregelt. 12 Richardi in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht § 331 Rn. 17. 13 Richardi (2012) § 18 Rn. 16, § 19 Rn. 25, Richardi in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht § 331 Rn. 26. Dies gilt insbesondere für des MVG.EKD; vgl. Schielke (2007) S. 175. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 8 2.2.2. MVG.EKD (evangelische Kirche) Das MVG.EKD unterscheidet nach § 37 Abs. 1 MVG.EKD zwischen: – Mitbestimmung, – eingeschränkter Mitbestimmung und – Mitberatung. 2.2.3. BetrVG Das BetrVG kennt Mitbestimmungs-, Informations-, Anhörungs-, Beratungs-, Initiativ-, Überwachungs - und Anregungsrechte. 2.2.4. Mitwirkung und Mitbestimmung Gemeinsam ist den kirchlichen Mitarbeitervertretungsordnungen im Hinblick auf die Beteiligungsrechte die Unterscheidung zwischen bloßer Mitwirkung und Mitbestimmung, wie sie auch im BetrVG getroffen wird. Im Fall der Mitwirkung ist die Mitarbeitervertretung nur an der Entscheidungsfindung des Dienstgebers, nicht jedoch an der Entscheidung selbst beteiligt.14 Der Dienstgeber ist nicht an die Auffassung der Mitarbeitervertretung gebunden. Das Recht der Mitbestimmung ist demgegenüber ein stärkeres Beteiligungsrecht: Der Dienstgeber bedarf hier der Zustimmung der Mitarbeitervertretung; liegt diese nicht vor, muss er die fehlende Zustimmung kirchengerichtlich ersetzen lassen, um die Maßnahme durchführen zu können. 2.3. Allgemeine Bestimmungen und Sanktionen Voraussetzung für die Bildung einer Mitarbeitervertretung ist ebenso wie im BetrVG (§ 1 BetrVG) die Beschäftigung von mindestens fünf wahlberechtigten Mitarbeitern, von denen mindestens drei wählbar sind (§ 6 Abs. 1 MAVO, § 5 Abs. 1 S. 1 MVG.EKD). Die kirchliche Mitarbeitervertretung ist nicht nur eine Interessenvertretung der Beschäftigten, sondern auch ein kirchliches Amt.15 Das grundlegende betriebsverfassungsrechtliche Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 2 Abs. 1 BetrVG) gilt nach § 26 Abs. 1 S. 1 MAVO, § 33 Abs. 1 S. 1 MVG.EKD auch für die Zusammenarbeit von Mitarbeitervertretung und Dienstgeber im kirchlichen Bereich. 14 Richardi (2012) § 18 Rn. 115. 15 Richardi in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht § 331 Rn. 25. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 9 Nach den kirchlichen Regelungen der Mitarbeitervertretung gibt es keine Zwangsmittel oder Sanktionen, um Verstöße gegen die Pflichten des Dienstgebers zu ahnden und die Rechte der Mitarbeitervertretung durchzusetzen. Demgegenüber kann nach § 23 Abs. 3 BetrVG bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem BetrVG das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrates oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ein Ordnungsgeld festsetzen.16 3. Beteiligungsrechte nach der MAVO17 Die Beteiligungsformen der MAVO werden in § 28 Abs. 1 S. 2 MAVO aufgezählt: Anhörung und Mitberatung, Vorschlagsrecht, Zustimmung und Antragsrecht. 3.1. Informationsrecht Den Beteiligungsformen nach § 28 Abs. 1 S. 2 MAVO vorangestellt wird das Informationsrecht nach §§ 27, 27a MAVO. Die Informationsrechte der Mitarbeitervertretung entsprechen weitestgehend dem allgemeinen Informationsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG.18 Allerdings umfasst im Unterschied zu § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG die Unterrichtungspflicht der Mitarbeitervertretung bei Einstellung oder Anstellung eines Mitarbeiters (§ 34 Abs. 3 MAVO) grundsätzlich nur die Unterlagen des betreffenden Mitarbeiters und nicht auch die der Mitbewerber.19 Die Mitarbeitervertretung hat ein umfassendes Informationsrecht, das unabhängig davon besteht, ob der Gegenstand zu den nach § 26 Abs. 3 MAVO zugewiesenen Aufgaben gehört.20 Das BetrVG sieht im Unterschied dazu ein ausschließlich an den Aufgaben des Betriebsrats orientiertes Informationsrecht vor (§ 80 Abs. 2 BetrVG). Ebenso wie im BetrVG besteht unter bestimmten Voraussetzungen eine Unterrichtungspflicht des Dienstgebers gegenüber der Mitarbeitervertretung auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§ 27a MAVO, § 106 BetrVG). Nach § 106 BetrVG ist in Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuss zu bilden, der die Aufgabe hat, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten. Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Nach § 27a MAVO besteht eine Unterrichtungspflicht in wirtschaftlichen Ange- 16 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 18, 53. 17 Einen Überblick über das Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche gibt Richardi (2012) § 18 (S. 311- 364) 18 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 18. 19 Richardi (2012) § 18 Rn. 112. 20 Richardi (2012) § 18 Rn. 110. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 10 legenheiten bereits, wenn in dem Betrieb in der Regel mehr als 50 Mitarbeiter ständig beschäftigt sind. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass der Betrieb überwiegend durch die öffentliche Hand oder andere nichtkirchliche Kostenträger finanziert wird. Die Unterrichtungspflicht besteht unabhängig von der nach § 27a Abs. 4 MAVO möglichen, aber nicht zwingenden Bildung eines Wirtschaftsausschusses. 3.2. Anhörung und Mitberatung Das Recht der Anhörung und Mitberatung ist ein Mitwirkungsrecht der Mitarbeitervertretung. Das Anhörungsrecht ist mit einem Mitberatungsrecht verknüpft und geht somit über die bloße Möglichkeit zur Stellungnahme hinaus. Es geht insofern weiter als z.B. das Anhörungsrecht des Betriebsrates bei einer beabsichtigten Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG. § 29 Abs. 1 MAVO enthält einen Katalog von Beteiligungsfällen. Für die Beteiligung bei Kündigungen gibt es separate Regelungen (§§ 30, 31 MAVO). 3.2.1. Tatbestände des § 29 MAVO § 29 Abs. 1 Nr. 1 - 20 MAVO listet eine Vielzahl von Tatbeständen auf, in denen der Mitarbeitervertretung ein Recht auf Anhörung und Mitberatung zusteht. Der Katalog ist abschließend. 21 Der Anhörung und Mitberatung unterliegen danach u.a. Maßnahmen der innerbetrieblichen Information und Zusammenarbeit (Nr. 1), Hausordnungsregelungen in Einrichtungen (Nr. 3), die Festlegung von Richtlinien zur Durchführung des Stellenplans (Nr. 4), die Durchführung beruflicher Verpflichtung zur Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die Auswahl der Teilnehmer (Nr. 5, 6), Ein Anhörungs- und Mitberatungsrecht besteht auch bei der grundlegenden Änderung von Arbeitsmethoden (Nr. 14), bei Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufs (Nr. 15), bei der Festlegung von Grundsätzen für die Gestaltung von Arbeitsplätzen (Nr. 16) sowie bei der Schließung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Einrichtungen oder wesentlichen Teilen davon (Nr. 17). Im BetrVG bestehen Unterrichtungs- und Beratungsrechte bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§ 90 BetrVG), bei der Personalplanung (§ 92 BetrVG), im Bereich der Berufsbildung (§ 96 BetrVG) und bei Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG). Insoweit sind die Rechte von Mitarbeitervertretung und Betriebsrat vergleichbar. Bei Maßnahmen, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Arbeitsgestaltung offensichtlich widersprechen, kommt jedoch dem Betriebsrat u.U. ein weiterreichendes Mitbestimmungsrecht zu (§ 91 BetrVG). Der Katalog des § 29 Abs. 1 MAVO führt andererseits darüber hinaus als weitere Mitberatungstatbestände z.B. die Einführung oder Einstellung sozialer Zuwendungen (Nr. 7), die Fassung von Musterdienst- und -arbeitsverträgen (Nr. 8) sowie bei der Bestellung zum Mitarbeiter in leitender 21 Richardi (2012) § 18 Rn. 115. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 11 Stellung (Nr. 18) und bei der Zurückweisung schwerbehinderter Bewerber um einen freien Arbeitsplatz (Nr. 19) an. Demgegenüber hat der Betriebsrat nach § 105 BetrVG nur im Fall der beabsichtigten Einstellung oder personellen Veränderung eines leitenden Angestellten ein bloßes Informationsrecht . Gemäß § 29 Abs. 2 MAVO wird die Mitarbeitervertretung über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet und dazu angehört. Sodann hat die Mitarbeitervertretung die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von einer Woche Einwendungen zu erheben. Erhebt sie Einwendungen, findet eine Beratung mit dem Dienstgeber mit dem Ziel der Verständigung statt, ansonsten gilt die Maßnahme als nicht beanstandet (§ 29 Abs. 3 MAVO). Wird in der Beratung keine Einigung erzielt, entscheidet schließlich der Dienstgeber über die erhobenen Einwendungen und teilt dies der Mitarbeitervertretung schriftlich mit. Nach § 29 Abs. 5 MAVO hat der Dienstgeber jedoch die Möglichkeit , vorläufige Regelungen zu treffen, wenn die Maßnahme keinen Aufschub duldet. 3.2.2. Massenentlassung § 30a MAVO erfasst die nach § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anzeigepflichtigen Massenentlassungen. Die Unterrichtungspflicht nach § 30a MAVO entspricht insoweit der Bestimmung des § 17 Abs. 2 KSchG. Beide Regelungen räumen den Mitarbeitervertretungen die Möglichkeit zur Beratung ein. 3.2.3. Kündigung Nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ist eine ohne Anhörung ausgesprochene Kündigung unwirksam. Dem entsprechen §§ 30 Abs. 5, 31 Abs. 3 MAVO, die bestimmen, dass eine Kündigung ohne Einhaltung des Beteiligungsverfahrens unwirksam ist. Die ordentliche Kündigung ist in § 30 MAVO, die außerordentliche in § 31 MAVO geregelt. Da das Anhörungsrecht mit einem Beratungsrecht verknüpft ist (§ 30 Abs. 2 MAVO), reicht die Beteiligung der Mitarbeitervertretung bei der MAVO über die Möglichkeit der bloßen Stellungnahme des Betriebsrates (§ 102 Abs. 1 BetrVG) hinaus. 3.2.3.1. Ordentliche Kündigung Bei der ordentlichen Kündigung muss der Dienstgeber die Kündigungsabsicht schriftlich mitteilen ; bestand das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate, so sind darüber hinaus auch die Gründe darzulegen (§ 30 Abs. 1 MAVO). Will die Mitarbeitervertretung Einwendungen gegen die beabsichtigte Kündigung erheben, so hat sie dies innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen (§ 30 Abs. 2 S. 1 MAVO). Der Betriebsrat muss ebenfalls innerhalb einer Woche schriftlich Bedenken gegen eine ordentliche Kündigung unter Angabe der Gründe mitteilen (§ 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Der Katalog der Einwendungsgründe der Mitarbeitervertretung (§ 30 Abs. 3 MAVO) ist § 102 Abs. 3 BetrVG nachgebildet.22 Die Einwendungen nach § 30 Abs. 3 MAVO bedürfen der 22 Richardi (2012) § 18 Rn. 139. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 12 Schriftform und der Angabe der konkreten, einzelfallbezogenen Gründe (§ 30 Abs. 3 S. 2 MAVO). Einwendungen, die nicht auf die Gründe des § 30 Abs. 3 MAVO gestützt sind, bedürfen dagegen keiner Schriftform.23 Kündigt der Dienstgeber, obwohl die Mitarbeitervertretung Einwendungen geltend gemacht hat, ist der Dienstgeber verpflichtet, dem betreffenden Mitarbeiter eine Abschrift der Einwendungen der Mitarbeitervertretung zuzuleiten (§ 30 Abs. 4 MAVO). Diese Vorschrift gleicht § 102 Abs. 4 BetrVG. 3.2.3.2. Außerordentliche Kündigung Vor einer außerordentlichen Kündigung sind der Mitarbeitervertretung schriftlich die Kündigungsabsicht und die Gründe hierfür mitzuteilen (§ 31 Abs. 1 MAVO). Die Geltendmachung von Einwendungen ist innerhalb von drei Tagen bzw. bei Verkürzung der Frist innerhalb von 48 Stunden mitzuteilen. Die Frist von drei Tagen entspricht § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG. Im Gegensatz zu § 103 Abs. 1 BetrVG, wonach es bei der außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds der Zustimmung des Betriebsrates bedarf, gilt bei Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung nach MAVO nur die allgemeine Beteiligungsregel bei der Kündigung .24 3.2.3.3. Fiktion der Zustimmungserteilung, Weiterbeschäftigungsanspruch Erhebt die Mitarbeitervertretung innerhalb der genannten Fristen keine Einwendungen, gilt die beabsichtigte ordentliche oder außerordentliche Kündigung als nicht beanstandet (§§ 30 Abs. 2 S. 2, 31 Abs. 2 S. 3 MAVO). Diese Fiktion entspricht der Regelung des § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG, wonach ebenfalls die Zustimmung als erteilt gilt, wenn sich der Betriebsrat nicht innerhalb der Frist äußert. Der Ausspruch der Kündigung ist wie im BetrVG trotz der Einwendungen der Mitarbeitervertretung möglich.25 § 102 Abs. 5 BetrVG normiert den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Einen Weiterbeschäftigungsanspruch gibt es nach den Bestimmungen der MAVO nicht.26 23 Richardi (2012) § 18 Rn. 139. 24 Richardi (2012) § 18 Rn. 87. 25 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 44. 26 Richardi (2012) § 18 Rn. 139, Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 44. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 13 3.3. Vorschlagsrecht In den Fällen des § 32 Abs. 1 Nr. 1-12 MAVO besteht ein Vorschlagsrecht der Mitarbeitervertretung . Es handelt sich dabei um ein Initiativrecht der Mitarbeitervertretung, das als Mitwirkungsrecht gestaltet ist. 27 Ein Großteil der Beteiligungstatbestände des § 32 MAVO entspricht dabei dem Katalog des § 29 Abs. 1 MAVO (Nr. 1-3, 6, 7, 9, 13-16), sodass in diesen Fällen das Vorschlagsrecht neben das Anhörungs- und Beratungsrecht tritt. Wenn der Dienstgeber einem Vorschlag der Mitarbeitervertretung nicht entsprechen will, findet eine Beratung in Form einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung statt (§ 32 Abs. 2 S. 1 MAVO). Kommt keine Einigung zustande, so teilt der Dienstgeber gemäß § 32 Abs. 2 S. 3 MAVO die Ablehnung des Vorschlags schriftlich mit. Das BetrVG kennt ebenfalls ein Initiativrecht des Betriebsrates, unterscheidet jedoch nicht zwischen einem Vorschlags- und Antragsrecht (siehe hierzu unten 3.5). 3.4. Zustimmung Das Zustimmungsrecht (§§ 33-36 MAVO) ist ein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung. Gemäß § 33 Abs. 1 MAVO kann der Dienstgeber die beabsichtigte Maßnahme oder Entscheidung nur mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung treffen. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung kann jedoch bei Verweigerung durch die Entscheidung des Kirchlichen Arbeitsgerichts oder der Einigungsstelle ersetzt werden (§ 33 Abs. 4 i.V.m. §§ 45, 47 Abs. 3 MAVO). 3.4.1. Verfahren und Konsequenzen der Nichtbeachtung Im Unterschied zum BetrVG, das mit Ausnahme des Bereichs der personellen Einzelmaßnahmen (§§ 99 Abs. 3, 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG) nur die ausdrückliche Zustimmungserklärung kennt, gilt für die Mitarbeitervertretung eine Erklärungsfrist.28 Erhebt die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb einer Woche Einwendungen, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 33 Abs. 2 S. 2 MAVO). Die Wochenfrist kann auf Antrag der Mitarbeitervertretung verlängert, bei eilbedürftigen Entscheidungen vom Dienstgeber aber auch auf drei Tage bzw. bei An- und Einstellungen29 auf 24 Stunden verkürzt werden (§ 33 Abs. 2 S. 3, 4 MAVO). Erhebt die Mitarbeitervertretung fristgerecht Einwendungen, kommt es zu einer Verhandlung mit dem Dienstgeber. Äußert sich die Mitarbeitervertretung nach Abschluss der Verhandlung nicht innerhalb von drei Tagen, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 33 Abs. 3 MAVO). § 33 Abs. 5 MAVO 27 Richardi (2012) § 18 Rn. 119. 28 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 23. 29 Zum Begriff siehe unten 3.4.2.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 14 räumt dem Dienstgeber die Möglichkeit der vorläufigen Regelung bei Eilbedürftigkeit in den Fällen der §§ 34-36 MAVO ein. Eine Regelung für den Fall der Nichtbeachtung des Zustimmungsrechts fehlt sowohl in der MAVO als auch im BetrVG.30 Bei der Einstellung kann der Betriebsrat jedoch nach § 101 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber die Aufhebung der Maßnahme aufzugeben. In der katholischen Kirche besteht für Rechtsstreitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht die Möglichkeit die kirchlichen Gerichte anzurufen (§ 2 Abs. 2 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO)31). Nach § 2 Abs. 3 KAGO sind die kirchlichen Gerichte jedoch nicht zuständig für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis. 3.4.2. Beteiligungstatbestände Nach § 33 Abs. 1 MAVO besteht das Zustimmungsrecht in den Fällen der §§ 34-36 MAVO sowie des § 18 Abs. 2 und 4 MAVO, durch den die Mitglieder der Mitarbeitervertretung besonders geschützt werden. § 34 MAVO regelt die Fälle der Zustimmung bei Ein- und Anstellung, § 35 MAVO bei sonstigen persönlichen Angelegenheiten und § 36 MAVO bei Angelegenheiten der Dienststelle. Sie werden im Folgenden einzeln behandelt. Zu beachten ist, dass das Zustimmungsrecht in den Fällen der persönlichen Angelegenheiten nach §§ 34, 35 MAVO abgestuft ist, da die Zustimmung nur aus bestimmten Gründen verweigert werden kann (§§ 34 Abs. 2, 35 Abs. 2 MAVO). Auch das BetrVG bindet das Zustimmungsverweigerungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen an bestimmte Gründe (§ 99 Abs. 2 BetrVG).32 Gemäß § 99 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, wenn ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen (Nr. 1), gegen Auswahlrichtlinien (Nr. 2) oder gegen das Verlangen des Betriebsrats einer internen Stellenausschreibung (Nr. 5) vorliegt. Weitere Zustimmungsverweigerungsgründe sind die Besorgnis, dass ein im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer einen Nachteil erleidet (Nr. 3), die Benachteiligung ohne Rechtfertigung (Nr. 4), sowie die Störung des Betriebsfriedens (Nr. 6). Nach den Bestimmungen der MAVO unterscheiden sich die möglichen Zustimmungsverweigerungsgründe bei der Einstellung, sonstigen persönlichen Angelegenheiten und den Angelegenheiten der Dienststelle. 30 Richardi (2012) § 18 Rn. 124. 31 KAGO in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 25. Februar 2010 in: Deutsche Bischofskonferenz (2011): Kirchliches Arbeitsrecht. Die Deutschen Bischöfe Nr. 95, S. 130- 163. Abrufbar im Internetauftritt der Deutschen Bischofskonferenz unter: http://www.dbk-shop.de/de/DBK/Diedeutschen -Bischoefe/Kirchliches-Arbeitsrecht/1195.html [Abruf: 7. Juni 2012]. 32 Richardi (2012) § 18 Rn. 117. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 15 3.4.2.1. Einstellung und Anstellung Die Mitarbeitervertretung hat bei Einstellung und Anstellung von Mitarbeitern ein Zustimmungsrecht (§ 34 Abs. 1 S. 1 MAVO). Unter Einstellung ist die Eingliederung in den Betrieb durch Übertragung des Arbeitsbereichs zu verstehen; sie ist mit dem Abschluss eines Arbeitsvertrages oder der Begründung eines Beamtenverhältnisses nicht identisch.33 Der Begriff der Anstellung stammt aus dem Beamtenrecht und ist die Ernennung unter erster Verleihung eines Amtes.34 § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG sieht bei personellen Einzelmaßnahmen (Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung) ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates vor. Voraussetzung ist jedoch, dass im Betrieb in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Eine derartige Einschränkung gilt für die MAVO nicht. Unter den Mitarbeiterbegriff der MAVO fällt der nach § 16d Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) Beschäftigte (sog. Ein-Euro-Jobber) nicht, bei dessen Beschäftigung besteht lediglich ein Anhörung- und Mitberatungsrecht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO.35 Demgegenüber ist nach § 99 BetrVG die Einstellung eines Ein-Euro-Jobbers mitbestimmungspflichtig.36 Gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 MAVO bedarf die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern der Zustimmung der Mitarbeitervertretung, obwohl sie nach § 3 Abs. 1 S. 2 MAVO nicht zu den Mitarbeitern im Sinne der MAVO zählen. Dem entspricht § 14 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG), der dem Betriebsrat im Entleihbetrieb ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG einräumt. Nach § 34 Abs. 2 MAVO kann die Mitarbeitervertretung bei Ein- und Anstellung drei Gründe zur Zustimmungsverweigerung anführen: Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 MAVO hat die Mitarbeitervertretung ein Zustimmungsverweigerungsrecht, wenn der Dienstgeber einen Leiharbeitnehmer länger als sechs Monate beschäftigen will, wobei mehrere Beschäftigungen bei demselben Dienstgeber zusammengerechnet werden. Ein Zustimmungsverweigerungsrecht besteht ferner nach § 34 Abs. 2 Nr. 1, 2 MAVO bei einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder beim durch Tatsachen begründeten Verdacht der Störung des Arbeitsfriedens. Anders als nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ist die Besorgnis, dass andere Mitarbeiter Nachteile erleiden, kein Grund zur Zustimmungsverweigerung .37 33 Richardi (2012) § 18 Rn. 131. 34 Richardi (2012) § 18 Rn. 132. 35 Richardi (2012) § 18 Rn. 131. 36 Thüsing in: Richardi (BetrVG) § 99 Rn. 58a. 37 Richardi (2012) § 18 Rn. 133. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 16 3.4.2.2. Sonstige persönliche Angelegenheiten § 35 MAVO erfasst sonstige persönliche Angelegenheiten wie z.B. die Einordnung in eine Lohnoder Gehaltsgruppe (§ 35 Abs. 1 Nr. 1-3), Versetzung (Nr. 5), Untersagung einer Nebentätigkeit (Nr. 6) und die Auswahl des Arztes zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit (Nr. 10)38. Der Katalog des § 35 Abs. 1 MAVO ist abschließend.39 Ein Zustimmungsverweigerungsrecht besteht außerdem nach § 35 Abs. 2 MAVO bei einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften (Nr. 1) und bei einem durch Tatsachen begründeten Verdacht, dass durch die Maßnahme der Mitarbeiter ohne sachliche Gründe bevorzugt oder benachteiligt werden soll (Nr. 2). Bei Umgruppierung (§ 35 Abs. 1 Nr. 1-3 MAVO) kommt der Kommentarliteratur zufolge allerdings nur § 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO als Verweigerungsgrund in Betracht, da es sich dabei nicht um Rechtsgestaltung handelt, sondern um Rechtsanwendung. Die Beteiligung besteht deshalb nur als Mitbeurteilungsrecht.40 Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung sind im Gegensatz zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kein Mitbestimmungstatbestand.41 3.4.2.3. Angelegenheiten der Dienststelle Die Beteiligungstatbestände der Zustimmung bei Angelegenheiten der Dienststelle (§ 36 MAVO) erfassen bestimmte soziale Angelegenheiten. Anders als im Bereich der persönlichen Angelegenheiten (§§ 34, 35 MAVO) ist die Verweigerung der Zustimmung nicht an bestimmte Gründe gebunden .42 Zum Katalog des § 36 Abs. 1 MAVO gehört u.a. die Festlegung der Arbeitszeit (Nr. 1). Diese Vorschrift ist wortgleich mit § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Beteiligung ist allerdings auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne, insbesondere für die Anordnung von Arbeitsbereitschaft , Mehrarbeit und Überstunden beschränkt, wenn die Arbeitszeit unvorhersehbar unregelmäßig oder kurzfristig festgesetzt werden muss (§ 36 Abs. 3 MAVO). § 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO gilt nicht für Mitarbeiter für pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung, die der bischöflichen Sendung bedürfen (§ 36 Abs. 2 MAVO). Bei ihnen besteht nur ein Anhörungs- und Beratungsrecht , sowie ein Vorschlagsrecht (§§ 29 Abs. 1 Nr. 2, 32 Abs. 1 Nr. 2 MAVO). Die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 2 MAVO (Festlegung der Richtlinien zum Urlaubsplan und zur Urlaubsregelung) entspricht weitgehend der Regelung in § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG.43 Die Fest- 38 2007 neu eingefügt; Richardi (2012) § 18 Rn. 135. 39 Richardi (2012) § 18 Rn. 134. 40 Richardi (2012) § 18 Rn. 136, Thüsing in: Richardi (BetrVG) § 99 Rn. 75. 41 Richardi (2012) § 19 Rn. 27. 42 Richardi (2012) § 18 Rn. 121. 43 Richardi (2012) § 18 Rn. 150. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 17 setzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Mitarbeiter bei fehlendem Einverständnis mit dem Arbeitgeber wird jedoch anders als in § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG nicht erfasst. Weitere in § 36 Abs. 1 MAVO genannte Beteiligungsfälle sind die Errichtung, Verwaltung und Auflösung sozialer Einrichtungen (Nr. 4), die Durchführung der Ausbildung (Nr. 8) und die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftdienstes (Nr. 12). § 36 Abs. 1 Nr. 9 MAVO (Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen zur Überwachung der Mitarbeiter) entspricht § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 11 MAVO hat die Mitarbeitervertretung ein Zustimmungsrecht bei Maßnahmen zum Ausgleich und zur Milderung von wesentlichen wirtschaftlichen Nachteilen wegen Betriebsänderungen. Damit hat die MAVO den Rechten des Betriebsrats beim Interessenausgleich und bei der Aufstellung eines Sozialplans nach den §§ 111-113 BetrVG vergleichbare Bestimmungen .44 Im Unterschied zur MAVO stehen dem Betriebsrat nach § 111 S. 1 BetrVG die Beteiligungsrechte jedoch nicht in jeder mitarbeitervertretungsfähigen Einrichtung zu, sondern nur in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern.45 3.5. Antragsrecht Das Antragsrecht der Mitarbeitervertretung ist in § 37 MAVO normiert. Es ist ebenso wie das Vorschlagsrecht (siehe oben 3.3) ein Initiativrecht, jedoch im Unterschied zu diesem nicht nur als Mitwirkungsrecht, sondern als Mitbestimmungsrecht ausgestaltet. In allen Fällen, in denen die Mitarbeitervertretung ein Antragsrecht hat, hat sie auch ein Zustimmungsrecht. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht; so besteht in den Fällen der Einstellung und sonstigen persönlichen Angelegenheiten (§§ 34, 35 MAVO) kein Antragsrecht.46 Die Beteiligungsfälle, die in § 37 Abs. 1 MAVO abschließend geregelt sind47, entsprechen denen des § 36 Abs. 1 MAVO. Nach § 37 Abs. 2 MAVO gilt § 36 Abs. 2, 3 MAVO entsprechend. Der Dienstgeber hat der Mitarbeitervertretung schriftlich mitzuteilen, wenn er dem Antrag nicht entsprechen will (§ 37 Abs. 3 S. 1 MAVO). Daraufhin findet nach § 37 Abs. 3 S. 2 MAVO eine gemeinsame Beratung statt. Wenn sie nicht zu einer Einigung führt, kann die Mitarbeitervertretung nach § 37 Abs. 3 S. 3 MAVO die Einigungsstelle anrufen, welche verbindlich entscheidet (§ 47 Abs. 3 S. 1, 2 MAVO). Auch der Betriebsrat hat ein Initiativrecht. Zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates gehört es nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen. Die Mitbestimmung schließt auch in der Betriebsverfassung grund- 44 Richardi (2012) § 18 Rn. 154 f. 45 Richardi (2012) § 18 Rn. 155. 46 Richardi (2012) § 18 Rn. 120. 47 Richardi (2012) § 18 Rn. 119. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 18 sätzlich ein Initiativrecht mit ein.48 Die Reichweite des Initiativrechts des Betriebsrates wird durch die Reichweite des Mitbestimmungsrechts begrenzt.49 4. Beteiligungsrechte nach dem MVG.EKD50 § 37 Abs. 1 MVG.EKD kennt als Formen der Beteiligung die Mitbestimmung, die eingeschränkte Mitbestimmung und die Mitberatung. 4.1. Mitbestimmung Die stärkste Form der Beteiligung ist gemäß § 38 MVG.EKD die Mitbestimmung. Eine Maßnahme, die der Mitbestimmung unterliegt, darf nach § 38 Abs. 1 S. 1 MVG.EKD erst vollzogen werden, wenn die Mitarbeitervertretung zustimmt oder die Zustimmung kirchengerichtlich ersetzt worden ist. Wird die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt, so ist die Maßnahme unwirksam (§ 38 Abs. 1 S. 2 MVG.EKD). 4.1.1. Verfahren Ebenso wie in der MAVO und im Unterschied zum BetrVG gilt nach den Bestimmungen des MVG.EKD eine Erklärungsfrist. Verstreicht diese, gilt die Zustimmung als erteilt.51 Die Erklärungsfrist ist jedoch länger als die nach § 33 Abs. 2, 3 MAVO. Nach § 38 Abs. 2 MVG.EKD gilt die Maßnahme als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt. Eine Verkürzung der Frist auf drei Tage bzw. eine Fristverlängerung ist ebenso wie nach der MAVO möglich (§ 38 Abs. 3 S. 2, 4 MVG.EKD). Eine Verweigerung der Zustimmung muss nach § 38 Abs. 3 S. 5 MVG.EKD schriftlich begründet werden. Bei der Erörterung gilt eine Erklärungsfrist von einer Woche (§ 38 Abs. 3 S. 6 MVG.EKD). Ebenso wie § 33 Abs. 5 MAVO eröffnet § 38 Abs. 4 MVG.EKD bei Maßnahmen, die keinen Aufschub dulden, die Möglichkeit der vorläufigen Regelung . 48 Richardi (BetrVG) § 87 Rn. 68. 49 Richardi (BetrVG) § 87 Rn. 70, 72. 50 Einen Überblick über das Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche gibt Richardi (2012) § 18 (S. 365-380). 51 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 19 4.1.2. Beteiligungstatbestände Die Beteiligungsfälle der (uneingeschränkten) Mitbestimmung sind in §§ 39, 40 MVG.EKD geregelt . § 39 MVG.EKD erfasst die Beteiligungsfälle der allgemeinen personellen Angelegenheiten wie z.B. die Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen, die Aufstellung der Grundsätze für die Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die Auswahl der Teilnehmer. In § 40 MVG.EKD wird eine Vielzahl organisatorischer und sozialer Angelegenheiten der Mitbestimmung unterworfen. Zu den Beteiligungstatbeständen gehört die Festlegung der Arbeitszeit gemäß § 40 lit. d MVG.EKD, der dem des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ähnelt. Weitere Fälle der Beteiligung sind u.a. die Aufstellung von Sozialplänen (lit. f), die Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform (lit. c), Grundsätze für den Urlaubsplan (lit. e) und die Arbeitsplatzgestaltung (lit. g). Die Regelungen des § 40 lit. k MVG.EKD (Regelung der Ordnung in der Dienststelle [Haus- und Betriebsordnungen] und des Verhaltens der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Dienst) entsprechen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer). § 40 lit. j MVG.EKD gleicht § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Überwachung von Mitarbeitern). Fragen der betrieblichen Lohngestaltung stellen ebenso wie in der MAVO im Gegensatz zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG keinen Mitbestimmungstatbestand dar.52 § 21 Abs. 1 MVG.EKD enthält einen Versetzungs- und Abordnungsschutz hinsichtlich der Mitglieder der Mitarbeitervertretung, der § 18 Abs. 2 MAVO entspricht und die Zustimmung der Mitarbeitervertretung erfordert. 4.2. Eingeschränkte Mitbestimmung Im Gegensatz zur Mitbestimmung nach § 38 MVG.EKD kann die Mitarbeitervertretung bei der eingeschränkten Mitbestimmung ihre Zustimmung nur aus den in § 41 Abs. 1 MVG.EKD aufgezählten Gründen verweigern. Die eingeschränkte Mitbestimmung gilt bei den personellen Maßnahmen nach §§ 42, 43 MVG.EKD. Eine Ausnahme vom Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung gilt gemäß § 44 MVG.EKD für Personen der Dienststellenleitung, sowie für Personen, die im pfarramtlichen Dienst stehen. Hinsichtlich des Verfahrens verweist § 41 Abs. 3 MVG.EKD auf § 38 MVG.EKD; die betreffende Maßnahme darf also erst vollzogen werden, wenn das Beteiligungsverfahren abgeschlossen ist (siehe oben 4.1). 52 Richardi (2012) § 19 Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 20 4.2.1. Einstellung Die evangelische Kirche zählt nach § 2 Abs. 1 MVG.EKD sowohl öffentlich-rechtlich Beschäftigte als auch privatrechtlich Beschäftigte zu den Mitarbeitern im Sinne des MVG.EKD. Bei der eingeschränkten Mitbestimmung wird zwischen diesen beiden Gruppen im Ergebnis nicht unterschieden . Der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegt sowohl die Einstellung privatrechtlicher Angestellter (§ 42 lit. a MVG.EKD) als auch die Einstellung in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis (§ 43 lit. a MVG.EKD). Auch nach dem BetrVG stellt die Einstellung von Arbeitnehmern einen Mitbestimmungstatbestand dar (§ 99 BetrVG). Bei der privatrechtlichen Einstellung ist § 38 Abs. 1 S. 3 MVG.EKD zu beachten, der klarstellt, dass bei Nichteinhaltung des Beteiligungsverfahrens der betreffende Arbeitsvertrag trotzdem wirksam ist und lediglich ein Anspruch besteht, den Mitarbeiter einstweilen nicht zu beschäftigen. Auch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern ist nach der Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der evangelischen Kirche in Deutschland (KGH.EKD) unter Umständen eine Einstellung im Sinne von § 42 lit. a MVG.EKD, wenn die ebenfalls für das Betriebsverfassungsrecht geltenden Anforderungen wie die Eingliederung und Weisungsgebundenheit erfüllt sind, der Leiharbeitnehmer also einem Arbeitnehmer vergleichbar ist. Die Mitarbeitervertretung kann die Zustimmung nach § 41 lit. a MVG.EKD verweigern, wenn die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers auf Dauer angelegt ist.53 4.2.2. Kündigung Für die ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit besteht nach § 42 lit. b MVG.EKD das Recht der eingeschränkten Mitbestimmung. Die Beteiligung der Mitarbeitervertretung geht damit weiter als die des Betriebsrates nach § 102 BetrVG, dem lediglich Anhörung und Widerspruchsmöglichkeit eingeräumt werden.54 Die Kündigung darf in diesem Fall erst erklärt werden, wenn die Mitarbeitervertretung zugestimmt hat bzw. wenn deren Zustimmung ersetzt wurde (§ 41 Abs. 2, 3 i.V.m. § 38 Abs. 1 S. 1 MVG.EKD). Wird die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt , ist die Kündigung unwirksam (§§ 41 Abs. 3 i.V.m. § 38 Abs. 1 S. 2 MVG.EKD). Einen Weiterbeschäftigungsanspruch während eines Kündigungsschutzverfahrens, wie er in § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG vorgesehen ist, gibt es ebenso wie nach der MAVO nicht.55 4.2.3. Weitere Beteiligungstatbestände Weitere Fälle, die der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegen, sind u.a. die Eingruppierung (§ 42 lit. c MVG.EKD), die Umsetzung (§§ 42 lit. f, 43 lit. k), Versetzung oder Abordnung (§§ 42 53 Richardi (2012) § 19 Rn. 32, KGH.EKD Beschluss vom 9. Oktober 2006, NZA 2007, S. 761 (763, 764). 54 Richardi (2012) § 19 Rn. 33. 55 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 21 lit. g, 43 lit. l), die Versagung und der Widerruf der Genehmigung einer Nebentätigkeit (§§ 42 lit. j, 43 lit. o), Beförderung (§ 43 lit. f) sowie die Entlassung aus dem Kirchenbeamtenverhältnis (§ 43 lit. p). 4.2.4. Zustimmungsverweigerungsgründe Für den Fall der ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit (§ 42 lit. b MVG.EKD) besteht eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 41 Abs. 2 MVG.EKD. Die Zustimmung darf nur verweigert werden, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, arbeitsrechtliche Regelungen, andere bindende Bestimmungen oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt (§ 41 Abs. 2 MVG.EKD). Die Mitarbeitervertretung kann hierbei auch geltend machen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt und nach § 1 KSchG unwirksam ist.56 Keine Bedeutung hat jedoch anders als nach § 102 Abs. 3. Nr. 3-5 BetrVG die Frage, ob der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens, nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder unter geänderten Vertragsbedingungen weiterbeschäftigt werden kann. In allen anderen Fällen der §§ 42, 43 MVG.EKD darf die Zustimmung nur verweigert werden, wenn die Maßnahme gegen eine Rechtsvorschrift, Bestimmung oder rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt (§ 41 Abs. 1 lit. a MVG.EKD), die durch Tatsachen begründete Besorgnis der ungerechtfertigten Benachteiligung besteht (§ 41 Abs. 1 lit. b MVG.EKD) oder bei Einstellung jene Besorgnis hinsichtlich des Störens des Friedens in der Dienststelle vorliegt (§ 41 Abs. 1 lit. c MVG.EKD). 4.3. Abweichungen Zu beachten ist, dass nach § 65 Abs. 1 MVG.EKD die Gliedkirchen von den Regelungen des MVG.EKD abweichen und für weitere Maßnahmen das Recht der Mitbestimmung bestimmen können, soweit die Regelungen der Gliedkirchen dies auch bisher vorsahen. Dasselbe gilt nach § 65 Abs. 2 MVG.EKD für die Unterwerfung weiterer Maßnahmen unter die eingeschränkte Mitbestimmung . Daraus können sich Abweichungen der Mitbestimmungsfälle in den einzelnen Gliedkirchen ergeben. 4.4. Mitberatung Die Mitberatung ist das schwächste der in § 37 Abs. 1 MVG.EKD genannten Rechte der Mitarbeitervertretung . Nach § 45 Abs. 1 S. 1 MVG.EKD sind Maßnahmen, die der Mitberatung unterliegen , der Mitarbeitervertretung rechtzeitig bekanntzugeben und auf Verlangen mit ihr zu erörtern. Eine Bindung des Dienstgebers tritt allerdings nicht ein. 56 Richardi (2012) § 19 Rn. 33. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 22 4.4.1. Verfahren Eine Erörterung kann die Mitarbeitervertretung innerhalb einer Frist von zwei Wochen (§ 45 Abs. 1 S. 2 MVG.EKD) verlangen . Eine Verkürzung der Frist auf drei Tage ist bei ordentlichen Kündigungen innerhalb der Probezeit (§ 46 lit.b MVG.EKD) gemäß § 45 Abs. 1 S. 3 MVG.EKD möglich. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 6 MVG.EKD können die Fristen im Einzelfall auf Antrag der Mitarbeitervertretung verlängert werden. Auch bei der Mitberatung gibt es die Fiktion der Billigung der Maßnahme, wenn sich die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb der Fristen äußert (§ 45 Abs. 1 S. 4 MVG.EKD). Können sich Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung nicht einigen , so wird die Erörterung lediglich für beendet erklärt. Entscheidet die Dienststellenleitung abweichend von der Auffassung der Mitarbeitervertretung, so hat die Dienststellenleitung dies schriftlich zu begründen (§ 45 Abs. 1 S. 8 MVG.EKD). Wird die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt, so ist die Maßnahme nach § 45 Abs. 2 MVG.EKD wie im Betriebsverfassungsrecht (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG) unwirksam. 4.4.2. Beteiligungstatbestände Die Beteiligungsfälle der Mitberatung sind in § 46 MVG.EKD geregelt; sie ähneln § 29 MAVO57 (siehe oben 3.2.1). Zu den Fällen der Mitberatung zählen u.a. das Outsourcing (§ 46 lit. h) und die Auflösung, Einschränkung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder erheblichen Teilen von ihnen (§ 46 lit. a). Des weiteren unterliegen der Mitberatung die außerordentliche Kündigung und die ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit (§ 46 lit. b, c MVG.EKD). Die Mitarbeitervertretung kann in diesem Fall den Ausspruch der Kündigung ebenso wenig verhindern wie der Betriebsrat.58 4.5. Initiativrecht Die Mitarbeitervertretung hat nach § 47 MVG.EKD ein Initiativrecht in den Fällen, die der Mitbestimmung , der eingeschränkten Mitbestimmung und der Mitberatung unterliegen. Gemäß § 47 Abs. 1 MVG.EKD kann die Mitarbeitervertretung Maßnahmen schriftlich vorschlagen, zu denen die Dienststellenleitung innerhalb eines Monats Stellung zu nehmen hat und deren Ablehnung sie schriftlich begründen muss. Die Möglichkeit der Anrufung des Kirchengerichts ist in § 47 Abs. 2 MVG.EKD geregelt. Wird die Rechtswidrigkeit der Weigerung festgestellt, so hat die Dienststellenleitung erneut über den Antrag der Mitarbeitervertretung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Kirchengerichts zu entscheiden (§ 60 Abs. 7 S. 2, Abs. 8 S. 1 MVG.EKD). 57 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 20. 58 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 23 4.6. Informationsrecht Das Informationsrecht nach § 34 MVG.EKD ist die schwächste Form der Beteiligung. Die Bestimmung räumt der Mitarbeitervertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben ein Recht auf rechtzeitige und umfassende Unterrichtung ein. Es gilt insoweit das unter 3.1 zur MAVO Dargestellte entsprechend. Jedoch bezieht sich bei Einstellungen der Informationsanspruch wie in § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG auf die Vorlage sämtlicher Bewerbungen, wenn die Mitarbeitervertretung dies verlangt (§ 34 Abs. 3 S. 2 MVG.EKD). Ebenso wie in der MAVO und dem BetrVG besteht eine Unterrichtungspflicht gegenüber der Mitarbeitervertretung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Nach § 34 Abs. 2 MVG.EKD muss die Mitarbeitervertretung in Dienststellen mit mehr als 150 Mitarbeitern einmal jährlich von der Dienststellenleitung informiert werden. Das für die Bildung eines Wirtschaftsausschusses (§ 23a Abs. 2 S. 2, 3 MVG.EKD) erforderliche Quorum von 150 Mitarbeitern ist jedoch höher als nach den Bestimmungen des BetrVG und der MAVO. 5. Fazit Die kirchlichen Mitarbeitervertretungsregelungen stellen sich als autonome Regelungen dar, die entsprechend dem Selbstverständnis der Kirchen auszulegen sind. In Bezug auf die Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die kirchlichen Bestimmungen Abweichungen zum staatlichen Betriebsverfassungsrecht aufweisen, die sich jedoch einer Einordnung etwa im Hinblick auf die Besonderheiten der kirchlichen Dienstgemeinschaft häufig zu entziehen scheinen. Auch sind die Abweichungen im Vergleich mit dem staatlichen Recht nicht einheitlich als vorteilhaft oder nachteilig anzusehen. In der Gesamtschau stellen die kirchlichen Mitarbeitervertretungsordnungen äquivalente Regelungen zum BetrVG dar.59. Die festgestellten Unterschiede sind als nicht besonders schwerwiegend in Bezug auf eine effiziente Beteiligung der Mitarbeiter an betrieblichen Entscheidungen anzusehen. Insbesondere wird den Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV genügt, die eine eigene Regelung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts erfordern.60 Es ist allerdings zu beachten, dass der Vergleich der MAVO und des MVG.EKD mit dem BetrVG nicht repräsentativ für alle Mitarbeitervertretungsregelungen der katholischen und evangelischen Kirche ist. Aufgrund der Kirchenverfassungen, die den Diözesen und Gliedkirchen eigene Gesetzgebungskompetenzen einräumen, sind zum Teil erhebliche Abweichungen in den Mitarbeitervertretungsordnungen einzelner Diözesen und Gliedkirchen nicht auszuschließen. 59 Baumann-Czichon/Gathmann (2006) S. 57. 60 Schielke (2007) S. 284 für das MVG.EKG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-053/12 Seite 24 6. Literaturverzeichnis Baumann-Czichon, Bernhard / Gathmann, Mira (2006): Kirchliche Mitbestimmung im Vergleich – BetrVG – MVG/EKD – MAVO Bleistein, Franzjosef / Thiel, Adolf (1997): Kommentar zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO). 3. Aufl. Köln: Luchterhand (zitiert als Bleistein/Thiel MAVO). Richardi, Reinhard (2012): Arbeitsrecht in der Kirche – Staatliches Arbeitsrecht und kirchliches Dienstrecht, 6. Aufl. München: C.H: Beck. Richardi, Reinhard (2012): Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung – Kommentar, 13. Aufl. München: C.H. Beck (zitiert als: Richardi (BetrVG)). Richardi, Reinhard / Wißmann, Hellmut / Wlotzke, Otfried / Oetker, Hartmut (2009): Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 2, München: C.H. Beck (zitiert als: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht). Schielke, Cristian (2007): Das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland. Stuttgart u.a.: Boorberg. Schielke, Christian (2009): Betriebliche Mitbestimmung im Vergleich – Vergleich des MVG mit dem BetrVG und dem BPersVG, ZfPR 2009, 13-23.