© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 – 3000-052/16 Arbeitsmarktzugang von Schutzsuchenden in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 2 Arbeitsmarktzugang von Schutzsuchenden in Deutschland Aktenzeichen: WD 6 – 3000-052/16 Abschluss der Arbeit: 17. Mai 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Beschäftigung von Asylbewerbern und Flüchtlingen 5 2.1. Das Aufenthaltsgesetz 6 2.2. Die Beschäftigungsverordnung 8 2.3. Das Asylgesetz 10 3. Programme zur Arbeitsmarktintegration 10 3.1. Bundesweite Programme 11 3.1.1. Modellprojekt „Jeder Mensch hat Potenzial“ 11 3.1.2. Europäischer Sozialfonds (ESF) und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 12 3.1.3. Integration durch Qualifizierung (IQ-Netzwerk) 13 3.1.4. Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF) 13 3.2. Programme der regionalen Arbeitsagenturen 14 3.2.1. Hessen 14 3.2.2. Niedersachsen 15 3.2.3. „Integration Points“ in Nordrhein-Westfalen 15 3.2.4. „Work and Integration for Refugees (W.I.R.)“ in Hamburg 15 4. Erfassung von beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen 16 5. Fazit 16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 4 1. Einleitung Eine Reihe von Gesetzesänderungen hat in den vergangenen Jahren zu einer Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylbewerber und andere Flüchtlingsgruppen geführt. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) spricht von einem „Politikwechsel in Deutschland“, indem der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für Zuwanderergruppen geöffnet worden sei, die bislang kaum als Potenziale für Bildung und Beschäftigung gesehen worden seien.1 Angesichts der hohen Zahl von Schutzsuchenden, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, hat die Bundesregierung den politischen Schwerpunkt sowohl auf die Beschleunigung von Asylverfahren und die Begrenzung der Zuwanderung von Schutzsuchenden als auch auf eine frühzeitige Arbeitsmarktintegration für Personen mit sicherer Bleibeperspektive gelegt.2 Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz beispielsweise, das am 24. Oktober 2015 in Kraft getreten ist, wurden die Möglichkeiten der aktiven Arbeitsförderung für Asylbewerber, die nach den Vorschriften des Asylgesetzes keine Erwerbstätigkeit ausüben dürfen, aber eine hohe Bleibeperspektive haben, geöffnet (§ 131 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung SGB III). Die Gefahr von späterer Langzeitarbeitslosigkeit soll so verringert werden. Zudem entfällt das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber sowie für Geduldete nach drei Monaten, wenn es sich um Fachkräfte handelt. Asylbewerber und Geduldete können außerdem seit dem 1. August 2015 ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein Praktikum gemäß § 32 Abs. 2 Beschäftigungsverordnung (Besch V) absolvieren. Die neue Regelung gilt für Pflichtpraktika, Orientierungspraktika, ausbildungs -oder studienbegleitende Praktika bis zu drei Monaten sowie für die Teilnahme an einer Einstiegsqualifizierung oder Berufsausbildungsvorbereitung.3 Derzeit liegen Eckpunkte der Bundesregierung für ein zukünftiges Integrationsgesetz vor, das sich an den Grundsätzen des Förderns und Forderns orientiert. Demnach soll die Integration von schutzsuchenden Zuwanderern in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt durch staatliche Maßnahmen gefördert werden, bei gleichzeitiger Forderung nach Eigenbemühungen.4 1 Schreyer, Franziska; Bauer, Angela; Kohn, Karl-Heinz P., Betriebliche Ausbildung von Geduldeten. Für den Arbeitsmarkt ein Gewinn, für die jungen Fluchtmigranten eine Chance, in: IAB-Kurzbericht 1/2015, S. 2. Abrufbar unter: http://doku.iab.de/kurzber/2015/kb0115.pdf (zuletzt abgerufen am 3. Juli 2015). 2 Vgl. Informationen der Bundesregierung zu Flucht, Migration, Integration: Fakten und Hintergründe. Abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Fluechtlings-Asylpolitik/_node.html (zuletzt abgerufen am 17. Mai 2016). 3 Vgl. Informationen der Bundesagentur für Arbeit. Abrufbar unter: https://www.arbeitsagentur .de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mjc3/~edisp/l6019022dstbai772426.pdf (zuletzt abgerufen am 17. Mai 2016). 4 Koalitionsausschuss am 13. April 2016, Eckpunkte Integrationsgesetz. Abrufbar unter: http://www.sozialpolitikaktuell .de/id-2016.html (zuletzt abgerufen am 13. Mai 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 5 In einer Studie zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung stellt die Autorin Jutta Aumüller unter Bezugnahme auf ein Interview mit einer Referentin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) fest, dass der Ansatz der frühzeitigen Intervention („early intervention“) die jahrelange Praxis der nachholenden Integration ablöse. Die weitgehende Einbeziehung von Flüchtlingen in das Regelsystem der Arbeitsförderung sei somit ein Spezifikum der deutschen Integrationsstrategie.5 Angemerkt wird in der Studie auch, dass sowohl potenzielle Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber und Unternehmen ein enormes Ausmaß an gesetzlichem und administrativem Detailwissen benötigten , um ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis mit einem Flüchtling abzuschließen.6 Nach einer Befragung von Personalleitern in mehr als 1.000 Unternehmen in Deutschland werden neben den Sprachkenntnissen und der Qualifikation der Flüchtlinge gerade auch die rechtlichen Rahmenbedingungen als Hürde empfunden, Flüchtlinge zu beschäftigen.7 Im Folgenden werden die aktuellen rechtlichen Grundlagen für die Beschäftigung von Schutzsuchenden in Deutschland erläutert. Daran anschließend erfolgt eine exemplarische Darstellung verschiedener Programme zur Arbeitsmarktintegration von Asylbewerbern und Flüchtlingen einschließlich einzelner Praxisbeispiele in den Bundesländern. Abschließend wird unter Punkt 4 kurz auf das in der Wissenschaft erörterte Problem der Feststellung und Anerkennung non-formal und informell erworbener Berufsqualifikationen und -kompetenzen hingewiesen. 2. Beschäftigung von Asylbewerbern und Flüchtlingen Asylbewerber und andere Flüchtlingsgruppen unterliegen bezüglich einer Erwerbstätigkeit Beschränkungen , die in verschiedenen Vorschriften normiert sind. Zu beachten sind insbesondere das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG)8, die Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (BeschV)9 sowie das Asylgesetz (AsylG)10. 5 Aumüller, Jutta (2016). Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen: bestehende Praxisansätze und weiterführende Empfehlungen, Gütersloh, S. 21 mit weiteren Verweisen. 6 Aumüller, Jutta (2016). Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, S. 14; vgl. Fn 5.. 7 Falck, Oliver u.a., Arbeitsmarktchancen von Flüchtlingen, in: ifo Schnelldienst, 69 (2016), 4, S. 83-85 (85). 8 Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394) geändert worden ist. 9 Beschäftigungsverordnung vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1499), die zuletzt durch Artikel 2 Satz 2 der Verordnung vom 24. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1789) geändert worden ist. 10 Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 6 2.1. Das Aufenthaltsgesetz Ausländer benötigen eine behördliche Erlaubnis zum Aufenthalt im Bundesgebiet und es besteht eine Erlaubnispflicht für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Eine solche Arbeitserlaubnis, die im Aufenthaltstitel angegeben werden muss, erteilt die Ausländerbehörde. § 4 Abs. 2 AufenthG lautet wie folgt: „Ein Aufenthaltstitel berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, sofern es nach diesem Gesetz bestimmt ist oder der Aufenthaltstitel die Ausübung der Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt. Jeder Aufenthaltstitel muss erkennen lassen, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist. Einem Ausländer, der keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung besitzt, kann die Ausübung einer Beschäftigung nur erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Beschränkungen bei der Erteilung der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit sind in den Aufenthaltstitel zu übernehmen.“ § 4 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eröffnet zwei Möglichkeiten für Ausländer, in Deutschland erwerbstätig zu sein: Entweder berechtigt der Aufenthaltstitel unmittelbar zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Bundesagentur für Arbeit muss zustimmen, bevor die Ausländerbehörde eine Erwerbstätigkeit erlauben kann. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 AufenthG muss jeder Aufenthaltstitel zwingend eine abschließende Aussage zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit enthalten. Wenn eine Erwerbstätigkeit nicht kraft Gesetz oder behördlich gestattet ist, ist sie Ausländern verboten.11 Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes regelt den Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen: § 23 AufenthG regelt die Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden, die Aufnahme bei besonders gelagerten politischen Interessen sowie die Neuansiedlung von Schutzsuchenden. § 23a AufenthG enthält Bestimmungen zur Aufenthaltsgewährung in Härtefällen. § 24 AufenthG gewährt Aufenthalt zum vorübergehenden Schutz und § 25 AufenthG aus humanitären Gründen. § 25a AufenthG bestimmt die Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden und § 25b AufenthG bei nachhaltiger Integration. § 26 AufenthG bestimmt die Dauer der jeweiligen Aufenthaltsart. Nach § 25a Abs. 1 AufenthG wird eine Aufenthaltserlaubnis bei jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländern erteilt, wenn – 1. er sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, 11 Maor in: Beck`scher Online Kommentar Ausländerrecht (BeckOK/AuslR), Stand: 1. Februar 2016, § 4 AufenthG Rnn 30-33. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 7 – 2. er im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat, – 3. der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, – 4. es gewährleistet erscheint, dass er sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann und – 5. keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt. Gemäß § 25a Abs. 2 AufenthG kann den Eltern oder einem personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt , eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn – 1. die Abschiebung nicht aufgrund falscher Angaben oder aufgrund von Täuschungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder mangels Erfüllung zumutbarer Anforderungen an die Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert wird und – 2. der Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist. Nach § 25b AufenthG solle einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nummer 1 und Absatz 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Ausländer – 1. sich seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet , gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat, – 2. sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt, – 3. seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Absatz 3 AufenthG sichern wird, wobei der Bezug von Wohngeld unschädlich ist, – 4. über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt und – 5. bei Kindern im schulpflichtigen Alter deren tatsächlichen Schulbesuch nachweist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 8 §§ 39-41 AufenthG regeln die Voraussetzungen für die Zustimmungserteilungen zur Erwerbstätigkeit von Ausländern durch die Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsmarktprüfung, Vorrangprüfung 12, Überprüfung der Arbeitsbedingungen), sowie die Voraussetzungen für Versagungsgründe und den Widerruf der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Dringende persönliche Gründe in diesem Sinne können insbesondere vorliegen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in Deutschland vor Vollendung des 21. Lebensjahres aufnimmt oder aufgenommen hat und nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a des Asylgesetzes stammt. In diesen Fällen kann die Duldung für die Aufnahme einer Berufsausbildung für ein Jahr erteilt werden und unabhängig vom Alter für jeweils ein Jahr verlängert werden , wenn die Berufsausbildung noch fortdauert und in einem angemessenen Zeitraum mit ihrem Abschluss zu rechnen ist (§ 60a Abs. 2 Satz 4 bis 6 AufenthG). 2.2. Die Beschäftigungsverordnung Die Beschäftigungsverordnung (BeschV) dient gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der Steuerung der Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer nach Deutschland. Die Verordnung bestimmt, unter welchen Voraussetzungen zugewanderte und bereits in Deutschland lebende Ausländer zum Arbeitsmarkt zugelassen werden können. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 regelt die Beschäftigungsverordnung, in welchen Fällen – 1. ein Aufenthaltstitel, der einer Ausländerin oder einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, nach § 39 Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden kann, – 2. die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 Absatz 1 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes einem Aufenthaltstitel, der einer Ausländerin oder einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, zustimmen kann, – 3. einer Ausländerin oder einem Ausländer, die oder der keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung besitzt, nach § 4 Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes die Ausübung einer Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erlaubt werden kann, – 4. die Bundesagentur für Arbeit der Ausübung einer Beschäftigung einer Ausländerin oder eines Ausländers, die oder der keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung 12 Bei der Vorrangprüfung prüft die zuständige Agentur für Arbeit, ob für einen bestimmten Arbeitsplatz bevorrechtigte Bewerber zur Verfügung stehen. Bevorrechtigt sind Deutsche, EU-Bürger, Bürger aus EWR-Staaten, Bürger aus der Schweiz sowie Drittstaatsangehörige mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang in Deutschland. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 9 besitzt, nach § 4 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit § 39 des Aufenthaltsgesetzes zustimmen kann und – 5. die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit abweichend von § 39 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden darf. Nach § 31 BeschV benötigen Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis, die nach Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt worden ist, keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit.13 Ausländern, die eine Duldung besitzen, kann gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn sie sich seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. Die §§ 39, 40 Abs. 1 Nummer 1 und Abs. 2 sowie § 41 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend. Keiner Zustimmung bedarf gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 BeschV die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung – 1. eines Praktikums nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nummer 1 bis 4 Mindestlohngesetzes, – 2. einer Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf , – 3. einer Beschäftigung nach § 2 Absatz 1, § 3 Nummer 1 bis 3, § 5, § 14 Absatz1, § 15 Nummer 2, § 22 Nummer 3 bis 5 und § 23, – 4. einer Beschäftigung von Ehegatten, Lebenspartnern, Verwandten und Verschwägerten ersten Grades eines Arbeitgebers in dessen Betrieb, wenn der Arbeitgeber mit diesen in häuslicher Gemeinschaft lebt, oder – 5. jeder Beschäftigung nach einem ununterbrochenen vierjährigen erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet. Gemäß § 32 Abs. 5 BeschV wird Ausländerinnen und Ausländern mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Vorrangprüfung erteilt , wenn sie – 1. eine Beschäftigung nach § 2 Abs. 2, § 6 oder § 8 BeschV aufnehmen oder – 2. sich seit 15 Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten.14 13 Siehe Punkt 2.1. 14 § 32 Abs. 5 BeschV wurde mit der Verordnung vom 6. November 2014 (BGBl. I S. 1683) angefügt. Mit Wirkung zum 10. November 2017 wird Abs. 5 aufgehoben. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 10 Nur in den Fällen nach § 32 Abs. 5 BeschV darf im Übrigen eine Zustimmung für ein Tätigwerden als Leiharbeitnehmer erteilt werden (§ 32 Abs. 3 BeschV). Die Regelungen nach § 32 Abs. 2 und 3 BeschV gelten auch für Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung , die Asylbewerber nach § 55 AsylG erhalten (§ 32 Abs. 4 BeschV). 2.3. Das Asylgesetz Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG darf ein Ausländer für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, keine Erwerbstätigkeit ausüben. Nach § 61 Abs. 2 AsylG kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, abweichend von § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Ein geduldeter oder rechtmäßiger Voraufenthalt wird auf die Wartezeit nach Satz 1 angerechnet. Die §§ 39, 40 Abs. 1 Nummer 1 und Abs. 2 und die §§ 41 und 42 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend. Einem Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 29a AsylG, der nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt hat, darf während des Asylverfahrens die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden. Das umfassende Erwerbstätigkeitsverbot während des Aufenthalts in einer Aufnahmeeinrichtung soll verhindern, dass eine schnelle Bearbeitung des Asylantrags und eine mögliche Abschiebung im Falle eines offensichtlich unbegründeten Asylantrags erschwert werden.15 § 47 AsylG bestimmt, dass Ausländer, die einen Asylantrag bei einer Außenstalle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu stellen haben, verpflichtet sind, bis zu sechs Wochen, längstens bis zu sechs Monate in der für sie zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu leben. Das Verbot der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit kann also bis zu sechs Monate betragen.16 3. Programme zur Arbeitsmarktintegration Aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen in Deutschland wird in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über eine verstärkte Integration von Asylbewerbern und anderen Flüchtlingsgruppen nachgedacht und diskutiert. Dabei geht es auch um die Frage, wie Flüchtlinge schneller die deutsche Sprache erlernen können und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um Schutzsuchende in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Folgenden werden exemplarisch einzelne Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramme des Bundes und der Länder vorgestellt, um wesentliche Aspekte der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen aufzuzeigen. 15 Neundorf in: Beck`scher Online Kommentar Ausländerrecht (OK/AuslR), Stand 1. Februar 2016, § 61 AsylG Rn 3. 16 Vgl. hierzu Janczyk, Stefanie, Prekarität verhindern - Perspektiven für alle schaffen. Flüchtlinge und Arbeitsmarkt , in: Soziale Sicherheit, Zeitschrift für Arbeit und Soziales, 64 (2015), 11, S. 394-399 (397). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 11 3.1. Bundesweite Programme 3.1.1. Modellprojekt „Jeder Mensch hat Potenzial“ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Bundesagentur für Arbeit haben im Januar 2014 gemeinsam mit dem vom Europäischen Sozialfonds geförderten Bundesprogramm „XENOS - Arbeitsmarktliche Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ein Pilotprojekt begonnen. Das Programm mit dem Titel „Jeder Mensch hat Potenzial“ soll Flüchtlinge mit einer Bleibeperspektive bei der Arbeitsmarktintegration unterstützen und sie nach dem Prinzip „Early Intervention“ bereits während des Asylverfahrens in entsprechende Maßnahmen einbeziehen. Das Verfahren gliedert sich in mehrere Schritte. Nach der Verteilung der Flüchtlinge auf die Gemeinschaftsunterkünfte oder Wohnungen identifiziert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Neu-Antragsteller mit einer voraussichtlich hohen Bleibeperspektive in Deutschland. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Kompetenzerhebung durch die Bundesagentur für Arbeit. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer freiwilligen Selbstauskunft über Beruf, Abschlüsse und wesentliche Stationen des Lebenslaufes. Auf dieser Grundlage erfolgt die Vorauswahl durch die Arbeitsvermittlung der örtlichen Agentur für Arbeit. Dann werden die Asylbewerber in den regulären Vermittlungsprozess einbezogen.17 „Viele Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchen, verfügen über berufliche Qualifikationen und möchten gerne arbeiten. Das Projekt zielt darauf ab, diese Potenziale für Arbeitsmarkt und Gesellschaft stärker zu berücksichtigen und den frühzeitigen Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge zu verbessern. Zugleich soll durch die schnelle Einbindung in den Arbeitsmarkt verhindert werden, dass die Potenziale von Flüchtlingen verlorengehen“, so eine Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.18 Weitere Projektziele sind nach Auskunft des Bundesamtes: – erste Erfahrungen mit einer frühzeitigen Betreuung der Asylantragsteller zu ermöglichen, – Kenntnisse über mögliche Hürden im Hinblick auf einen erfolgreichen Arbeitsmarktzugang zu sammeln, – langfristig Strategien für eine umfassende Teilhabe am Arbeitsmarkt zu entwickeln. 17 Bundesagentur für Arbeit, Modellprojekt: Jeder Mensch hat Potenzial – Arbeitsmarktintegration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern. Abrufbar unter: http://www.arbeitsagentur .de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mjy5/~edisp/l6019022dstbai752888.pdf (zuletzt abgerufen am 20. Juli 2015). 18 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, „Jeder Mensch hat Potenzial“. Arbeitsmarktintegration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, 7. April 2014. Abrufbar unter: https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen /DE/2014/20140403-mensch-potenzial.html (zuletzt abgerufen am 20. Juli 2015). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 12 Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) hat das Projekt wissenschaftlich begleitet und qualitative Interviews mit den Vermittlungsfachkräften in den beteiligten Modellagenturen geführt. Unter anderem habe sich gezeigt, dass die fehlende Sprachkompetenz eine generelle Hürde bei der Arbeitsvermittlung von Flüchtlingen sei. Zudem machten die unterschiedlichen Schul-, Ausbildungs - und Studiensysteme, Arbeitsmärkte und Berufsanforderungen in den Herkunftsländern eine systematische Erfassung und Vergleichbarkeit mit dem deutschen System sehr schwer.19 3.1.2. Europäischer Sozialfonds (ESF) und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Die berufsbezogene Deutschförderung des sogenannten „ESF-BAMF-Programms“ verbindet Deutschunterricht, berufliche Qualifizierung und Praktikum miteinander. Für die Förderperiode 2014-2020 hat die EU das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit der Durchführung des Programms beauftragt, dessen Ziel es ist, die Chancen der Teilnehmer auf eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt deutlich zu erhöhen. Neben der direkten Aufnahme einer Beschäftigung oder Ausbildung sollen auch weitergehende Qualifizierungen ermöglicht werden .20 Auch wenn das Programm nicht explizit für Schutzberechtigte entwickelt wurde, steht Flüchtlingen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit eine Teilnahme an der kostenfreien berufsbezogenen Sprachförderung offen. Der Schwerpunkt der „ESF-BAMF-Kurse“ liegt auf der berufsbezogenen Sprachvermittlung und wird mit einem sogenannten Fachunterricht kombiniert. 21 Die bislang bestehende Zugangsvoraussetzung, wonach bereits eine elementare Sprachbeherrschung vorliegen muss, soll künftig für die Teilnehmer entfallen. Für 2016 ist eine Umstrukturierung des Programms geplant, denn die „ESF-BAMF-Sprachkurse“ sollen auf eine neue Grundlage gestellt werden und dauerhaft in die Regelförderung des Bundes übergehen. Integrationskurse und berufsbezogene Sprachkurse sollen in ein Gesamtprogramm Sprache integriert werden.22 19 Daumann, Volker; Dietz, Martin; Knapp, Barbara; Strien, Karsten, Early Intervention- Modellprojekt zur frühzeitigen Arbeitsmarktintegration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, in: IAB-Forschungsbericht 3/2105, S. 5. Abrufbar unter: http://doku.iab.de/forschungsbericht/2015/fb0315.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2015). 20 Weitergehende Informationen über das Programm sind auf der Internetseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge abrufbar unter: http://www.bamf.de/DE/Infothek/ESFProgramm/esf-bamf-programm-node.html (zuletzt abgerufen am 13. Mai 2016). 21 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.). (2015). Unterstützungsmaßnahmen für Schutzberechtigte. Die Förderung der Integration in den Arbeitsmarkt. Fokusstudie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN), Working Paper 66, S. 16. Abrufbar unter: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/EMN/Studien/wp66-emn-unterstuetzung -schutzberechtigte-arbeitsmarkt.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 13. Mai 2016). 22 Aumüller, Jutta (2016). Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, S. 22, 38; vgl. Fn 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 13 3.1.3. Integration durch Qualifizierung (IQ-Netzwerk) Das Förderprogramm Integration durch Qualifizierung (IQ) unterstützt die berufliche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Seit 2014 wird es vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verwaltet.23 Im Ausland erworbene Berufsabschlüsse sollen unabhängig vom Aufenthaltstitel häufiger in eine bildungsadäquate Beschäftigung münden. Die regionale Umsetzung des Förderprogramms geschieht in 16 Landesnetzwerken, die jeweils von einer Landeskoordinierung geleitet werden und weitere operative Teilprojekte umfassen. Die Landesnetzwerke bieten eine Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung für Ratsuchende mit ausländischen Qualifikationen an, entwickeln bedarfsorientierte Anpassungsqualifizierungen und setzen diese um. Neben den Landesnetzwerken gibt es fünf IQ Fachstellen, die bundesweit migrationsspezifische Themen bearbeiten. Sie übernehmen die fachliche Beratung und Begleitung der Landesnetzwerke und entwickeln Qualifizierungsmaßnahmen, Instrumente und Handlungsempfehlungen zur beruflichen Integration von Migranten. Sie sind darüber hinaus verantwortlich für eine fachlich fundierte Beratung von Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Verwaltung zum Beispiel hinsichtlich der Konzeption von Qualitätsstandards, von Qualifizierungen und Schulungsmaterialien oder der Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse.24 3.1.4. Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF) Die IvAF-Netzwerke hießen bis 2015 Bleiberechtsnetzwerke. Sie bilden eine von drei Säulen der „ESF-Integrationsrichtlinie Bund“25. Das Programm ist speziell auf Asylbewerber und Flüchtlinge mit einem nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt ausgerichtet. Mit Hilfe der Netzwerke sollen Flüchtlinge eine Beschäftigung aufnehmen und sich eine eigenständige Lebens- und Bleibeperspektive in Deutschland aufbauen können. Aufgabenschwerpunkte sind: – die arbeitsmarktliche Beratung und Unterstützung von Asylbewerbern, Geduldeten und Flüchtlingen, – die Vermittlung dieser Personengruppen in Arbeit, Ausbildung oder schulische Bildung, 23 Information auf der Internetseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge abrufbar unter: http://www.bamf.de/DE/DasBAMF/10JahreIntegrationsarbeit/10Jahre-10Geschichten/PortraitSchiele/Portrait- Schiele-node.html (zuletzt abgerufen am 13. Mai 2016). 24 Informationen auf der Internetseite des IQ Netzwerkes abrufbar unter: http://www.netzwerk-iq.de/foerderprogramm -iq/programmbeschreibung.html (zuletzt abgerufen am 13. Mai 2016). 25 Informationen zur „ESF-Integrationsrichtlinie-Bund“ sind auf der Internetseite des Europäischen Sozialfonds abrufbar unter: http://www.esf.de/portal/DE/Foerderperiode-2014-2020/ESF-Programme/bmas/2014-10-21- ESF-Integrationsrichtlinie-Bund.html (zuletzt abgerufen am 13. Mai 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 14 – die Ermöglichung eines Zugangs dieser Personengruppen zu den Förderinstrumenten der Arbeitsagenturen und Jobcenter, – die Vermittlung beruflich verwertbarer Sprachkenntnisse, z.B. durch die Überleitung von Flüchtlingen in die ESF-BAMF-Kurse, – Schulungen für Mitarbeiter der Arbeitsagenturen und Jobcenter zum Aufenthalts- und Beschäftigungsrecht für Flüchtlinge, – Die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit zur strukturellen Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. 2015 wurden durch IQ und IvaF jeweils rund 3.000 Mitarbeiter geschult, für 2016 ist eine Zielgröße von jeweils mindestens 5.000 Mitarbeitern vorgesehen.26 3.2. Programme der regionalen Arbeitsagenturen Auch die Arbeitsagenturen haben, zum Teil bereits vor einigen Jahren, Programme zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen eingeführt, um diese Ausländergruppen schneller und einfacher in den Arbeitsmarkt vor Ort zu integrieren. Exemplarisch werden hier einzelne programmatische Ansätze von Arbeitsagenturen vorgestellt. 3.2.1. Hessen In dem Projekt des Europäischen Sozialfonds „BLEIB in Mittelhessen“ wurden 350 Flüchtlinge und ihre Familien betreut, beraten, qualifiziert und auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet. Insgesamt konnten in zwei Jahren 105 Arbeits- und 16 Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen werden. Darunter fielen sowohl sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten, Mini-Jobs sowie Selbständigkeit.27 In Hessen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg hat eine Kooperation verschiedener Partner mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds und dem Programm XENOS das Pilotprojekt „Flüchtlinge und Asylbewerber im Bauhandwerk“ initiiert. Ziel war die berufliche Eingliederung von Flüchtlingen in Ausbildung oder Arbeit durch Vermittlung handwerklicher Grundfertigkeiten vor dem Hintergrund zunehmender Schwierigkeiten bei der Fachkräftesicherung im Baugewerbe. 2013 seien von 16 Teilnehmern neun in Praktika, vier in eine Ausbildung und drei in Arbeit vermittelt worden. Im Jahr 2014 habe es 18 Teilnehmer mit ähnlichen Vermittlungsquoten gegeben. 26 Aumüller, Jutta (2016). Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, S. 24ff.; vgl. Fn 6. 27 Bilanz zum ESF-Projekt „BLEIB in Mittelhessen“, S. 4. Abrufbar unter: http://www.fr-hessen.de/bleibinhessen /wp-content/uploads/2010/12/Bleib-in-Abschlussbericht-2010.pdf (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2015). Vgl. auch weitere Informationen des hessischen Netzwerkes. Abrufbar unter: http://www.fr-hessen.de/bleibinhessen /?page_id=50 (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2015). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 15 Die Betriebe hätten von den zielstrebigen und verantwortungsbewussten Teilnehmenden mit einer überdurchschnittlichen Lernbereitschaft profitiert.28 3.2.2. Niedersachsen Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit haben das Kooperationsprojekt „Kompetenzen erkennen – Gut ankommen in Niedersachsen“ begonnen. Hierbei sollen die Qualifikationen von Flüchtlingen und ihre Eignung für den Arbeitsmarkt bereits in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes festgestellt werden. An den vier Standorten der Aufnahmebehörden (Friedland, Braunschweig, Bramsche und Osnabrück) sollen jeweils zwei Integrationsfachkräfte der örtlichen Arbeitsagentur ein Büro eröffnen. Von Mitte Juni 2015 bis Mitte 2017 stellt die Landesregierung für das Projekt eine Million Euro zur Verfügung.29 3.2.3. „Integration Points“ in Nordrhein-Westfalen Die „Integration Points“ werden aus Mitteln der Bundesagentur (BA) finanziert. In Nordrhein- Westfalen gibt es seit Januar 2016 in allen Agenturbezirken insgesamt 47 „Integration Points“, in denen alle Ansprechpartner und Dienstleistungen zur arbeitsmarktlichen und sozialen Integration von Schutzsuchenden gebündelt sind. Arbeitsagentur, Jobcenter, Kommune, Flüchtlingsbeauftragte, Ausländerbehörde, Sozialamt, Jugendamt , IvAF-Netzwerke, Freie Wohlfahrtspflege, Flüchtlingsnetzwerke etc. sollen hier zusammenarbeiten . Es geht auch darum, die Kompetenzen aller Beteiligten zusammenzuführen und aufeinander zu beziehen.30 3.2.4. „Work and Integration for Refugees (W.I.R.)“ in Hamburg In dieser Anlaufstelle für Flüchtlinge besteht eine enge institutionenübergreifende Kooperation zwischen der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, der Arbeitsagentur und dem Jobcenter mit Hamburger Trägern der Flüchtlingshilfe sowie Kammern und Verbänden der Wirtschaft . Das Angebot richtet sich an erwerbsfähige Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive. Es beinhaltet die systematische Erfassung beruflicher Kompetenzen und die Erarbeitung individuell zugeschnittener Maßnahmenpläne im Rahmen institutionenübergreifender Fallbesprechung. Bis Ende 2016 sollen alle erwerbsfähigen Flüchtlinge in Hamburg mit guter Bleibeperspektive registriert 28 Lorenz, Hubert, Flüchtlinge im Bauhandwerk: Integration durch Teilhabe, in: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 2/2015, S. 50-51. 29 Presse-Information der Bundesagentur für Arbeit vom 5. Juni 2015, Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. Abrufbar unter: http://www.arbeitsagentur.de/web/content/DE/dienststellen/rdnsb/osnabrueck/Detail/index .htm?dfContentId=L6019022DSTBAI757758 (zuletzt abgerufen am 21. Juli 2015). 30 Aumüller, Jutta (2016). Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, S. 24, 28; vgl. Fn 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 16 und ihre beruflichen Kompetenzen systematisch erfasst werden. Ein Unternehmensservice fungiert als Ansprechpartner für Betriebe und nimmt Beschäftigungsangebote entgegen.31 4. Erfassung von beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen Über Schutzsuchende, die im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen sind, gibt es hinsichtlich ihrer beruflichen Ausbildung und Qualifikation wenige verlässliche Daten. Häufig können sie keine Zeugnisse oder andere Dokumente über ihre schulische und berufliche Ausbildung vorlegen .32 Seit dem 1. April 2012 regelt das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) die Durchführung der Bewertung ausländischer Berufsqualifikationen. Es können aber nur Qualifikationen bewertet werden, die durch eine geregelte Berufsausbildung oder berufliche Fortbildung erworben wurden. Da das Bildungssystem in den Herkunftsländern der Schutzsuchenden häufig sehr verschieden zu dem deutschen Bildungssystem ist, werden Instrumente zur Feststellung der erworbenen Qualifikationen benötigt. Im Bereich der Kammerberufe beispielsweise hat sich das Instrument der Qualifikationsanalyse etabliert.33 Bei non-formal erworbenen Qualifikationen steht die Erfassung und Bewertung der erworbenen Potenziale im Fokus. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf eine Empfehlung des Rates der Europäischen Union, zukünftig mehr Gewicht auf die Validierung und (Teil-)Anerkennung informell sowie non-formal erworbener Kompetenzen zu legen. Alle Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, bis zum Jahr 2018 ein System zur Zertifizierung non-formal und informell erworbener Kompetenzen bereitzustellen.34 5. Fazit Der Gesetzgeber hat mit einer Reihe von gesetzlichen Regelungen den Arbeitsmarktzugang von Schutzsuchenden mit einer hohen Bleibeperspektive erleichtert. Das Potenzial dieser Personen soll auch mit Blick auf den in einigen Branchen bereits vorherrschenden Fachkräfteengpass und auf die demografische Entwicklung in Deutschland für den hiesigen Arbeitsmarkt erschlossen werden. Kooperationsverbünde zwischen Bundesbehörden, aber auch regionale Netzwerke, bemühen sich in Modellprojekten, Erfahrungen in der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zu sammeln. Insbesondere die Sprachförderung und die Feststellung der Qualifikationen und Kompetenzen der Schutzsuchenden werden als wichtige Schritte für eine frühzeitige Arbeitsmarktintegration 31 Aumüller, Jutta (2016). Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, S. 28; vgl. Fn 6. 32 Hinte, Holger u.a., Flüchtlinge in Deutschland: Herausforderung und Chancen, in: Wirtschaftsdienst 2015, S. 744-751 (746). 33 Vgl. bag arbeit (Hrsg.), Flüchtlingen Perspektiven geben – Integration durch Bildung und Qualifikation, Ausgabe 01/2016, Berlin, S. 5. 34 Döring, Ottmar u.a. (2015), Potenziale erkennen - Kompetenzen sichtbar machen, Gütersloh, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-052/16 Seite 17 identifiziert. Daher haben vereinzelt regionale Arbeitsagenturen damit begonnen, bereits in den Aufnahmeeinrichtungen Büros zu errichten, um entsprechende Feststellungen treffen zu können. Von besonderem Interesse bei der frühzeitigen Arbeitsmarktintegration von Schutzsuchenden ist in diesem Zusammenhang die Feststellung und Bewertung non-formal erworbener Kompetenzen, um eine bessere Integration in das deutsche Bildungssystem zu erreichen. Ende der Bearbeitung