© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 050/20 Zur Anrechenbarkeit von ausgewählten Vergütungsbestandteilen und Sachleistungen auf den gesetzlichen Mindestlohn Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Die Auslegung und Anwendung seiner Regelungen beschäftigt seither Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Rechtsprechung und Literatur. Gemäß § 1 Abs. 1 MiLoG haben Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns durch den Arbeitgeber. Die Vergütung, die ein Arbeitnehmer erhält, besteht regelmäßig aus einer Grundvergütung, zu welcher Zulagen, Zuschläge und Sonderzahlungen hinzukommen können. Bezüglich der Frage der Anrechenbarkeit von zusätzlich zur Grundvergütung gezahlten Arbeitgeberleistungen auf den Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 und 2 MiLoG herrscht eine rege Diskussion. Zudem ist umstritten, inwieweit der Anspruch auf Zahlung von Mindestlohn auch durch Sachleistungen des Arbeitgebers erfüllt werden kann. Das Mindestlohngesetz selbst regelt nicht ausdrücklich, welche Leistungen des Arbeitgebers auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar sein sollen. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus: „Die […] Zahlungen, die eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhält, wenn sie oder er auf Verlangen ein Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet, sind […] nicht berücksichtigungsfähig. Dies gilt etwa für Zulagen/Zuschläge, die voraussetzen, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer – zu besonderen (Tages-) Zeiten arbeitet wie z. B. bei Zuschlägen für Sonn- und Feiertagsarbeit, Nachtzuschlägen, (Wechsel-) Schichtzulagen, regelmäßig auch Überstundenzuschlägen, – unter besonders unangenehmen, beschwerlichen, körperlich oder psychisch besonders belastenden oder gefährlichen Umständen arbeitet, wie z. B. bei Schmutzzulagen, Gefahrenzulagen, – mehr Arbeit pro Zeiteinheit leistet (z. B. bei Akkordprämien) oder eine besondere Qualität der Arbeit (Qualitätsprämien) erbringt.“ 1 Zur Beurteilung der Mindestlohnwirksamkeit von Zahlungen wird vom Bundesarbeitsgericht (BAG) zunächst auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Europäischer Gerichtshof - EuGH) zur EU-Entsenderichtlinie2 zurückgegriffen.3 Dies folgt daraus, dass der allgemeine Mindestlohn ebenso wie die Branchenmindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) ein entsenderechtlicher Mindestentgeltsatz ist und nach § 20 MiLoG auf nach 1 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28. Mai 2014. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz). Bundestagsdrucksache 18/1558, S. 67. 2 Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen. 3 BAG Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 374/16 – NZA 2017, 378, 379, Leitsatz; so auch: Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28. Mai 2014. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz ). Bundestagsdrucksache 18/1558, S. 67; Franzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 1 MiLoG Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 050/20 Seite 5 Deutschland entsandte Arbeitnehmer Anwendung findet.4 Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs sollen diejenigen Vergütungsbestandteile in den Mindestlohn einbezogen werden, die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung, die er für seine Leistung erhält, nicht verändern.5 Die Prüfung, ob ein bestimmter Vergütungsbestandteil in den Mindestlohn einbezogen werden kann, obliege den innerstaatlichen Gerichten.6 Das Bundesarbeitsgericht stellt in Entscheidungen zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz zur Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Leistung des Arbeitgebers auf den Mindestlohn anrechenbar ist, auf Art und Zweck der Leistung ab.7 Sofern zwischen dem Zweck der Arbeitgeberleistung und dem Zweck des Mindestlohns funktionale Gleichwertigkeit besteht, soll die erbrachte Leistung auf den zu erfüllenden Mindestlohnanspruch anrechenbar sein.8 In einem ersten Schritt muss also die Funktion der Arbeitgeberleistung bestimmt werden, um dann in einem zweiten Schritt festzustellen, ob die Leistung sich auf die geleistete Arbeit bezieht, die mit dem Mindestlohn abgegolten werden soll.9 Das Bundesarbeitsgericht hat seine im Rahmen des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes entwickelte Rechtsprechung nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes nach den im Folgenden dargestellten Grundsätzen weiterentwickelt. 2. Zulagen und Zuschläge Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig, denn der Mindestlohn sei ausweislich § 1 Abs. 2 Satz 1 Mi- LoG „je Zeitstunde“ festgesetzt.10 Grundsätzlich sollen insofern alle Zulagen und Zuschläge auf den Mindestlohn anrechenbar sein mit Ausnahme von solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen.11 4 Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz, 1. Auflage 2015, § 1 Rn. 102. 5 EuGH Urteil vom 14. April 2005 – C-341/02 – NZA 2005, S. 573, 575; EuGH Urteil vom 7. November 2013 – C-522/12 – NZA 2013, S. 1359, 1361. 6 EuGH Urteil vom 7. November 2013 – C-522/12 – NZA 2013, S. 1359, 1361. 7 BAG Urteil vom 18. April 2012 – 4 AZR 139/10 – NZA 2013, S. 392, 394 f.; BAG Urteil vom 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – NZA 2014, S. 1277, 1280. 8 BAG Beschluss vom 18. April 2012 – 4 AZR 168/10 – NZA 2013, S. 386, 389. 9 BAG Beschluss vom 18. April 2012 – 4 AZR 168/10 – NZA 2013, S. 386, 389. 10 BAG Urteil vom 24. Mai 2017 – 5 AZR 431/16 – NZA 2017, S. 1387, 1388. 11 BAG Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – NZA 2016, S. 1327, 1330. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 050/20 Seite 6 Nach diesen Grundsätzen hat das Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass Zuschläge für Sonnund Feiertagsarbeit12, Akkordlöhne13, Schichtzulagen,14 Nähprämien15, Treueprämien16, Vertretungsprämien 17, Anwesenheitsprämien18 sowie „Immerda-“, „Leergut-“ und „Ordnungs- und Sauberkeitsprämien “19 auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch anrechenbar sind. Demgegenüber sollen Nachtarbeitszuschläge nicht auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar sein.20 Dies begründet das Bundesarbeitsgericht damit, dass Nachtarbeitszuschläge gemäß § 6 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) gesetzlich geschuldet sind, woraus sich eine besondere gesetzliche Zweckbestimmung ergebe.21 Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm sind jedoch Nachtzuschläge, die nicht nach § 6 Abs. 5 ArbZG geschuldet sind, sondern aufgrund einer betrieblichen Übung gezahlt werden, mindestlohnwirksam.22 Zur Anrechenbarkeit von Überstundenzuschlägen auf den gesetzlichen Mindestlohn liegt bisher noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass Überstundenzuschläge anrechnungsfähig seien.23 Dies wird jedoch teilweise auf die Arbeitszeit begrenzt, die die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit nicht überschreitet.24 Andere Autoren verneinen dagegen die Anrechenbarkeit von Überstundenzuschlägen mit der Begründung, dass Überstundenzuschläge eine Kompensation dafür seien, dass der Arbeitnehmer auf einen Teil seiner Freizeit verzichte, um eine Arbeitsleistung in einem für ihn ungünstigen Zeitraum zu erbringen. Zudem entstehe andernfalls 12 BAG Urteil vom 24. Mai 2017 – 5 AZR 431/16 – NZA 2017, S. 1387. 13 BAG Urteil vom 6. September 2017 – 5 AZR 317/16 – NZA 2017, S. 1463. 14 BAG Urteil vom 22. März 2017– 5 AZR 424/16 – NZA 2017, S. 1073, 1075. 15 BAG Urteil vom 6. September 2017 – 5 AZR 441/16 – DStR 2017, S. 2830. 16 BAG Urteil vom 22. März 2017– 5 AZR 424/16 – NZA 2017, S. 1073, 1075. 17 BAG Urteil vom 25. April 2018 – 5 AZR 424/16 – NZA 2018, S. 1145, 1148. 18 BAG Urteil vom 6. Dezember 2017 – 5 AZR 864/16 – NZA 2018, S. 525, 527. 19 BAG Urteil vom 8. November 2011 – 5 AZR 692/16 – DStR 2018. S. 930. 931. 20 BAG Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – NZA 2016, S. 1327, 1330. 21 BAG Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – NZA 2016, S. 1327, 1330. 22 LAG Hamm Urteil vom 29. November 2017 – 6 Sa 620/17 – DStR 2018, S. 367. 23 Franzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 1 MiLoG Rn. 13; Weigert, Die Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn, NZA 2017, S. 745, 748; Lembke, Das Mindestlohngesetz und seine Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Praxis, NZA 2015, S. 70, 76. 24 Franzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 1 MiLoG Rn. 13 von einer durchschnittlichen Arbeitszeit in Deutschland von circa 41 Stunden pro Woche und circa 176 Stunden pro Monat ausgehend. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 050/20 Seite 7 ein Anreiz für Arbeitgeber, eine möglichst geringe vertragliche Arbeitszeit mit einem unter dem Mindestlohn liegenden Stundenlohn zu verbinden.25 3. Sonderzahlungen Unter Verweis auf eine zum Entsenderecht ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Anrechenbarkeit von Urlaubsgeld26 geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld nur dann als Bestandteil des Mindestlohns gewertet werden können, wenn der Arbeitnehmer den auf den Entsendezeitpunkt entfallenden anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält.27 Das Bundesarbeitsgericht hingegen differenziert auch in Bezug auf Sonderzahlungen nach Art und Zweck der Sonderzahlung. So seien monatlich ausgezahlte Jahressonderzahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, deren jeweilige Höhe abhängig von der Anzahl der Arbeitsmonate im Jahr ist, auf den Mindestlohn anzurechnen. Derartige an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfende monatliche Zahlungen seien als Gegenleistung des Arbeitgebers für die geleistete Arbeit des Arbeitnehmers zu qualifizieren.28 Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gilt jedoch dann etwas anderes, wenn gezahltes Urlaubsgeld Zwecke erfüllt, die von der Arbeitsleistung unabhängig sind.29 Sofern der Anspruch auf Urlaubsgeld nach tarifvertraglichen Bestimmungen akzessorisch zu dem Entstehen des Anspruchs auf Erholungsurlaub selbst sei, diene ein je genommenen Urlaubstag gezahltes Urlaubsgeld dem Zwecke der Erholung.30 Zur Beurteilung des mit einem gezahlten Urlaubsgeld verfolgten Zwecks zog das Bundesarbeitsgericht also die vertraglichen Regelungen zur Entstehung des Urlaubsgeldanspruchs und den Auszahlungszeitpunkt heran. 25 Vgl. Greiner in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching BeckOK, Arbeitsrecht, 55. Edition Stand: 1. März 2020, § 1 MiLoG Rn. 34; Vogelsang in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Auflage 2019, § 66 Rn. 30; Däubler, Der gesetzliche Mindestlohn – doch eine unendliche Geschichte?, NJW 2014, 1924, 1926. 26 EuGH Urteil vom 14. April 2005 – C-341/02. 27 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28. Mai 2014. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz). Bundestagsdrucksache 18/1558, S. 67. 28 BAG Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – NZA 2016, S. 1327, 1330. 29 BAG Urteil vom 20. September 2017 – 10 AZR 171/16 – NZA 2018, S. 53, 54 f. 30 BAG Urteil vom 20. September 2017 – 10 AZR 171/16 – NZA 2018, S. 53, 54 f. unter Verweis auf BAG Urteil vom 22. Juli 2014 – 9 AZR 981/12 – NZA 2014, S. 1136, 1138: In diesem Fall stellt das BAG fest, dass ein Urlaubsgeld , welches pro genommenen Urlaubstag gezahlt wird, nicht der Vergütung einer Arbeitsleistung dienen soll. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 050/20 Seite 8 4. Sachleistungen Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbart werden, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Ob Sachbezüge auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar sind, wurde vom Bundesarbeitsgericht bisher noch nicht entschieden. In der Literatur wird die Anrechnungsfähigkeit zum Teil mit der Begründung verneint, dass der Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG als Zahlung eines Geldbetrags zu leisten sei.31 Die Vereinbarung einer Sachleistungspflicht sei eine nach § 3 Abs. 1 MiLoG unwirksame Beschränkung des Anspruchs auf Mindestlohn.32 Eine lediglich dem Geldwert entsprechende Sachleistung könne den als Geldsummenleistung ausgestalteten Mindestlohnanspruch insofern nicht erfüllen. Hierfür spreche auch, dass dem Arbeitnehmer der Mindestlohn nach Sinn und Zweck des Mindestlohngesetzes als Mindestbetrag tatsächlich zur Verfügung stehen soll.33 Nach anderer Ansicht ist die Anrechenbarkeit von Sachleistungen, die nach § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO zulässig sind, auf den Mindestlohnanspruch zu bejahen. Zur Begründung wird angeführt, dass § 107 Abs. 2 GewO Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts ausdrücklich zulässt.34 Aus dem Gesetzestext könne zudem nicht darauf geschlossen werden, dass der Mindestlohnanspruch als Geldsummen - und nicht als Geldwertschuld ausgestaltet sei.35 Da der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO dem Arbeitnehmer ohnehin in Geld auszuzahlen ist und der Mindestlohn sich an den Pfändungsfreigrenzen orientieren soll, wird die praktische Bedeutung der Anrechnung von Sachleistungen auf den Mindestlohnanspruch ohnehin für gering gehalten.36 5. Fazit Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes hat das Bundesarbeitsgericht eine Vielzahl von Einzelfällen über die Anrechenbarkeit von Leistungen des Arbeitgebers auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch entschieden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass es dem Gericht dabei stets wesentlich auf den mit der Zahlung der jeweiligen Leistung verfolgten Zweck ankam. *** 31 Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz, 1. Auflage 2015, § 1 Rn. 80; Vogelsang in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch , 18. Auflage 2019 § 66 Rn. 33; Lembke, Das Mindestlohngesetz und seine Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Praxis, NZW 2015, S. 70, 75. 32 Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz, 1. Auflage 2015, § 1 Rn. 81. 33 Lembke, Das Mindestlohngesetz und seine Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Praxis, NZW 2015, S. 70, 75. 34 Franzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 1 MiLoG Rn. 6; Weigert, Die Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn, NZA 2017, S. 745, 750. 35 Weigert, Die Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn, NZA 2017, S. 745, 750. 36 Franzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020; § 1 MiLoG Rn. 6; Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz, 1. Auflage 2015, § 1 Rn. 81.