Rechte aus UN-Konvention/Behindertengleichstellungsgesetz in Bezug auf Teilhabe am öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie Internetangeboten von Staat/Parteien - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 050/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Rechte aus UN-Konvention/Behindertengleichstellungsgesetz in Bezug auf Teilhabe am öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie Internetangeboten von Staat/Parteien Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 050/09 Abschluss der Arbeit: 15. Mai 2009 Fachbereich WD 6: Arbeit und Soziales Der Fachbereich WD 2 - Auswärtiges, Völkerrecht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, , hat bei Punkt 7. einen eigenen Beitrag zugeliefert. Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - Zusammenfassung Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) enthält keine besonderen Regelungen für den audiovisuellen Bereich. Soweit nicht besondere gesetzliche oder verordnungsrechtliche Vorschriften entgegenstehen, sollen zur Herstellung der Barrierefreiheit jedoch Zielvereinbarungen zwischen Verbänden , die nach § 13 Abs. 3 anerkannt sind, und Unternehmen oder Unternehmensverbänden der verschiedenen Wirtschaftsbranchen für ihren jeweiligen sachlichen und räumlichen Organisations- oder Tätigkeitsbereich getroffen werden. Einige Bundesländer haben in Ländergesetzen Regelungen zur Herstellung der Barrierefreiheit der Medien für behinderte Menschen getroffen. Im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄndStV) wurde erstmals eine Regelung zur Barrierefreiheit im Fernsehen aufgenommen. ARD und ZDF haben Selbstverpflichtungsprogramme zur Integration und Teilhabe behinderter Menschen. Voraussetzung für die Gewährung eines subjektiven Rechts durch die UN- Behindertenrechtskonvention ist, dass die betreffende Bestimmung inhaltlich hinreichend bestimmt ist, keines innerstaatlichen Vollzugsaktes mehr bedarf und den Einzelnen berechtigen will. Ob dies der Fall ist, ist für jede ihrer Vertragsbestimmungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles gesondert zu überprüfen . - 4 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Ableitbare Rechte aus dem Behindertengleichstellungsgesetz 5 1.1. Regelungen einiger Bundesländern 5 1.1.1. Bayern 5 1.1.2. Berlin und Brandenburg 6 1.1.3. Hessen 6 1.1.4. Nordrhein-Westfalen 7 1.1.5. Saarland 7 2. Regelungen im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag 7 3. Selbstverpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Integration und Teilhabe behinderter Menschen 8 3.1. Leitlinien der ARD 8 3.2. Selbstverpflichtungserklärung des ZDF 9 3.2.1. Programmperspektiven des ZDF 2004-2006 9 3.2.2. Programmperspektiven des ZDF 2009-2010 9 4. Könnte Artikel 5 Grundgesetz der Herstellung von Barrierefreiheit im Fernsehen entgegenstehen? 9 5. Vorschriften zur Gestaltung des Internetangebots für Träger öffentlicher Gewalt 10 5.1. § 12 BBG Vertretungsbefugnisse in verwaltungs- oder sozialrechtlichen Verfahren 11 6. Vorschriften zur Gestaltung von Internetangeboten von Parteien 11 7. Ableitbare Rechte aus der UN-Konvention 12 - 5 - 1. Ableitbare Rechte aus dem Behindertengleichstellungsgesetz Am 1.5.2002 trat das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) in Deutschland in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Das erste Ziel, das Benachteiligungsverbot, ist in § 7 als konkrete Verpflichtung ausgestaltet worden. Diese Verpflichtung richtet sich allerdings nur an die Behörden des Bundes (§ 7 Abs. 1 Satz 1) und darüber hinaus auch an die Landesbehörden, allerdings nur, soweit diese Bundesrecht ausführen (§ 7 Abs. 1 Satz 2). Besondere Regelungen für den audiovisuellen Bereich sieht das Gesetz nicht vor; soweit nicht besondere gesetzliche oder verordnungsrechtliche Vorschriften entgegenstehen , sollen zur Herstellung der Barrierefreiheit Zielvereinbarungen zwischen Verbänden , die nach § 13 Abs. 3 anerkannt sind, und Unternehmen oder Unternehmensverbänden der verschiedenen Wirtschaftsbranchen für ihren jeweiligen sachlichen und räumlichen Organisations- oder Tätigkeitsbereich getroffen werden. Die anerkannten Verbände können die Aufnahme von Verhandlungen über Zielvereinbarungen verlangen. (§ 5 BBG). Weitere Ausführungen unter Punkt 4.. 1.1. Regelungen einiger Bundesländern Einige Bundesländer haben in Ländergesetzen Regelungen zur Herstellung der Barrierefreiheit der Medien für behinderte Menschen getroffen. Hierbei wurde auch das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) berücksichtigt . Das AGG muss dort, wo seine Bestimmungen konkreter und/oder weitergehender als die Landesgesetze sind, in letztere hineingelesen werden. 1.1.1. Bayern Bayern hat in Art. 14 des Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung (Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz – BayBGG) vom 9. Juli 2003 folgende Regelung getroffen: „Art. 14 – Barrierefreie Medien - 6 - 1 Der Bayerische Rundfunk und die Bayerische Landeszentrale für neue Medien sollen ferner die Ziele aus Art. 1 bei ihren Planungen und Maßnahmen beachten. 2 Hierzu sollen insbesondere Fernsehprogramme untertitelt sowie mit Bildbeschreibungen für blinde , erblindete und sehbehinderte Menschen versehen werden. 3 Diejenigen Träger öffentlicher Gewalt im Sinn des Art. 9 Abs. 1 Satz 1, denen kommunikationspolitische Angelegenheiten übertragen sind, sollen darauf hinwirken, dass auch der von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 nicht erfasste öffentlichrechtliche Rundfunk im Rahmen der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten die in Art. 1 genannten Ziele aktiv fördert und bei der Planung von Maßnahmen beachtet.“ (Ziele aus Art. 1 BayBGG: „Ziel dieses Gesetzes ist es, das Leben und die Würde von Menschen mit Behinderung zu schützen, ihre Benachteiligung zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten, ihre Integration zu fördern und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei gilt der Grundsatz der ganzheitlichen Betreuung und Förderung. Den besonderen Bedürfnissen wird Rechnung getragen.“) 1.1.2. Berlin und Brandenburg § 4 Abs. 4 S. 1 des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg vom 25.06.2002 lautet: "Bei der Gestaltung seiner Programme berücksichtigt der Rundfunk Berlin-Brandenburg alle gesellschaftlichen Gruppierungen, insbesondere die Anliegen behinderter Menschen und die Anliegen der Familien und Kinder." 1.1.3. Hessen § 15 des Hessisches Behinderten-Gleichstellungsgesetzes – HessBGG regelt: „§ 15 – Barrierefreie Medien (1) Der Hessische Rundfunk soll die Ziele des § 1 bei seinen Planungen und Maßnahmen beachten. Hierzu sollen insbesondere Fernsehprogramme untertitelt sowie mit Bildbeschreibungen für blinde, erblindete und sehbehinderte Menschen versehen werden . Die Intendantin oder der Intendant des Hessischen Rundfunks berichtet dem Rundfunkrat regelmäßig über die getroffenen Maßnahmen. (Ziele des § 1: „Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung behinderter Menschen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei wird besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen .“) - 7 - (2) Die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk setzt sich dafür ein, dass auch private Fernsehveranstalter im Rahmen ihrer technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten bei ihren Fernsehrprogrammen Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 2 ergreifen.“ 1.1.4. Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen ist zum 1. Januar 2004 das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in Kraft getreten, das im Wesentlichen gleichlautende Regelungen im Verhältnis zu dem Bundesgesetz enthält. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) ist im Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausdrücklich genannt. 1.1.5. Saarland Regelung im Rahmen des Saarländischen Behindertengleichstellungsgesetzes – SBGG „§ 9 Barrierefreie Medien Die in § 4 Abs. 1 genannten Stellen, denen kommunikationspolitische Angelegenheiten übertragen sind, sollen darauf hinwirken, dass sowohl der von § 4 Abs. 1 erfasste öffentlich -rechtliche Rundfunk als auch der von § 4 Abs. 1 nicht unmittelbar erfasste private Rundfunk im Rahmen der technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten die in § 1 genannten Ziele aktiv fördert und bei der Planung von Maßnahmen beachtet.“ 2. Regelungen im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag Der Landtag in Schleswig-Holstein hat am 5. September 2007 beschlossen: “Öffentlichrechtliche Rundfunkanbieter müssen langfristig alle, bis zum Jahr 2012 die Hälfte ihrer Programmangebote untertitelt oder mit Gebärdendolmetschern anbieten” (Landtag Schleswig-Holstein: Drucksache 16/1518). Sollte dies verbindlich sein, dann müssten alle weiteren 15 Bundesländer dieser Regelung im Rahmen des Rundfunkstaatsvertrags jedoch zustimmen. In den entsprechenden Entwurf der Ministerpräsidenten zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄndStV)1 wurde daraufhin erstmals eine - zwar deutlich schwächere - Regelung zur Barrierefreiheit im Fernsehen aufgenommen und mit Wirkung zum 1. Juni 2009 umgesetzt. Sie lautet: „Die Veranstalter … sollen über ihr bereits bestehendes Engagement hinaus im Rahmen ihrer technischen und finanziellen Möglichkeiten barrierefreie Angebote vermehrt aufnehmen.“ 1 Verkündet als Art. 1 G. v. 24. 3. 2009 (GBl. S. 130); Inkrafttreten gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 dieses G am 28. 3. 2009. - 8 - 3. Selbstverpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Integration und Teilhabe behinderter Menschen Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich freiwillige Selbstverpflichtungen auferlegt , nach denen sie Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen ihre Programmangebote zur Verfügung stellen: 3.1. Leitlinien der ARD Die Leitlinien für die Programmgestaltung der ARD 2009/2010, Ziffer 7 regeln: „Die Integration und Teilhabe behinderter Menschen stellt für die ARD eine Querschnittsaufgabe dar, die sie als Bestandteil ihres Auftrags erfüllt. In diesem Rahmen ist es der ARD ein Anliegen, behinderte Menschen zu fördern, in der Programmgestaltung zu berücksichtigen und ihr umfangreiches barrierefreies Angebot für Menschen mit Behinderungen in ihren Programmen und Angeboten weiter auszubauen. Die ARD nimmt ihre Verantwortung für behinderte Zuschauerinnen und Zuschauer unter anderem wahr, indem sie in ihren Programmen Berichte und Sendungen anbietet, die sich mit deren Situation auseinandersetzen und die betroffenen Menschen beteiligt. Die ARD verpflichtet sich, Menschen mit Behinderung, den geltenden Gesetzen entsprechend , eine umfassende und gleichberechtigte Teilhabe am Programm zu ermöglichen und ihnen einen barrierefreien Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Der ARD-Text wird das im Bereich Live-Untertitelung erworbene Know-how erweitern , um qualitative Verbesserungen und weiteren Ausbau der Untertitelung möglich zu machen. Die ARD verfolgt das Ziel, Hörfilmfassungen nach den gängigen technischen Standards von geeigneten Fernsehfilmen und Spielfilmen für sehbehinderte und blinde Menschen dauerhaft anzubieten. Die technischen Probleme beim Empfang von Filmen mit Audiodeskription sollen so bald wie möglich gelöst werden. Die Onlineredaktionen der ARD werden weiter entsprechend ihrem Maßnahmenkatalog zu Barrierefreiheit in weiteren Angebotsteilen Barrieren abbauen. Dies ist ein kontinuierlichen redaktioneller und technischen Prozess, der den jeweils aktuellen technischen Standards angepasst werden soll.“ - 9 - 3.2. Selbstverpflichtungserklärung des ZDF 3.2.1. Programmperspektiven des ZDF 2004 - 2006 In den Programmperspektiven des ZDF 2004-2006 heißt es: „Das ZDF wird zur Unterstützung des gesellschaftlichen Integration behinderter Menschen sein Angebot an live untertitelten aktuellen Sendungen für Hörgeschädigte weiter ausbauen.“ Seit 15. Oktober 2007 strahlt das ZDF digital über Kabel und Satellit DVB-Untertitel für Hörgeschädigte und Gehörlose aus. Die DVB-Untertitel werden von der Set-Top- Box meist automatisch wiedergegeben. Für Sehbehinderte Zuschauer bietet das ZDF über die digitalen Verbreitungswege Kabel , Satellit und Terrestrik auch ausgewählte Sendungen mit Audiodeskription an. 3.2.2. Programmperspektiven des ZDF 2009 - 2010 Für die Behindertenarbeit arbeitet das ZDF weiter mit der Aktion Mensch zusammen. Die 3sat-Reihe Aus anderer Sicht konzentriert in ihren monatlichen Ausgaben die Schilderung persönlicher Schicksale auf Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen. 4. Könnte Artikel 5 Grundgesetz der Herstellung von Barrierefreiheit im Fernsehen entgegenstehen? Der Wissenschaftliche Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat im April 2007 diese Frage im Rahmen einer Ausarbeitung mit folgendem Ergebnis beantwortet 2: „Die barrierefreie Ausgestaltung des Fernsehens gehört zum Grundversorgungsauftrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu erfüllen hat. Der Einführung barrierefreier Verfahren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen steht die nach Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG geschützte Rundfunkfreiheit dem Grunde nach nicht entgegen. Dies gilt grundsätzlich für den Einsatz von Untertitelungen und Gebärdendolmetschern. Allein die Einführung des Verfahrens der Audiodeskription stößt auf Bedenken. Nach dem derzeitigen Stand der Technik kommt es dabei zu unverhältnismäßigen Einbußen der nicht sehgeschädigten Fernsehzuschauer, deren Interessen im Rahmen des Grundversorgungsauftrags durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk gleichermaßen berücksichtigt werden müssen .“ 2 Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Wissenschaftlicher Dienst, Bearbeiterin: Dr. Johanna Litten, 17.04.2007, Umdruck 16/1940 - 10 - 5. Vorschriften zur Gestaltung des Internetangebots für Träger öffentlicher Gewalt Dienststellen und sonstigen Einrichtungen der Bundesverwaltung, einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, Landesverwaltungen, einschließlich der landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, soweit sie Bundesrecht ausführen, sind an die folgende Regelung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BBG) gebunden: „§ 11 BBG Barrierefreie Informationstechnik (1) Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 gestalten ihre Internetauftritte und -angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, nach Maßgabe der nach Satz 2 zu erlassenden Verordnung schrittweise technisch so, dass sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nach Maßgabe der technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten 1. die in den Geltungsbereich der Verordnung einzubeziehenden Gruppen behinderter Menschen, 2. die anzuwendenden technischen Standards sowie den Zeitpunkt ihrer verbindlichen Anwendung, 3. die zu gestaltenden Bereiche und Arten amtlicher Informationen. (2) Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass auch gewerbsmäßige Anbieter von Internetseiten sowie von grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, durch Zielvereinbarungen nach § 5 ihre Produkte entsprechend den technischen Standards nach Absatz 1 gestalten.“ Die Vorschrift betrifft das Verhältnis zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgern; gegenüber den eigenen Mitarbeitern ist die öffentliche Verwaltung bereits aus § 81 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) als Arbeitgeber verpflichtet. Abs. 1 Satz 1 normiert einen Rechtsanspruch behinderter Menschen auf barrierefreie Internetangebote nach Maßgabe der nach Satz 2 erlassenen Rechtsverordnung (Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem BGG – Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung - BITV vom 17. Juli 2002 – BGBl. I S. 2654). - 11 - Die Rechtsverordnung kann unter dem folgenden Link abgerufen werden: http://bundesrecht.juris.de/bitv/ 5.1. § 12 BBG Vertretungsbefugnisse in verwaltungs- oder sozialrechtlichen Verfahren Die Vorschrift normiert die Klagebefugnis bzw. Prozessführungsbefugnis von Verbänden , anstelle des behinderten Menschen und mit seinem Einverständnis um Rechtsschutz nachsuchen zu können. Prozessführungsbefugt sind allerdings nur Verbände, die nach § 13 Abs. 3 BBG anerkannt sind. Im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten oder den Sozialgerichten können allerdings nur Rechte eines behinderten Menschen geltend gemacht werden, die sich aus dem BGG ergeben; das sind die Rechte aus §§ 7 Abs. 2, 7, 8, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1. Außerdem können Ansprüche auf Herstellung der Barrierefreiheit i. S. des § 4 oder auf Verwendung von Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen i. S. des § 6 anhängig gemacht werden (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf in BT-Drucks. 14/7420 S. 30). „§ 12 BBG Vertretungsbefugnisse in verwaltungs- oder sozialrechtlichen Verfahren 1 Werden behinderte Menschen in ihren Rechten aus § 7 Abs. 2, §§ 8, 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 2 oder § 11 Abs. 1 verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände nach § 13 Abs. 3, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen; Gleiches gilt bei Verstößen gegen Vorschriften des Bundesrechts, die einen Anspruch auf Herstellung von Barrierefreiheit im Sinne des § 4 oder auf Verwendung von Gebärden oder anderen Kommunikationshilfen im Sinne des § 6 Abs. 3 vorsehen. 2 In diesen Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den behinderten Menschen selbst vorliegen.“ 6. Vorschriften zur Gestaltung von Internetangeboten von Parteien Parteien sind körperschaftlich organisierte Vereinigungen natürlicher Personen, die auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen wollen, insbesondere durch gewählte Repräsentanten in Volksvertretungen, soweit sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse diese Zielsetzung ernstlich verfolgen. Vorschriften zur barrierefreien Gestaltung der Internetangebote gibt es daher nicht. „§ 2 Parteiengesetz (ParteiG) - Begriff der Partei 1Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung - 12 - Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation , nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. 2Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein.“ Nach eignen Angaben soll der Webauftritt der CDU mit Blickrichtung auf die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung – BITV) entwickelt worden sein. Gegebenfalls fehlenden Anforderungen sollen sukzessive erfüllt werden. Der Internetauftritt der SPD soll aufgrund seiner barrierefreien Struktur einem sehr großen Benutzerkreis mit unterschiedlichen Endgeräten zugänglich sein. Das Konzept der Multi-Content-Box auf der Startseite würde neueste Technologien nutzen. Nach eigenen Angaben strebe die SPD eine weitgehende Konformität mit den Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines an und versteht Barrierefreiheit als kontinuierlichen Prozess. Im Rahmen des Projekts „BIK“ (Barrierefrei Informieren und Kommunizieren), das auf drei Jahre ausgelegt war und gefördert wurde durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, wurden zum Wahlkampf 2005 die Internetseiten der großen Parteien auf Barrierefreiheit gestestet. Das Ergebnis ist abrufbar unter: http://www.bik-online.info/test/wahlkampf_2005/index.php 7. Ableitbare Rechte aus der UN-Konvention Der Barrierefreiheit, die in Deutschland durch das Behindertengleichstellungsgesetz geprägt wird (§ 4 BBG), kommt in der UN-Konvention eine Schlüsselrolle zu. Barrierefreiheit ist als grundlegendes Prinzip in Artikel 3 der Konvention niedergelegt und wird damit zum ersten Mal in einem verpflichtenden internationalen Menschenrechtsinstrument genannt. Die Konvention betont nicht nur, dass alle Menschenrechte und fundamentalen Freiheiten allen behinderten Menschen ebenso zustehen, sondern sie stellt vor allem auch den praktischen Zugang zu diesen Rechten und die Möglichkeit, diese Rechte in Anspruch nehmen zu können, in den Vordergrund. Für den Bereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens könnten insbesondere die nachstehend genannten Artikel relevant sein: - 13 - „Artikel 3 Allgemeine Grundsätze Die Grundsätze dieses Übereinkommens sind: a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit; b) die Nichtdiskriminierung; c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft; d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit; e) die Chancengleichheit; f) die Zugänglichkeit; g) die Gleichberechtigung von Mann und Frau; h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität.“ Artikel 9 Abs. 1 der Konvention legt deshalb dar, in welchen Bereichen die Vertragsstaaten auf jeden Fall für Barrierefreiheit sorgen müssen. Dazu gehören ausdrücklich die Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systeme. „Artikel 9 Zugänglichkeit (1) Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten. Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und - barrieren einschließen, gelten unter anderem für a) Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden und im Freien, einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungen und Arbeitsstätten; b) Informations-, Kommunikations- und andere Dienste, einschließlich elektronischer Dienste und Notdienste. (2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeignete Maßnahmen, - 14 - a) um Mindeststandards und Leitlinien für die Zugänglichkeit von Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, auszuarbeiten und zu erlassen und ihre Anwendung zu überwachen; b) um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, anbieten, alle Aspekte der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen ; c) um betroffenen Kreisen Schulungen zu Fragen der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen anzubieten; d) um in Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen , Beschilderungen in Brailleschrift und in leicht lesbarer und verständlicher Form anzubringen; e) um menschliche und tierische Hilfe sowie Mittelspersonen, unter anderem Personen zum Führen und Vorlesen sowie professionelle Gebärdensprachdolmetscher und -dolmetscherinnen, zur Verfügung zu stellen mit dem Ziel, den Zugang zu Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen , zu erleichtern; f) um andere geeignete Formen der Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen zu fördern, damit ihr Zugang zu Informationen gewährleistet wird; g) um den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu den neuen Informations - und Kommunikationstechnologien und -systemen, einschließlich des Internets, zu fördern; h) um die Gestaltung, die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb zugänglicher Informations- und Kommunikationstechnologien und - systeme in einem frühen Stadium zu fördern, sodass deren Zugänglichkeit mit möglichst geringem Kostenaufwand erreicht wird.“ Im Bereich des barrierefreien Zugangs zu Informationen konkretisiert auch Artikel 21 der Konvention zum Recht der freien Meinungsäußerung und dem Zugang zu Informationen die Aufgaben des Vertragsstaates. Auch hiernach, ebenso wie in Artikel 9, müssen private Rechtsträger, die Dienste für die Allgemeinheit anbieten sowie die Massenmedien dazu aufgefordert und ermuntert werden, ihre Dienstleistungen für behinderte Menschen zugänglich zu machen: „Artikel 21 Recht der freien Meinungsäußerung, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten , dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit, einschließlich der Freiheit, Informationen und Gedankengut sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben, gleichberechtigt - 15 - mit anderen und durch alle von ihnen gewählten Formen der Kommunikation im Sinne des Artikels 2 ausüben können, unter anderem indem sie a) Menschen mit Behinderungen für die Allgemeinheit bestimmte Informationen rechtzeitig und ohne zusätzliche Kosten in zugänglichen Formaten und Technologien, die für unterschiedliche Arten der Behinderung geeignet sind, zur Verfügung stellen; b) im Umgang mit Behörden die Verwendung von Gebärdensprachen, Brailleschrift , ergänzenden und alternativen Kommunikationsformen und allen sonstigen selbst gewählten zugänglichen Mitteln, Formen und Formaten der Kommunikation durch Menschen mit Behinderungen akzeptieren und erleichtern; c) private Rechtsträger, die, einschließlich durch das Internet, Dienste für die Allgemeinheit anbieten, dringend dazu auffordern, Informationen und Dienstleistungen in Formaten zur Verfügung zu stellen, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar sind; d) die Massenmedien, einschließlich der Anbieter von Informationen über das Internet, dazu auffordern, ihre Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu gestalten; e) die Verwendung von Gebärdensprachen anerkennen und fördern.“ Bei der Zugänglichmachung von Informations-, Kommunikations- und anderen Diensten , einschließlich elektronischen Diensten und Notdiensten muss die Definition von Kommunikation in Artikel 2 der Konvention berücksichtigt werden. Anzuerkennende Formen der Kommunikation sind demnach: "Sprachen, Textdarstellung, Brailleschrift, taktile Kommunikation, Großdruck, barrierefreies Multimedia sowie schriftliche, auditive, in einfache Sprache übersetzte, durch Vorleser zugänglich gemachte sowie ergänzende und alternative Formen, Mittel und Formate der Kommunikation, einschließlich barrierefreier Informations- und Kommunikationstechnologie ." "Sprache umfasst Laut- und Gebärdensprache sowie andere nichtsprachliche Kommunikationsformen" (Art. 2 Abs. 2 und 3 der Konvention). Diese Auflistung ist detaillierter als in den Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes und der entsprechend erlassenen Verordnungen. Insbesondere werden durch die Einbeziehung der "einfachen Sprache" auch Menschen mit seelischen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen berücksichtigt. Hieraus würde sich für das Behindertengleichstellungsgesetz ein Nachbesserungsbedarf ergeben. Weitere Ausführungen können dem Sachstand WD 2 (Reg.-Nr. 3000 - 51/09) entnommen werden.